02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031125023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903112502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903112502
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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- Tag1903-11-25
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Die Frage, welcher Maßstab zur Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit an- zulegen sei, türme einen Berg von Schwierigkeiten auf: Die Beranlagung zur Einkommensteuer sei in den ein zelnen Staaten verschieden, so daß das Erträgnis nicht autschlaggebend sein könne, einzelne Staaten hätten über- Haupt keine allgemeine Einkommensteuer, bei den übrigen direkten Steuern beständen die gleichen Differenzen ; nicht minder sei eS unmöglich, das Gesamtvermögen der Be völkerung der einzelnen Staaten richtig festzustellen. Das Vorhandensein eines gerechten Maßstabes einmal voraus gesetzt, würde eine verschiedene Behandlung der Bundes, staaten unerquickliche Erörterungen zur Folge haben, welche die Freude am Reiche nicht erhöhten. Wie aufrichtig das bayerische Zentrumsorgan um die Freude ast» Reiche sich sorgt, geht daraus hervor, daß es die deutsche Weltmachtpolitik als „zeitweise an Größenwahn streifend" hinstellt! Im übrigen ist in der sieben Spalten langen Abhandlung des „Bayrischen Kuriers^ noch die Erklärung bemerkens wert, daß die Ernennung eines Bayern zum Reichs schatzsekretär auf die Stellung des bayerischen Zentrums zur Reichsfinanzreform keinen Einfluß geübt habe. Sparsamkeit unter Aufrecht, er Haltung der Franckensteinschen Klausel — darin gipfelt die Finanzweisheit der Zentrums bayern. Demnach scheint es, als ob die bayerischen Klerikalen in der Finanz politik noch viel „unentwegter" fort wursteln wollen, als ihre Gesinnungs genossen in Preußen und in Baden. Generalstreik, Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Man schreibt uns: Während das sogenannte wissen schaftliche Organ unserer Sozialdemokratie, die „Neue Zeit", mit dem Gedanken des Generalstreiks lieb äugelt, mehrt sich im Auslande die Zahl solcher sozial, demokratischer Führer, welche den Generalstreik aufs nachdrücklichste verwerfen. Dem von dem holländischen Sozialisten Vlieg en in dieser Richtung jüngst ge- gebenen Beispiele ist auch der Schweizer Greulich ge folgt. Dieser schweizerische Sozialistenführer äußerte sich in der „Winterthurer Arbeiterztg." u. a. folgender maßen: „A's nichts bewirkende Geplänkel haben sich bis jetzt alle Versuche von Generalstreiks be wiesen, sie haben nur der Arbeiterschaft s e l b st geschadet, mühsam aufgebaute Organisationen vernichtet . . . Der Generalstreik ist eine Kinder phantasie der mangelhaft organisierten Arbeiter schaft . . . Der Generalstreik wäre die Einstellung der ganzen Produktion, auch der für die Arbeiterklasse. Die Mittwoch den 25. November 1903. S7. Jahrgang. herrschende und die besitzende Klaffe hat Mittel und Vor räte genug, um sich über eine gewisse Zeit behelfen zu können — die besitzlose Arbeiterklasse würde aber bald und so schwer unter der Pro duktionseinstellung zu leiden haben, daß sie in kurzer Zeit davon Abstand nehmen müßte . . Ein zwingendes Kampfmittel wäre der Generalstreik erst dann, wenn die gewerkschaftliche und die genossenschaft liche Organisation der Arbeiterklasse alle Arbeiter und die ganze Produktion für die Arbeiterklasse umfaßte. Dann aber hat die heutige Gesellschaftsordnung auf gehört, zu existieren und braucht durch keinen General streik mehr gestürzt zu werden. So lange das jedoch der Fall ist, wird der Generalstreik nur zu einem Kampfmittel gegen die Arbeiterschaft selbst und erhält sie nur noch längere Zeit in Ohn macht." — Die vorstehende Auffassung Greulichs wird von der „Winterthurer Arbeiterztg." ausdrücklich als der Standpunkt der schweizerisch-en Sozial demokratie bezeichnet. Sowohl dieser Umstand wie die Haltung Vliegcns und Greulichs selbst finden in der reichsdeutschen Gewerkschastspresse den lebhaftesten Widerhall. Namentlich begrüßt das Organ des Buch druckerverbandes solche scharfe Verurteilung des Generalstreiks und verlangt, daß die nächste Kon ferenz der Gewerkschaftsvorstände zum Generalstreik in diesem Sinne „präzise" Stellung nehme. Das Buchdruckerorgan erhebt seine Forderung aus einem recht praktischen Grunde: der kommende internatio nale Sozialistenkongreß soll über die aus drückliche Absage der Gewerkschaften an den General streik sich nicht Hinwegsetzen dürfen. Die Zögernngspolitik der Pforte. Wie lange gedenkt man im AildizkioSk und auf der Pforte die Antwort airf die Mürzsteger Beschlüsse noch hinzuhalten? Bald sind zwei Monate verflossen, seit dem diese Beschlüsse in Konstantinopel bekannt gegeben »nurden, und trotz nachdrücklichster Mahnungen sträubt man sich noch immer mit kleinlichen Ansflüästen, ihre An- nähme zu erklären. Das alte diplomatische Bexierfpiel auS den längst verflossenen Zeiten des Divans und des Reis Efendi, das darin bestand, den Willen des Groß- Herrn vorzuschieben, wenn von der Pforte eine Ent schließung verlangt wurde, und auf die Pforte hinzu- weisen, wenn der Snltan sich entscheiden sollte, es wird in diesen Wochen wiederum mit besonderer Zähigkeit ge- trieben. Zweimal nach einander haben die Botschafter Oesterreich-Ungarns und Rußlands in fast erzwungenen Audienzen von dem Snltan einen Bescheid begehrt; eS wurde ihnen erwidert, daß der Padischah dem Minister, rate die Entscheidung überlasse, und der Ministerrat ver suchte es, sich hinter dem Ramazan zu verschanzen, während dessen die Politik zu ruhen hätte. Der Groß, vezier, dessen Stellung gerüchtweise wiederholt als er schüttert ausgegeben wurde, überlief die Botschafter, noch in den letzten Tagen, um die Mitternachtsstunde bemühte er sich vergebens, zu ihnen zu gelangen. Der Großvener steht im Rufe reformfreundlicher Gesinnung, doch über den MldizkioSk hat er keine Macht, und dort, um die Person des Sultans herum, wird augenscheinlich ein er- bitterter Kampf geführt von denen, die sich der Notwendig, keit fügen wollen, mit denen, die ihr widerstreben. Doch diesmal ist die absolute türkische Berzögerungsmethode die schlechteste und gefährlichste, deren man sich im Dildiz- kiosk und auf der Pforte bedienen kann; denn für die Türkei ist Gefahr im Verzüge. Darüber sollte man in Konstantinopel sich keiner Täuschung hingeben,—daß der letzte Moment gekommen ist, in welchem die Sou veränität des Sultans und die Integrität der Türkei mit verhältnismäßig geringen Zugeständnissen zu retten und zu behaupten sind. Verpaßt man diesen Moment, so wird man zu noch ganz anderen, vielleicht unabsehbaren Opfern gezwungen sein. Oesterreich.Ungarn und Ruß land haben mit ihrem Nesormprojekt um des allgemeinen Friedens willen die Unversehrtheit der Souveränität des Sultans und die territoriale Integrität der Türkei voran gestellt. Widersetzt man sich in Konstantinopel, so ist die Schonung verwirkt, und waS dann geschieht, wie dann die Forderungen beschaffen fein werden, wenn die übrigen Mächte, die jetzt den Forderungen Oesterreich-Ungarn- und Rußlands zustimmen, in Aktiv« treten, kann man sich ohne Mühe vorstellen. In feiner Guildhall-Nede hat Balfour die Mürzsteger Beschlüsse als das Mindestmaß bezeichnet. Jetzt stehen Deutschland, England, Frankreich und Italien an der Seite der beiden Reformmächte. Das kann über Nacht sich ändern, wenn man In Konstantinopel sich weigert, die Mürzsteger Beschlüsse zu acceptieren. Das Mindestmaß von heute wird dann ein überwundener Standpunkt fein, voraussichtlich auch die Rücksichtnahme auf die Souveränität des Sultans und die Integrität der Türkei. Deutlich genug ist schon aus das Beispiel Oft. rumeliens und Kretas, auf die Eventualität makedonischer Autonomie und eines christlichen GeneralgouvcrneurS hingcwiesen worden. Die Kolouialpolitik Frankreichs. Die Beratung des französischen Kolonialbudget» in der Deputiertenkammer hat aufs neue gezeigt, eine wie außerordentliche Wichtigkeit den kolonialen Auf- ga'ben in Frankreich von allen Bevölkerungs kreisen beigemesien wird. Ohne daß die Verhandlungen zum Ausgangspunkte parteipolitischer Bestrebungen ge macht wurden, wie es leider in Deutschland von einer gewissen Presse geschieht, die bet jeder Gelegenheit von der Zwecklosigkeit kolonialer Unternehmungen «nd einer Ber- s.hwendnng der dafür aufgewendeten Mittel «sw. zu sprechen pflegt, hat die französische Volksvertretung den in -er Vorlage berührten Fragen und Projekten ein leb haftes Interesse entgegengebracht und damit bewiesen, daß sie für die Notwendigkeit einer Hebung der kolonialen Produktions- und Absatzgebiete volles Verständnis be sitzt. Die französische Regierung befindet sich somit in der glücklichen Lage, auf einem Gebiete, dessen Ausbau im Interesse der Wohlfahrt und -er wirtschaftlichen Ent wickelung Frankreichs mit aller Kraft fortgesetzt werden muß, sich eins zu wissen mit der die zukünftigen Vorteile solcher Politik richtig bewertenden und daher den Plänen der Regierung wohlwollend und opferbereit gegenüber stehenden Bevölkerung. Außer der Erkenntnis, daß allein schon der Besitz überseeischer Territorien bei dem heutigen Stande des Weltverkehrs unerläßlich ist für jede Groß- macht und an sich eine Kapitalanlage repräsentiert, die früher oder später der Nation zu statten kommen muß, har offenbar auch die Vorbereitung und Stärkung des kolonialen Gedankens durch die Presse, durch Kolonial- vereine, durch öffentliche Borträge und Schaustellungen auf diesem Gebiete viel zu der Popularität der kolonialen Fragen in Frankreich beige- tragen. Eine noch intensivere Wirkung nach dieser Rich, tung hin soll durch eine im Jahre 1806 in Mar- feille zu veranstaltende Kolonial auS- stellung angestrebt werden. Man hofft, auf diesem Wege in noch höherem Maße als bisher das französische Publikum in physischer und finanzieller Hinsicht an der Durchführung der in den Kolonien der Lösung harrenden Aufgaben beteiligen zu können. Man hat als Ort der Ausstellung Marseille gewählt und verspricht sich von einer in dem ersten Seehafen Frankreichs statffindenden KolontalauSstellung umsomehr, als hier für die Be schickung, den Besuch und die praktische Wirkung der Aus stellung wesentlich günstigere Vorbedingungen gegeben sind als im Jahre 1900 auf der Weltausstellung in Paris, wo in dem immerhin engen Rahmen eine Ausstellungs abteilung ein dem Umfange der kolonialen Arbeite« Frankreichs entsprechendes Bild nicht gegeben werden konnte. Marseille erscheint auch deshalb in hohem Maße für die Aufnahme -er Kolonialausstellung geeignet, weil der größte Teil des Handelsverkehrs zwischen Frankreich und seinen afrikanischen Kolonien über diesen Mittel- meerhafen geht und aus diese Weise zahlreiche enge Be- ziehvngen zwischen den kolonialen BerkehrSzentren und den Handel»- und Reedereikretsen in Marseille geschaffen worden sind. Deutsche- Reich. - Berti«, 24. November. (Der Ol>d«»»»rger Prozeß, die Sozialdemokratie and die bürgerliche Presse.) Daß die Sozialdemokratie den Oldenburger Prozeß nach Kräften auSschlachte« würde, verstand sich von selbst, der „Vorwärts" läßt sich bet dieser Gelegenheit aber derartige Verdächtigungen der bürgerlichen Presse und der Justiz zu schulden komme», daß ein energischer Protest notwendig erscheint. Da sozialdemokratische Zentralorgan konstruiert -en Gegen satz »wischen dem zu zehn Monaten Gefängnis verurteilte« Verleger des Oldenburger SkandalblattcS und der bür gerlichen Presse folgendermaßen: Herr Biermanu habe Skandal« «nfgedeckt, um Geld zu vevdteueu, die bürgerliche Presse aber »er-eh le Skandale, um es mit keinem Kunden zu verderben und dadurch erst rechtGeldzuverdienen. „UnS scheint dieser Geld erwerb der anständigen Presse noch weit unanständiger und gemeingefährlicher, als da» Unternehmen, durch Ent hüllung von Skandalös« Geschäfte zu machen." In nächster Zett werden die Endell-Prozesse verhandelt werden. Ob dabei etwas herauSkonnnt oder nicht, steht hier nicht irr Frage; eS soll nur der Behauptung des ,BorwärtS" gegen über festgestellt «erden, daß die angeblichen „Inkorrekt heiten" des Herrn Endell von bürgerlichen uud nicht von sozialistischen Blättern an die Öffentlichkeit gebracht worden sind. Wir erinnern ferner daran, daß die Affäre de» früheren Chefredakteur» der „Kreuzzeitung", deS Frei herrn v. Hammerstein, durch die „Frankfurter Zeitung", ein Organ der bürgerlichen Presse, an die Öffentlich kett gebracht worden ist. Ebenso ist seinerzeit die Angelegen heit der zu teuer bezahlten Panzerplatten von zahllose» Organen der bürgerlichen Presse auf da- eingehendste er örtert uud auf das nachdrücklichste kritisiert worden. Kurz, vor -er Aufdeckung von Skandalen oder Mißständen scheut die bürgerliche Presse keineswegs zurück, wofern e» sich um Angelegenheiten handelt, die ein öffentliche» Interesse zu beanspruchen haben. Rein private Angelegen heiten aber lediglich aus Bosheit und Skandalsucht au die Oeffentlichkett zu zerren, wie eS der „Vorwärts" bet -er Feuilleton. . «G« « - .1, Stella. Roman von Johan neSchjörring. NoLdruci verboten. Oberst Blads zweite Ehe war gleichsam ein Märchen. GS waren Wochen und Monate vergangen, und die Tage waren gleich schön geblieben. Bei einem flüchtigen Blick konnte es auSsehen, als wäre« sie Vater uud Tochter, wenn sie Arm in Arm die Allee nach Fichtental langsam hinuntergingen. Das Haus -«» Obersten lag nämlich auf einem Hügel. Gin ausge zeichnet gehaltener Garten von zwei Hektaren Land lag unten am Abhang nach Osten und Süden, und die letzten Bäume standen am Rande eines schiffbaren breiten Flüß chen», in dem ein neubemaltes schönes Boot vertäut lag. Auf der entgegengesetzten Seite des Flusses befand sich «in kleiner Fichtenwald mit dunklen Gängen und einladenden kleinen Bänken, der ebenfalls zum Besitztum gehörte. Der Oberst hielt sieben Pferde, darunter sein altes Reitpferd von der Dienstzeit her; außerdem etwa zehn Kühe, Schweine, Raffehühner und einen prächtigen Hühnerhund namen» Mölner, der dem Ehepaar fast stets auf Schritt und Tritt folgte. Fichtental hatte der Oberst von einem alten Onkel geerbt, und als er es vor ungefähr fünf Jahren übernahm, kam er um seinen Abschied vom Heere ein; hauptsächlich weil er sich bei der letzten Vakanz über gangen glaubte. Er wär ein gebildeter Mann und wußte namentlich in der Geschichte gut Bescheid. Der Oberst war, was man in Jütland einen „baunen" Mann nennt, das heißt, ein stattlicher, ansehnlicher Mann. Sein kur-geschnittenes Haar war bereits etwas grau, doch der lange, elegant gedrehte Schnurrbart noch dunkel braun und nur unbedeutend weiß gesprenkelt. Seine Ge stalt, besonders wenn man ihn von hinten sah, war fest und breit, besaß aber nicht mehr die Elastizität, wie sie der Jugend und den ersten Mannesjahren eigen ist, das Gesicht rtcht angenehm, durchaus nicht schön, dazu die Nase etwas z« lang und schwer;-och im Blicke der blaugrauen Augen leuchtete etwas Treuherziges, das im Verein mit seinem Lächeln Zuverlässigkeit und Wärme verriet, obgleich seine Sprach«, die wie bei Offizieren klar und deutlich war, MM» Trockne» a» sich Hatte. Gr hatte zmveUe« eine eigene Art, die Stirn zu runzeln, und gleichzeitig leuchtete es in seinen Augen auf, ein Beweis, daß «r nicht zu jeder Zett weich oder fromm gestimmt war. Die Gewohnheit, zu kommandieren, die ihm etwas Respekteinflößendes ver lieh,war schuld daran, daß ihm viele aus dem Wege gingen. Obwohl er immer in Civil ging, erinnerten sein Gang und seine Haltung doch an den Offizier. Die Dame an seiner Seite war jung und von geschmeidiger Gestalt. Kaum schön zu nennen, wirkte sie doch anziehend. Es lag eine gewisse schmachtend« Langsamkeit in ihren Bewegungen, die mit ihrer bleichen, etwas gelblichen Farbe, dem matthellen Haar und den ruhigen, etwas fahlen, blauen Augen zu harmonieren schien. Die Nase, ihre Hauptschönheit, war elegant und fein, der Mund ein wenig «ingekniffen, so daß das Kinn vorsprang; die Stirn sah man nicht weiter, da das Haar hinunterfrisiert war, wie es eine Reihe von Jahren Mode war, zum großen Vorteil für jene Gesichter, die nur gewinnen, wenn sie mehr oder weniger verschleiert werden. Doch die Kunst, sich zu Neiden, verstand sie in hohem Grade und verwandte auch eine recht ausgiebige Zeit darauf. Obwohl e» ein warmer Sommertag war, trug sie einen dunkelgrünen Kleiderrock, sehr einfach, aber so glatt und stramm, daß die Symmetrie ihrer Formen, die voll und elastisch waren, vorteilhaft in die Augen fiel. Auf dem Kopfe trug sie einen Strohhut mit breiter Krempe, oben und unten mit einer Menge luftigen, hellroten Seiden stoffes garniert. JcdeSmal, wenn die Sonne sie beschien, flog ein Widerschein vom Hute auf ihr Gesicht und verlieh demselben ein so reizendes Aussehen, daß «S fast schön wurde. Dieser Hut und die Art, wie sie ihn trug, waren nicht das Werk eines Augenblicks, und schon allein die Farbcnzusammenstellung in dem ganzen Kostüm war für sie äußerst passend und streifte ans Künstlerische. Der Oberst, der fünfundzwanzig Jahre älter war als sie, war sehr verliebt, und ihre anscheinende Passivität gab diesem Gefühl stets neue Nahrung. Er war, wie gesagt, früher schon einmal verheiratet gewesen, doch seine erste Krau war kränklich, reizbar un>d sehr anspruchsvoll, und in den letzten Jahren ihrer Ehe lebten sie jeder für sich und sahen sich nur wenig. Ihr einziger Sohn hatte sich mehrere Jahre in Eng. land aufgehalten, wo er in einem großen Handel-Hause eine bedeutend« Stellung «tnnahm. Da- eine Mal im Jahr, w«»» er «ach Haufe kam, war der große Lichtpunkt in ihrem Leben, zumeist aber doch nur in -em der Frau, denn für di« war er eine Gottheit. Gr war ungefähr zwei Jahr« nicht zu Haus« gewesen, und eigentlich war der Oberst nicht betrübt ^darüber. E- wäre ihm ganz recht, wenn noch ein Jahr oder mehr verging, bis der Sohn sich an den Gedanken gewöhnen konnte, daß eine andere und wett jüngere Krau den Platz feiner Mutter einnahm. Außerdem, je länger die Erinnerung für beide in den Schatten trat, desto besser für alle Teile. DaS Leben muß doch einmal gelebt werden, und die Toten treten im Laufe der Zeiten immer weiter vor den Zurückbleibenden in den Hintergrund, gleichsam, als ginge ihre Reise beständig weiter und weiter. Der Oberst war dazu ein eifersüchtiger Mann, der etwas mehr über seinen Schatz wachte, als «r eigentlich sollte, denn ab und zu wünschte die junge Frau Stella von ganzem Herzen, sie könnte sich einer beständigen Gesellschaft entziehen. E- wird nicht allen leicht — wenn eS überhaupt einem leicht wird —, auch nicht einen Gedanken zu haben, der nicht gleichzeittg durch einen anderen Kopf spazieren und von einem anderen Herzen geprüft werden soll. Noch schwerer ist es vielleicht, auf die Länge beständig für jede Handlung, jedes Wort, jede» Lächeln, jede Bewegung be wundert zu werden. Sie hatte bereits darüber nachzudenken begonnen, wie sie es anfangen sollte, sein Mißbehagen ein wenig zu er- regen, — und eine Frau, di« auf ihre- Manne- Schwach- hetten spekuliert, ist über die heißesten Stadien der Der- liebtheit bereit- hinaus, wenn sie diese überhaupt durch gemacht hat. Sie gähnte hier und da über seine Dergötte- rung, zuerst im geheimen, dann immer offenkundiger. Wenn es auf dem Gute auch nicht gerade lebhaft zugtng, so war doch fast immer Gesellschaft da. Da waren alte Pastor-leute, gemütliche, nette, aber triviale Menschen; ein paar Gutsbesitzer, von denen der eine sich nur für Kühe und alle-, was die Meierei betraf, interessierte, während der andere sich au- einer Kneipe eine unmögliche Frau geholt hatte, die auf dem Gute alles von unterst zu vberst kehrte. Da war ferner «in Doktor mit einer roten Nase, ein Materialist, der das Blaue vom Himmel herunterschivatzte, ein Müller, «der immer in Hemdsärmeln ging, im Sommer in weißen, im Winter in dickem, rotem Flanell; ein Gertchtsrat, ein gewandter und angenehmer Mensch, für den Geschmack de- Obersten sogar zu ange- nehm, so daß er seinen Umgang nicht besonder» wünschte, «nd endlich ein Postmeister, der alle au-zankte, wen« sie auf fein Bureau kamen, weil sie seine zerrüttete» Nerve» aufregten. Der Oberst hätte feine junge Frau ebensogut auf de» Mond versetzen können. Sie hatte niemand, für den sie sich interessieren, und nichts, an da» sie sich anschließen konnte, * * » Gr hatte einen alten Diener, Niels Mortensen, der viel« Jahre bet ihm Bursch« gewesen und jetzt noch seine rechte Hand war. Niel- war gegen die letzte Hairat de» Obersten g«. wesen und hatte kein Hehl daraus gemacht. Da das aber nichts nützte, so hatte er sich mit der Pfiffigkeit und Re- signatiou deS JütländerS darein gefunden. Niels war überall. Gr besorgte den Garten, gab Aufträge, servierte beim MittagStisch, half dem Stubenmädchen oder der Köchin, sorgte für di« Tier«, wenn der Oberst eS vergaß, was jetzt häufiger geschah, kurz und gut, er war überall, wo etwas vergessen und schlecht gemachst war. Gr war aus der alten Schule, unzugänglich für alle Lockrufe von höherem Lohn, bequemerer Arbeit und so weiter. Gr kannte nur den schnurgeraden Weg der Pflicht. Wäre eS nach Recht und Verdienst gegangen, so hätte er für seine unschätzbaren Dienste ein Denkmal bekommen müssen. Wo er konnte, spart« er für den Obersten und scheute da für keine Mühe. .Besonder- seit der Oberst sich verheiratet hatte, machte Niel- oft ein bedenkliches Gesicht, denn e» ging jetzt sehr viel drauf. Die Knechte und Mägde lachten ihn wegen seines Geize« auS, und alle Augenblicke zankten sie sich mit ihm, weil er ihnen auf die Finger sah. WaS zum Teufel ging ihn denn da- an, er sollte doch den Ober sten nicht beerben. Jetzt ließ es sich noch aushalten, dachte Niel», aber wenn Kinder kommen; ja, dann mußte er auf allen Ecken und Enden aufpassen, wo nur zu sparen mög- lich war. Niel- war selbst einmal nahe daran gewesen, in den unsicheren Hafen der Ehe einzulaufen. Er war sechs Jahre lang mit dem schönsten Mädchen der ganzen Umgegend verlobt gewesen: dann aber kam diese/ plötzlich auf die Idee, sie müsse ein Jahr in Kopenhagen dienen, um sich ein wenig die Welt anzusehen und anderer Leute Sitten und Gebräuche kennen zu lernen. Sie setzte ihren Dillen durch, aber «in Husar an» seiner Heimat stach ihn auS. Als er seine Zeit abgedient hatte, ließ er sich al» Viktualienhändler nieder. Da- war nun zwanzig Jahre her. und al- Niels da» letzte Mal etwa- von ihr gehört hatte — e- konnte wohl vor einem oder zwei Jahre« sei» —, da erfuhr er, daß st« ihre eigene Billa hatte «G
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