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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031124021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903112402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903112402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-24
- Monat1903-11
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Tabellarischer uud Hiffernsatz entsprechend höher. — «rdühreu für Nachweisung»« u«d Offertruannahm» Ld (excl. Port»), Erfta-Beilage, (gesalzt), «ur mit der Diorge».Ausgab«, oha» Postbefürdenurg «A «0.—» mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß siir Anzeigen: Abead-Ausgab«: Vormittag« 10 Uhr. Mvr,»«.«u»gäde: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« sind stet» an di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vo« E. Pvlz in Leipzig Nr. 597. —— Dienstag den 24. November 1903» 97. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 24. November. Der Liberalismus u«b eine Ae«-er«u- des preußischen Wahlrechtes. Die „Kreuzztg.", die natürlich Len liberalen Parteien nicht im mindesten dafür Dank weiß, baß diese lieber auf eine Reih« von Mandaten verzichtet haben, al» einen Pakt mit der Sozialdemokratie einzugehen, sieht die auch vom gemäßigten Liberalismus geforderte Aenderung Les preu ßischen Wahlrechts als einen Selbstmord an. Sie nennt eine Abänderung in dem Sinne, daß auch die Sozial demokratie eine gewisse Vertretung im Abgcordnetenhause erlangen könne, »freiwillige Bauchaufschlitzung" und be hauptet, der Liberalismus würde mit der Umgestaltung de» Dreiklaffenwahlsystom» wie Spreu vor dem Winde verschwinden: »Wer kann das nach dem Ergeb- nisse der Juniwahlen bezweifeln?" Zu- nächst fällt es den Liberalen im allgemeinen, ganz gewiß aber den Nationalliberalen, nicht ein, an die Stelle des preußischen Landtagswahlrechtes das Reichstagswahlrecht zu setzen, sondern sie wünschen ein Wahlrecht, das den preußischen politischen und wirtschaftlichen Machtverhäit- niffen mehr Rechnung trägt, auch wenn es Labei den Sozialdemokraten ermöglicht würde, eine gewisse Zahl von Mandaten zu erringen und in der Kammer des größten deutschen Bundesstaates zu Worte zu kommen. Diese Möglichkeit ist ihnen in einer ganzen Reihe von Bundes staaten bereits gegeben, ohne daß sich dadurch das Bürger tum, bezw. der Liberalismus, den „Bauch ausgeschlitzt" hätte. Wenn nun aber die „Kreuzztg." -um Beweise da- für, daß der Liberalismus bei einer Aenderung des Wahl, rechts wie „Spreu vor dem Winde" verschwinden würde, sagt: ,/Wer kann das nach dem Ergebnis der Juntwahlen bezweifeln?" so zweifeln wir unserseits «daran ebenso wie an der Möglichkeit, 'die „Kreuzztg." dazu -u bringen, mit Rücksicht auf die Juniwahlen endlich derWahrhettdte Ehre zu geben. Leider ist es in der Politik der größte Fehler, fortgesetzter Unwahrheit «das Schweigen -er Verachtung gegen llberzustellen, man muß vielmehr -er hartnäckigen Unwahrheit die Hartnäckigkeit der Widerlegung entgegensetze»,. Die „Kreuzztg." hat bei ihrer Behauptung in erster Reihe die nationalliberate Partei vor Augen, denn sie wendet sich gegen ein Organ dieser Partei. Nun, bei den Reichstagswahlen vom 18. Juni d. I. sind für die nationalliberale Partei 1S18 000 Stimmen abgegeben worden, für die konservative Partei 948 448, für die deutsche Reich-Partei 888 404. Demgemäß sind für die Nationalliberalen über 80 000 Stimmen mehr abgegeben worden, als für beide konservative Parteien zu sammengenommen. Faßt man aber den Liberalismus als Gesamtheit auf und rechnet anderseits den konservativen Gruppen die Antisemiten und den Bun- der Landwirte, ja selbst noch den bayerischen Bauernbund Hinzu, so ergibt sich folgen«» Bild. Zu der bereits für die Nationalltbe- ralen angegebenen Summe kommen noch 642 000 Stimmen -er Freisinnigen Volkspartei, 243 000 der Freisinnigen Vereinigung und 91 000 der Deutschen Volkspartet hinzu; »damit haben die liberalen Gruppen zusammen 2 189 000 Stimmen erhalten. Auf der andern Seite kommen den 1281000 für beide konservative Parteien abgegebenen Stimmen hinzu: 240 000 antisemitische Stimmen, 119 000 für -en Bund -er Landwirte und 111000 für «den Bauern- bund abgegebene Stimmen, insgesamt 1750 000. Mithin sind die liberalen Gruppen den konservativen um 400 000 Stimmen voraus. Vergleicht man die Wahlen von 1903 mit denen von 1898, so haben die Nationalliberalen 342 000, die Freisinnige Bereinigung 48 000 Stimmen ge- wonnen. Zieht man von diesen 890 000 Stimmen die 16 000, die von der «Freisinnigen Volkspartei, und die 17 000, die von der Süddeutschen BolkSpartei verlören worden sind, ab, so bleibt auf liberaler Seite ein Gesamt gewinn von 357 000 Stimmen. Bei den konservativen Gruppen haben die Deutschkonservativen 89 000 Stimmen, der Bund der Landwirte 8000 gewonnen. Zieht »nan von diesen 97 ooo Stimmen die von der ReichSpartet verlorenen 10 000 und die vom Bauernbunde verlorenen 29 000, sowie die von den Antisemiten verlorenen 40000 Stimmen ab, so ergibt sich bei allen konservativen Gruppen zusammen- genommen ein Gvwinn von ganzen 18 000 Stimmen. Demgemäß haben die konservativ gesinnten Elemente bei «den letzten Retchstagswahlen nur «in Zwanzigstel de- liberalen Gesamtgewinnes aufzuweisen. Angesichts dieser 'Tatsache steht es der „Kreuzztg." wirklich gut an, sich gerade auf die Wahlen vom 16. Juni zum Beweise eines liberalen Niederganges zu berufen! Auch „au» einer kleine» Garnison". AuS Anlaß der Forbacher Vorgänge hat sich eine lebhafte Diskussion über den Wert der kleinen Garnisonen erhoben; fast alle Urteile lauteten vollkommen absprechen-; viele Offiziere in diesen kleinen „Nestern" verbauerten, verbrächten ihre Zett mit Trinken und Spielen usw. Dieses Urteil ist aber doch nicht in allen Fällen zutreffend, und war es jedenfalls in Bezug auf frühere Zeiten nicht. Eine der kleinsten Garnisonen be- fand sich Ende der sechziger und anfangs der siebziger Jahre in der damals von -er Welt vollkornmen abge- schnittenen, kaum 4000 Seelen zählenden Stadt Tanger münde. Eine einzige Schwadron garnisoniert hier; erst von den 7. Dragonern, später von den 6. Ein Ritt meister, 1 Oberleutnant und höchstens 2 Leutnants bildeten da» OffizierkorpS; ein Verkehr mit der Bürgerschaft der damals aus dem Dornröschenschlaf noch nicht erwachten uralten Katserstadt existierte nicht. Die Offiziere waren also ganz auf sich angewiesen; Kasinovergnügungen mit Scktbowlen konnte es natürlich nicht geben. Alle Offi ziere, ohne Ausnahmen, die damals fast ausschließlich in einem Hause an der Hühnerdorfstraße wohnten, hatten sich Bibliotheken angelegt. Ein Oberleutnant R., welcher 1860 sich hervorragend vor dem Feind« au-zeichnete und einen der höchsten Orden erhielt, war einer der polyglottesten Offiziere; «in Rittmeister v. H. brachte e» bi» zum komman dierenden General in Straßburg, ein Major P. hatte 1870 mit seinen Saarbrückener Ulanen das Glück, sich unser- welkliche Lorbeern zu erwerben; er hatte in der kleinen Garnison unausgesetzt gearbeitet; ein Oberst W., der Sohn eines bekannten konservativen Parlamentariers, -er als Oberleutnant damals in Tangermünde stand, komman diert jetzt eine Kavallerie-Brigade. Der rote Prinz, Prinz Friedrich Karl, holte sich seine Adjutanten aus Tanger- münde, jchneidige Reiter, vollendete Kuriere und hochge- bildete Osfiziere. Also in dieser kleinen Garnison muß wohl doch ein ganz anderer Geist als in Forbach ge herrscht haben. Tin Rittmeister 2. Klasse hatte nicht einen Pfennig Zulage von Saus« aus; er ah regelmäßig seine Brötchen trocken; ein Major L. schickt« seine einzige Tochter in die Langermünder Komnmnalschule, wo sie mit den Kindern von Arbeitern und armen Schtffersleuten zusammen spielte. Die Einfachheit hat wohl auch wesentlich dazu beigetragen, daß aus dieser kleinen Garnison, in -er nur am Geburtstage -eS Kaisers Sekt getrunken wurde, so viele hervorragende Osfiziere ge- kommen sind. Wie in Tangermünde, soll eS auch in zahl reichen andern kleinen Garnisonen zugegangen sein; es ist nicht unbedingt notwendig, daß die Sektflasche un- die Karten die einzige Unterhaltung -eS Offiziers in einer kleinen Garnison bilden. Kundgebung de» deutschen Klerus in» Böhmerwald. Au» BudWei», 23. November, schreibt man un»: Fünf undsechzig deutsche Geistliche de» Böhmerwalde» haben eine Kundgebung erlassen, in der u. «. bedauert wird, daß du Deutschen m Czachrau dem tschechisch national-agrta- torischen Treiben des Pfarrer» Blahowetz geduldig zuscben. Alle tschechischen Priester im deutschen Böhmerwalde sind Pioniere des Tscheckentum» und deren Pfarrhöfe sind nichts andere» al» tschechische Sprachinseln mitten in deutschen Städten und Dörfern. Am Schlüsse der Kundgebung heißt e» dann: . Wir deutschen Priester deS BöhmerwaldeS verlangen, daß endlich einmal zur Erfüllung de» heißesten Wunsches unsere« Volles ge scheuten werde, daß nämlich im Interesse unserer Religion, sowie unserer Nation das Bistum BudweiS, besten Vikariate und Pfarreien sprachlich vollkommen, so viel als nur irgend möglich, getrennt und geschieden werden. Wir bitten und fordern unser deutscher Volk, beziehungsweise den Gemeinderat einer jeden Stadt, eines jeden Marktfleckens und eines jeden Dorfes in unsenn deutschen Böhmerwalde dringend auf, sowohl an Seine Excellenz, unfern gerechten und hochwürdigsten Herrn Bischof in BudweiS, als auch an Seine Heiligkeit Papst PiuS X. in Rom eine schrift liche Eingabe zu richten, in der im Interest« der Seelsorge die kirchliche ZweUeilung als einzig aussichtsvoller Weg zum kirchlichen Frieden erbeten und gehorsamst verlangt wird. Da werden die tapferen Verfechter des Deutschtums im böhmischen Klerus leider vergeblich hoffen- Aber wir ver folgen vom deutsch-politischen Standpunkte aus ihr Vorgehen mit sympathischem Interesse. Skandinavische Wektfriedensphantasten. Unter unfern germanischen Vettern in Skandinavien haben sich in der letzten Zett politische Sonderlinge be wogen gefühlt, die WeltfriedenSschalmet auf KostenDeutschlandS zu blafen: Den Spuren des Norwegers Bjvrnson ist kürzlich der Schwede Vr. Nystroem gefolgt. Bjürnson hat im April dieses Jahres die Aussichten eines pangermcmischcn Bündnisses, dessen bloß« Existenz Lew Weltfrieden sichere, auf ba- lockeudste geschildert, um in sehr leidenschaftlichen Wen dungen htnzuzufügen, daß die preußische Politik in NordschleSwig -em nordischen PangermantS- mu» als Hindernis im Wege stehe. Zielt also Björnson» phantastischer Gedanke ein«» Weltfriedens aüf pangerma- nischer Grundlage höchst realpolttischer Weise au>f eine Schwächung Deutschlands in seiner Nordmark ab, so geht vr. NystroemS Broschüre „E lsa ß - Lot h r t n g e n" in Bezug auf die deutsche Westmark noch viel weiter. Denn vr. Nystrvem macht uns klar: „Elsaß-Lothringen ver- ursacht Euch nur Ausgaben und Schwierigkeiten; die Elsaß-Lothringer sind und bleiben dem Geiste nach Fran zosen; Frankreich kann seine Brüder nach allgemeinem Menschenrechte niemals vergessen; deshalb gebt Elsaß- Lothringen an Frankreich zurück und nehmt dafür eine der reichsten französischen Kolonien; dann ist -er Weltfrtede gesichert." vr. Nystroems Vorschlag entbehrt des Reizes der Neuheit. Ihn ernsthaft zu erörtern, wird in Deutschland niemand Lust verspüren, ob wohl der frühere französische HandelSnrtnfftcr Millerand die Schrift vr. Nystroems mit einem Vorworte geschmückt hat. Was unser schwedischer Autor über die Gesinnung der Elsaß-Lothringer sagt, ge hört zum größten Teile der Vergangenheit an. Nystroems entgegengesetzte Auffassung beruht nicht weniger auf einer vollständigen Unkenntnis der wirklichen Verhältnisse, als die dem Kaiser gewidmete „Schmeichelet": Durch ein Tauschgeschäft mit Elsaß-Lothringen werbe er sich in der Geschichte ein größeres Denkmal setzen, als alle seine großen Borgärrger! Um den absurden Gedanken eine» solchen Tauschgeschäftes uns annehmbar zu machen, beruft sich vr. Nystrvem auch auf den Fürsten BiSmarck. Der letztere soll Moltke gegenüber die Erwerbung Elsaß- Lothringens durch Deutschland al» einen Fehler bezeichnet und speziell -te.Annektion von Metz in einer Unterhaltung mit einem französischen Gesandten al» gegen feinen Willen vollzogen hiwgestellt haben. Zur Würdigung dieser An gabe genügt eS, die wichtigsten einschlägigen Auslassungen des Fürsten Btsuvarck ins Gedächtnis zurückzurufen. Am 2. Mai 1871 sagte Bismarck im Reichstage: „Der Keil, den die Ecke deS Elsaß bei Weißenburg in Deutschland htneinschob, trennte Deutschland wirksamer al» die politische Mainltnte von Nord- deutsch land, und e» gehörte der hohe Grad von Entschlossenheit, von nationaler Begeisterung und Hin gebung bei unfern süddeutschen Bundesgenossen dazu, um ungeachtet dieser naheliegenden Gefahr, der sie bei einer geschickten Führung -es Feldzuges von Seiten Frankreichs ausgesetzt waren, keinen Augenblick anzustohen, in der Gefahr Norddeutfchlanüs die ihrige zu sehen, und frisch zuzugreifen, um mit uns gemeinschaftlich vorzugehen." — In demselben Sinne äußerte sich BiSmarck a m 21. De zember 1800 zu einer Abordnung auS Straßburg; und am 24. April 1895 betonte er gegenüber einer Kölner Deputation, unser geographisches Bedürfnis, „den Ausgangspunkt der französischen Angriffe weiter wegzw- rücken, daß man sich wenigsten» auSrttsten kann, ehe sie bi» Stuttgart vordringen." — Was aber Metz anbetrifft, so sagte Bismarck am 10. Juni 1871 einer Wormser Ab ordnung: „Ich fragte die Herren vom Generalstabe: „Was halten Sie von Metz?" „Darüber ist nicht zu reden", sagten sie, „Metz ist eine Armee von 120000 Mann wert, Belfort 8000." Bon beiden Städten wollten wir eine haben. Selbstverständlich behielten wir Metz. Metz hält eine groß« Armee auf, an Belfort kann jede vorbei marschieren." — Man kann auS den vorstehenden Aeuße- rungen des Fürsten BiSmarck die zuverlässigsten Schlüffe auf die Unzuverlässigkeit der Behauptung ziehen, -atz Bis- marck sowohl im allgemeinen der Erwerbung Elsaß- Lothringens widerstrebt, wie im besonderen die Annektion von Metz nicht gewollt habe. Man kann au» jenen Bis- marckichen Auslassungen gleichzeitig aber auch entnehmen, welche vitale Bedeutung die Reichslande für da» Deutsche Reich haben. Hielten sich Politiker vom Schlage vr. Nystroems diese vedeutung immer vor Augen, so würden sie bet gutem Villen mit ihrer Weltfriedens propaganda auf Kosten Deutschland» etwa» vorsichtiger sein. Deutsches Neich. Berlin, 23. November. (Deutsche «Flotten vereine im AuSlande.) Heute werden die Probefahrten des auf -er Schichauwerst «rbauten Fluß kanonenbootes beginnen, welches -er Hauptverband Deut scher Fl ottenvereine imAuslande der deutschen Marinever waltung dargeboten hat. Das auf Anordnung des Kaders den Namen ,Baterland" führende Schiff soll auf -em Aangtsekiang in Dienst treten und di« Interessen des deut schen Handels auf den wichtigsten BerkvhrSstrecken nach dem Innern Chinas schützen un- fördern helfen. Wir be grüßen diese wertvolle Verstärkung unserer Marinekräfte mit um so lebhafterer Genugtuung, al» die in Höhe von etwa 450 000 für die Beschaffung des Schiffes aufge wendeten Mittel ausschließlich von im Auslande wohnen- denReichsangehörigen aufgebracht wurden. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß die Deutschen in Valparaiso vor mehreren Jahren ihre Bereitwilligkeit erklärten, für die deutsche Flotte freiwillige Beiträge herzugeben, und daß infolge Lieser Anregung ein Verein mit -em Sitze Feuilleton. Ebbe und Flut. Sj Line Gtrandnovelle von A. Schoebel. «»»druck »erboten. Diese saß in dem um diese Zeit ganz leeren, kleinen Salon deS Hotels, in freudiger Erwartung des Braut paare», bereit, ihren nttttterltchen Segen zu geben, um spann schöne Zukunftsträume; glaubte sie sich ihrer Sache doch ganz sicher, trotz Ellen» sonderbarer Stimmung heute. Da ging die Ttir auf, und mit entsetzten, wett ausge- rissenen Augen starrte sie bald auf die halb ängstlich, halb trotzig -retnfchauende Ellen, oald auf -en siegeS- gewissen jungen Mann an ihrer Seite. „Um Gottes willen, Ellen!" die Stimme versagte ihr beinahe, ,,wa» soll das heißen?" „Mama, liebe Mama", schluchzte das junge Mädchen stürmisch an ihrem Halse, „Las soll heißen, daß ich «nicht anders konnte, daß ich Charlie liebe und keinen andern -«traten kann!" Fassungslos sank Krau Gerhard auf einen Sessel. Ach! ihre schönen, rosigen Pläne! „Und Herr van Damm?" fragt« sie, «och ganz entgeistert. „Der ist hoffentlich fort und kommt nicht wieder!" rief Ellen schaudernd, und ihr Bräutigam fügte drohen- hinzu: „Ich will e» ihm wenigstens nicht raten!" AIS er aber da» vollständig niedergeschmettert« Gesicht seiner zukünftigen Schwiegermutter sah, setzte er sich am- mütig zu ihr hin und legte ihr seine Verhältnisse klar. Al» er von seiner Erbschaft sprach, hob st« schon ein wenig den Kopf, und al- er ihr von dem Landgut und von seiner vornehmen Familie erzählte, sah sie nachdenklich auf ihre LiebltngStochter. Wenigsten» wiirde diese doch auch dort Gelegenheit finden, mit ihrer Schönheit zu glänzen un bewundert zu werbe«. Und al» nnn Ellen st« schmeichelnd küßte «nb »«bei fest sagt«: Mamachen, gib dich darei», Ich xhaw kein« Andern!" in schickte sie zwar »en ver rahmt. Tine unbeschreibliche Sehnsucht erfüllte sie. Ja, da» war eine Mutter! Was für ein Leben mußten diese beiden guten Menschen miteinander führen, die sich gegen- fettig so viel Liebe und zarte Rücksicht entgegen brachten! Aus dem Schatten der Stranbhütten trat ihr plötzlich Georg entgegen. „Ich wußte, daß Sie noch einmal heraus- kommen würben an die See, und habe hier auf Sie ge wartet, Fräulein Hanna!" Stumm stand sie vor ihm, eine müde Traurigkeit in der ganzen Haltung, die herunterhängenben Hände ge- faltet, wie in innerer Qual. Sie wollte ihm danken für die genußreichen, mit ihm verplauderten Stunden, wollte ihm Grübe auftragen an seine Mutter, und brachte doch nichts über die Lippen als ein zitterndes: „Leben Sie wohl!" Aber der Ton dieser wenigen Worte griff ihm an» Herz. „Fräulein Hanna", sagte er weich und beugte sich zu ihr hinab, „wir kennen uns noch nicht lang«, aber ich glaube doch, daß wir un» in diesen wenigen Tagen tief in die Seelen geschaut haben. Haben Tie Vertrauen zu mir?" Befangen sah sie zu ihm auf, in ihren Augen eine scheue Frage. Da nahm er plötzlich ihr schmale» Gesicht zwischen seine beiden Hände und seine Stimm« stockte vor innerer Be wegung: „Liebe, kleine Hanna, ich kann nicht viel Worte machen, aber ich habe dich von ganzem Herzen lieb!" Sie wurde totenblaß. „Mich" stammelte sie verwirrt, „mich unschön«» Geschöpf?" „Dich, mein« klein« Deern. gerade so, wie du bist!" sagte er mit innigem Nachdruck. „Schön oder unschön, ich weiß «» nicht; sür mich hast du da» liebste Gesicht aus Gotte» Erde. Und nun sage mir, willst du mir den großen Schatz deiner Liebe schenken, den du noch ungehoben im Herzen trägst?" Da trat ein Leuchten in ihre Augen, und mit jubelndem Aufschrei rief sie: „Er ist ja schon dein, ganz -ein vom ersten Tage an!" Zärtlich umfaßte er sie und küßte sie auf Augen un» Mund. Still, »t« In einem seligen Traum« befangen, lehate Pe sich ay ch«. Ihr sollte LirS gute, treue Herz gm sunkenen Reichtümern einen tiefen, bedauernden Seufzer nach, war aber klug genug, sich in die veränderte Sachlage zu schicken nnb mit freilich etwas schwankender Stimme ihren Segen zu geben. Oben, in ihrem Zimmer, fiel Ellen Hanna um den HalS: „Ich danke dir, daß du mir den richtigen Weg gezeigt hast!" Hanna küßte sie bewegt. Gott gebe, daß es der richtige war, und Laß Lharlte sich auch al» der rechte Führer für Ellen erwie». Mochte die Liebe ihnen beiden die wahre Lehrmeisterin sein! Da» Brautpaar wurde sehr gefeiert. Jeder behauptete, es längst vorauSgeschen zu haben, von Herrn van Damm sprach niemand; er war verschwunden. Am nächsten Tage sollte abgerefft werden. „Natür lich!" zischelte Fräulein Godarb boshaft, „der Zweck ist ja erreicht; wozu noch weiter hier bletbar»!^ Lharlte wollte die Damen bi» Köln begleiten und dann nach England gehen, um Ellen da» Heim zu bereiten. Er schien wie umgewandelt und war voll eifriger Zu- kunftSpläne. Auch Lehnin und Felten hatten ihren Glückwunsch ab gestattet. „Diese anmaßenden Engländer!" sagte der Assessor äraerltch zu seinem Freunde, „der Einzelne ebenso, wie die ganze Nattaw; wenn sie nur etwa» kapern können! Jetzt holen sie un» gar schon die schönsten Mädchen fort!" „Ich glaube, d« »ist neidisch, mein Freund!" erwiderte Georg lachend. „Bin ich auch, ünd sogar gewaltig; es nützt mir aber verdammt wenig!" brummte der Assessor gereizt. Nach dem Abendessen, das beute ganz besonder» heiter und festlich verlaufen «ar, schlüpft« Hanna -um letzten Male hinaus an den Strand, um Abschied zu nehmen von der See. Da» Herz war ihr unendlich schwer. Sie war glücklich gewesen hier; sie hatte gefunden, wa» ihr bisher gefehlt hatte: ein FrenndeSberz, da» fie verstand und mit ihr fühlte. Da» Schicksal riß sie nun wieder auseinander^ würden sie sich je im Leben Wiedersehen? Lehnin hatte ihr heut« Morgen da» Bild seiner Mutter gezeigt; ein feine», liebe», ehrwürdige» Gesicht, vo« weiße« Haar nm- hören für'» ganze Leben! Die sollte Liebe geben und Liebe empfangen dürfen! Sie, die immer einsam un allein gewesen war, sie würde nun ein Heim haben, ein wirkliche», rechtes Heim! War e» nicht zu viel de» Glücke»! Georg streichelte ihr leise das dunkle Haar. Mi« wird mein Mütterchen froh sein!" sagte er «arm. Da fuhr sie bange auf: „Ach, deine Mutter, wa» wird sie nur dazu sagen?" Er lachte fröhlich: „Söhnchen!" wird sie sagen, „end lich! Da» ist das liebste Reifegeichenk, das du mir mit bringen konntest; und wenn -u sie lieb hast, dann wird sie sicher auch mir gefallen!" Die kennt dich schon au» meinen letzten Briefen; ach, und ich freu« mich schon so darauf, wie ihr beide euch bald verstehen werdet und wie, sie dich dann in alle die wichtigen Geheimnisse einweihe» wird, die eine tüchtige Landwirtin wissen muß. Aber", fügte er besorgt hinzu, „wie wird dir unser langer, rauher Winter behagen?" „O, den fürchte ich nicht, ich bin gesund!" rief fie eifrig, „mir fehlte nur der Sonnenschein der Liebe!" Fest zog er fie an silch „Dann ist mir nicht bange, bann soll mein Schattenpflänzchen bald herrlich auf blühen! Die schmiegte sich innig in feinen Arm: „^r, mein Lieber!" sagte sie nur, aber ihr ganzes, volle» Her, klang daraus. E» war ihr so feierlich zu Mute, vorbei die Zett der trostlosen Ebbe; eine Flut von Glückseligkeit überstrvmte sie und erfüllte ihre L«ele ganz. U«»er ihnen funkelten bi« Sterne am dunkeln Himmel: der Nachtwin- hatte sich erhoben «n» die Dee ging stärker. Sie lauschten beide, und wie ein Jubellied von Glück «nb Liebe tönte es ihnen au» dem Rausche« ent gegen un- fand einen Widerhall i» ihre« Hergeq. (Tade.)
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