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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190612293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19061229
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19061229
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-12
- Tag1906-12-29
- Monat1906-12
- Jahr1906
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1906
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206 leise unk innig fragte: „Oker täusche ich mich, liebt Ihr Prinz Jakob von Polen?" Sie schüttelte leise das Haupt, aber kann sich be sinnend, entzog sie deins Pfalzgrafen heftig ihre Hand und — ihre zitternde Stimme zur Heftigkeit zwingend, sagte sie: „Toch wenn ich auch meinen Verlobten nicht liebe, selten ist ja die Liebe, die die Fürstenehen zu- sammenführt — so weiß ich doch, Hatz ich nie und nimmer mein Wort brechen darf, daß ich niemals'"treulos" gegen den handeln kann, der mich auch aufrichtig und treu liebt!" „Und wenn Prinz Jakob von Polen Euch nun nicht aufrichtig und treu liebt, wenn Ihr das Opfer einer fein ausgeklügelten Jntrigue gewesen wäret, würdet Ihr Euch auch dann noch durchs das Euch abgelistete Wort ge bunden fühlen?" Hülflos fragend blickte die Markgräfin auf. „Eine Jntrigue? — Abgelistet? — Was wollt Ihr damit sagen, Karl Philipp?" Ter Pfalzgraf zog ?inen Brief aus seiner Tasche. „Eure und meine mütterliche Freundin, die Gräfin Nannedorf, Mb mir bei meiner Ankunft diesen Brief mit der Erlaubnis, im Notfall davon Gebrauch machen zu dürfen. Fräulein von Letzow fand" den Brief im Zimmer der Gräfin Kurvwska unds überbrachte ihn der Oberhof. Meisterin; ein Glück, daß er nicht in andere Hände ge fallen ist. Leset, Luise Charlotte, und sagt mir dann, ob Ihr noch immer gesonnen seid, die Gemahlin Prinz Jakobs von Polen zu werden." Boll Spannung entzaltete die Markgräfin das Schrei- den, das folgenden Inhalt hatte: „Meine geliebte Wanda! Der Prinz ist angekommen! Ich habe bereits nrit ihm gesprochen, er war äußerst liebenswürdig gegen mich und hat mir wiederholt ver sichert, wie sehr er Eure Geschicklichkeit und Klugheit bewundert. Er sagt, er wäre uns unendlich verpflichtet und würde glücklich sein, falls ess Euch gelänge, ihn heute noch bei L. CH. ernzuführen. Er gab mir die Versicherung, nach erfolgtem! Verlöbnis sofort die Ent schädigung für unsere ihm" geleisteten Dienste geben zu wollen. Das ist mehr, alss ich gehofft! Bald sind wir aM Ziel unserer Wünsche, meine geliebte Wanda! Ich hoffe, daß unsere Hochzeit noch vor dem Herbste wird stattfinden können. Der Prinz ist übrigens ebenso klug wie — häßlich! — Sobald L. CH. die Unvorsichtigkeit begangen haben wird, ihn bei sich zu empfangen, haben wir gewonnen. Es könnte unss allerdings teuer zu stehen kommen, wenn die Unterredung zu früh entdeckt werden würde, aber ich vertraue Eurer Klugheit voll kommen, meine Geliebte. — Gebt mir Nachricht aus dem bekannten Wege. Immer Euer Raoul F." Luise Charlotte hatte den Brief zur Erde fallen lassen, das Gesicht in den Händen verborgen und weinte- Sanft versuchte Karl Philipp ihr die Hände vom Ge- siä^t zu lösen- „Tarf ich nun weiter sprechen, Luise Charlotte? Wollt Ihr mich! anhören? Prinz Jakob ist Eurer Tränen nicht wert, und ist es nicht auch viel eher ein Grund froh zu sein, daß Ihr die Niedrigkeit seiner Gesinnung erkennen durstet, ehe es zu spät? Wahrlich meine Liebe und Treue soll Euch Ersatz bieten für die Königskrvne, die Ihr verliert, wenn Ihr mein geliebtes Weib werdet " „Könnt Ihr die noch lieben, die so leichtgläubig, so leichtsinnig ihr Lebensglück verscherzte?" schluchzte Luise Charlotte fassungslos. „Und trotz allem — wie kann ich jetzt noch daS verhaßte Bündnis lösen? Jetzt, wo schon alle Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen wurden! Was wird Polen und Frankreich sagen? — Was mein Schwager, der Kürfürst? Nennt mich feige, Karl Philipp, verachtet Mich — ich, ich kann eS nicht- Und dann noch eins — Karl Philipp — etwas, das Ihr noch nicht wißt," die Stimme der Markgräfin wurde fast unhörbar — „ich habe in einem rechtsgültigen Dokument dem Prinzen Jakob van Polen alle meine Güter verschrieben- — Nie mals wird er gutwillig sich seines'Rechtes auf dieselben entäußern — ich bin ganz arm, niemals könntet Ihr mich zu Eurer Gemahlin wachsen-!" Trotzdem bei den Worten der Markgräfin sich ein leichter Schrecken auf den Zügen des Pfalzgrafen gezeigt — jetzt lachte er laut und' fröhlich auf- — „Wenn Ihr es nicht bedauert, anstatt eine reiche Königin eine arme Pfalzgräfin zu werden, mir gilt es gleich ob Ihr Güter besitzt odser arm seid. Ich will nur Euch — Euch allein, Luise Charlotte" Sanft zog Karl Philipp die nur leichjt Widerstrebende an seine Brust- „Und was Eure andern Sorgen betrifft, Luise Charlotte, so überlaßt alles mir- Nichts Unangenehmes, Euch Peinigendes und Demütigen des soll Euch mehr berühren- Sagt mir nur das eine — ob Ihr mich liebt und mir vertraut-" „Ja, Karl Philipp, ich! liebe und vertraue Euch, aber —" , „Kein „Mer" mehr, Luise Charlotte! Glaubt mir, ich bin stark genug, uns unser Glück zu erkämpfen, und daß der Kurfürst mir gewogen, daß auch er alles' aufbieten wird, den Konflikt befriedigend zu lösen, das weiß ich sicher. — Glückauf, Gräfin von der Pfalz und bei Rhein!" jubelte er dann auf und hob die zierliche Gestalt Lnise Charlottens übermütig aus seinen starken Armen in die Höhe, um sie dann fest und innig an seine Brust zu pressen und ihren Mund mit heißen Küssen zu bedecken- 10- Bei Peter Decker im „Goldenen Löwen" war heute jeder Platz au den weiß gescheuerten Tischen besetzt- Nicht nur die alten Stammgäste, Bieressigbrauer Teichert und Tuchsmacher Janke nebst ihrem Anhang waren vollzählig anwesend, auch viele angesehene Bürger aus Berlin hatten sich eingefunden. Ganz Berlin und Cölln lvar voll von den Ereignissen der letzten Tage, und man hoffte gerade in den Bierstuben, in denen doch so mancher Herr vom Hofe verkehrte, Neues und vor allem Genaueres zu er fahren- Ter kurfürstlich Kammerdiener, Herr Henning, war heute einer der ersten bei Peter Becker gewesen- Heute konnte er doch so recht den Triumph auskosten, der einzige zu sein, der wirklich etwas wußte, und er lvar gewiß, daß er sehnsüchtig von den ehrsamen Zechkumpanen er wartet werden würde- Richtig — kaum hatte er den ersten Zug aus seinem Bierkrug getan, da betrat auch schon Herr Friedrich Teichert das Hinterstübchen, und gleich hinter ihm erschienen Tuchmacher Janke, Bäcker meister Fredrich, Stadtschreiber Brümmer und wie sie alle hießen. Während bei den „Pfälzern" die Wogen der Be geisterung natürlich sehr hoch gingen, war die Stimmung der Polenpartei etwas gedrückt; aber was Spannung und Neugier anbetraf, gab keiner dem andern etwas nach Es herrsche ein Lärm, ein Durcheinander von Stimmen, ein Fragen, Erzählen, Rufen und Staunen^ daß zuerst niemand etwas verstehen konnte- Äidlich klopfte Herr Friedrich Teichert energisch mit seinem Bierkrug auf den Tisch: „Einen Augenblick Ruhe, ehrsame Herren! Ich mach den Vorschlag, daß wir für eine Weile uns alles Fragens enthalten und Herrn Henning ordentlich! und der Reihe nach erzählen lassen, wie sich alles zugetragen- Wer einer Meinung ist mit mir, der erhebe die rechte Hand." Und da sich alle Hände sofort cmporstreckten, wandte er sich an Henning: „Wir bitten Euch also, Herr Henning, erzählt uns, was Ihr wißi-fi! 207 Henning setzte sich in seinen Stuhl zurück, tat noch einen tiefen Zug aus seinem Krug und begann: „Wie der Herr Pfalzgraf so mit einem Male die Idee bekommen hatte, hier nach Berlin zu.kommen, ob ihm Seine Kür- surstlickM Gnaden eine Einladung geschickt hat, odek ob er von jemand anders einen Wink erhalten — das kann ich! nicht sagen. Genug, eines schönen Tages war er da, und gleich am ersten Abend hat das Scharmuzieren mit unserer Frau Markgräsiu angefangeu, und ich wußte eigentlich damals schon, wie es kommen würde " „Warum habt Ihr denn nichjts davon gesagt?" konnte Tuchmacher Janke sich nicht enthalten, höhnisch zu be merken ¬ der so lange bei Hofe gelebt hat, wie ichj, der weiß, wann er zu schjweigen hat," versetzte er würdevoll und fuhr dann fort: „Wann eigentlich die Frau Markgräfin angefangen hat, hie Liebe des Herrn Pfalzgrafen zu er widern, das kann wohl niemand so rechst sagen; die Frauenzimmer können ihre Sentiments eben besser ver bergen als die Männer. — Vorgestern also hat die Frau Markgräfin den Herrn Pfalzgrafen allein auf einer Spazierfahrt begleitet, und mein Schswesterso.hu, Karl Zimmermann, der neben dem Kutscher auf dem Bock ge sessen, hat mir erzählt, daß es ihm geschienen habe, als hätte die gnädige Markgräfin geweint, während seine Pfalzgräflichen Gnadjen ihr leise und tröstend zugeredet habe- Jedenfalls hatte der Kutscher den Befehl, direkt zum Hause des Kaiserlichen Gesandten zu fahren- Tort empfing der Herr Gesandte das Paar, und nachdem sie das Haus betreten, wurden die Tore geschlossen und niemand durfte mehr hinein. Nun und was dann geschah, daß dort für einen Priester gesorgt war, der unsere Frau Markgräfin mit Karl Philipp von der Pfalz getraut hat — das werdet ihr ja wohl schon gehört haben" „Also wirklich wahr! Unerhört — unerhört!" ereiferte sich Stadtschreiber Brümmer- „Warum unerhört!" rief Teichert kampfbereit- „Jntrigue gegen Jntrigue — List gegen List!" „Aber ein gegebenes Wort muß man halten," meinte Tuchmacher Janke salbungsvoll- „Und wenn das Wort abgelistet ist? Wenn es nie gegeben worden wäre — wenn man wichst durch Lügner und Betrüger verblendet worden wäre — was dann?" rief Teichert zornig- „Tas wäre ja noch schöner, wenn sich unsere liebe, schöne Frau Markgräfin für die hvch- woyledle Polensippschaft — der Teufel soll sie holen -- geopfert hätte, weil sie in ihrem unschuldvollen Gemüt nicht geahnt, was für eine listige Schlange ihre eigene Hofdame gewesen. Unbegreiflich mit Respekt zu sagen, finde ich es von unserem gnädigen Herrn Kurfürsten, daß er dem Herrn Pfalzgrafen und seiner erlauchten Schwä gerin noch gezürnt hat." Jetzt lachjte Henning laut und! herzlich „Im Vertrauen gesagt, Ihr Herren, dsas Zürnen des Herrn Kurfürsten das war nur von außen, nur für dje Welt, innerlich ist er so zufrieden und vergnügt wie lange nicht — ich muß meinen gnädigen Herrn doch wohl kennen, und ich weiß, wie ihn die Polnischs Geschichte gewurmt hab!" „Ja, ja, da werdet Ihr schon recht haben," meinte Teichert bedächtig, „aber schade ist cs doch, daß das junge Paar Berlin nun hat verlassen müssen" „Tas mußte doch sein, Herr Friedrich Teichert, unser Herr Kurfürst muß doch! Polen gegenüber den Schein wahren, er wird so schon einen schweren Stand haben mit dem Prinzen Jakob- Und das junge Paar? Tas soll nach dem schönen Innsbruck gefahren sein, do wird es ihm schon besser gefallen als hier, Has könnt Ihr glauben." „Aber wie wird' es nun mit den Gütern der Frau Markgräfin werden? Sie soll sie doch dem"Prinzen ver schrieben haben?" fragte Tuchmacher Janke „Tas kann man noch nicht wissen," meinte Herr Henning, „aber es wird dem Herrn Polenprinzen auch nicht recht sein, wenn alles ans Tageslicht kommt " „Wißt Ihr denn schlau, daß der Monsieur Favioke gestern verduftet ist mitsamt dem ganzen polnischen Gelde?" rief da plötzlich Bäckermeister Fredrich aufgeregt- „Ich wollte es Euch gleich erzählen, aber ich bannte ja nicht M Worte kommen- Ein Sturm her Entrüstung erhob sich und wenig schmeichelhafte Bezeichnungen, wie „Schuft", „Lump'", „französischer Windhund", lraren zu Hören- Ta kann einem das arme gräflich^ Frauenzimmer nuk eigentlich leid tun," sagte Herr Teichert- „Was wird nun wohl aus ihr werden?" „Tie Demoiselle Tochter aus dem Hause, wo die Gräfin jetzt ist, hat nrciner Frau erzählt, daß das arme Frauenzimmer ganz außer sich, sein soll — sie wird wohl den Schleier nehmen, meinte die Temoiselle" „Tas wäre auch wohl das beste für sie," meinte Herr Friedrich Teichert- Und dann erhob er seine dünne Ge stalt feierlich vom Stuhl, reckte sich gravitätisch auf und sprach mit weithin schallender Stimme: „Toch nun, Peter Becker, bring em paar Flaschen von Deinem alten Mal vasier. Ihr Herren seid' meine Gäste! Mr wollen ein Glas edlen Weines trinken auf das Wohl von unserer gnädigen Frau Markgräfin — der jungen, gnädigen Pfalzgräfin Luise Charlotte und Herrn Karl Philipp, ihrem Gemahl! Und wir, Tuchmacher Janke, Stadt- schircibcr Brümmer und Ihr anderen edlen „Polenherren", wir tvvllen einen Versöhnungsschluck trinken und daS alte Wort leben lassen: Recht besteht — Unrecht vergeht!" Mhe zir 8k!M inICtüi M. Fortsetzung. Sckson längere Zeit war eine politische Schwüle einge- tveten, Kriegsgerüchibe durchschwirrten die Lust- Man war längst überzeugt, daß der Krieg mit Preußen nicht mehr zu umgehen war- So unmittelbar an der feindlichen Grenze gelegen, bangte es vielen um die Stadt- Im Mat verließ die Garnison ihre Quartiere und stieß nordöstlich von Großenhain zum Regiment, welche» einen lebhaften Grenzdienst unterhielt, um das Land vor Ueberraschungea zu sichern- Nach Riesa kam ein Kommando Pioniere, um bei Eintritt der Feindseligkeiten die hölzerne Brücke abzu- brennen. In Strehla war ein Kommando Reiter statio niert, welches beim Ueberschreiten der Grenze durch die preußischen Truppen den nächsten Befehlshabern Meldung zu erstatten hatten. Endliche am Sonnabends den 16. Juni, sah ein Posten vom Strehlaer Kirchturm aus die Heeres säulen herannahen, voraus eine Schsvadron Tragoner, welche so flink herantrabten, daß dem Posten kaum Zeit verblieb, sein Pferd zu satteln und seinen Kameraden -« folgen; aber schon waren die Tragvner da und verfolgten ihn bis Riesa. Ta sein Pferd ein Eisen verloren hatte, suchte er in aller Eile eine Schmiede auf, wo eS dem Schmied gelang, ihn zu verbergen, denn seine Verfoher hatten die Spur nach der Schmiede entdeckt- Später zeigte man ihm den Weg, auf welchem er unverfvlgt wegreitea konnte- Zu gleicher Zett schlugen die Flammen auS der Cisenbahnbrüüe hoch auf und beleuchteten den Einmarsch der zahllosen Truppen- Tie Pioniere fuhren mit einem Dampfschiff ab, nachdem sie ihren Auftrag erfüllt hatten und entkamen unbehelligt. Aber nun trat der Ernst der neuen Situation an di« Stad Vertretung heran- „Herr Bürgermeister, wir wün-
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