Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031127025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-27
- Monat1903-11
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezuq-.Prri- i» dir Hanpt«lp«diNoo oder deren RnSgab«. stelle» ad,»holt: vierteljährlich 3 -, bet ßwetmaltger täglicher Z » stellong tu« Hau« S.7L. Durch die Post bezogen für Deutsch» land n. Oesterreich vierteljährlich ^ll 4.36, sür die übrigen Länder laut ZettnugSpreiSüft«. Nr-aktion vnd Erpeditio«: IohanniSgasse 8. Fernsprecher 1öS and L2L FlltalevPeditt»«»« r TlkredHahn, Bnchhandlg., UutversitätSstr.S, L. Löschs «athartnenstr. 14, n. Käntg«pl. 7. Haupt-Filiale vrerdea: Mattenpraß« 34. Farnsprecher »ml 1 Nr. 1713. Hanpt-Filiale Serlia: E«l Duucker, Herzgl. Bayr. Hosbnchhaudlg^ Lützowstraß« 10. Fernsprecher «ml VI Nr. 436». AVend-Ansgabe. Anzeiger. Ämlolisatt des Königlichen Land- und des Königlichen KmLogerichles Leipzig, des Rates und des Ralizeiamtes der Stadl Leipzig. Slnzetgen-Prei- die S gespaltene Petitzeile LS Reklame» nnter dem Redaktionastrich (4gespalten) 7b vor de« Famülennach» richten («gespalten) bv Tabellarischer nnd Ziffernsatz entsprechend höher. — Bebühren für Nachweisungen nnd Offerlenaanahme 23 (ezcl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nnr mit der Morgen-Au-gab«, ohne Postbesörderung ÜO.—, mit Postbesördernug ^ll 70.—. Jinnahmeschlaß für Ä»)eige«: »beud-AuSgab«: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige« sind stet« an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Patz in Leipzig. dir. 603. Freitag den 27. November 1903, 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. November. De« Prozeß Kwilecki als Snlturbild. Der Prozeß Kwilecki hat in seinem Verlaufe wie in seiner Beendigung die weiteste Aufmerksamkeit erregt, und wir wissen, daß auch im Auslände dem Gange der Verhandlungen, dank den ausgezeichneten Berichten, welche die deutsche Presse darüber zu bringen in der Lage gewesen ist, mit Spannung gefolgt wurde. Es ist nur zu erklärlich, daß die deutsche Presse, nachdem das Urteil gesprochen ist, sich mit dem beschäftigt, was dieser Prozeß lehrt, mit der Stellung des Untersuchungs richters, der Staatsanwaltschaft, des Gerichtshofes un feines Vorsitzenden, sowie der Verteidigung. Es werden Mängel scharl beleuchtet, welche dabei in unserem Straf prozeßverfahren zu Tage getreten sind. Wir vermissen aber einen hochwichtigen Punkt bei diesen Besprechungen. Es muß auf -en Baterlandsfreunü erschütternd wirken, wenn er an das Kulturbtld denkt, welches dieser Prozeß von den unteren Schichten der polnischen Bevölkerung enthüllt hat. Weit über hundert Jahre gehört der polnische LandeSteil zu Preußen, ein Menschenalter zum Deutschen Reiche, und wir sehen mit Schrecken, welch eine moralische Verwahrlosung in der Bevölkerung dieses LandeStcileS herrscht. DaS sind Bilder, die man schon nicht mehr mit hatbasiatksch genügend bezeichnet, die aber deutlich genug erklären, wie es gekommen ist, daß die polnische Hetzprcsse und die polnische Agitation, im Verein mit dem polnischen Klerus, diese Be- völkerungsschichten für ihre dem Deutschtum feindlichen Zwecke gewonnen und dienstbar gemacht haben. In dieser Bevölkerung steckt noch der Kncchtschaftssinn, den -er polnische Adel Jahrhunderte lang eingeprägt hat, und eng vrrbunden mit diesem Untcrwürfigkeitssinn sind die Heuchelei und -er vollständige Mangel an Gewissen haftigkeit. Bedrohung, Ueberredung und Hoffnung aus Geldgewinn sind die Mittel, durch welche allesin diesen unteren Kreisen da im Osten auszurichten ist, und die großpolnisch« Agitation bedient sich in gewissenlosester Weise dieser Mittel. DaSsindWege,aufwelchen das Deutschtum nicht wandeln kann. Um so mehr liegt dem Deutschtum und seinen Vertretern im Oste» die Pflicht ob, nichts zu versäumen, was mit Recht und Gesetz vereinbar ist, um den unteren Schichten der polnischen Bevölkerung Befreiung von dem Joche zu bringen, unter welchem sie moralisch verkommt. Je mehr eS sich zeigt, daß der polnische Adel, der für diese Bevölkerungsschichten geradezu als Gott gilt, nicht im stände ist, durch Beispiel und Sitte sie moralisch zu heben, desto gebieterischer wird die Pflicht der Deutschen, ihrer- seit- da einzusetzen, wo die polnische Wirtschaft eben ver sagt hat und versagen muß. Wenn mit rechtem Fleiße, mit den rechten Mitteln und am rechten Orte diese Arbeit angefaßt würde, müßte sie bei der Lenksamkeit, welche «btn Liesen Bevölkerungskreisen innewohnt, auch Erfolg Haden. Nicht allein in materieller Beziehung, auch in sittlicher Hinsicht muß dieser armseligen Bevölkerung bei- gesprungen werden. Der Sanal^-Diplomat". Frhr. v. Zedli tz ist bereits wieder am Werk, sich der Führung in den Verhandlungen zur bevorstehenden Kanalvorlage zu bemächtigen. Daß sie kommt, scheint nun. mehr auch ihm außer Frage zu stehen. Aber, ruft er der Regierung zu, wozu braucht man denn die National liberalen überhaupt zu diesen Verhandlungen? „Als Glied einer Minderheit, welche über wenig mehr als ein Viertel der Stimmen im Ab- georbnetenhause verfügt, entbehren die National liberalen jedweder parlamentarischen Bedeutung und sind demzufolge sür jedes Benehmen zum Zwecke einer Verständigung der Regierung mit der Mehrheit entbehrlich." Das Rezept der sächsischen Kon servativen macht also überraschend schnell Schule, nur tut Frhr. o. Zedlitz in der Terrorisierung der Minderheit noch einen größeren Schritt, wie dies seiner genialen Auf fassungsgabe auch zukommt, und will die Nationalliberalen gänzlich ausschalten, in der Kanal», wie in derSchul - frage. Auf die Unzuverlässigkeit seiner Haltung in dieser Frage ist wiederholt hingewiesen worden; jetzt be stätigt er ausdrücklich diese früheren Darlegungen durch sein Organ rechter Hand mit den Worten «... es wird sich jedenfalls empfehlen, daß die Staatsregierung wie in Bezug auf die Schulfrage auch in Bezug auf die Kanalvorlage sich vor der endgültigen Fassung ihrer Beschlüsse mit den maßgebendsten Persönlichkeiten der Mehrheitspartcten ins Benehmen setzt, um so von vornherein den Boden für eine demnächstige Verständigung vorzubereiten und die Vor lage dementsprechend einzurichten!" Man steht also von vornherein vor einer vollständig geschloffenen konservativ-klerikalen Koalition, die außerhalb des Parla ments der Regierung ihren Willen für die Aus arbeitung der entsprechenden Kanal- und Schulvorlagcn vorschreiben will! Nicht die Vorlagen der Regierung sollen an -en Landtag kommen, sondern die des Herrn v. Zedlitz, der sich der Negierung und den Mehrheitsparteien als Gesetzgeber anbietet! Er glaubt, durch Brüskierung der Nationallibepalen alles in der Hand zu haben und die Regierung muß nach seiner Pfeife tanzen! Herrliche Aussichten! Ohne Zweifel trägt dann auch die Regierung der Kampfes lust des Frhrn. v. Zedlitz Rechnung und macht, dem in seinem Organe linker Hand zum Ausdruck gelangten Wunsche entsprechend, die Türen des Abgeordnetenhauses für die Sozialdemokraten auf! Schon vor einigen Wc che». hieß eS, Las Kanal - Kompromiß zwischen der Re gierung und den Konservativen sei fix und fertig. Von anderer Seite wurde damals dieser Nachricht entgegen getreten. Heute ist aber die Gefahr eines solchen Kom promisses nahe, wenn «die Regierung nichr die Festigkeit besitzt, das Ansinnen des,;Diplomaten" Frhrn. v. Zedlitz, die Minderheit einfach vollständig zu ignorieren und von ihm die Kanal- und Schulvorlage entgcgenzunehmen, von der Hand zu weisen. Die englische Visite ia Paris. In Paris fand gestern nachmittag im Elyfce ein Em pfang der hier eingetroffenen englischen Par lamentarier statt, an dem auch deren Familienmitglieder und zahlreiche französisch« Par lamentarier teilnahmen. Präsident Loubet und Gemahlin empfingen die Gäste im Fcstsaale, während die Kapelle die Nationalhymne beider Länder spielte. Lord Brassey hielt eine kurze Ansprache, in welcher er betont«, daß in den Herzen der Engländer der aufrichtige Wunsch nach einer herzlichen Entente -wischen beiden Ländern wohne. Präsident Loubet erwiderte: Die Bemühungen, den Gästen einen sympathischen, herzlichen Empfang zu sichern, entsprächen den Wünschen der franzö- Vater zwischen seinem Sohne und der fernen Gattin auf- gesührt, brach zusammen. Eine mächtige Sehnsucht, sie zu sehen, kam von Zeit zu Zett über ihn, so daß er sich selbst sagte, er müsse über den Atlantischen Ozean, bevor es zu spät war. Dazu kam wohl auch die nagende Unruhe der Zeit, von der er auch sein Teil abbekommen hatte. Das ewige Schlagwort von größeren Verhältnissen und der Möglichkeit, jenseits des Meeres viel Geld, Hausen von Geld, zu verdienen, lockten ihn mit magischer Ge walt, obwohl Stimmen genug ihn daran erinnerten, Laß die Wahrscheinlichkeit dazu so groß war, wie etwa das große Los in der Lotterie zu gewinnen. Zuletzt waren es wohl noch andere Rücksichten, andere Verhältnisse, mit denen er zu brechen wünschte; vielleicht sagte ihm für die Zukunft ein ruhigeres Leben zu; vielleicht suchte er auch nur Veränderung, neue Anregungen. Er hatte eine große Arbeit auf der jütländischen Heide übernommen und führte dieselbe, nach Aussage aller, gut und pünktlich und mit einer Schnelligkeit aus, die man nicht erwartet hatte. Das war auch einer seiner Vor züge, daß er ausgezeichnet mit den Arbeitern umzugchen und sie ,^ruf den Trab zu bringen" verstand. Er wollte nun gern die Mergelverhältnisie airf Baekkelund unter suchen, schrieb deshalb an den Obersten und meldete seine Ankunft an. Da der Brief in klarer, knapper Geschäfts form gehalten war, so machte er einen militärisch ange nehmen Eindruck auf den Obersten, dem dieser sich nicht entziehen konnte, nnd da seine Frau von ihrer Freundin in Anspruch genommen war, war es ihm gleichzeitig lieb, seine Gedanken von Geschäften zerstreuen zu lassen und seine junge Frau gut und „unschädlich" untergebracht zu wissen. Er sprach also mit ihr von diesem fremden Gast, der am nächsten Tage kommen und den sie wahrscheinlich ein paar Tage behalten würden, da eine Menge Ueberschläge, Berechnungen und so weiter zu machen waren. Man konnte sich also der Verpflichtung nicht entziehen, ihm Gastfreundschaft zu «rweisen. Das war für Stella etwas ganz Neues, am allerneuesten aber war ihr der Vor schlag selbst; ein junger Mann sollte zu Gaste kommen! Und zu des Obersten Erstaunen und heimlichem Ent- zücken machte sie eine Menge Einwendungen, daß sie bereits einen Gast hätten, der große Anforderungen stellte, wobei sie aber klüglich verschwieg, daß es sehr nn- angenehm war, daß man von einem so jungen Mann gar nicht- wußte, der vielleicht sehr verwöhnt und an- Feuilleton « Ltella. Roman von Johanne Gchjörring. ^oclivrun nerboren. Er war ziemlich belesen und namentlich ein Liebhaber der hypermodernen Literatur. Trotzdem gab es in seiner Seele einen matt verschleierten Punkt, «ine Art „Memento", dessen Stimme sich hi«r und da hören ließ. Diese Stimme war die seiner Mutter, die er aber nicht kannte. Sie hatte schon in seiner frühesten Kind heit seinen Vater verlassen, denn eine andere Frau, die dieser später heiratete, hatte sie aus ihrem eigenen Hause verdrängt. Sein Vater, der Architekt und in Kopenhagen ansässig gewesen, war vor ein paar Jahren gestorben, und feine Witwe wohnte jetzt in einer kleinen Billa in Frede- riksberg, wo sie von einer Leibrente und den Zinsen eine- kleineren Kapital- lebte. Auf ihre Weise war sie ihrem Stiefsohn eine gute Mutter gewesen, denn sie gab ihm, was sie hatte. Sie war weder begabt, noch eine tiefe Natur. Bis zu dem Tode ihres Mannes war sie eine klein«, genußsüchtige, lebenslustige Person gewesen, die nicht an den morgigen Tag dachte und niemand ver letzt«, wenn man sie nur in Frieden ließ. Jetzt, in der Ein- samkeit, sühlte sie sich recht elend und jammerte dem Sohne mehr vor al» früher, überschüttete ihn mit täglichen Briefen und vielen Geschenken, weil sie glaubte, seine eigen« Mutter wäre für ihn tot. Diese wohnte nämlich in Chicago, wo sie sich mit einem norwegischen Prediger verheiratet hatte und ein ausgeprägt christliches Leben führte. Sie war sehr schön gewesen und sollte nach dem allgemeinen Gerede noch jetzt eine stattliche Erscheinung fein. Sie hatte in der Stadt, in der sie lebte, zwei ver- heiratete Töchter. In den ersten Jahren schrieb sie oft nach Hanfe, nm nach dem Sohne zu fragen; da man ihr «wer n'cht gestattete, ihn zu sich zu nehmen, so schrieb sie nach der Verheiratung des Architekten nie mehr. Ab nnd zu hörten sie von ihr durch zufällige Bekannte und Reinnde, die mit ihr zusammengekommen waren. Nach dem Tobe des Vater» dachte der Förster aber do« mehr al» früher an seine wirkliche Mutter. Die größere Lieb« der zweiten schien die erste fast in den Vorber-nmb gedrängt -u haben. Die Mauer, die der fischen Nation. Er werde stets die Erinnerung an den Em pfang bewahren, den er in London gefunden habe. Denn Frankreich sei eS gewesen, das man dort gefeiert habe. Der Willkomm, den er bei dem Könige, der königlichen Familie, den" Behörden und dem Volke in England erfahren habe, sei ihm zu Herzen gegangen. Er wünsche, daß die durch die englische Reise geknüpften Bande dazu beitragen möchten, daß man dem Ziele näher komme, das beide Länder gemeinsam im Inter esse der Civilisation, der Humanität und der gegenseitigen Unterstützung verfolgten. — Man begab sich sodann an das Buffet, wo der Präsident in einem Toastauf den König von England, die königliche Familie und die englische Nation daran erinnerte, daß er ein Recht habe, sich an dem Friedenswerke zu beteiligen, das er verfolge, seitdem er die Ehre gehabt habe, die ersten Anregungen zu diesem großen Gedanken aufzunehmen und Vertrauter des Kaisers von Rußland in dieser Angelegenheit zu sein, wie es von Anfang an der Fall gewesen- sei. DaS eingeleitete Werk der Haager Konferenz stehe erst im Anfang seiner Wirkung. (Allgemeine Zustimmung.) Die beiden großen Westmächte Europas müßten sich freuen, durch Unterzeichnung eines. Schiedsgerichtsoertrages als erste ein Beispiel ge geben zu haben, das, wie er hoffe, von vielen anderen befolgt werden würde. (Beifall.) Diese Bewegung, davon hege er die Ueberzeugung, werde nicht zum Stillstand kommen, und er sei dessen sicher, den Gefühlen seiner Gäste zu entsprechen, wie er denen seiner Landsleute entspreche, wenn er wünsche, daß das Werk, das man gemeinsam befolge, seine Krönung erhalten möge. (Lebhafter wiederholter Beifall.) Er bedaure, daß seine Gäste zur Zeit nicht ein ebenso mildes Wetter getroffen hätten, wie er seinerzeit bei seiner Reise nach London. Wenn Regen oder Kälte einen Einfluß auf die Herzlichkeit eines Empfanges ausüben müßten, dann hätte Frankreich allerdings Grund gehabt, unruhig zu sein, aber er habe die Gewißheit, daß die Gefübl- in keiner Weise durch das Sinken der Tempe ratur eine Veränderung oder Abkühlung erfahren würden. Wenn es anders wäre, würde er die englischen Gäste einladen, zu günstigerer Jahreszeit wiederzukommen, und seine Mit bürger auffordern, für den Empfang ihrer Gäste dann Sonne» Frühling und Blumen zum Bundesgenossen zu nehmen. (Beifall.) Nach der Ansprache des Präsidenten Loubet nahmen noch zwei englische Parlamentarier Las Wort und er klärten in ihren Erwiderungen, sie wünschten nichts an deres, als im Bund« mit -en französischen Parla mentariern an dem Werke des Friedens zu arbeiten. Beide Völker müßten sich zu dem Ergebnis beglückwünschen, das bereits in dem Schiedsgerichtsoertrag nicdergelegt sei. Wenn sie ihre Bestrebungen dauernd verfolgten, würden sie dazu gelangen, die Möglichkeit eines Krieges zwischen den beiden Völkern zu beseitigen. Dies würde eine große Wohl tat für Europa sein. Die Interessen Leider Länder seien identisch. Beide Nationen, welche so viel für Len Fortschritt der Civilisation getan hätten, würden, wie zu hoffen sei, gemeinsam handeln, um sie noch mehr zu för dern. Die Reden fanden warmen Beifall, auf den Präsi denten Loubet und seine Gemahlin wurden Hochrufe aus gebracht. — Abends fand zu Ehren der Gäste ein Fest mahl statt, an welchem der Ministerpräsident Combes und gegen 280 französische Parlamentsmit glieder teilnahmen. Der Deputierte d'GstournelleS de Constant stellte -en Ministerpräsidenten Combes vor, -er sich bereits als Anhänger des Schiedsgerichts gedankens erklärt und im vorigen Sommer eine längere Rede gehalten habe, in der er die internationale Ver söhnung feierte, die der am 14. Oktober abgeschlossene Vertrag -mischen Frankreich und England soeben bestätigt habe. d'Estournelles begrüßte den anwesenden Frodsric Passy, der sein Leben dem Triumphe des Friedens geweiht habe, und dankte allen denen, die an dem Werke -es schiedsgerichtlichen Verfahrens mitgearbeitet haben. d'Estournelles schließt mit dem Hinweise, daß Ver treter aller Parteien sich zur Begrüßung vereinigt hätten, um zu beweisen, daß, wenn auch in Paris, wie in London, Spaltungen herrschten, Frankreich sich doch zu einigen wisse. Der heutige Abend verwirklich« einen Traum, wie man es seit mehreren Jahren für unmöglich gehalten hätte. Berte lot gibt einen historischen Rückblick über das Zustandekommen des Schiedsgerichtes, indem er seine Zuversicht ausspricht, daß di« Bereinigten Staaten, Holland, Belgien, die Schweiz, Schweden, Dänemark und die Kleinstaaten sich alsbald dem Grundsätze des schieds gerichtlichen Verfahrens anschließen werden, das not wendig sei, um die Abrüstung zu ermöglichen. Ianvi« « erinnert an die Kämpfe zwischen den beiden Völkern; die Mißverständnisse seien jedoch beseitigt und eine Freundschaft geschlossen, die dahin ziele, jedem Kon flikte vorzubeugen. Diese Freimdschaft sei aber nicht znm Zwecke einer egoistischen Bereinigung geschlossen, sonder» zu einer großen europäischen Allianz. Zu»! Schluffe kam der Redner auf die Abr ü stun g zu sprechen. Lord Avebury sprach sodann über die großen Aus gaben, die die Rüstungen erforderten, und bedauerte, daß diese Ausgaben nicht besser für Handel und Industrie ver wendet würden. Der MtnisterpräsidentLombe» erklärte alSdann seine Zustimmung zu den Wünschen der Parlamentarier nach einem internationale« Schiedsgericht. Seit Abschaffung -er Sklaverei hab« nichts die Mtthülfe edler Menkhen mehr verdient, al- diese Idee. Der GchiedSgerich«»vertrag lege Reserve« auf und erfordere zu seiner Durchführung viel Zett. De« Friedensfreunden komme eS zu, tn unermüdlicher Propa ganda an der Ausdehnung eine- solchen Vertrage» -« arbeiten. Die beiden Regierungen müßten sich da» Uebev» gewicht des Schiedsgerichte» durch die Regelung ihrer Konflikte sichern. Er wünsche, baß die gegenwärtige Kon vention auf alle Konflikte der beiden Länder angewendet, sowie daß später das Schiedsgericht auf sämtlich« Nationen ausgedehnt werde. Er wünsche ferner, daß beide Völker in Zukunft auf den Weltmärkten sich nur mit -en Waffen des Friedens, dem Handel und der Industrie, begegnen. (Lebhafter Beifall.) Nach einer Ansprach« DeschanelS, der erklärte, die gegenseitigen Besuch« seien ein heilsames Gegengift gegen das Mißtrauen, da zwischen den Völkern bestehe, feierte« Sir W. H. HouldSwooth und Lord Brassey die Einigung der beiden Völker. Die Versammlung richtete sodann ein Telegramm an den König von England, in welchem der Wunsch ausgesprochen wird, daß dies« wechselseitigen Besuche dazu beitragen mögen, die Freund schaft zwischen Frankreich und England zu stärken, sowie die Aufrechterhaltung des Weltfrieden» zu sichern. — Träume, schöne Träume! Seifenblasen, die schillernd über die Lande ziehen, aber sicher da zerplatzen, wo „vitale". Interessen der Völker, die ja von dem englie'ch-französischen „Vertrage" ausgenommen sind, in Frage kommen. Viäs spruchsvoll war. Als der Oberst aber mit all' den mög lichen Vorteilen herausrückte, die man von dem Besuche haben könnte, daß sie selbst später nach Baekkelund ziehen könnten, und so weiter und so weiter, gab sie sich zu frieden, obwohl sie gar nicht vergnügt darüber war. Ihre Gedanke« bewegten sich aber tn einer ganz anderen Richtung,- als der Oberst vermutete. Hätte sie darüber Rechenschaft ablegen sollen, sie wäre nicht dazu im stände gewesen. Ein sonderbares und unmotiviertes Gefühl von Trauer bemächtigte sich ihrer zunächst. Fürchtete sie sich, den Obersten mit einem jungen Manne zusammen zu sehen, hatte sic Angst vor sich selbst, oder kam sie auf den Gedanken, daß etwas an ihr vorüber gegangen war, etwas von dem jubelnden, berauschenden Fest der Jugend, etwas Eigenartiges, Volles und Ver- wandtes, das nur die Jugend empfangen und geben kann, und das nichts auf Erden zu ersetzen vermag?! Sie wußte es nicht. Doch ein Meer von Tränen, die sie nur mit der äußersten Mühe zu unterdrücken vermochte, stieg in ihr auf. Früher pflegte sie nicht zu weinen, höchstens bei Todes fällen und an Gräbern; doch dieses tAcfühl war nicht mit den bitteren Tränen der Entbehrung verwandt, es stammte aus einer anderen Welt, aus warmen, tiefen Quellen, die auf- und niedersticgen, ohne Bitterkeit und Schmerz zu bringen; sie brachten nur eine sehnsuchtsvolle Wehmut aus fernen, unbekannten Ländern, in die sie hätte ziehen mögen. Sie hatte nicht gelernt, ihre Züge zu beherrschen, hatte auch nie dazu Veranlassung gehabt. Mit der Freude eines älteren Mannes, eine so junge Frau zu besitzen, be trachtete er sie, und seine Verliebtheit erreichte den Siede punkt. „Meine schöne, junge Frau, mein Wafferröschen, ja, das ist das richtige Wort! Laß dich betrachten; ich glaube, du bist in dem hellblauen Kleide am allerschönsten! Das ist das Meer, das dich umgibt; du selbst tauchst mit allen deinen Spitzen daraus empor, wie die schönste Wasser, rose " Er umfing sie und brückte sie an sich, daß sie fast erstickte. Er sah nicht die brennende Röte, die sichln ihrem Gesicht verbreitete, auch nicht das Flackern der sonst so ruhigen Augen, und noch weniger, daß ein leichtes Zittern sie erschütterte; er sah nur, wa» er sehen wollte, und deutete alles zu seinem Vorteil an». Wie konnte er auch ander»! i Sie war ja sein Schatz, den fremde Augen selten zu f sehen bekommen hatten. An den wenigen, die thr nahe getreten waren, war sie so kalt und gleichgültig vorbei gegangen, daß seine Aufmerksamkeit ganz überflüssig ge wesen war. Sie gehörte ihm so sicher und unbestritten, wie die königlichen Obligationen, die er in seiner altertüm lichen Schatulle barg. Aller Zweifel war geschwunden; selbst jetzt, da der erste junge Mann als sein und ihr Gast unter seinem Dache schlafen sollte, waren alle früheren Skrupel wie fortgeblasen. „Ich vergesse ja ganz den anderen, wett wichtigeren Brief, den du selbst lesen magst, wenn du Lust hast. Franz meldet seine Rückkehr in drei Wochen an — dein großer Stiefsohn! Was sagst du dazu?" Sie hatte das Gesicht abgewendet; als er eS endlich zu sehen bekam, war es in Tränen gebadet. Die Runzeln traten auf seiner Stirn hervor, und scharf leuchtete es in seinen Augen auf, doch nur einen Moment, einen einzigen Moment, dann hatte die Liebe alles wieder verscheucht. „Mein teurer Schatz, was ist denn, sind dir deine Gäste lästig?" Nein, ihr war nichts lästig, nur so sonderbar war ihr zu Mute; — darinn brauchte er sich nicht zu kümmern — sic wollte nur ein Lißchcn hinauflausen, damit keiner — auä> nicht Amalie — feben konnte, daß sie geweint hatte. Mit Mühe und unter vielen Versicherungen kam sie endlich los. Er wollte mit; doch sie bat ihn, Amalie zu unter halten, die gar nicht wußte, was aus ihr geworden war. Jetzt, da die Stunde da war, wo der Sohn kommen sollte, dachte er nicht an die Gefahr, die bei einer so jungen Stiefmutter eintretcn konnte. Diese jahrelangen Schreckbilder waren fortgeblasen, — so heftig kann eine menschliche Seele lange Zeiten hindurch in ihren heim lichen Gedanken mit Anfechtungen und Kümmernissen kämpfen — sie pflegen fa selten anSzubleiben, kommen aber meistens in ganz anderer Form, als man es sich denkt. Selbst über den Besuch des sungen Försters war er dies mal zu seiner eigenen Verwunderung gar nicht unruhig. Er blieb ja außerdem nur ein paar Tage. Stella war ein Engel! Konnte er ihr errötendes Be sicht, ihre Tränen vergessen? Sie fragte gar nichts danach, ob Fremde kamen; im Gegenteil, er hatte es ja deutlich gesehen. Wa- hatte er denn zu fürchten? Und nun war e- recht gut, -aß Amalie bet ihnen »ach
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite