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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031126024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903112602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903112602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-26
- Monat1903-11
- Jahr1903
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Von einem Mitgliede der Kommission hat die .Germania" einen ausführlichen Bericht über diesen Empfang «halten. ES geht daraus hervor, daß Parst PiuS X., wie M natürlich ist und niemand anders »»nehmen konnte, die Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. November. Dia staatsrechtliche Bedeutung -es Termins der Reichs» , tagscrössnung. i iDi« Einberufung des Reichstages auf den 8. Dezember entbehrt mit Rücksicht auf gewisse staatsrechtliche Erörterungen nicht der Bedeutung. Noch vor eini gen N-ochen wurde unter dem Anscheine amtlicher Inspi ration die Nachricht verbreitet, -aß die verbündeten Re gierungen deshalb Bedenken trügen, den Reichstag vor dem 6. Dezember einzuberufen, weil sie an der Krage, ob di« Legislaturperiode mit dem Tage der allge meinen Wahlen oder mit dem Tage des ersten Zusam, mentritts des Reichstages beginne, vorübergehen wollten; «S seien insbesondere, so hieß es weiter, aus dem Schvße -er Einzelstaaten Bedenken dagegen erhoben, daß der neue Reichstag vor dem 6. Dezember d. I. sich ver- sanynle, nachdem der im Jahre 1898 gewählte Reichstag auf den 6. Dezember jenes Jahres einberufen wäre. Die jetzt erfolgte Einberufung aus den 3. Dezember beweist, daß die maßgebenden Stellen in Uebereinstimmung mit den nam haftesten Staatsrechtslehrern die erwähnten Bedenken nicht teilen und die Legislaturperiode als am Tage der allgemeinen Wählen beginnend ansehen. Diese Auffassung entspricht der gesunden Vernunft und berücksichtigt di« Staat-Notwendigkeiten. Man braucht nur daran zu denken, daß seit dem 16. Juni aus irgend einem ernsten Anlaß der äußeren oder der inneren Politik di« Einbe rufung he- Reichstage- notwendig gewesen wäre, und man wird die Haltlosigkeit des Standpunktes ermessen, von -em au- eine Einberufung des Reichstage- vor dem 6. De- »smher MS unstatthaft erscheint, weil wegen der Reichs- tagSeröMung im Jahre 1898 die Legislaturperiode erst äst» 6. Dezember beginne. Nebenbei bemerkt, ist die Hinein, ziehung der Einzelstaaten in diese „Streitfrage" ein Miß- griff, denn Artikel 12 der Reichsverfassung bestimmt: „Dem K.a iser steht es zu, den Bundesrat und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen". — Die neueste Auslastung eines StaatSrecht-lehrer- über den Beginn der Legislaturperiode liegt zufällig ge rade heute in der neuesten Lieferung der Holtzendorffschen, jetzt von Kohler herauSgegebenen „Encyklopädie der Rechtswissenschaft" vor. Hier schreibt G. Anschütz: ,;Di« -Legislaturperiode beginnt jeweils mit dem vom Kaiser festgesetzten Tage der allgemeinen Wahl ; sie endigt durch Zeitablaus, d. h. nach Ablauf von 3 Jahren oder durch Auflösung." — -Die staatsrechtliche Praxis steht auf Seiten dieser staatsrechtlichen Theorie und dürfte im Laufe der Zeit die entgegengesetzte Auf fassung zum Schweigen bringen. deutsche Kommission auf das freundlichste behandelt hat. Der Papst kam, was ebenfalls nicht überraschen wird, auf den Besuch Kaiser Wilhelms in Monte Cassino zu sprechen und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß der Kaiser für die Arbeiten in der Krypta lOVOO.^ gespendet hat. Schließlich erteilte der Papst der Kommission den apostolischen Segen, sprach die Hoffnung aus, die Vollendung „des großartigen deutschen Werkes" in Monte Cassino zu erleben, und er munterte die Kommiision, am guten und baldigen Gelingen des Werkes mitzuwirken. In allen diesen ist nichts enthalten, waS in irgend einer Beziehung ungewöhnlich und auffällig erscheinen könnte. Um so größeres Befremden mutz es erregen, daß der „Figaro" den Empfang der deutschen Monte Cassino-Kommission imBatikau als Gelegenheit zu einer deutschfeindlichen Stim mungsmache in Italien betrachtet. Das genannte Pariser Blatt schreckt sogar davor nicht zurück, den Papst selbst als Werkzeug bei seiner deutschfeindlichen Stimmungsmache zu gebrauchen. Eine römische Korre spondenz des „Figaro" nämlich lautet wörtlich: „Als der Papst kürzlich die Kommission empfing, die zur Nestau- ratton der Krypta des heiligen Benedikt auf dem Monte Cassino eingesetzt worden ist, wandte er sich plötzlich an seine Zuhörer mit den Worten: „Liegt der Monte Cassino in Deutschland oder in Italien?" — Die Prälaten sahen sich erstaunt an. „Auf dem Monte Cassino," fügte Piu« X mit seinem gewöhnlichen gütigen, der Feinheit nicht entbehrenden Lächeln hinzu, ist der Abt «in Deutscher, die Mönche sind auch Deutsche, führen dort künstlerische Arbeiten au«, und die Kommission, die man mir soeben vorgestellt hat. ist gleichfalls auS Deutschen zusammengesetzt. Die italienische Kunst hat also kein Recht in dieser Wiege deS oeeidentalen MönchStumS?" — In Rom ist man erstaunt über den fortschreitenden und beharrlichen Einbruch der Deutschen in den berühmtesten TättgkeitSzweia de« Beuedikttuerorden«, in dem sie dir Mehrheit bilden, ganz ab gesehen davon, daß der Primat der Benediktiner der deutschen Kon- gregation in Beuron gehört. E» ergibt sich daraus, daß die Neuro- nisten, protegiert von Kaiser Wilhelm, bei allen neuen Gründungen selbst außerhalb Europas, bevorzugt werden." Der Kommentar, welchen der „Figaro" seiner Mitteilung über die angebliche Auslassung des Papstes hinzngefügt hat, kennzeichnet jene Mitteilung um so deutlicher als erfunden, je weniger Grund für die Kurie besteht, der deutschen Monte Cassino-Kommission etwas anderes al» den besten Erfolg zu wünschen. Nachdem der „Figaro" aus nationaler Eifersucht und auS nationalem Konkurrenzneide den Papst selbst in seine deutschfeindliche Stimmungsmache hineingezerrt hat, darf von der vatikanischen Presse die Zurück weisung eine» solchen GebahrenS erwartet werden. Das Deutschtum tu Galizien ward in der letzten Zeit totgesagt. Der wirtschaftliche Niedergang, die polnische Bedrückung und die Auswanderung nach dem deutschen Posen, so bieß es, ließen daS AuSsterben deS galizischen Deutschtums in Bälde voraussehen. Ein galizischer Brief, der in der Monatsschrift des Allgemeinen Deutschen SchulvereinS „DaS Deutschtum im Ausland" ver öffentlicht wird, stellt nun dieser landläufig gewordenen Auf fassung eine weit tröstlichere entgegen. Der wirtschaftliche Niedergang, so heißt es da, sei zwar nicht zu leugnen, aber auf die besonders widrigen Umstände der letzten Jahre zurückzuführen, die schlechte Ernten gebracht hätten. Bon diesem Niedergang ist also auch die polnische Bevölkerung betroffen. Wie der Brief, der vorwiegend die ländlichen Verhältnisse bespricht, hervorhebt, sehen die deutschen Gehöfte, die deutschen Dörfer immer noch ansehnlicher und bester bestellt alS die polnischen aus. Bon polnischer Be- drückung in Galizien zu reden sei unbillig. Die Deutschen würden um ihres Deutschtums willen keineswegs drangsaliert. Mit einer wirklich bedenklichen Schädigung droht dem galizischen Deutschtum allerdings die letzter Zeit entstandene AuSwanderungSbewegung nach Posen. Denn nicht die wirtschaftlich schwächsten Deutschen wanderten auS, um eine Besserung ihrer Lage zu erzielen, sondern gerade die wohlhabenderen, die im Besitz von wohlbestellten, leicht verkäuflichen Bauerngütern sich befinden. Dadurch aber werde den Zurückbleibrnden ihre Lage in der Tat bedenklich erschwert. Bor allem steigerten sich für sie die nach den Jahren der Mißernte ohnehin schweren Lasten für ihr deutsche« Kirchen- und Schul wesen in drückender Weise. Dem Deutschtum in Posen, so meinte diese Stimme eine- deutschen Galiziers, könne die schwache Einwanderung auS Galizien kaum viel nützen. Dem galizischen Deutschtum aber entziehe sie auf die Dauer seine besten Kräfte. So werde die vom Reich auS unterstützte AuSwanderungSbewegung zu einer Lebensgefahr für das galizische Deutschtum, die bis dahin in Wirk lichkeit nicht -bestanden habe. Blieben die galizischen Deutschen nur in der Lage, die Mittel für deutschen Unterricht und deutschen Kultus aufzubringeu, so sei für ihr Bolkstum in absehbarer Zett keine Gefahr. In dieser Richtung daher möge das Interest« nationalgesinnter Kreise im Reich sich betätigen. Dieie Ausführungen scheinen unS beachtenswert und ge eignet, einen Umschwung m der bei u«S ländlaufigen Auf fassung zu bewirken. England und Fraukreich 1» «ar-Aa. Zu den Bemerkungen deS französischen Minister» de» Auswärtigen in der Kammer über Marokko schweigen zunächst ungefähr sämtliche Londoner Morgenblätter. Nur der „Daily Graphic" ist sofort mit seinem Kommentar bereit, und dieser verliert jedenfalls nicht an Interesse dadurch, daß man dem Blatte früher unter Lord Salisbury und auch neuerdings wieder Beziehungen zum „Foreign Office" zuschreibt. „Herr Delcafss — schreibt der „Daily Graphic" — hat keine Enthüllungen zu machen. Seine Er klärungen, daß sämtliche Mächte die Freiheit der Meerenge aufrechtzuerhalten wünschen, daß sie alle anerkennen, daß Frankreich bei Erledigung der marokkanischen Frage ein Recht auf das letzte Wort habe, und daß die französische Politik in ihrem Wesen eine friedliche sei, lassen sich auf ver schiedenartige Weise deuten. Will man ihren Sinn dahin zu sammenfassen, daß Großbritannien gewillt sei, Frankreich freie Hand inMarokko zu gewähren, so fürchten wir, sie sind geeignet, Hoffnungen rege zu machen, die sich so leicht nicht verwirklichen dürsten. Die unwandelbare Politik unseres Landes ist auf die Aufrechterhaltung de» politischen Status guo in Marokko gerichtet. Diese Politik ist wesent lich für daS, waS Herr Delcafsö al» die Freiheit der Meerenge bezeichnet. Denn es ist unmöglich, die volitische Lage des marokkanischen Hinterlandes zu ändern, oyne gleichzeitig eine Veränderung in der verhältnismäßigen Stellung der Mächte in der Nachbarschaft von Gibraltar herbeizuführen. Diese Lehre wird in Rom sehr bald gewürdigt werden, denn eS ist stets Grundsatz bei den italienischen Staatsmännern gewesen, daß der Status guo am Mittelmeer ebensowohl vom Hinterlande als vom Küstensaum abhängt. Tatsächlich glauben wir keinen Augenblick, daß die Erklärungen de» Herrn Delcasss auf eine Angriffspolitik hindeuten. WaS in Marokko von noten scheint, ist eine aufbauende Politik. Die Mächte müssen eben ihr Bestes tun, den politische« statu» quo in dem Sinne aufrechtzuerhalten, daß sie ih« auf gesunder Grundlage stärken. Falls Frankreich da» innerhalb der durch die Unabhängigkeit Marokkos ge steckten Grenzen unternehmen möchte, kann England gegen den Vorrang in der Besorgnis, den Herrn DelcassS und die Mehrheit der französischen Politiker beanspruchen, keine Einwendungen erheben. (Sehr gnädig. D. Red.) Marokko ist übrigens nicht die einzige Mittelmeerfrage, die während der jüngsten Konferenzen Lord LanSdowneS mit Herr« Delcasss und Herrn Tittoni zur Erörterung gelangt sein dürste. Beträchtliche Veränderungen sind im östlichen Mittelmeer eingetreten, seit Frankreich und Italien vor zwei Jahren sich einigten, dem langen Hader ein Ende zu machen, und in dem Matze, wie diese Veränderungen sich entwickeln, werden sie wahr scheinlich gewisse Ambitionen der Großmächte im Gefolge haben. Ohne Zweifel ist eingehend erörtert worden, wie diese ehr geizigen Wünsche miteinander in Einklang zu bringen wäre«, und das Ergebnis liegt angedeutet in der heutigen halbamt lichen Nachricht, daß zwischen England und Italien in allen Punkten Einverständnis herrsche. Wir hoffen zuversichtlich, daß eS Lord LanSdowne möglich sein wird, un» bald mit zuteilen, welche Gestalt diese Einigung angenommen hat und inwiefern sie sich vom auglo-italienischen Uebereiakommen vo« 1887 unterscheidet." Deutsches Reich. veicki«, 23. November. (Dte nächsterr-UU)* gaben deS Reichstage-.) Der Reich-rag wird am Donnerrtag nächster Doch« zusammentreteo, voran-- sichtlich aber erst am 9. seine eigentlichen Beratungen aufnehmen können. Denn da auf den 8. ein katholischer Feiertag fällt, ist die Abhaltung einer Sitzung nm 7. nicht wahrscheinlich. Am 4. findet die Präsidentenwahl statt nd einige Tage müssen die Abgeordneten für da» Studium des Etat- frei haben. Wie man anntmint, wird die Zahl der Interpellationen, die es von vornherein regnet, ungemein groß sein. Vielleicht kann dadurch dte erste Lesung des Etat- entlastet werden. Vor Weih nachten bleibt nach der ersten Lesung des Reichs- haushaktsooranschlageS schwerlich Zeit zu weiterem als zur Erledigung der Vorlage wegen deS englischen Handelsprovtsoriums und viel leicht -er einen oder anderen Interpellation. Zu den Vorlagen, die dem Reichstag« in seiner ersten Tagung in der neuen Legislaturperiode bestimmt zugehen werden, gehören da- Mtlitärpensionsgesetz, das Gesetz wegen der kaufmännischen Arbeitsgerichte, da- Automobil-Poltzeigesetz und der Entwurf wegen Entschädigung unschuldig Verhafteter. Ob von den neuen Handelsverträgen einer wird vor gelegt werden können, ist einstweilen noch nicht abzusehen. Von dem schweizerischen wird es für möglich gehalten. Der Gesetzentwurf über den Versicherungsver trag wird dem Reichstage in der ersten Tagung schwer lich noch zugehen können, da er vor Ende Januar kaum an den Bundesrat gelangt und dieser einige Zeit mit der Beratung zubringen wird. WaS an sozial politischen Vorlagen außer der wegen der kauf- FaAilletsn Stella. Roma» von Jo Hanne Gchjörring. ' -Nolddenlt veedoten Während -er Oberst noch einmal darüber nachdachte, atz er gehen sollte, damit sie Zett und Ruhe hatte, ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen, oder ob er noch einen Versuch machen sollte, sie zur Aussprache w bewegen, -tze-te sie sich hastig um und sagte in kurzem Tone: „Ich habe «inen Brief von Amalie erhalten, sie kommt Morgen und will gern eine kurze Zeil hier bleiben." Lmalte Brun war eigentlich die einzige Freundin, mit Ar Stella verkehrt hatte, sie war dte Enkelin einer alten Kreundtn ihrer Mutter. Nicht- konnte dem Obersten unangenehmer fein. Weine Frau sollte weder Freunde noch Freundinnen haben, und besonder- war ihm Amalie Brun ein Dorn tz» Auge, »veil sie Stella zu lieb hatte und einen gewissen Einfluß auf sie au-übte. Dazu kam, -aß sie verlobt ge wesen war, sich auf dem Theater versucht und erst kürzlich «ine Reise über den Atlantischen Ozean gemacht hatte. , Er hatte gehofft, sie würde von der letzten Expedition nie -urückkommen. V „DaS ist wirklich höchst unangenehm", entrang eS sich seinen Lippen. „Unangenehm?" versetzte sie und erhob sich mit einer Heftigkeit, die er nicht an ihr kannte. „Unangenehm? Ja, glaubst du wirklich, daß ich mich nicht auch einmal nach gleichaltrigen Freundinnen sehne?" „Ja, liebe Stella", antwortete er, obwohl der letzte Satz ihn tief verletzte. — „Aber du kennst meine Gefühle Fräulein Brun gegenüber . . „Deine Gefühle — du kennst sie ja gar nicht — also find deine Gefühle auch nichts weiter als Vorurteile; wä hnt sie dir denn zu leide getan?" Die Röte war in ihre Wangen gestiegen und verlieh ihr eine Schönheit, die ihm wirklich neu war. „Setz' -ich, liebe Stella, setz' dich, mein Kind, und laß ruhig darüber reden", bat er und setzt« sich auf den Äußersten Rand der Bank. (Sie sah ja so niedlich an» in dem Hellen Morgenrocke mit Len Eremespitzen; es machte fast Len Eindruck, als wäre sie darin geboren. „Setz' dich, mein Engel!" „Nein, erst will ich wissen, was Amalie dir getan hat, und dann, warum ich hier eine Gefangen« bin, die sich aus dem engen Kreise, den du um sie gezogen hast, nicht herauSrühren darf." „Stella, Stella, waS sind das für Reden? Du bist sehr ungerecht!" Diesmal klang seine Stimme ärgerlich. „Und undankbar, sage es nur", fuhr sie fort; „ich war ja nur ein arme-, heimatloses, junges Mädchen, als Mutter starb. Du hast . . ." Ihre Stimme ging in Schluchzen über. Er nahm sie in seine Arme, zog sie auf sein« Knie und sprach viele gute Worte zu ihr. Lange wand sie sich hin und her, um von ihm lo-zukommen, und saß steif, von ihm fortgewendet, da. Alle ihre Bewegungen trugen da» Gepräge der Schönheit und der jugendlichen Elastizität. Vielleicht erkannte er zum ersten Male, welcher Unterschied zwischen ihnen beiden bestand, und gleichzeitig hatte er doch da aufregende Gefühl, daß sie ihm angehörte. Er schwieg still und hielt sie nicht mehr so fest, dabei aber weit von sich, um sie sich so recht zu beschauen und ihr gleichzeitig die Möglichkeit -um Fortgehen zu lassen, falls sie dies wollte. Sie drehte sich nach ihm nm und sah ihn starr an. Das unbarmherzige Tageslicht beschien alle seine Runzeln, die die Leidenschaft jetzt, wo die verschönende Glut der Jugend von ihm gewichen war, noch deutlicher hervortreten ließ. Lin Gefühl, vielleicht nur eine dunkle Vorstellung hiervon, dämmerte unbewußt in ihr auf; ein Gefühl, -a- fast ihr Mitleid wachrief, regte sich in ihr. Halb infolge dieser Erkenntnis, halb aus alter Gewohn heit legte sic die Arme um seinen Hal» und sagte: „Laß doch Amalie hierherkommen und laß dte ewige Nörgelei sein, vergiß -och nicht, daß ich noch so . . . so ... so jung bin." „Ja, gewiß, natürlich, wenn dn eS wünschest... wenn du mich nur immer, immer lieb haben willst!" Er drückt« sie an sich, bis sie zuletzt Angst bekam, er könne ihr die vielen schönen Spitzen ruinier«»». „Ach waS, weg damit! Du kannst ja andere be kommen, ebenso schön«, so viel du nur haben willst!" „Dein Mann wünscht mich dahin, wo der Pfeffer wächst", sagte Amalie einige Tage später, als sie in früher Morgenstunde mit Stella, dte sich mit einem Male dazu aufschwingen konnte, mit der Lerch« aufzustehen, im Garten spazieren ging. Bier eifersüchtige Augen überwachten sie, die ihre- Manne- und ihres Dieners. Die ersteren mit der un bändigen Eifersucht -er Liebe, dte letzteren mit der über- legenen, kaltblütigen Ruhe der Dienertreue. Sie wußte eS nicht, und wenn sie es wußte, so kümmerte sie sich nicht darum! Sie genoß dieses Zusammensein mit der Freundin, ja, sie genoß eS. Amalie Brun war korrekt in ihrem Auftreten, in ihrem Wesen und ihrer Kleidung. Sie war dunkeläugig und fein von Gestalt, schön und einfach gekleidet, sprach gedämpft und vornehm. Sie spielte schön und sang mit Gefühl kleinere Stücke aus Opern, modern« Lieder und Arien und war außerdem so religiös geworden, daß Stella, die diese Seite ihre- Charakter- nicht kannte, darüber ganz verwundert war. Amalie war viel schöner als Stella, sowohl in ryrrr ganzen Erscheinung, wie auch im einzelnen. Trotzdem war sie nicht so nach dem Geschmack aller Herren wie Stella, verstand eS aber desto besser, ihr eigene- Geschlecht zu beherrschen, wenn sie e» darauf anlegte. Stell.» geriet sofort unter ihren Einfluß, wodurch die Aufmerksamkeit der beiden Augenpaare nicht verringert wurde, obwohl diese natürlich den ganzen Umfang de- von Amalie ge- übten Zaubers nicht ermessen konnten. Tag für Tag gruben sich in die Stirn deS Obersten tiefere Runzeln, die ihn keineswegs verjüngten. An den beiden letzten Abenden — denn er sprach eigentlich seine Fran nur allein, wenn sie müde war und »ich schläfrig zur Ruhe begab — hatte er seine mißmutige Laune nicht zu zügeln vermocht. Trotzdem hatte sie die Vorwürfe beide Male so geschickt pariert, daß er sich wegen seiner nnpassenden Heftigkeit entschuldigte; doch daS Verhältnis zur Freundin erlitt dadurch keinerlei Veränderung. Die beiden jungen Frauen hatten sich jetzt einer Bank unten am Flusse genähert und das Wasser lag frei vor ihnen, — der einzige Platz, wo man absolut nicht belauert werden konnte. „Dein Haus sieht von dieser Bank au» recht hübsch auS", sagte Amalie, während sie sich setzte. „Es geht dir ja hier vortrefflich, znfammen mit deinem alten Mann. . .. Ueberhaupt schnurrig genug, daß d» dich mit dem haft zurechtffinden können. Wett eher hätte ich eS verstanden, wenn du dich mit -em Sohne verheiratet hättest, den du ja noch als Kind gekannt haft." Da- wurde so ruhig gesprochen, als wäre e» die natür lichste Sache von der Welt; doch die Worte trieben Stella das Blut in die Wangen. Es gibt praktische, schnurgerade Menschen, die jede Handlung abmeffen und alle- auf dte Wagschale der Berechnung legen. Sie wissen, worauf sie sich etnlaffcn, und prüfen genau, wie lange oder wie kurze Zeit sie mitgehen dürfen. Sie genießen die Hoch, achtung ihrer Freunde und dte Bewunderung aller Leute; — vielleicht verdienen sie sie auch! Unter allen Umständen gehörte Stella nicht so sehr zu ihnen, wie anscheinend ihre Freundin. Stella war gleich sam die üppige Lilie auf dem Wasser, die sich auf ihren breiten Blättern hin- und herwiegte; wenn sie auch von den Wellen gezaust wird, öffnet sie doch immer un immer wieder ihren tränenfeuchten Blumenkelch, um Licht und Sonne etnzusaugen und selbst ihren Teil zur allge meinen Schönheit beizutragen. Don Amaliens Worten war eS besonder» die Phrase „dein alter Mann", dte Stella im Gedächtnis hafte» ge blieben war. Amalie wnßte, recht gut, -aß da- Wort wirkte, aber sie wollte wissen, ob Stellas Ehe eine Liebe-Heirat oder nur eine ,BersorgungSkasse" war. Sie wollte wissen, ob die Nnhe, dte sic stets gezeigt, nie gestört worden war, denn in solchem Fall« war sie sicher, eS würde bet Gelegen- beit eine „Epoche" eintreten. Sie hatte stet- ihr eigene» Leben al» Richtschnur genommen, und da- hatte „mehrere Epochen" gehabt. Und wenn sie nun Stellas Glück be- trachtete, dann war sie gleichzeitig erstaunt und eifer- süchtig. Man bedenke, Stella war noch keine zweiund zwanzig Jahre, während sie zweiunddreißig zählte. Sie wußte wohl, daß sie in jede» Kenner» Augen schöner war; aber trotzdem *sah sie mit Erstaunen, wie geschmackvoll Stella sich kleiden konnte und wie sie sich alle» in allem mit den Vorzüaen ansnahm, über die sie verfügte. Geschah da» aus Liebe zum Mann oder zu sich selbst? Au» Stella war, wie eS bet vielen schweigsamen Menschen der Fall ist, schwer klug zu werden. Sie sprach sich nie recht au», sondern blieb stumm. „Fühlst du nie eine Enttäuschung darüber, daß dein Mann so alt ist, daß er dein Vater sein könntet fuhr Amalie fort.
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