Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.11.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903112001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903112001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-20
- Monat1903-11
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
97. Jahrgang. Nr. 889. Freitag den 20. November 1003. Das MltkirWt ilönl"Stmnk in England. -Ltt Besuch, den das Königspaar von Italien in diesen Tagen dem britischen ÜönigShvse abstattet, Ist einerseits die Vrflitlung einer yöfischrn Pflicht, die Erwiderung der Älskt«, weiche König Eduard Iw vorigen Frühjahr in Nom abstattete; aber aiederscits ist er ein politisches Ereignis, welches im Hinblick auf die Mittclmeerfrag« und die viel tkMSrkt« fdänzösisch-engtisch«, wie srauMsch-italienische RuNähernng nicht zu unterschätzen Ist. Zwischen England «nb Italien hat bekanntlich jahrelang ein Inniges Freund schaftsverhältnis bestanden. Es war das die Folge des Anschlusses Italiens an die mitteleuropäischen Kaiser- «ttlchtk. Letzteres bewirkte die Haltung Frankreichs Und ^it wilde, Nizza uttid Savoyen fordernde Agitation der Pariser Chauvinisten. Die unfreundlichen Beziehungen zur romanischen Schwesternation hatten nun in Nom den 'Gedanken an Rückendeckung im Mittelländischen Meere Nahegelcgt. Und dazu fand sich England anscheinend bereit. Man tvriß in'des, wir Großbritannien die Freund schaft Italiens ausgenutzt hat, wie es Mit Worten rasch bei der Hand war, aber in kritischen Momenten stets ver sagte. Die Mißerfolge der italienischen Kolonialpvlttik in Afrika sind vorwiegend auf das britische Konto zu setzen und im Osten 'Asiens bei dem Versuche, sich in der Amvy- Lttcht skstjusetzen, wurden die Italiener von ihren Bundes- -enossen ebenfalls schnöde im Stich gelassen. Daß sie end lich In der marokkanischen Frage nicht «die Nolle spielen konnten, zu der sie sich berechtigt fühlten, hatten sie allein der ^Freundschaft" der vritcu zu danken. Es war daher natürlich, daß die Erkenntnis von der englischen Unzuverlässigkeit sich mehr und mehr in Italien Susbreitete und schließlich auch auf die politischen Be ziehungen beider Negierungen cinwirktr. Als dann Italien sich den Franzosen auffällig näherte, da konnte es in London nicht zweifelhaft sein, daß das vorwiegend zu dem Zwecke geschehe, von der britischen Vormundschaft sich zu befreien und durch eine Verständigung Mit der Re publik seine Stellung im Mittelmcere neu zu festigen. Ob dies« Rechnung sich in allem als zutreffend erwies, wollen wir zunächst nicht untersuchen. In England aber hat die Aktion Italiens ihren Etwöruck nicht verfehlt und an der Themse eine gewisse Bestürzung wachgerusen. So sehr man dort die Willfährigkeit Italiens zu mißbrauchen pflegte und sich nichts Anderes denken konnte, als daß diese Macht immer im britischen Kielwasser segeln würde, so wußte man doch, wie wertvoll die VuNbeSgenossenschaft für die englischen Interessen im Mittelländischen Meere war. Daraufhin fand brr Besuch König Eduards im vorigen Frühjahr zu Nom statt, welcher eines anscheinend zu stände brachte: die Beseitigung mancher Mißverständ nisse und «ine politische Wiederannäherung. Es ist über die damalige Reise des Königs, die be kanntlich tm Zusammenhänge mit einer Fahrt nach Paris erfolgte, viel gesprochen worben, und manche glaubten «in« neue Gruppierung der Westmächte hervortreten zu sehen, deren Spitze sich direkt gegen Rußland richte. Diese Annahme war jedoch entschieden voreilig. Frank reich wirb für englische Versprechungen bie Freundschaft Rußlands gewiß nicht opfern, und Italien hat so oft das Verlangen mach Annäherungen ans Zarenreich bekundet, haß eS wegvn der unterblieben«« Katserreise schwerlich seine Politik in dieser Hinsicht ändern wird. Dagegen ist «S denkbar, baß in Nom während brr Anwesenheit beS Königs von England die Mittclmeerfragen, unter denen die nordafrikantsch« obenan steht, einer ausführlichen Be sprechung unterzogen worden sind, und daß Italien mit dem Verlauf brr Verhandlungen nicht unzufrieden ge wesen ist. Nach allem, was bisher von etwaigen Abmachungen unter den Mächten üöcr diese Angelegenheit bekannt ge worden war, sckstrn man Italien ausschatten zu wollen. Arsnkretch sollte das Protektorat über Marokko erhalten, Spanien den Landstrich -wischen langer und Leuia, Tanger sollte Freihafen werden und auch England wäre bedacht worben. Nur von Italien ist «dabei nicht die Rebe gewesen, obwohl es bei der Aufteilung des Sultanats als Mittel- Meerstaat ein lebhaftes Interesse besitzt. Einstweilen hat die Frage freilich noch keinen aktuellen Charakter ange nommen und die Teilung liegt noch in der Fern«; aber trotzdem wär« eS nur Pflicht der quirtnalischen Diplo matie gewesen, wenn sie sich für bie Zukunft schützen wollte und auf der Abgrenzung der nordasrikamschcn Interessensphären bestanden hätte. Darüber ist jeden falls zwischen bin Staatsmännern von Paris und Rom verhandelt worben und man hat vermutlich eine Einigung eingclettet. Die Teilnahme Englands an der Annähe rung der romanischen Staaten und der Besuch beS KönigS an der Ti-er würden sich daraus zur Genüge erklären. KaS man im Frühjahr gelegentlich der Anwesenheit des Königs Eduard begonnen hat, wirb man vermutlich letz» in Kvu-on sortsetzen. Dir «öttlgSbegegnuttg muß ßeStzSt- stzr dis tttMetVeeran-eleseuchetteü uüd di« marokkanische Frage als überaus bedeutsam erscheinen. Sind die drei Staaten unter sich einig, so werden sie die Tinge im Norden Afrikas nach eigenem Gutdünken ent scheiden, ohne sich viel um diejenigen Mächte zu kümmern, bie cs unterließen, ihre Interessen rechtzeitig wahr- züüchmen. Ein Umstand ist hier noch zu berücksichtigen: die plötzliche Reise des Grafen Lambsdorff nach Paris, die mit dem Balkan und dem Bestreben, den „Abfall" Frankreichs vom Ziveibunde zu verhüten, in Zusammen. Hang gebracht wnrdc, die aber jedenfalls auch den: Mittel ländischen Meere nnd Marokko gegolten hat. Rnßland hat dorthin, wie bekannt, ebenfalls begehrliche Blicke ge worfen. Hat diese Reise Erfolg gehabt, so wäre der Aus bruch erlistet Streitigkeiten wegen Nordafrikas nicht zu besorgen, und es bliebe nur die Frage offen, wie weit der d e u t s ch e H a n ü e l zu seinem Rechte kommen wird. Andere Interessen besitzen wir znr Zeit dort allerdings Nicht, aber auch diese könnten gefährdet werden, wenn die Engländer odct die Franzosen, oder beide zusammcü, mit den Rusten und Ita.icncrn die Geschicke des Landes be stimmen. Tic Königsreise an die Thcnrse erfordert des- halb aufmerksame Beobachiung und darf nicht als ein nur die Engländer und die romanischen Staaten berührendes Ereignis angesehen werben. Ein katholisches Urteil über den Frrtherrn H-olf von LerUchinaen. Im „Schwäö. Merk." unterzieht ein württembergischcr Katholik bie Tätigkeit des in letzter Zeit zu unrühmlicher Popularität gelangten Freiherrn A. v. Berlichingen der folgenden Kritik: Bor einem Monat hielt der in letzter Zeit vielgenannte Erjesuit v. Bert ich in gen in der katholische» Stadt» Pfarrkirche in Mergentheim eine Woche lang je morgens und abends Vorträge religiösen Inhalts. Auch der Einsender dieser Zeilen, Kathol.k, hörte einen dieser Vorträge, allerdings nur einen einzigen; mehr zu hören, verspürte er kein Verlangen. Neuerdings nun verlautet, daß Berlichingen nächstes Frühjahr zur Fortsetzung seiner Vorträge wieder nach Mergentheim kommen werde. Letzterer Umstand namentlich ist eS, der den Einsender veranlaßt, nachträgl ch noch gegen die Tätigkeit dieses Mannes entschiedenen Widerspruch zu erheben. ES war freilich zum voraus zu erwarten, daß ein Mann, dem die Agitation gegen den Protestantismus L.-benc-be- dürfnis zu sein scheint, auch in Mergentheim Entsprechen des leisten würde. So war eS denn auch. Berlichingen begnügte sich Nicht damit, die Lehren und Einrichtungen der katholischen Kirche als Vie allein richtigen und ver- nünst gen zu beweisen, sondern er griff auch direkt mit Namensnennung L u t h e r und die evangelische Kirche scharf an und bemühte sich, eingehend zu zeigen, wie unsinn g nnd unvernünftig die Lehrmeinungen und Gebräuche derselben seien, so baß jeder, der noch auf fünf zählen könne, sie als Torheit erkennen müsse. Sicherlich waren unter den Zuhörern manche — ob man freilich hoffen darf, daß cs viele waren, ist fraglich —, die mit dem letzteren Teile seiner Predigt nicht einverstanden waren. Und gew ß verdient dieselbe die schärfste Mißbilligung. Genügt es denn wirklich nicht, wenn der Prediger seinen Gläubigen die Nichtigkeit des eigenen Glaubens und der cioenen Lehre beweist? Ist eS durchaus nötig, dah zur Stärkung des eigenen Glaubens die anders Denkenden angegriffen und schlecht gemacht werden müssen? Ist die Kanzel der katholischen Stadtpsarrkirche dazu da, baß man von hier ans den abweichenden Glauben der Evangelischen als Unsinn brandmarkt und auf diese Weise herabsetzt und beschimpft? Hat man denn gerade tu Mergentheim irgend welche Ursache, die Evangelischen anzugrrifen? Wahrlich, die Katholiken Mergentheims geniesten doch bie denkbar größte Freiheit in der Ausübung ihrer Religion! Niemand stört oder behelligt sie dabei! Sie haben jeden Sonntag reichliche Gelegenheit, Mellen und Predigten zu hören, wo sie nur wollen. Und wem bas nicht genug ist, der kann auch Werktags Mellen hören, kann tagsüber in d'e Kirchen gehen, so oft er will, kann auch noch abenbS all die vielen Rosenkränze, Abendandachten nsw. bcsnchen, die in Mergentheim so zahlreich und so lang sein sollen, wie nur irgendwo auf der Welt. Schon morgen« in aller Frühe, wenn die meisten Sterblichen noch der Gottesgabe deS Schla'es sich erfreuen, erschallen von den katholischen Kirchen bie Glocken, io daß Fremde und so'che. die noch nicht lange in Mergentheim wohnhaft und noch nicht daran gewöhnt sind, sich ast bitter über diese nächtliche Nubestöri'ng beklagen. Aber da da« Läuten der G'ocke« auch zur Nachtzeit offenbar als zur Ausübung der Andacht gebörig betrachtet wird, so wird eS polizeilich gestattet, so läll'a diel« Nachtrnbestörnng vielen Leuten sein mag. Die Katholiken können ferner in Mergentheim zur Beichte und Kommunion gehen, so oft sie wallen, sie können Pro zessionen in der Stadt nnd «m bie Stadt veranstalten, bei all dem bindert sie kein Mensch, kein Mensch beschimpft oder verspottet st, deshalb! Nun sollte man doch denken: was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Man sollte erwarten, daß di« Katholiken, die selbst di« weitestacb>ende Freiheit für ihre Nrltgtonvübnng genießen, auch Anders gläubige ungeschoren ihres WcgeS ziehen lasten, daß sie d«e Evangelischen nnangelvchten in ihre Kirchen gehen und ibke Sakrament«, tftre Beichte nnd ihr Abendmahl aick ihre Wette cmv'angen lallen, ohne sie deshalb anzn- greisen! Ist es am Platze, daß d'e Kanzel der katbokttck^n ^sadtpsarrkirch« amm m'bbrancht wird, über die Ein richtungen und Gebräuche der »vangelisäien K'rche sterzn- iallen und lle ala «itei Torheit und Unsinn htirziistellen? Heißt das di, u,b,rzengimg anderer achten? )Jst das katholische ran»? Einsender weiß ans manchen Beispielen aus dem Lebe», wie verderblich solche aufreizende Predigten wirken. Unter dem katholischen Volke gibt es genug Per sonen, die so wie so schon, in dem stolzen Bewußtsein, als Mitglieder der alleinsei gmachendcn katholischen Kirche, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, mit Geringschätzung und Mißachtung ans alle Andersgläubigen herabschauen. Wird nun solchen Leuten auch noch 8 Tage lang der Kopf voll geredet und werden dabei die Lehren und Gebräuche der Andersgläubigen direkt angegriffen nnd, mit oft sehr wohlfeilen Gründen, als Unsinn dargcstellt, so empfinden diese Personen, namentlich anch weibliche, nachher einen nttwiderslchl chcn Drang, ihre neu gewonnene Weisheit praktisch zu verwerten nnd an den Mann zn bringen. Sic sangen also von sich ans, ohne irgend welche Veranlassung, mit Evangelischen Wortgefechte an; darauf wird von der anderen Seite natürlich entsprechend hinausgcgeben, nnd in Kürze hat man den schönsten Streit und Zank, aus dem ost genug dauernderUn riedc und Hader, gegenseitige Ver stimmung und Mißtrauen hervvrgehcn. Derselbe Geistliche aber, der die Leute so aufgereizt hat, spricht vielleicht kurz hernach im Tone tiefen Bedauerns von der „nn'eligen Verschärfung der konfessionellen Gegensätze in der Gegen- wart", von den niigcrcchten Verfolgungen, denen die heilige katholische Kirche in unseren traurigen Zeitläuften ausgesetzt sei nsw., während doch in Wirklichkeit die Un- dnldamkelt nirgends in solchem Maß existiert. wie bei ihm selbst. Unwillkürlich aber drängte sich dem Einsender, als er In Mergentheim jenen Redner hörte, der Gedanke ans: Wenn schon dieser Erscsnit sich als Protestanten rcsser so'cheS leistet nnd leisten darf, waS wäre dann erst für den konfessionellen Frieden zn erwarten, wenn dieIesniten selber ins deutsche Reich hereingelosten würden?! Ich meine: jeder Katholik, der den konfessionellen Frieden wirklich liebt, sollteGottaufden Knien danken, daß -S bisher unfern evangelischen Mit bürgern gelungen ist, bieIes ulten nnd die von ihnen dem konfessionellen Frieden drohende Gefahr von nnscrm deutschen Vaterlande sernzu halten! Durch Kontrovers predigten ist noch nie der religiöse Friede nnd das wahr haft religiöse Leben gefördert worden! Durch Kontrovers predigten ist immer nur Unseacn und Unheil. Hader, Streit und Krteo herbeiae'iihrt worden? Denn wer Wind säet, wird Sturm ernten! Und beut'aen Tages können mir nns doch nickt mehr wegen religiöser Meinungsverschieden heiten die Schädel einschlagen. wie sehr treffend unter Kaiier bemerkt hat. Seriem Agitator «bet', wie allen anderen ähnlichen Schlages, möchte Einsender, gewiß in Uebaretnstimmnna mit vielen „guten" Katholiken, zu rufen: Mein sibcr Freund, verschone unS doch nm Gottes Willen mit deinen Vorträgen! Wir wollen uns nicht van dir gegen die Andersdenkenden verhetzen lasten! Wir wollen auch mit unseren evangelischen Mitbürgern in Ruhe und Frieden leben! Wundern aber kann man sich in der Tat, wie «in Mann, von dem für die Störung deS konfessionellen Friedens zum voraus alles zu erwarten war, zn Bor- trägen nach Mergentheim berufen werden konnte. Der dortige, schon bejahrte katholische Stadtpfarrer galt bisher für einen Mann, der vor allem Ruhe und Frieden, anch den konfessionellen Frieden, liebt. Sollte sich bas auf ein mal geändert haben? Oder stecken vielleicht andere da- hinter? Wie dem auch sein mag, jedenfalls ist tm Interesse der Erhaltung des konfessionellen Friedens dringend zu wünschen, daß die Tanbergegend von weiteren Besuchen des Herrn v. Berlichingen gnädig verschont bleiben möge! Möge cs überhaupt nicht soweit kommen, daß dieser Mann, nachdem er in Würzburg unmöglich geworden ist, seine iivff,eilvolle Tätigkeit nach Württemberg, der einstigen „Oase des konfessionellen Friedens" verlegen darf! Mögen auch die Kath'liken. die den konfessionellen Frieden nicht bloß tm Munde führen, sondern wahrhaft lieben und unserem Vaterland? erhalten willen wollen, sich nicht scheuen, der Verhetzung ihrer G'anbenSgenollcn gegen unsere evangelischen Mitbürger sich zn widersetzen! Ein friedliebender Katholik. Deutsches Reich. -ne- Leipzig, Ist. November. Zu dem sattsam bekannten Kapitel: „Sozialdemokraten unter sich", d. h. der „Hund und Katz'"-Einigkeit im sozialdemokratischen Lager, sowie zur Illustrierung deS ebenfalls altgewohnten roden Tones, den die „Genossen" anruwenden pflegen, bringt die sozialdemokratische „Münchener Post" in ihrer Nummer vom 15. November folgenden ergötzlichen Beitrag, der be sonders für Leipzig Interesse hat. DaS bayerische Partei organ schreibt: Die richtige Antwort. Die „Leipziger Volkszeitung", in der die bewährten Moralisten und Prinzlpienbehüter von Gottes Gnaden ihr freundliches Wesen treiben, hatte vor einiger Zeit diese geistvolle Notiz verübt: „Eine LauSbuberei. Dir „Mainzer Volkszeitung'' saugt sich bie Behauptung au- den Fingern: „Die Genossen EiSner und Stampfer haben den Ausschluß von Mehring und Jaeckh auS der Partei „wegen ehrloser Handlungen" beantragt." Gegen diese LauSbuberei wird bei der Mainzer Parteiorganisation Beschwerde erhoben werben. Die Mainzer wüsten endlich einmal vor die Frage gestellt werden, wie lange der gemeingefährliche Zu stand noch andauern soll, daß »in grüner Junge ein Parteiblatt für seine Dreckschleudereien mißbrauchen darf. ttuer telum ne kndvLt — Wer noch in den Flegeljahren steht, braucht kein Schießgewehr zu tragen." Dir „Mainzer Volkszeitung" antwortet den AuSgktragrnen in Leipzig: „Zur Orientirung der Mainzer Parteigenossen sei mit- geteilt, daß wir di« »big« Notiz der „Magdeburger volksstimme" entnommtn haben. Die Erwiderung auf da- ekelhafte Geseire der „Leipziger Volk-zeUnag" fass«» wir t» zwei Wort« zusammen: Psul, r«»l«U'' Am 10. November fand darauf in Mainz rin« Partei versammlung statt, in der unter Punkt: Verschiedene- Genosse Appel die Anrempelung der „Leipziger Volkszeitung" gegen den Redakteur Mendel »ur Sprache brachte. Er verurteilte entschieden den rüpelhaften Leipziger Ton. Genosse Weiß, der Vorsitzende der Mainzer Parteiorganisation, teilte mit, daß der Vorstand beschlossen habe, den Genossen Mendel, der bisher nur vertretungs weise die Redaktion führte, dauernd anzu st eilen. Im übrigen könne er mitteilen, daß der Mainzer Partrivorstand aus jede Belehrung von Leipzig verzichte. Genöße Paul Sttltnpf weudet sich gegen die Redaktion. Genosse l)r. Ed. David erklärt, ei set die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Mainzer Partei genossen, sich in diesem Falle mit ihrem Redakteur solidarisch zu er klären. Jene Notiz der „Leipziger Volkszeitung" richte sich nicht nur allein gegen den Genoßen Mendel, sondern sei eine Anpöbelung der Mainzer Parteigenoßen überhaupt. Genöße Suder spricht seine Entrüstung über die Anrempelung der „Leipziger BalkSzritung" aitS, ebenso die Genossen Brennickr und Liebmann. Alle folgende» Redner sprechen sich scharf gegen die Notiz in der.Leipziger Volks zeitung" aus, mehrere wollen jedoch von einer Beschlußfassung ab sehen und warten, ob die Leipziger wirklich komme». Darin könne man ihnen schon die gebührende Antwort gebe». Tie Mehrheit der Versammlung beschloß jedoch anders und »ahm mit St gegen 17 Stimmen folgende Resolution Appel an: „Die heutige Partriversaminlung protestiert auf da- nttschiedeuste gegen die Angrisse der Redaktion der „Leipziger Volkszeitung" auf die Redaktion der „Mainzer Volkszeitung". Die Mainzer Partei genosse» bilden sich ihr Urteil über ihre Redakteure selbständig und verzichten von vornherein aus die Belehrung der Leipziger, die besser täten, in ihren eigenen Reihen parlamentarisch« Sitten und An st and zu pflegen. Wer lehre» will, muß selbst mit gutem Beispiel vorangehen." Wir sind ausnahmsweise in der Lage, wa» die letzten Sätze aniamzt, einem sozialdemokratischen Blatte einmal Recht zu geben. Freilich verbinden wir einen viel allgemeineren Sinn und eine weit schärfere Deutung mit dteser Bei pflichtung. /S. Berlin, 19. November. (Generalstreik—General unsinn.) In dem sogenannten wistenschaftlichen Organ der Sozialdemokratie, der „Neuen Zeit", hat „Genöße" Hilserding letzthin den Generalstreik als politische-Kampf mittel empfohlen. Hilserding führt an-, daß der General streik da- einzige Mittel zur Aufrechterhaltung des allge meinen Wahlrechte- sei, wenn da- letztere durch sozial demokratische Erfolge in Frage gestellt wäre; dann müsse der wirtschaftlichen Macht der Bourgeoisie und der von ihr beein flußten Staatsgewalt die organisierte wirtschaftliche Macht deS Proletariats entgegengestellt werden. Diese Macht deS Proleta riat- aber gründe sich auf die Unentbehrlichkeit de- Proletariat- für die Produktion nnd erscheine allein in ver Möglichkeit, die Produktion still stehen zu lassen — durch da- Mittel de- General streiks. Hilserding- Auffassung erfährt im neuesten Hefte der „Neuen Zeil" den energischsten Widerspruch von jemand, der selbst den Generalstreik in Holland niit proklamiert hat, von dem holländischen Soiialvemokraten Bit eg en. Dieser ist durch die holländische Erfahrung aus einem An hänger de- Generalstreiks zu seinem Gegner geworden und begründet die „Mauserung" auf da- schlagendste. Wenn Hilserding die herrschende Klaß« durch die Stillsetzung der Produktion bezwingen will, so weist Vlicgen darauf hin, daß dadurch jedes gesellschaftliche Leden unmöglich werde und Hungersnot eintrete. Und Bliegen fährt fort: „Bei wem soll denn die Nahrung am allerersten fehlen? Beim Pro letarier. Wer wird am ersten frieren? Der Prole tarier. Gewiß, dir ganze Gesellschaft wird einer fürchter lichen Krise ausgesetzt. Aber wie bei allen Krisen ist eS der Proletarier, der am ersten und am schwersten darunter leidet. Um sich selbst zu retten, führt Bliegen weiter au-, werde da- Proletariat die Arbeit wieder aufnehmen müßen. Denn fall- sozialistische Genossenschaften für die Sozialisten produzierten, würde die Negierung ihre Produkte im Interesse de- allgemeinen Wohle- beschlagnahmen. Endlich werde einerseits nicht jeder streiken, anderseits stecke auch in der Bourgeoisie Arbeits kraft; kurz, eine absolute Produktionseinstellung sei undenkbar. — Von deutscher gewerkschaftlicher Seite wird die Idee deS Generalstreik« als „Genera tuns in» " beurteilt. „Genöße" Bliegen hat diesen Generaluusinn in- hellst« Licht gesetzt. -7- Berlin, lS. November. (8! tnonissss!) In einem „Eingesandt" der „Kreuzztg." findet sich eine höchst beachtens werte Enthüllung. Dort wird nämlich zugestanden, daß in einem Berliner Vororte — e- wird sich Wohl um den Wahl kreis Teltow - BeeSkow - Eharlottenburg handeln — Kon servative durch Stimmenthaltung zur Wahl sozial demokratischer Wahlmänner beigetragen baden. Al- Beispiel wird ein bestimmter Wahlbezirk angeführt, wo vor einer erforderlich gewordenen Stichwahl ein großer Teil der Urwähler nichtsozialistlscher Gesinnung da- Wahllokal ver laßen hätte. „Die Folge diese- Umstande- war, daß die Aussichten der Kan didaten für dir Sozialdemokratie bedenklich stiegen. Dennoch wäre» dieselben unterlegen, wenn nicht einzelne konsrrvattpe Wahl- mLnner sich bet der Stichwahl der Wahl enthalte» HLM»." Zur selben Zeit meldet der „vorwärt-": „Vielfach haben liberale Wöhler ihre Io»serv»tt»e» Gegner gestärkt, indem sie bei den Stichwahlen zwischen de» Konservativen und der Sozialdemokratie für jene stimmte». So wird au- Breslau gemeldet, daß bei SV konsrrvotlv.soziatdrmo- kratischen Stichwahlen 49 konservativ« Wohlmönner ihre Wahl den liberalen Urwählern verdanken." Während also konservative Urwähler mit Seelenruhe zusaben, wie liberale Kandidaten gegen dir Sozialdemokraten durchfielen, haben die liberalen Urwähler ihre Pflicht al- bürgerlcche Partei getan. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß leit Jahrzehnten in Brr-lau rin derarkiger Hatz »wische» de» Konservative« »mtz bLrzerUch«* itmkui bchrtzt, wt» Bezugs-Preis s» der HaupietpeviNo« obei deren Ausgabe- stellen »pgeuolt mer«el,ahrlich »3.—, Nei »weiiiialtger tägliche, .fluslellung ine Hau- 3 7» Durch d>» Poll bezogen kitt Teutztsp land » Oesierreich viertel,ährlich e.50, iür di« übrigen Lander l«»t ZeNungsptttSUst» Redaktion und Ervedttio«: «ivhanni-gast, 8. Fernsprecher 153 und S2L Filialkrpkdilipnen» U7kr»b--ahn, Buchhandtg , lluwersttötsstr.ch L. Lösche, «>Uh»n»»nNr l«, ». »»uigspt. 7. Haupt /iliai« Dresden: Martenstraß» 34. Kernsprecher Amt 1 Nr. 171L, Esstnpi-/iiiate Zkrliitr Lari DunKrt. Hetzgi Batst HolbuchhaMg, Ltttzvwsttage jy Kerasprecher AüU Vt Nr. 4*0-» Morgen -Ausgabe MMcr TaMM Anzeiger. ÄmlsvlalL des ÄöuigkillZen Land- nnd des Äönigllchen Nuttvgerichtes Leipzig, des Nairs und des Nosizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen Preis die Sgefpattene Petltzelie LS Reklame» »ater dem R,d»kNonSstrtch (4gespalten) 7» ch ooi be» FamUieanoch. richten i« gespulten) öS ch. Tobellarstchrr »nd Zlsterniatz entstnrchen» HSHkr. — Gebühren für Nachweisungen »ob OßerteuuLnahm» tt» ch tttrt. Porto). Srtra-Beilagen (gesalzt tntt der Morgen.Ausgabe, oha» Poflbesördrruag ÜO.—, mit Pvstbesörderuag 7V-—» Annahmkschluß für Hnjkigru: Nbeud»riu«g»»e: Vormittag- lO Uhr. Metge»-Ausg»b«: NachuiMAgS 4 Uht» Anzeige» st»d st^S an bi« Ar»edttt«» zu richten. Die Expedition ist Wochentag« unnnterbreche» gkößuet ov» früh 8 bi- »benbS 7 Uhr. Druck «nb Verlag vo» E. Pol» bi Leipzig.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite