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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031113029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-13
- Monat1903-11
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Dabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung «0.—, mit Postbrförderung 70.—. Annahmeschluß fir Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Pol» in Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. November. Das Kriegsgericht in Metz hat de» Leutnant Bilse zu 6 Monaten Gefängnis und Dienstentlassung verurteilt. DaS Urteil ist nicht milde, aber eS ist gerecht. Denn Leutnant Bilse hat Vorgesetzte und Kameraden in seiner Schrift beleidigt und kompromittiert, er hat gegen die kaiserliche Kabmettsordre, betreffend die literarische Tätigkeit von Offizieren, verstoßen und durch sein Verhalten der gröbsten Taktlosigkeit sich schuldig gemacht. Die Entlassung eines solchen Offiziers ist selbst verständlich; Leutnant Bilse wäre in jedem Osfizierkorps un- möglich gewesen. Das Metzer Urteil läßt auf der andern Serie dem Leutnant Bilse insofern Gerechtigkeit widerfahren, al- e» anerkennt, daß Bilses Buch kein Pamphlet sei und über die Verhältnisse in kleinen Garnisonen, über Strafversetzungen, Schuldenmachen usw. vieles Wahre und Beachtenswerte ent halte. Diese gerichtliche Feststellung ist vom allgemeinen Stand punkte aus auf das dankbarste zu begrüßen. Liegt darin doch eine verstärkte Gewähr dafür, daß in den angeführten Punkten endlich etwas Durchgreifendes geschehen wird. Langst hat man in der Presse darauf hingewiesen, wie verhängnisvoll die Schaffung von „Strafgarnisonen" und wie notwendig eS sei, in derartigen kleinen Garnisonen einen häufigeren Wechsel der dort stehenden Offiziere herbeizuführeu. Die engen Verhältnisse solcher kleinen Garnisonen entschuldigen aber keineswegs den sittlichen Notstand, den die Metzer Gerichtsverhandlung offenkundig gemacht hat. Ganz abgesehen davon, daß bei dem Offizierkorps einer Grenz garnison der Ehrgeiz vorausgesetzt werden muß, sich mög lichst kriegstüchtig zu erhalten und zumal im Bereiche des XVI. Armeecorps den protestlerischen Elementen diesseits, den Nachbarn jenseits der Grenzen ein gutes Beispiel zu geben —, abgesehen hiervon, darf auch nicht der Glaube aufkomm-n, als ob ein Ort wie Morbach einem galizischen oder sibirischen Dorfe gleiche. In anmutigster Gegend ge legen, den lebhaften Provinzialstädten Saarbrücken und St. Johann ganz nahe, mit den Heldengräbern aus großer Zeit vor seinen Mauern, darf das kleine Forbach von einem deutschen Offizierkorps eine ganz andere Lebensführung als die in Metz enthüllte erwarten. Die letzte Ursache für die verdammenswerten Mißstände im Forbacher Offizierkorps liegt auch durchaus nicht allein in den engen Forbacher Ver hältnissen: jenes Ueberwuchern von Alkoholismus, Erotik, Intrigantentum und Schuldenmachen entspringt viel mehr dem Umsichgreifen des Materialismus auchin den Offizierkorps. Deshalb mahnt der Metzer Prozeß, der Ausbreitung der materialistischen Weltanschauung innerhalb der Ofsizierkorps mit vollem Ernste entgegenzutreten. Das erste Mittel dabei ist die Bekämpfung des Luxus, der sowohl zu dem Ideal deS Offizierstandes, dem Spartanertum, als auch zum Wesen des Krieges in direktem Gegensätze steht. Ein alter Stabs offizier hat im Oktoberhefte der Halbmonatsschrift „Deutsche Stimmen" die Ausbreitung des Luxus mit großer Anschaulichkeit geschildert. Die kostspieligen „Ab fütterungen" beinr geselligen Verkehr der Offizierfamilien, die ebenso opulenten wie häufigen Liebesmähler, die groß artige« Geschenke an Kameraden bei Geburtstagen und andern Gelegenheiten, die glänzende Ausstattung der Offizierkasinos: das sind die wesentlichsten Momente, die die Zunahme des Luxus in den Offizierkorps erklären, nicht zu vergessen die übermäßigen Anforderungen, welche an die Offiziers- kleidung gegenwärtig gestellt werden. „In allen erwähnten Punkten", so schreibt der alte Stabsoffizier in den „Deutschen Stimmen", „dem Luxus und dem übermächtigen Geldaus- geben zu steuern, liegt in der Hand der Regiments kommandeure; es bedarf dazu nur des festen Willens und der gehörigen Tatkraft. Mittel hat er genug zur Verfügung: in erster Linie das eigene Beispiel, dann Ermahnungen, schließlich, wenn alles nichts hilft, Herbeifübrung der Verabschiedung Unverbesserlicher behufs Reinigung des Ofsizierkorps. Zur Stärkung in ihrem Bestreben würde es sicherlich sehr erwünscht sein, wenn von Aller höchster Stelle die Regimentskommandeure mit aller Schärfe zur bestimmtesten und strengsten Durchführung der zahlreichen Erlasse gegen den Luxus angehalten und, wenn sich dies als wirkungslos zeigen sollte, alle diejenigen, bei denen dies zu Tage träte, rücksichtslos wegen Mangels an Tatkraft und unter Bekanntgebung der Veranlassung dem Ruhestand überwiesen würden . . . Zur Reinigung bedarf es heute, fürchte ich, eines eisernen Besens." — Dieser eiserne Besen wird um so rascher reinen Tisch machen, je mehr der Hof des obersten Kriegsherrn die altpreußische Einfach heit zur Geltung bringt. Tte badischen Abgcordnetcnwahlen, die vorgestern vollzogen worden sind, haben doch noch eine kleine Ueberraschung gebracht: Karlsruhe-Land ist nicht von den Konservativen behauptet woroen, wie man an genommen hatte, sondern an die Sozialdemokratie verloren gegangen. Es waren dort drei Wahlgänge erforderlich, im dritten siegte der Sozialdemokrat mit vierzehn Stimmen Mehrheit und zwar dank der Hülfe des — Bundes der Landwirte. Die Sozialdemo kraten haben nun also ihren Pforzheimer Verlust aus geglichen und erscheinen ar ch fernerhin in der Kammer mit 6 Vertretern. Anderseits sieht die Demokratie ihren Gewinn in Konstanz ausgeglichen durch den Verlust von Schwetzingen an die Nationalliberalen. Die noch ausstehende Wahl in Eberbach-Buchen wird wahrscheinlich mit dem Siege der Nationalliberalen enden, die dann mit 26 unter 63 Stimmen auch fernerhin die stärkste Partei in der badischen Abgeordnetenkammer sein würden; siegt der Zentrumsmann, so stehen sich die Parteien mit 25 und 24 Abgeordneten fast gleicb stark gegenüber. Die konser vative Partei ist aus der Kammer verschwunden, wofür sich die Partei bei demselben Bunde der Landwirte bedanken kann, der sich für den alleinigen Schutzherrn des Mittelstandes auszugebcn nicht müde wird. Wirb nun in der „Kreuzzeitung" ein Entrüstungssturm gegen die Bündler losbrechen'? Schwerlich. Die Konservativen haben bisher nicht den Mut besessen, sich vom Bunde loszusagen, und werden diesen Mut auch trotz des Verrates in Karlsruhe- Land vorläufig noch nicht finden. In welcher Abhängigkeit vom Bunde sie sich befinden, geht aus dem Ultimatum der Bundeslcitung vom 13. Dezember vorigen Jahres und daraus hervor, daß die Konservativen sich eifrigst bemühten, Gras über dieser Provokation wachsen zu lasten. Ebenso werden die Konservativen jetzt die Felonie des badischen Bundes der Landwirte über sich ergehen lassen und nicht wider den Stachel zu löken wagen. Tte Sokolvereine tm deutschböhmischen Sprachgebiete. Die in Deutschböhmen infolge der planmäßig von Prag aus geleiteten Wühlarbeit der Sokolvereine dem Deutschtum drohende Gefahr wächst beständig. Der erste Sokolverein wurde im Jahre 1883 in Dux unter dem Jubel der tschechischen Nation gegründet. Im Iabre 1895 waren schon 26 vorhanden; die Zahl stieg 1898 auf 38 und heute bestehen 42 Sokolvereine mit 2248 Mit gliedern. Sie unternahmen 152 Ausflüge und veranstalteten 106 Vorträge, bei welchen Delegierte des Zentralverbandcs des Sokol- und des Tschechisierungsvereins in Nordböhmen über die „nationalen Aufgaben und Pflichten der tsche chischen Minderheiten" sprachen. Die Prager Zentralleitung des „Sokol" widmet den Zweigvereinen in Deutsckböhmen ganz besondere Aufmerksamkeit. Sie errichtete für Instand setzung von Sokolhallen im Deutschen Sprachgebiete einen eigenen Minoritätenfond. Alljährlich wird am Prager Aus- stellnngsplatzc ein großer „Sokoltag" abgehalten. Der im vorigen Jahre statlgesundene Sokoltag brachte für den Mino ritätenfond 3000 Kr. Der Fortbildungsausschuß der Zentrale entsendet tüchtige Redner in das deutsche Sprachgetziet, um in den bedrohten Vereinen eine lebhafte Agitation zu entfalten. In Brüx und in Leutmeritz sind bereits Sokol- Hallen eingerichtet, die von tschechischen Städten reichlich unterstützt werden, so bat z. B. der Koliner Sokol 3488 Kr. für die Leitmeritzer Sokolhalle gesammelt. Die Lobositzer Tschechen erhielten von dem Smichower Sokol eine Unter stützung von 644 Kr. zur Errichtung einer Sokolhalle. Unaus gesetzt erhalten die insLebcn gerufenen Sokolhallen inTurn,Brüx, Dux, Gablonz, Hostowitz und Reichenberg reichlicheSpcnden. Der Sokolagitator Kukau berichtet der Zentrale: „Ganz geräusch los, ruhig, aber gut, geht unsere Arbeit hier im germani sierten Sprachgebiete von statten." Er äußerte sich, daß auch das Egerland reis wäre, in größeren Orten Sokolhallen zu errichten. Deutschböhmen muß deshalb auf der Wacht sein, denn der Feind schleicht immer näher heran. Immer mehr muß cs zum Bewußtsein kommen, daß die Sokolhallen dazu dienen, das germanisierte Gebiet zu erobern. Zweijährige Dienstzeit in Frankreich. Die Bestrebungen auf Einführung der zweijährigen Dienstzeit in Frankreich reichen bis in das Jahr 1898 zurück, in dem ein Gesetzentwurf, die Loi Rolland dem Tenat vorgelegt und einer Kommission zur Prüfung über wiesen wurde. Schon im folgenden Jahre erteilte die Kom mission ihre Zustimmung zu den wichtigsten Vorschlägen des Entwurfes, der aber erst am 12. Juni d. I. nach eingehenden und äußerst lebhaften Verhandlungen vom Senat mit 220 gegen 45 Stimmen angenommen wurde. In der gegenwärtigen Fassung, über deren Beibehaltung oder Abänderung sich demnächst die Deputiertcnkammer zu äußern haben wird, enthält die Loi Rolland, abgesehen von der Einführung einer obligatorischen gleichmäßigen Dienstpflicht und der Herabsetzung ihrer Dauer von 3 auf 2 Jahre wichtige Bestimmungen über Abschaffung der Befreiungen, Einstellung einer gewissen Anzahl von Mannschaften, die ihrer Körper- beschasfenbeit wegen bisher vom aktiven Dienst befreit waren, in die aktive Armee, Vermehrung der Kapitulantenstellen für Unteroffiziere, Korporale und Soldaten, endlich einjährige Dienstzeit für die zu den polytechnischen Schulen und der Kriegsschule von Saint Ehr zugelassenen jungen Leute. Was die voraussichtliche Wirkung des projektierten Gesetzes angeht, so kann eS als sicher gelten, daß man in jedem Falle bemüht sein wird, eine Schwächung der gegenwärtigen Friedensstärke zu vermeiden; dies Bestreben kommt in den erwähnten Bestimmungen ersicht lich zum Ausdruck. Man rechnet, daß daS ^Ausscheiden der dritten Iahresklasse ein Weniger von 116 000 Mann er geben wird. Da aber nach Abschaffung der Befreiungen 66 000 Mann, die jetzt ein Jahr dienen, zwei Jahre bei der Fahne bleiben müssen, vermindert sich der Ausfall auf rund 50 000 Mann. Von diesen werden nach den Berechnungen des Kriegsministers etwa 26 000 Mann teils durch die im Jahre 1901 Gesetz gewordene Herabsetzung der minimalen Körper größe, teils durch Indienststellung von 6000 Mann, die bisher wegen geringer körperlicher Schäden befreit waren, durch Verniinderung der Stärke der MusikkorpS, besonders bei der Artillerie usw. aufgebracht werden können. Um die noch fehlen den 24 000 Mann zu ergänzen, fordert General Andrs die Ver mehrung der Stellen für Unteroffiziere um 6000, für Korporale um 10 000 und für Kapitulanten um 6000—7000 Mann, wobei namentlich die Kavallerie berücksichtigt werden soll. Indessen erscheint es mehr als fraglich ob eS gelingen würde, den erforderlichen Ersatz im vollen Umfange und in durchaus diensttauglichem Zustande beizubringen, da in der Abnahme der Bevölkerung noch immer kein Stillstand eingetrete« ist und der Gesundheitszustand der Dienstpflichtigen nach den Berichten der Ausbebungskommission vielfach zu wünsche« übrig läßt. Während so durch die Einführung der zwei jährigen Dienstzeit an dem Bestände und Charakter de- aktiven französischen Heeres nichts geändert werde« soll, wird ein wesentlicher Fortschritt zum Bessern mit Recht darin ge sehen, daß in Zukunft die Reserve-Armee ei«e ungleich höhere und einheitlichere Durchbildung als jetzt erhalte« würde, da die ihr angehörigen Mannschaften in Zukunft gleichmäßig 2 Jahre aktiv gedient habe« würde«. Deutsches Reich. U Berlin, 12. November' (Einberufung de- Reichs tags und in Aussicht stehende Vorlagen.) Wem» bisher der Termin für die Einberufung deS Reichstag- noch nicht bekannt gegeben ist, so dürfte der Grund dafür Wohl in dem Umstande zu suchen sein, daß noch nicht ganz genau zu übersehen ist, wann der ReichShauShaltSetat für 1904 im Bundesrate fertiggestellt sein wird. Es besteht der Wunsch, dem Reichstage möglichst bei seinem Zusammentritte den nächstjährigen Etat vorzulegen. Die Feststellung der end gültigen Ziffern im letzteren hängt noch von auf anderen Gebieten zu treffenden Entscheidungen ab. Sobald diese erfolgt sind, dürften die Etatsarbeiten im Bundes rate einen schnellen Fortgang finden Jedenfalls wird der Reichstag noch im laufenden Jahre zu seiner Tagung versammelt werden, da das Gesetz über daS Handelsvertragsprovisorium mit England am 31. Dezember 1903 abläuft und man einer Erneuerung des Abkommens über die Handelsbeziehungen zwischen Deutsch land und England nach dieser Zeit entgegensetzen darf. Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf würde demgemäß dm Bundesrat als eine der ersten dem Reichstage zu unter breitenden Vorlagen in Bälde zu beschäftigen haben. Außerdem dürften auch einige mit dem Etat im Zusammenhänge stehende Entwürfe reckt bald an den Bundesrat gelangen. Em weiterer Entwurf, der mit Bestimmtheit zu erwarten ist, ist die Novelle Feuilleton. Ein interessanter Mann. Sj Roman von Arthur Zapp. Nachdruck verboten. Karl Grunert verneinte mit lebhafter Kopf- bewegung. „Nee doch, Frau Regierungsrat! Lauter fremde, wohl meistens aus Rumänien oder aus Frankreich oder wo der Herr Baron sonst noch gewesen ist." Frau Valeska lehnte sich in ihren Sessel zurück und preAe ihr Taschentuch an die Schläfe. Der Ekel schien sie zu überwältigen. Aber sie schien sich noch nicht ent schließen zu können, den ihr blinzelnd Gegenüber stehenden fortzuschicken. Mit plötzlichem Griff zog sie ihr Portemonnaie hervor: die feucht schimmernden Augen deS großen Burschen funkelten, wie die eines Raubtieres, das Beute wittert. Frau Valeska nahm ein Zehnmark stück mit den Fingerspitzen und reichte es dem hastig Zugreifenden. Nachdem dieser mit luchSartigem Blick sich überzeugt, -aß es ein Goldstück war, dienerte er wiederholt und bedankte sich, über das ganze breite Ge sicht vergnügt grinsend. Offenbar hielt er nun den Zweck seines Kommens für erledigt, denn er wollte sich eben davonmachen, als ihn eine Frage seiner Gönnerin zurückhielt. „Sagen Sie, Karl —", die Sprechende stieß es mit krampfhafter Anstrengung hervor — „der Herr Baron besitzt doch wohl auch Photographiealbums?" Der Gefragte war innerlich schon so beschäftigt mit den Gedanken an die Verwendung der unerwartet reichen Spende, daß ihn die Frage gar nicht in Erstaunen versetzte. „Gewiß doch, Frau Regierungsrat", antwortete er mechanisch. „Zwei Stück. Feine und so große!" Er umschrieb mit dem Zeigefinger seiner Rechten einen ziemlich beträchtlichen Raum. Frau Valeska sah ihm mit augenscheinlichem Interesse zu; ihre Blicke ruhten eine Weile unruhig, fragend auf seinem Gesicht. Aber in seinen Mienen war nichts zu lesen, als die Ungeduld. Das Geld schien ihm in der Tasche »u brennen und es verlangte ihn offenbar mit aLhy Sinnen, es sobald als möglich in Trink- und Eß bares mnzusetzcn. Da winkte ihm seine Gönnerin endlich. „Es ist gut, Karl! Sprechen Sie gelegentlich wieder vor! . . . Nein, besser! Wie ist doch Ihre Adresse?" Hauptstraße neunzehn, Hof drei Treppen, bei Korn." „Hauptstraße neunzehn, Hof drei Treppen", wieder holte Frau Valeska für sich, die Adresse ihrem Gedächtnis einprägcnd, in dem dunklen Gefühl, sic vielleicht einmal zu benötigen. Dann riß sie mit einer heftigen Bewegung die Fenster weit auf, um die frische, reinigende Luft in das von Alkoholdunst erfüllte Zimmer hineinströmen zu lassen. Neuntes Kapitel. Den Baron Minolcsku hatte seine Zuversicht nicht ge täuscht. Als er zwei Tage später in der Mittagsstunde Frau Valeskas Boudoir betrat, fand er Erna Sarnow bereits vor. Das Gespräch war matt und bewegte sich ganz in konventionellen Formen. Ein gel>cimer, seelischer Druck schien lähmend auf allen drei An wesenden zu liegen, etwas lang Erwartungsvolles, die Schwüle und stille Spannung vor einer nahen, be deutungsvollen Entscheidung. Frau Valeska stand unter dem Einflüsse ein-er fieber haften Erregung. Ihr Gesicht wechselte wiederholt die Farbe. Unruhig, nervös rückte sie unter den nahenden, drohenden Blicken des Rumänen ans ihrem Sessel hin und her. Endlich erhob sie sich unH stotternd, wie einen schlecht gelernten Spruch, stieß sie die Worte hervor: „Ich bitte um Entschuldigung, ich möchte nur einen Augenblick nach meinem kleinen Hans sehen. Er schien heute morgen nicht ganz wohl." Sie eilte aus dem Zimmer. Im Nebcngemach stand sie, nachdem sic die Tür ins Schloß gezogen, ein paar Sekunden still, nach Atem ringend. Dann brach sie auf dem nächsten Stuhle zusammen, schlug ihre Hände vor das bleiche, zuckende Gesicht und beweinte mit heißen Tränen ihre Schuld, das vernichtende Bewußtsein, die Gehülsin eines gewissenlosen Intriganten zu sein, die Mitvcrichworene eines Komplotts gegen das Lebensglllck eines ahnungslosen, unschuldigen jungen Mädchens. Ihre Seelen- und Gewissensangst war eine so furchtbare, daß sie ein paarmal aussprang, »nd an die Tür eilte, unter dem Impuls, das töto-L-t<'to nebenan zu unterbrechen und vor der Unwissenden, Unersahrencn, die sich wie sie selbst meist durch äußerliche Eigenschaften blenden ließ, die ganze Erbärmlichkeit des Mannes, der sie mit seinen Schmeichelreden betäubte, rückhaltlos zu enthüllen. Aber wieder und wieder tauchte ein entsetzliches Schreckbild in ihrer fiebernden Phantasie auf: ihr Gatte blutüberströmt zusammenbrcchend unter dem Schuß des Rumänen — und ihre Hand sank schwach, energielos zurück von der Klinke, die sie schon ergriffen hatte. Endlich konnte sie diesen qualvollen Kampf nicht länger ertragen und sie eilte nach ihrem Schlafzimmer. Aber auch hier fand sie keine Ruhe. Und so kehrte sie, nachdem sie mit zuckenden Händen Augen und Stirn gekühlt, und die Spuren ihrer heißen Tränen getilgt hatte, auf ihren Lauscherposten zurück. Mit hochklopfendem Herzen und hämmernden Pulsen stand sie an der Tür. Aber ihre Aufregung war viel zu stark, als daß sie im stände gewesen wäre, von -er halblaut geführten Unterhaltung nebenan etwas zu ver stehen. Da zuckte sie zusammen, als fühlte sie sich von einem glühenden Eisen berührt. Die elektrische Klingel im Flur ertönte grell, nervenerschütternd. Mein Gott, wer konnte das sein? Wie ein Blitz flog sie an die Tür nach dem Flur und lauschte. Sie erschrak bis ins innerste Mark. Die Stimme ihres Gatten erklang, er sprach ein paar Worte mit dem öffnenden Hausmädchen. Der Lauschenden knickten die Beine ein; nur mit äußerster Anstrengung hielt sie sich aufrecht, während ihr die Zähne wie im Fieberfrost zusammenschlugen. Die Kraft höchster Angst und Verzweiflung trieb sie vorwärts. Mit ein paar schnellen Schritten stand sie tm Neben zimmer. Die leuchtenden Aivgen, die strahlenden Ge sichter der jungen Dame und des Mannes bewiesen, daß sic über wichtige, sie innerlich lebhaft beschäftigende Dinge gesprochen hatten. Keiner von beiden hatte von der un erwarteten Rückkehr des Hausherrn das geringste ver nommen „Mein Mann!" stieß die Eintretendc voll Aufregung alarmierend hervor. Der Rumäne zuckte leicht zusammen; im nächsten Moment fühlte er sich wieder im Besitze seiner vollen Geistesgegenwart und seiner gesellschaftlichen Gewandt heit. Erna Sarnow aber ließ einen unterdrückten Schrei hören und mar im N» an der Tür zum Nebenzimmer. Eine Begegnung mit -em Cousin schien ihr in diesem Moment nicht erwünscht, und so beschloß sie, durch das Ktndcrzimmcr und die Küche über die Hintertreppe zu entwischen. ,Hch gehe zum Bubi!" wisperte sie zurück und nickte dem sich galant verbeugenden Baron lächelnd, mit ver heißungsvollen Blicken zu. Indes schien Regierungsrat von Reßtorf abgelegt zu haben. Es war ein auffallend eisiger, strenger Blick, mit dem er den Rumänen begrüßte, und die tiefe Verneigung desselben erwiderte er mit einem kurzen Kopfnicken, das sich kaum in den Grenzen gesellschaftlicher Höflichkeit hielt. Der Rumäne schien eine Sekunde lang zu stutzen; dann aber hatte er die Empfindlichkeit über die ostentativ nach lässige, kalte Begrützlma überwunden und mit ruhiger, weltmännischer Sicherheit sagte er: „Ich preise mich glück lich, Sie nun doch nicht verfehlt zu haben, Herr Re- gieruugsrat. Ich hatte soeben die Ehre, mich von der gnädigen Frau zu verabschieden. Meine Tage sind hier gezählt, eine wichtige Nachricht rüst mich nach Rumänien zurück." Der Regierungsrat blickte überrascht; dann erhellte sich plötzlich sein finsteres Gesicht, und mit freudiger Genug tuung, die er sich nicht Mühe nahm, zu verbergen, ent gegnete er: „So? Sie reisen? Ich verstehe, die hiesige Luft sagt Ihnen auf die Dauer nickt zu!" Es lag ein unverkennbarer spottender Sarkasmus in dem Tone der Stimme des Sprechenden. Doch Baron Minolcsku verlor nicht einen Augenblick seine verbindliche Haltung. „O — es handelt sich nur >nn eine kurze Abwesenheit", gab er lächelnd zurück, mit einem Gesicht, auf -em ein ver- haltencr Triumph vibrierte. „Das Klima behagt mir ganz gut und es ist nicht ausgeschlossen, daß ich mich später dauernd hier niederlasse. Ich stehe oben vor einem Wende- punkte meines Lebens." Der Regierungsrat erwiderte nichts, sondern zeigte eine noch kühlere, stolz verschlossene Miene, die deutlich sagte, daß das, was die geheimnisvollen Worte des Ru mänen anzndcuten schienen, ihn gar nicht interessierte. Und so sah sich Baron Minolcsku genötigt, feinen Besuch abzubreckcn. Er verbeugte sich tief vor Frau Valeska, und mit einer ebenfalls höflichen Verneigung vor dem Regierungsrat verließ er das Zimmer. Herbert von Reßtorf sah das verstörte, angstvoll zu ihm aufblickendc Gesicht seiner Frau, und ohne die geringste Ahnung von dem, wag sic innerlich marterte und ihre sicht- bare Verstörtheit allein aus das Konto seines fast brüskie- renden Verhaltens gegen den Rumänen setzend, sagte er lächelnd, sich zu ihr hinübet beugend und sie aus di«
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