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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031127010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903112701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903112701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-27
- Monat1903-11
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VezuqS PrelS W der tzauptezp-diNov odri orren A»eg»b»> stell»» «bg,d»It ottttelpttirNch ^t S.—, >>et zweimal»«,,» tägliche» ^aft'Uana las Haas s.r» Dar» Vt» Poft bezöge, Mr Deatlch, Ia»d » Oefterrrich ot»rt»tjährtiä> s.ftO, für btt Ldngeo Lüader loat ZeUungspreisUft«. Lr-akNon and Lrveditto«: -odannt-gass» 8. Aeralprrcher löit »ad SSL Ftlta»«»»«»ttta»»»» AkkredHahn, Bachhoadig., UutversitäUftr.ll^ 8. Losch«, Lathan»,nstr l«, a. Ksatgspl. 7. Haapl-ZMatk Vresdea: Marteastrab» 8^ Aerasplech«» «mt l 7t«. 1711, Hanpl-Filiale Skrttn: Corl Dancker. Herzgl davk Hosimchhandlg* Lützowftroß» lü Aeraspreche, Amt VI Str. 4P0L> Morgen-Ansftave. Anzeiger. ÄmlsAall des Königlichen Land- nnd des Königlichen Ämtsgerichles Leipzig, des Aales und des Aolizeiaintes der Ltadl Leipzig. NnzeigenePrelS die Sgeipaitene Petttzeüe LS Neklame» »ater dem N«bottton«strtch (sgApaU»») 7L vor de» AamUteaaöch» rtchtea lSgespolte») öS LabellarNche» »ad giften»»atz eatlprrchead Hetzer. — Gedühre» M» Aachwetsunge» »ad Ofs«rteaaaaahln« S» H («zct. Porto). Ertra-Verlage» lgelolzt^ »», mit der Morgen-Ausaab«, »tzne VostbetSrdeniag SV.—, mit Poftt-sSrdenulg ^tl 70.-> Annastmeschlat filr Anzeige«: >d,»d.»u«g«ber vormittag« 10 llhr. Wlurg«» La«gaber Nachmittag« 4 Nh» Anzetgeu stad stet« m, die Crpedttto» za richte» Di« Esvedttio« ist wochentags immtterbrvch« geöff aet ooa früh S btt adeattt 7 llhr. Druck aud Verlag vv» E. Polz d» Leipzig. Sir. KüL Ein Erbbau-Vertrag. vr. 8. Ibn Oktober dieses Jahre» hat der preußisch« Fiskus seinen ersten größeren Erbbau-Bcrtrag zum Zwecke privater Errichtung von Wohnhäusern für Beamte abge schlossen. Nur wenige können sich von einem solchen Vertrage ein einigermaßen klares Bild machen. Das ist umso merkwürdiger, als es sich keineswegs um eine Schöpfung der Gegenwart handelt, sondern nm ein ur altes, auS dem römischen Rechte WerlieserteS Institut. Schon fast vergessen war cs, so selten kam es in Deutsch, land zur Anwendung. Es muß wohl niemand rechte Freude an ihm gehabt haben, weder der Eigentümer des Grund und BodcnS, noch der Erbbauberechtigte, der auf dem fremden Grundstück für eine vereinbarte Reihe von Jahren Gebäude errichten durfte und dieses Recht auf seine Nachkourmen vererbte, auch an dritte veräußern durfte. In London und dessen Vorstädten besteht es in ausgedehntem Umfange und ist die Hauptursache des Un geheuern Reichtum» manches LorbS, der dadurch, daß seine Vorfahren vor 100 bis 200 Jahren die Bauparzellen nicht verkauft, sondern den Baulnstigen nur in Erbbau- pacht gegeben haben, die Wertsteigerung, die der Grund und Boden inzwischen überall erfahren, für sich „ver dient" hat. Die Verträge sind dort meist auf 99 Jahre abgeschlossen. ES wird niemanden wundern, wenn die betreffenden Lords die Weisheit ihrer Vorfahren und das Gesetz rühmen. Ganz anders urteilt man in und bei Wien darWer. In der Brigittenau und in Floridsdorf sind die Häuser großenteils nicht Eigentum ihrer Besitzer, sondern stel>en in deren Erbbaurecht oder, wie man dort sich ausbrückt, Superädtfikat. Der neueste österreichische Autor, Karl Grünberg, sag« uns in seiner Broschüre „Bauten auf fremdem Grund", daß di« betreffenden Häuser ein Bild vollständiger Verwahrlosung bieten. Es seien ärmliche, „aus Straßenkot und Speichel" hergestellte Baulichkeiten, die sich seltsam von den Kolossen auf Len benachbarten Privatgrundstücken abhoben. Hier und da nur stoße man auf eine Fabrik oder ein schmuck ausgehendes, modern gebautes, wenngleich nie mehr als mittelgroßes HauS. Man sinn« überall aus Mittel, um diesen unhaltbaren Zu ständen ein Ende zu machen, lieber die Uwhaltbarkeit, auch für die Pächter, herrsche nur «ine Stimm«. Um diese verschiedene Wirkung in London und in Wien Freitag den 27. November 1903. 87. Jahrgang. zu verstehen, muß man den Inhalt der Verträge etwa» betrachten, und man wird da eine wett größere Unselbst, ständigkeit bei dem Wiener Erbbauberechtigten finden als bei dem englischen. Der Vertrag ist in Wien sehr oft nur auf die Dauer von 3 oder 0 Jahren abgeschlossen, wenn er auch tatsächlich nach Ablauf dieser Zeit verlängert zu werden pflegt. Der Pächter erhält in Wien kein dingliches Recht am Gebäude, das er also weder verpfänden, noch veräußern kann. In Deutschland will man bas Erbbaurecht hauptsächlich zu dem Zwecke wieder beleben, den FiSkuS und die Ge meinden zu veranlassen, ihren Grundbesitz mehr als bis her für die Bebauung zu erschließen. Gehört ein Grund stück dein FiSkus oder einer Gemeind«, so war daS bis. her gleichbedeutend mit der Unverkäuflichkeit desselben. Die heutige Bodenreform-Bewegung verabscheut den Ver kauf überhaupt, insbesondere den Berkaus an Privatper. sonen, weil dadurch nur die Bodenspekulation unterstütz» werde, und befürwortet lebhaft die Ueberlassung in Erb. baupacht. Mehrere Städte sind diesen Anregungen be reit» gefolgt, so außer Leipzig ar^ch Frankifurt a. M., Halle, Wilhelmshaven und die Verwaltung de- Nord-Ostsee- KanalS. Jetzt hat auch der preußische FiSkuS einen größeren Komplex, der bisher zur Domäne Dahlem vor den Toren Berlins gehörte, dem Beamten-WohwungSveretne zu Berlin in Erbbaurecht gegeben, und zwar auf 70 Jahre. Der Verein soll einen jährlichen Erbbauzins in Höhe von nur 2 Prozent des Wertes des Grundstücke» zahlen. Er ist dafür aber gewissen Beschränkungen bei der Be- bauung unterworfen. Letztere soll landhauSmäßtg er» folgen. Gewerbliche Anlagen, die konzcfsionSpslichtig sind oder Geräusch, Rauch oder Geruch verbreiten, dürfen nicht errichtet werden, Gast, und Schankwirtschaften nur mit Genehmigung des FiSku». Auch für die Schönheit der Kolonie ist Sorge getragen; die Umfriedigungen dürfen nur bi» zur Höhe von Vs Meter massiv, darüber hinaus müssen sie durchbrochen sein und der Gegend zur Zierde gereichen. Hohe 'Grenzmau«rn oder Zäune werden nicht geduldet. Der Fiskus behält sich die Genehmigung der Bebauungspläne für den ganzen Block, sowie auch der einzelnen Bauten, insbesondere der Fassaden vor. Damit nicht lediglich Billen für die höheren Beamten gebaut werden, ist bestimmt, baß Häuser mit nur einer Wohnung von mehr al» 4 Zimmern nicht gebaut werden dürfen. Ucberhaupt darf eine Abänderung der Satzungen des Vereins, der seinen Mitgliedern „gesunde, preiswerte und in gewissen Grenzen unkündbare Mietwohnungen in der Stadt Berlin und in ihren Vororten zu verschasfen beab sichtigt"/ nicht /ohne Genehmtgnng -eS FiSkus vorge- nommen werben. Für die Tragung der ö fentlichen Lasten ist die Regel befolgt, daß einmalige Lasten der FiskuS trägt. Er übernimmt z. B. die erste Regulierung der Straßen, wogegen die laufenden Lasten, -. B. für die Kanalisation, der Verein trägt. Wenn der Fiskus das Grundstück selbst braucht, oder wenn der Verein feine Pflichten nicht erfüllt, insbesondere die Grundstücke anderweit benützt oder überhaupt nicht bebaut oder die Gebäude nicht in gutem Zustande erhilt oder nicht pünktlich zahlt, so kann der FiSku» den Ver trag aufkündigcn. Bet Auflösung deS Vertrages, sei es nach 70 Jahren, sei es vorher, entsteht dann die Frage, waS mit den Gc» bänden wird. Sie gehen in das Eigentum de» FiSkuS über, der dafür 20 Prozent des Wertes, den die Baulich- keilen alsdann besitzen, dem Vereine zu zahlen Hal. In den Fällen deS vom Vereine verschuldeten vorzeitigen Rücktritt» vermindert sich die Entschädigung. DaS ist der wesentliche Inhalt des neuesten unb wegen seiner Geltung für eine große Kolonie praktisch sehr be deutsamen Erbbau-DcrtrageS. Im übrigen gelten die Vorschriften deS „Bürgerlichen Gesetzbuches". Der ve- rechtigte kann also sein Recht an dritte Personen abtrcten; — der preußische FiSkus hat sich das Vorkaufsrecht Vor behalten, das ihm gesetzlich nicht zustehen würde. Ter Berechtigte kann auf sein Recht eine Hypothek aufnehmen, um sich z. B. die Baukosten zu beschaffen. Das Erbbau- recht erhält ein besonderes Grundbuchblatt. Dadurch, daß das Bauwerk untergeht, erlischt da» Erbbaurecht nicht; nach dem preußischen Vertrage muß da» Grundstück binnen 2 Jahren wieder bebaut werden. Man erhofft in manchen Kreisen von -er Wiederbe lebung des Erbbaurecht» die Erleichterung der Errichtung von Ein- oder Zwei-Familienhämern oder doch von billigen Wohnungen für den Mittel- und den Arbeiter, stand. Die Erfüllung dieser Hof.nung hängt von der gröberen oder geringeren Schwierigkeit der BeschMmrg von Baukapital ab, das nicht nur verzinst, sondern auch zugleich amortisiert werden muß. Die besten Aussichten dürften die Erbbau-Verträge haben, wenn sie, wie im I obigen Falle, mit einem kapitalkräftigen Verein« ge schlossen werden. Jedenfalls lohn» es sich, auch anderweit den Versuch, allerdings nicht nach dem Muster der Wiener Verträge, zu machen. Deutsche- Reich. A Berlin, SS. November. /Entwickelung»« geschtchte de» Sozialismus.) In dem vom Nattonalliberaien Verein zu Berlin veranstalteten Vor tragszyklus gab Prof. l)r. Warschauer in voriger Woche eine vortreffliche Darstellung über „Lonis Blanc und daS Recht mrs Arbeit". Letztere Forderung wird auch heute noch theoretisch aufrecht erhalten und hat zudem ein« zeit gemäße Erweiterung oder Umgestaltung in den Be strebungen der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit gefun den. Louis Blanc, aus dürftigen Verhältnissen hervor gegangen, sand in früher Jugend Gelegenheit, sein« Be obachtungen in Arbciterkreiscu zu machen, ünd veröffent lichte seine Wahrnehmungen in einem kleinen, systematisch durchdachten Werk: „Organisation ckll travail". Einfach und mit zwingender Logik, freilich von falschen Voraus setzungen ausgehend, geschrieben, übte eS einen tief gehenden Einfluß auf die Arbeiterbeoölkerung Frank reichs. Ohne sich mit historischer Entwicklung der Arbeits organisation viel zu plagen, stellte Louis Blanc die Grund- ihcorie auf: der moderne Mensch ist gegenüber dem Menschen im Urzustände benachteiligt; diesem stand zu seiner Nahrung alle» zur Verfügung, bi» Las Privateigen tum auskam und ihn der freien Nutzung beraubte. Kür diese Entziehung muß Entschädigung, Ersatz geleistet wer den, — der Staat hat die Verpflichtung dazu. Da» Haupt hindernis der gleichmäßig verteilten oder mangelnden Arbeit erblickte Louis Blanc in der freien üonturrenz. Auch diese sollte durch den Staat mittel» Produktioassozta- tionen und Sozialwerkstätten s^tslier» aoeiawrj beseitigt werden. — Die Undurchführbarkett seiner Theorie stellte sich sehr bald bei dem ersten praktischen Versuche heraus. Noch zu Anfang de» Revolutionsjahre» 1848 d«r gefeierte Liebling des Volke» und der Arbeiter klassen, mußt« Louis Blanc Ende desselben Jahre» au» Frankreich flüchten, vielfach geschmäht von denselben Ar beitern, di« ihn vergöttert und seine Berufung ins Bürger. Ministerium fast gewaltsam durchgeseyt hatten. Al» Minister sollte er seine Theorien zur Ausführung bringen. Da» eifersüchtige Ministerium drängte ihn aber von der Leitung der Atelier» »cxsiau», der Ltaatswerkstätten, zu rück. Das kläglich« Scheitern der letzteren ist bekannt: der Staat hatte schließlich kein« Arbeit zu vergeben, aber zahlte auch den Nicht-Arbeitenden «inen täglichen Lohn von 1—1,SO FrcS. Bei weiterer Fortführung Li«ser Xtelisr, «oeiaux, di« zuidcm nnr in Pari» errichtet waren, würde der Staat an den finanziellen Ruin gelangt sein; die Atelier» »oeiaux mußten wieder aufgehoben werden, die Enttäuschung der Arbeiter war ebenso groß, wie früher ihre Begeisterung, und al» LouiS Blanc Ende de» Jahre» 1848 flüchten mußte, mm nicht dem Urteil wegen falscher Anklage auf Hochverrat zu verfallen, war er längst nicht mehr der Abgott der Arbeiterklassen. Er hat nie wieder innige Fühlung mit ihnen zu nehmen vermocht. Denn als er 1870 nach Frankreich zurückkehrte und al» Deputierter gewählt wurde, waren von Deutschland her schon die Feuilleton. Wur». Cino Schlachtesestplauderei von Theo Seelmann. „Da» Schwein verdient feiner Unreinlichkeit wegen mit Recht diesen Namen", begann eine höhere Locher, Ursache mtt Wirkung verwechselnd, ihren Aussatz, in dem sie «ine kritische Biographie diese» grunzenoen Rüssel- träger» zu liefern gehalten war. Allerdings, sehr reinlich ist das Borstentier gevad« nicht, aber der Geschmack ist ja verschieden, und mau muß sich einen jeden ausleben lassen, wie eS ihm beliebt, Die schmutzigen Neigungen de» Schweine» haben denn auch die groß, Mehrzahl der Völker nicht verhindert, ihm ihr« vcrzehrende Wert schätzung zu zollen. Mtt einem guten Happen uns zu be schenken, ist zwar auch anderen Tieren eine aanz be sondere Ehre, aber da» Schwein allein kann sich oer Aus nahmestellung rühmen, der aufopferunvSsreudige Träger brr Wurst zu sein. Der Erfinder der Wurst konnte sich seine neue Schöpfung nicht als Gebrauchsmuster schützen 'assen, denn, al» die erste Wurst auftauchte, gaH «» noch kein Patentamt. Wie viel« andere ersten K'ulture,""ngei^ schastrn, verlieren sich auch di« Anfänge der Wurftcrfin- düng in da» Dunkel der fernen Vorzeit. Schon die Helden Homer» kannten die Wurst. Der mit Blut und Speck gefüllte Veißwagen, den man braten konnte, war chnen eine erlesen« Delikatesse. Aber sie waren sicher nicht di« ersten, die die Hände nach dem leckeren Mahl« streckt,«. W>« sie selbst, so waren auch i-r« Enkel und Enkelkinder überzeugt, Wurstfreund«. E» entspricht zwar sehr wenig unseren Anschauungen vom klassischen Alter tum, uns den wet'en Sokrate», den ftaat»klugrn Perikle» und den gedankentiefen Plato wurstcflend vor-ustellen, aber ohne Zweifel waren auch fi« «iner solche« mensch lich«« Schwäch- fähig; d«nn Magenwürste, Blutwürste und sogar warme Würste waren bin klassisch«« Griechen ebenso verlockend, wie bi« schwerst«« Fragen der Phil»- sophi«, Bei ihre« Gaftmählern bildeten kleine grillierte Wtirst«, sowie s-sttklte Schweineinagen mtt einer Sauce au» Eisig, Kümmel und Silphium neben Eiern und Austern ,1« bevorzugte» Entree. Wiederholt tut der Spötter Arlstophane» in seinen Werken der Wurst Tr- »tlbnung. In den „Acharnern" Mt er den Bauer Dikan» polt» sagen: „Bursche, nimm die Wnrst herab und bringe sie mir", und in den „Fröschen" wir- der nach Schweine fleisch lüstern« Sklave Lanthios von seinem Herrn Dionylv» mit den Worten beruhigt; „Sei doch still, du be kommst schon «in Würstchen abl" Selbst unsere scherzhaft ernste Drohung, aus jemandem Wurst zu machen, in dem Sinn, ihn kurz und klein zu schlagen, gebraucht schon Aristophanes in den „Wolken". Den Griechen aber weit überlegen war das nicht bloß gesetzkunbige Römervolk. Die römischen Köche wußten nicht weniger als bO Gerichte aus Schweinefleisch zu bereiten. Juvenal bezeichnet da» Schwein al» „ein Tier, für die Gastmähler geschaffen", und Barro nennt es „ein Naturgeschenk für Leckermäuler". Schweinefleisch galt nicht nur im frischen Zustande für eine kräft ge Nahrung, die die Athleten besonder» schätzten, sondern e» war auch eingesalzcn oder geräuchert eine allgemeine Volkskost, deren Mangel, ganz wie bei nn», große Un zufriedenheit erregte. Es gab in Nom eine eigene Zunft der Duarier, die als Schlächter und Wurstmacher die Versorgung der Stadt mit Schweinefleisch betrieben. In dem Kochbuch, das dem Fctnschinccker ApiciuS zu geschrieben wird, findet sich auch eine Reihe von Wurst rezepten. Er kennt geräucherte Würste, Magenwlirste und Würste anS Rindfleisch, während Horaz Knackwürste erwäknt. Al» ein Triumph der Kochkunst wurde e» an- gesehen, ««zerlegte Schweine, die mit kleinem Geflügel oder Würsten gefüllt waren, auf den Ti'ch zu bringen. Man nannte derartige Schaustück« der Tafel nach dem trojanischen Pferd, ans dessen Bauch die Helden heraus- krochen, trojanische Schweine. In dem „Gastmahl des Trimalchio", das von Pctronins Arbiter gelchildert ist, werden zum dritten Gang drei Schweine in den Speise saal getrieben, von denen die Gäste eine» zur Zubereitung bestimmen sollen. Das anSerwählte wird vom Koch so- fort zugerichtet und dann, zwar gebraten, aber, wie n zitternd gesteht, unansgeschnittcn hereingebracht. Er habe da» «»»nehmen vergessen. Für diese» Versäumnis soll er ausgepeitscht werden. Schon haben ihn die Diener ergriffen, da bitten die Gäste für ibn. Trimalchio verzeiht ihm und befiehlt nun, da» Vergess«»« nachzu holen. Der Koch schneidet dem Schwein den Bauch auf, au» dem Bratwürste und Blutwürste herauvallrn. Für seine Geschicklichkeit wirb j«tzt ber Kochkssnstler mtt einem Ehrentrunk au» einem yecher von korinthischer Bronze belohnt. Bei demselben Gastmahl erzählt d«r vornehme Römer Habinnaü, baß der erste Ging eine» Festessen», an dem er im Haus« einer Dam« teilnahm, au» Hühner- vigout mit süßem Eingemachten unh aus einem mit Würsten behangen«« Schwein bestand. Der Wurst wurde ihr Rang höchsten» durch die Spanserkel und durch Schweineeuter streitig gemacht. Da» Köstlichste ab«r war da» Suter von solchen Mutter- schweincn, die dtN Schwanz nicht link», sondern recht geringelt trugen. In einem Gclpräche. da» Timarion mit dem Philosophen Theoboru» in der Unterwelt führt, weiß dieser seinen znr Oberwelt entlassenen Freund ,nn nichts Herrlichere» zu bitten, al» um ein Fcrkelchen von drei Mouateu und «Ur Schwetu»«uter, fo fett a» irgend zu bekommen sei. Wir sind sogar über die Gchwetnerasse, ans der d e Römer ihre Wurst bereiteten, genau unter richten DaS prächtige Basrelief des Forum Nonkinum zeigt uns eine kurzköpfige, kehr mastsähigr Nasse mit ge rundeten Formen, das an daS indische HauSschwcin er innert. In Herculanum wurde die gleiche Nasse zur Zeit deS Unterganges gehalten. Eine in Portict ge fundene Brvnzestatnctte bringt ihre Merkmale klar zum AnSdruck. Die Mastschweine Sardiniern» galten als Primaware. Auch auf deutschem Baden ist da» Schwein uralt. In den Pfahlbauten der Gchiveiz sowohl als auch Nord deutschlands sind Neste von zahmen Schweinen entdeckt worden. Zuerst tritt in den Pfahldörfern der Schwei-, und zwar in den späteren Abschnitten der Steinzeit, eine kleinere Schweinerasse auf, die vom mittclcuropät che» Lanbschwcine und dem bei un» heimischen Wild chrveiue nicht unerheblich abweicht. Man hat e» al- Tvrssch.vein bezeichnet. E» war ohne Zweifel ein Abkömmling des indischen Schweine». Später erscheint dann in den schweizerischen Pfahlbauten ein größeres HauS'chwein, Las offenbar auS dem gewöhnlichen Mild chwein ge züchtet wurde und seinen kleineren Vorgänger allmählich -urückdrängte. In den norddeutschen Pfahlbauten und den dänischen Siedelungen dagegen hat da» Torsschwein gefehlt. Hier gingen die bauesänvcine nur au» den euro päischen Wildschweinen hervor. Auch bei den Menschen der Tieinzeit muß Schweinefleisch sehr beliebt gewesen sein; denn die Knochenreste werden in den jüngeren Ab- lagerungen immer zahlreicher. Ob man freilich schon Wurst kannte, ist nicht nachweisbar. Bei der Leichtigkeit der Herstellung der einfachen Wurst indessen, wo di« Mischung des geronnenen Blute» mtt Speckstitcken genügt, ist die» Immerhin möglich. yed«nfall» aber wußten bi« germanischen Völker, al» st« mit den Römern in Berührung kamen, da» Schweine fleisch «inzu^alzen, zu räuchern und anderweitig schmack haft zuzubereiten. In den nordi'chrn Eichen- und Buchen- Wäldern mästeten sich zahlreiche Schweineherven, und nirgend» waren sie billiger zu erhalten. Teilweile waren siwsy verwildert, daß sie den Besuchern de» Lande», w'e Strabo berichtet, gefährlich wurden. In höchllem Grade blühte die Zucht bet den Thüringern. Si« mußten nach dem Gälischen Gesetz« ihren Tribut «ine zeitlang in Schweinen bezahlin. Dies«lben Gegenden Westfalen», die heute ihrer Schinken wegen »«rühmt sind, waren e» auch schon in der rümt'chen Katserziit. Sin Pfund Schinken au» den Rauchlängen der Menapter und Marser kostete in Rom gegen 8 ^!. Die Zeit de» höchsten Wurstkültn» war da» Mittel alter. „Eier, Wurst und Fladen", sagte man, „kann nie- mand etwa» schaden." Zur Verherrlichung festlicher Tage waren Würste unbedingt nötig. Blutwürste, Lcberwürst« «ud vratwllrft« werde« tu du» Gchrsst«« au» de» 10. bis 12. Jahrhundert mehrfach erwähnt. Im 13. Jahrhundert liebte man e», den aus Schiveineffleisch und anderen Fleischsorten hergcstellten Würsten Fenchel beizumischen. Noch jetzt nennt man in einigen deutschen Gegenden die Fenchelpslanze Saufcnchcl. Dieses Bestreben, den Würsten durch Gewürze einen eigenartigen G.schmack zu verleiben und bisher unbekannte Wurstsorten hervorzu bringen, nahm später noch verwunderlichere Formen an. Jin l4. und 15. Jahrhundert waren Würste, die mit dem kostbaren Safran nnd Zimt gewürzt waren, ein be rühmter und teuerer Leckerbissen. Die Krone aber schoß man in dieser Beziehung im 17. Jahrhundert ab, wo man die Würste aus einer Mischung von Schweine-, Kalb, und Hühnerfleisch znbereitete. Dieses Gemenge versetzte man mit Milch, Ambra und Moschus. Wie der Geschmack einer solchen Ueberwurst war, ist fraglich, sicher aber brachte sich derjenige, welcher sie sich zu Gemüte führte, nicht gerade in einen guten Geruch. Die große Masse des Volkes indessen konnte sich der- artige überfeinerte Delikatessen nicht leisten. Man hielt hier auf Wurst von reinem von unpassenden Zutaten freien Schweinefleisch. Allerdings kamen auch damals schon gelegentlich NahrnngSverfSlschungen vor, denn verschiedene Stadtrcchte verordnen: Man soll auch keine Wurst nicht machen, denn mit dem Fleisch, das von dem Schwein ist. — Schweine zu halten und für den Haus bedarf selbst cinzuschlachten, war bis in die Mitte de» 18. Jahrhunderts hinein für einen jeden chr'amen Bürger unerläßlich. Den gnten Freunden und getreuen Nach barn Wttrst« und Wurstsuppe bei den Schlachtfesten znzu- schicken, ist ein uralter Brauch. Wahrscheinlich geht er auf vorgeschichtliche Zelten zurück nnd hat seinen Ursprung in einer häuslich-religiösen Festlichkeit ber heidnischen Germanen, dem sogenannten Sporkelfeft. Bei demselben wurden unter tzewissen religiösen Feierlichkeiten ber Freya Schweine geopfert un- Schmaus«r«ten voran, stalter. Kein Tier wirb, nachdem e» sein Leben hak lassen müssen, so zerstückelt nnd zerkleinert, wie da» Schwein in ber Wurst. E» ist, al» sollte e» die guten Taa«, deren es sich vordem erfreute, noch nach dem Tod« büßen. Denn so lang« da» Schwein noch da» rosige Licht de» Leben schaut, ist e» -er Rentier unter -'n Haustier«». Skwa» drastisch bot dir» ein Neger ausgedrvckt, den Franklin nach England mitgebracht halt«. Al» der Amerikaner seinen schwarzen Diener kragt«, wat «r von England halte, erwiderte dieser: „O, alle- arbeitet in diesem Land«! Wasser arbeitet. Wtnd arbeitet, Feuer arbeitet, Ranch arbeitet, Mensch, Ochse, Pferd arbeiten, nur Schwei» arbeitet nicht, tut gar nicht», ist einziger Edelmann t«r England."
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