02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031112028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111202
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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- Tag1903-11-12
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Anzeigen'PreiS die S gespaltene Petitzeile iS Reklamen unter dem Redaktion-strtch (-gespalten) 7S H, vor den Familieuuach- richten «6 gespalten) S0 Tabellarischer and Zisserniatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Ossertenannahme LS H tzxcl. Porto). Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgeu-Au-aabe, ohne Postbeförderung ^l «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgeu-Ausgab«: Nachmittags - Uhr. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Ppl» in Leipzig. Nr. 576. Donnerstag den 12. November 1903. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. November. Die Erkrankung des Kaisers und die ausländische Presse. Die Haltung, welche die ausländische Presse gegenüber der Erkrankung des Kaisers mit vereinzelten Ausnahmen be obachtet hat, kann uns befriedigen. Denn es geht nicht nur auS ihr das Ansehen und die Sympathie hervor, deren Kaiser Wilhelm II. im Auslande für seine Person sich er freut, sondern sie darf auch als ein Symptom dafür gelten, daß im Bewußtsein der fremden Völker die Vorstellung an Boden gewinnt, wie wohl vereinbar mit ihren Interessen die Wiederherstellung eines starken Kaisertums in Mitteleuropa war, das den Anreiz, im Herzen des Kontinents Macht verschiebungen zu versuchen, beseitigt hat und dadurch die Verfolgung wichtiger außereuropäischer Ziele erleichtert. Wenn in der englischen Presse bei anders warme Töne der Teilnahme und der Genugtuung über die gefahrlose Natur der Erkrankung des Kaisers angeschlagen werden, so werden diesem Verhalten achtungsvolle Anerkennung auch die nicht versagen, die wenigstens von einem Teile jener Auslastungen meinen, daß auf sie kluge Berechnung nicht ohne Einfluß geblieben sei. — Ein französisches Blatt, das „Journal des Debats", führt die Erkrankung des Kaisers aus einen Jagd uns all zurück, der fick während seiner letzten Anwesenheit in Ostpreußen zugetragen hat. Bekanntlich geriet der Kaiser dort vor einigen Wochen beim Jagen in einen Sumpf. Daß dieses Mißgeschick die jetzige Erkrankung deS Kaisers zur Folge gehabt habe, wird in allen sachver- ständigen Kreisen als ganz unglaubwürdig bezeichnet. In allen diesen Kreisen führt man die Erkrankung darauf zurück, daß der Kaiser seine Stimme wiederholt überanstrengt hat. Um so zuversichtlicher erwartet man eine baldige und dauernde Genesung, da es vollständig im Willen des Kaisers liegt, solche Ueberanstrengung zu vermeiden. ArbeitSlsfen-Vcrficherung. Der Beirat für Arbeiterstatistik, der vorgestern in Berlin im reichsstatistischen Amte versammelt war, hat, wie jetzt bekannt wirb, u. a. beschlossen, zu ermitteln, welche Einrichtungen imAuSlande zur Unterstützung Arbeits loser bestehen; es sollen hierbei sowohl die Einrichtungen der Gewerkschaften, wie die öffentlichen Versicherungen, die in Bern, St. Gallen, Basel, Zürich und Genf bestehen, berücksichtigt werden. Es ist das Verdienst der Schweiz, auf diesem noch so strittigen Gebiete der Arbeiterversicherung die ersten gesetzgeberischen Vorstöße ge wagt zu haben. Den ersten Anstoß gab ein Antrag der schweizerischen sozialdemokratischen Partei, die auf Grund de« Art. 121 der Bundesverfassung und de« Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über die Volksinitiative anfangs 1893 eine Agitation für die berfassungsrechtliche Einführung des „Recht« auf Arbeit" in« Leben rief und nach Zusammenbrin gung der erforderlichen 50 000 Unterschriften am 4. Juni 1894 in der Bundesversammlung ein entsprechende« Postulat zur Abstimmung brachte. Danach ist das Recht auf aus reichend (?) lohnende Arbeit jedem Schweizerbürger gewähr leistet und die Gesetzgebung deS Bundes hat diesem Grund sätze unter Mitwirkung der Kantone und Gemeinden in jeder möglichen Weise praktische Geltung zu verschaffen. Schon unter dem 13. Januar 1893 hatte der Stadtrat zu Bern in der Erwägung, daß die unverschuldete Arbeitslosigkeit eine ständige Begleiterscheinung der heutigen wirtschaftlichen Zu stände geworden sei und deshalb der bestehenden Gesellschaft die moralische Verpflichtung obliege, Abhülfe zu schaffen, zu mal die Arbeiter erfahrungsgemäß allein dazu unvermögend seien und andererseits oie Armenpflege hier gänzlich versage, den Beschluß gefaßt, die Einrichtung einer Bersicherungskaste gegen Arbeitslosigkeit anzustreben, deren Verwaltung die Gemeinde übernehme. Im Kanton St. Gallen war im No vember 1893 im Großen Rate der Antrag gestellt worden, den Regierungsrat einzuladen: „dem Große» Rate Bericht und Antrag emzubringen, ob nicht auf dem Wege der Gesetz gebung den politischen Gemeinden das Reckt eingeräumt werden könne, die obligatorische Arbeitslosenversicherung einzuführen". Dieser Antrag wurde angenommen und führte im Mai 1894 zu einem am 25. Juni 1894 in Kraft getretenen Gesetze. Im Kanton Basel-Stadt wurde ein entsprechender Entwurf am 23. November 1899 angenommen. Nach ihm werden alle unselbständig erwerbenden Personen, die als Bürger oder Niedergelassene seit mehr als einem Jahre im Gebiete des Kanton« wohnen und in den dem eid genössischen Fabrikgesetze unterstellten Betrieben arbeiten oder als Bau oder Erdarbeiter beschäftigt sind, vom zurückgelegten vierzehnten Altersjahre an nach Maßgabe der Bestimmungen des neuen Gesetzes gegen unverschuldete Arbeitslosigkeit zwangsweise versichert. Tn tschcchischc Klerus und die nationale Propaganda. Der Prager Erzbischof hat, erschreckt durch bas Erwachen deutschen Bewußtseins im deutschen Klerus Böhmens in seinem zum Frieden mahnenden Hirtenbrief beteuert, die römische Kirche bevorzugt keine Nationalität und die Geistlichen ermahnt, sich in keine nationalen Streitigkeiten einzulassen uud nur den Beruf zu pflegen. Es sei mit einigen kleinen Beispielen gezeigt, wie wenig unterrichtet der Erzbischofs offenbar über die tat sächlichen Verhältnisse ist. Zur gleichen Zeit, wo der Hirten brief erschien, veröffentlichte das Prager Ordinariatsblatt die Ernennung der Geschworenen zum Prager Diözesangericht. Alle 13 Geschworene sind Tschechen. Da« ist doch kaum noch Zufall. In der alten deutschen Bergstadt Kloster- grab ward kürzlich auf Ansuchen der wenigen dort lebenden Tschechen vom Leitmeritzer Konsistorium über die Köpfe der Stadtverwaltung und des katholischen Geistlichen weg angeordnet, daß in der katholischen Pfarrkirche von nun an tschechische Gebete verrichtet werden sollten. Genau so ward eS in Kaplitz. In den katholischen Kreisen in Brünn wird geklagt, daß von sechs Kanonikaten nur eines mit einem Deutschen besetzt ist. Von den Theo logie-Professoren sind nur die zwei ältesten Deutsche, die nach ihrem Abgang auch durch Tschechen ersetzt werden sollen. Von den sieben Pfarreien Brünns haben nur zwei deutsche Pfarrer. Daß^aS alle« nicht Zufall ist, sondern Folge eines wohlüberlegten Systems, ist ja sofort ersichtlich, wenn man an die Tagung des tschechischen Klerus denkt, wo die nationale Propaganda als vornehmste Losung auf die Fahne geschrieben wnrde, ohne daß der Erzbischof ein Wort der Einrede für nötig befunden hätte. Ueber die Leistungen der tschechischen Kleriker in tschechischer Agitationsarbeit erklärte der Kaplan ?. Kroiber aus Forbes bei Schweinitz mit Stolz: „Wir tschechische Geistliche stehen an der Spitze der natwnaltschechiscken Be wegung; es gibt keinen tschechischen Schutz- und Kampf verein, bei dem wir nicht in hervorragender Weise be teiligt sind." Und der Kanonikus Kyselke sagte einmal in der Prager Stadtvertretung: „Wir dürfen es garnicht laut sagen, was wir Geistliche gegen die deutschen Schulen in Prag veranlaßt haben". Das sollte dock auch dem Arglosesten genügen. Eine kleine Unbequem lichkeit entspringt aus all dem aber doch auch für die tsche chischen Geistlichen selber. Da ein so großer Teil ihrer Pfarrkinder gar kein Tschechisch, ein großer Teil von ihnen selber aber nickt genug Deutsch versteht, so ergibt sich dort, wo man deutschen Katholiken tschechische Pfarrer gegeben bat, oft die einfache Unmöglichkeit einer Verständigung zwischen den deutschen Katholiken und ihren tschechischen Seelsorgern. Diesem Uebelstande mußten schon wiederholt besorgte Erörte rungen gewidmet werden. Tte Eröffnung des Germanischen Museums in Eambridge. Aus Eambridge <Massachusetts», lO. November, wird der „Köln. Ztg." berichtet: Die dem Germanischen Museum der Harvard Uiüversität gestifteten Spenden des deutschen Kaisers, des Prinzen Heinrich von Preußen und anderer hervorragen der Deutscher wurden heute vom Frhrn. v. d. Bussche Hadken- bausen der Universität und dem Museum feierlich überreicht. Die Uebernahme erfolgte im Namen der Universität durch deren Präsidenten Eliot, für das Museum durch Prof. Kuno Francke, für dieMuseumsgesellschaft durch Karl Schurz. Bei derFeicrlich leit hielt Professor Hans v. Jagcmann eine Ansprache, worin er sagte: Es ist der Zweck des Museum«, unfern Studenten einen wahren Begriff davon zu geben, wa« Deutschland in der modernen Kultur vorstellt, was seine Ideale gewesen sind und was es zu den besten geistigen Besitztümern ter Welt beigetragen hat. Frhr. v. d. Bussche-Haddenhausen führte als Vertreter des deutschen Kaisers aus, es sei kein Zufall, daß die Vereinigten Staaten und Deutsch land Seite an Seite in der ersten Reihe ständen bei allen wichtigen Fragen moderner Zivilisation und des Fortschritts. Die Deutschen und ein großer Teil der Amerikaner seien eng mit einander verknüpft durch die Bande gemeinsamen Ursprungs. Dies erkläre die Tatsache, daß Deutsche, die nach den Vereinigten Staaten kommen, sich sofort mit deren Be wohnern eins fühlen und es so leichc finden, in Vie Reihen der amerikanischen Bürgerschaft eiinutreten, in der sie eines der besten Elemente bilden. Der Redner wies so dann auf das Wort des Kaisers hin, daß Blut dicker sei als Wasser; damit sei die geistige Verwandtschaft gemeint, jener deutschen Männer der Wissenschaft, welche die geistige Ent wicklung in den Bereinigten Staaten mit beeinflußten. Frhr. v. d. Bussche sprach sodann die Hoffnung au«, daß da« Museum ein neue« Glied in der Kette bilden werde, welche die amerikanische und die deutsche Gedankenwelt verbinde. Er gedachte ferner des großen Interesses deS deutschen Kaisers für alle Fragen des Fortschritts und der Entwicklung der Wissenschaft. Der Kaiser habe für den Plan des germa nischen Museums sehr großes Interesse gezeigt und habe mit Vergnügen die Gelegenheit ergriffen, den spenden, die jetzt in Berlin ausgestellt würden, seine kaiserlichen Geschenke hinzuzufügen und 10000 Bücher über die Geschichte Deutschlands und die deutsche Kultur zu stiften. Unter dem Hinweis darauf, daß Professor Eooledge beauftragt sei, den Gründer der Universität Harvard abzubilden zur Erinnerung au den Besuch, den der Prinz Heinrich der Universität abslattete, gab Freiherr v. d. Bussche der Befriedi gung des Kaisers und de« Prinzen Heinrich Ausdruck Uber diese sinnige Anerkennung ihres Interesses an der Sache, die sie heute vereinigt habe, und sprach den Dank des Kaisers Feuilleton. Ein intcrellanler Mann. 8j Roman von Arthur Zapp. Nachdruck »erboten. Achtes Kapitel. Die Nacht nach dem Balle war für Frau Valeska eine schlaflose. Sie wurde von folternden Gewisscnqualen ge peinigt und preßte stöhnend ihr tränenüberflcutetes Gesicht in die Kiffen. Sie kam sich grenzenlos unglücklich vor. War es nicht eine furchtbare Lage? Li« mußte ihren Gatten täuschen und gegen seinen klar ausgesprochenen Willen handeln. Doch alles geheime Auflvhnen dagegen half nichts. Sie mußte sich dem übermächtigen Schicksal ohnmächtig fügen, und so sehr sie auch sann und grübelte, sie sah nirgends einen Ausweg. Uüd wenn sic sich na» auch verworfen uüd pflichtvergessen schalt, sic mußte sich dennoch sagen, 'daß sie nicht anders habe handeln können. Es schauberte sie bis ins innerste Mark, wenn sie sich aus malte, was geschehen wäre, hätte sie dem Verlangen Mino- leSkus energischeren Widerstand geleistet. Flammende Em pörung im Herzen, über sich selbst entsetzt, hatte sie sich dem unentrinnbaren Zwange fügen und sich zur GelegcnHettS- machertn hcrgebcn müssen. Und ohnmächtig, unfähig zum Widersprechen, mußte sie mit ansehcn, wie ein verächtlicher, ehrloser Mensch, über dessen moralische Verworfenheit sie nicht mehr im Unklaren sein konnte, wenn sie auch gewalt. sam die Äugen vor -eüTatsachen verschloß, das Gift seiner Schmeichelreden in 'das arglose Herz eines jungen Mäd chen- träufelte, die vor dem elenden Verführer zu be schützen ihre Pflicht gewesen wäre. Während der folgenden Tage entwickelte sich bei der anglücklichen jungen Frau ein Zustand fortschreitender Nervosität, der sie bei jedem Briefe, bei jeder Meldung eines Besuches schreckhaft znsammenfahren machte und der in der immer sichtbarer werdenden Biäste ihres Gesichtes und in dem Mangel an Schlaf und Appetit zu Tage trat. Regierungsrat von Reßtorf zog besorgt den Hausarzt zu Rate. Der alte Praktikus zuckte mit den Achseln. Eine organische Ursache des unverkennbar nicht ord nungsmäßigen körperlichen Befindens der Patientin lag nicht vor. Mithin war Grund zur Beunruhigung nicht da. Nervöse Ueberret-ung, wahrscheinlich infolge ge sellschaftlicher Ueberanstrengung, war seine Diagnose, un feine Verordnung lautete: strenge Ruche, gewissenhaftes Kernhalten aller seelischen Erregungen und strikte Ent- haltsamkcit von allen geselligen Vergnügungen sür die nächsten Wochen. Im Frühjahr eine Erholungsreise nach einem südlichen Klima. Die beiden letzten Teile der ärztlichen Anordnung be grüßte Frau ValeSka mit stiller Befriedigung. Gottlob, daß sie nun des geselligen Verkehrs und da mit -em Zufamchientresfen mit Baron Minolesku ent hoben war, und daß sie in wenigen Wochen mit ihrem (hatten und ihrem Kinde wett, weit fort gehen konnte, wo hin sie der böse Dämon, der sie während der letzten Monate in ununterbrochene Angst und Pein versetzt, nicht verfolgen würde. Freilich, hätte sie ahnen können, wie viel Aufregung und Schrecken ihr gerade in der nächsten Zeit bevorstand, die tröstliche Zuversicht, mit der sie der Zukunft entgegen sah, würde sich jäh in Grauen und Entsetzen verwandelt haben. Es war ungefähr vierzehn Tage nach dem Balle im Sarnowschen Halste, als sich Baron Minolesku in der Mittagstunde bei Frau Valeska melden ließ. Sie erschrak unwillkürlich, ihr erster Impuls war, ihn abzuweiscn, in dem sic ihm sagen lieb, daß sie sich nicht wohl genug fühle, um Besuch« empfangen zu können. Aber sie wagte nicht, dieser ersten Willensregung zu folgen; der bloße Klang seines Namens versetzte sic in Verwirrung, Schrecken und Angst, und die Furcht, ihn zu beleidigen und zu erzürnen, beherrschte sie stärker als jede andere Regung. Und so gab sie erblassend dem Haussiiädchen den Alsttrag, -en Herrn Baron hereinzukükren. Baron Minolesku hatte ein Buch unter dem Anne und noch auf der Schwelle rief er ihr, sich verbeugend, liebens würdig entgegen: „Gnädige Frau, ich gestatte mir, Ihnen das Buch zu bringen, das Sie —" Als er hörte, wie das Hausmädchen die Tür hinter ihm ins Schloß zog, änderte sich seine verbindliche Miene blitz, schnell. Mit «in paar raschen Schritten näherte er sich ihr, und das Buch achtlos auf den Tisch werfend, zischelte er ihr mit finsterer, zorniger Miene zu: „Sie verstecken sich vor mir. Tie geben mir aus dem Wege. Es scheint, Sie ge fallen sich darin, mit dem Leben Ihres Gatten zu spielen!" Sie preßte mit instinktiver Geber-« ihre zusammen gefalteten Hände aus das wild pochende Herz und sank ächzend auf -en neben ihr stehenden Seffel. Der Rumäne stand vor ihr und sah sie spöttisch, mitleidslos, mit ge runzelter Stirn an. „Nun! Sie antworten mir nicht?" Sie erklärte ihm, daß ihr das Gebot ihres Arztes nur kurze Spaziergänge in Gesellschaft ihres Gatten erlaube und jede Teilnahme an Geselligkeit und jeden Besuch von Theatern und Konzerten sirena verbiete. Er betrachtete sie sorgfältiger. „Allerdings", sagte er weniger rauh, ,>Die sehen leidend aus. Es ist also nicht böse Absicht von Ihnen. Desto bester! Tann bedarf es also weiter keiner Auseinander setzung zwischen uns. und Sie werden meinem Ersuchen, zwischen Fräulein Sarnow und mir für morgen oder übermorgen eine Zusammenkunft zu vermitteln, nicht un nützen Widerstand entgegensetzen!" Sie erhob flohen- beide Sünde. »Haben Sie Mitleid! Ich kann, ich darf nicht. Mein Mann Sie brach plötzlich äb, als scheue sie sich, die ganze Wahr, heit zu sagen. Baron Minolesku machte eine Bewegung des Schreckens. Mit einem Gemisch von Mißtrauen und Bestürzung sagte er fragend: „Ihr Mann? Nun, warum sprechen Sie nickt weiter? Es ist wohl nur «in Vorwand, den Sie suchen?" „Nein, nein!" stieß sie zitternd, erregt hervor. „Ich schwöre Ihnen, daß «s wahr ist. daß mir mein Mann strenge Zurückhaltung zur Pflicht gemacht hat, daß er nicht will, daß Erna durch meine Veranlassung mit Ihnen in Berührung kommt." „So?" Leblustt« Unruhe malte sich in den flirrenden Augen des Rumänen. „Wirklich, hat Ihr Gatte das wirk lich geäußert?" „Ich schwöre es Ihnen bei dem Leben meines Kindes." Baron Minolesku nagte mit den Zähnen an seiner Unterlippe; seine Menen drückten eine starke Spannung auS. ,MuS welcher Ursache? Hal er Ihnen bestimmte Gründ« dabet angegeben?" „Nein. Er meinte nur, Sie seien -och ein Fremder. Man kenne Sie nicht. Sie seien ihm nicht — sym —" Ein hartes, boshaftes Auklachcn des Rumänen unter- brach sie. ,/Sie sehen mich untröstlich", entgegnete er mit beißen dem Spott, „daß ich das Unglück l>abe, Ihrem Herrn Ge mahl zu mißfallen. Nun. ich muß mich mit dem Bewußt sein trösten, daß ich anderen, ihm nahestehenden Personen und de« Prinzen Heinrich dafür au«. In seiner Erwiderung sagte Präsident Eliot, die hochherzige, wohldurchdachte Handlungsweise de« Kaisers stehe einzig in der Geschichte der Universität und in der Geschichte des Erziehungswcsen« über haupt da. Sodann hielten die übrigen Fakultätsmitglieder kurze Ansprachen, an die sich ein Empfang schloß. Darauf wurde der Tee eingenommen. Zu der Feier waren Gäste aus allen Teilen de« Landes erschienen, darunter Vertrete* der Deutschen aus Boston und andern Städten. Deutsches Reich. /X Berlin, 11. November. (Aus der preußi- schen nationallib«ralenPartei.j An Rührig keit und tüchtiger Arbeit hat es die nationalliberale Partei in der letzten Zeit nicht fehlen lasten. Vor allem standen die Führer -er Partei, die Kandidaten und die Partei sekretäre in den vordersten Reihen und bestärkten die Ver trauensmänner und die Leiter der einzelnen Ortsgruppen in ihrer nicht minder mühevollen Kleinarbeit. Die dies malige Wahlbewegung hat den Beweis geliefert, daß der nationalliberale Gedanke nichts an seiner Werbekraft ein gebüßt hat und daß es nur unausgesetzte Arbeit, aber auch -- was nachdrücklichster Betonung bedarf — finan zielle Opferfrendigkeit fordert, ibn immer in weitere Kresie der Bevölkerung zu tragen, um Preußen und Deutsch land zu jenen Höhen nationalen Aufschwunges wieder hinau'znsühren, die es in den siebziger Jahren einnahm. Neue Organisationen haben sich an vielen Orten gebildet, wo man längst den Liberalismus durch das Zentrum und die reaktionären Konservativen vollständig erdrückt und erstickt glaubte, sowohl im Weste» wie im fernsten Osten. Diese kleinen parteipolitischen Gemeinden organisch mit den übrigen Organisationen des betretenden Wahl kreises und der Provinz zu verbinden, darf nicht vernach- lässigt werden. Gleich nach den Wahlen muß die Bor- bereitung für die Wahlen wieder beginnen! Dann kann die Partei auch den unvorhergesehenen Handstreichen von Seiten ihrer Gegner mit ruhigerem Blute entgegen, schauen als jetzt An derartigen Ueberraschungen scheint es besonders am Rheine nicht fehlen zn sollen. Hier wollen sich die Freikoniervativen für den Verlust rächen, der ihnen durch Einbuße an zuverlässigen Kanalgegnern droht. In Elberfeld gehen die Freikonservativen sogar so weit, sich in die Hörigkeit deS Zentrums zu begeben und sich für die konfessionelle Schule zu verpflichten! Als wir kürzlich die Standhaftigkeit der Freikonservativen betreffs der Schulfrage anzweifelten, erhob sich im Lager der Herren v. Zedlitz und Ür. Arendt gewaltiges Geschrei. Wie der Elberfelder Vorgang beweist, schätzten wir die Fretkonservativen ganz richtig ein. Vermutlich trägt auch der freikonservative Lanbrat v. Bcckerath, der sich ander wärts zwischen die nationallibcralen Kandidaturen hinein- ge'choben hat, auch nicht das mindeste Bedenken mehr, mit der konfessionellen Schule die Ausdehnung der geistlichen Schulaufsicht bis zur Beseitigung der staatlichen Aufsicht zn gewähren! Im Osten harren die liberalen Elemente nur der führenden Hand und der leitenden Organisation. Die nattonalliberale Partei würde eine große Verant wortung ans sich laden, wenn sic dieses seit langer Zeit brach liegende Feld nicht wieder in Angriff nehmen wollte, nicht bloß in den Städten, sondern auch aus dem Lande. Königsberg und Danzig diiyKn nicht länger die einsam um so sympathischer war und bin. . . . Uebrigens, er braucht es nicht zu erfahren, daß ich morgen oder über morgen durch Ihre gütige Vermittlung nvit Fräulein Sarnow sprechen werde." Er zog einen Seffel heran und setzte sich mit den Worten: „Sic gestatten. . . . Wir haben noch wichtiges zu besprechen. Wo und wie gadenten Sie die ganz dringend notwendige Zusammenkunft zwischen Ihrer Cousine und wir zu veranstalten?" „Ich weiß cs nicht", stöhnte die Gequälte. ,>Sie wissen es nicht?" Mit harten, mitleidlosen Blicken sah der Unerbittliche zu der Unglücklichen hinüber, galten Sie, bitte, nicht mich und sich selber mit leeren Ausflüchten auf! Ich würde Ihnen mit meiner Phantasie zu Hülfe kommen, wüßte ich nicht, daß in solchen Fällen die Frauen viel erfinderischer sind, als wir Männer. Mein Gott, Sie waren doch früher nicht so zaghaft und so crfiüdungs- arm! Freilich, damals war es in eigener Sache!" Er lächelte höhnisch. Sie stöhnte in tiefster Qual in sich hinein. Mit so brennender Scham batte sie nie em pfunden, wie töricht, wie leichtsinnig, wie tadelnswert sie einst in mädchenhafter Unüberlegtheit gehandelt hatte. Ungeduldig stand Baron Minolesku auf; seine Züge nahmen einen immer eherneren, entschlosseneren AuS- druck an. Dicht vor die in sich Versunkene htntretend, sagte er kurz, gebietend: ,Hören Die! Ich werde also übermorgen wiedcrkommen — nm dieselbe Stunde. Es scheint mir das Einfachste, Sicherste, wir lasten die Unter redung hier stattfindcn. Hier sind wir am ungestörtesten, die Sache macht sich hier am ungeniertesten und zwang losesten. Ihr Gatte ist um diese Stunde in seinem Bureau. Ich verlasse mich also auf Sie. Uebermorgen um zwölf Uhr werde ich Ihr Fräulein Toustne hier treffen." Sie antwortete nicht; nur ein erneute- Stöhnen gab den Beweis, baß sie verstanden hatte. Ihn schien ihre passive Haltung, die ihn im Ungewissen ließ, zu erbittern, denn noch schärfer, schneidender fielen jetzt die Worte von seinen Lippen: „Sollten Sie mir Trotz bieten, so könnten Sie sich auf daS Aeußerste gefaßt machen. Ich will Ihnen keinen Zweifel an dem Ernst meiner Drohung lasten und Ihnen mittcilcn, daß ich Vu - ngu« spiele. Gelingt e- mir nicht, in acht Tagen meine Verlobung mit der Tochter de- reichen Kommerzienrats Sarnow zu feiern, so kann ich mich hier nicht länger halten. Ich bin verloren und Sie mit mir. Erreiche ich mein Ziel, so haben Die nichts mehr von mir zu befürchten. Ich lege Ihr Bild in Ihre
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