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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190707066
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19070706
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19070706
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-06
- Monat1907-07
- Jahr1907
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1907
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— los „Tu joust alle Einzelheit«» erfahren. Bei dem Tode Deines Vaters belief sich Tein Vermögen aus drei Millio nen Frank. Dank einiger vorteilhafter Anlagen in guten amerikanischen Eisenbahnpapieren und ebenso dank der Entdeckung einer kleinen «ec»>l<-nmmine. die i» Gebiet lag, h-sitzi-stDi! -- >»"»i anaeleaten Wert»- Wil nuidestens zweihundertsünfzig- ^^noFrank." „Lage, Onkel," fragte daS junge Mädchen fast schüch tern, „kann ich wirklich über dies Geld verfügen?" „Gewiß, es ist ja Dein Eigentums „Ich wollte sagen," fuhr sie Port, „kann ich von jetzt ab selbst mein Leben nach meinem! eigenen Willen und Ermessen einrichten?" „Selbstverständlich Aber für den Anfang ist es doch, so hoffe ich, eine abgemachte Lache, daß Du als meine Toch ter bei mir bleibst? Du bist hier zu Hause, Nell, und ich freue mich darauf, diesen Winter nicht nur in die Pariser, sondern in die europäische Gesellschaft eine der reizend sten Erbinnen, wie man sie als Gattin nur wünschen kann, einzuführen." '> Nells Stirn umwölkte sich „Ach Onkel," sagte sie, „ich verabscheue das Wort „Erbin" mehr als Du ahnst. Ich weiß nicht, was ich da- rum geben würde, daß es unbekannt und ich eine ano nyme Erbin bliebe." Der Onkel lächelte schalkhaft. „Und doch bin ich überzeugt," versetzte er, „daß Du Dich des Vermögens nicht gerne entäußern würdest, uin nicht diese Erbin zu sein?" „Das nicht," antwortete Nell ernsten Dones, mit einem festen, offenen Blick in die verblaßten Augen des Vor mundes. „Ich habe mich ja für diesen Besitz demgemäß vorbereitet- Wenn mir der Gedanke, daß die Tatsache be kannt werden wird, unangenehm ist, so geschieht es eben aus einer heimlichen Sorge um mein persönliches Glück. Was aber die Pflichten betrifft, die ich damit übernehme, so hoffe und wünsche ich diese gewissenhaft zu erfüllen." Herr Burklay setzte erstaunt die Tasse Yin. „Ich verstehe Dich nicht so recht, Kind. Sprich Dich deutlicher aus. Welcher Art sind die Pflichten, die Du Dir vorstellst außer denen, die einer glücklichen Gattin und Mutter obliegen?" „Ich will versuchen es Dir zu erklären. Meiner An- ficht nach ist ein selbstsüchtiges nur zu unserer eigenen Befriedigung führendes Glück, nicht das einzigste Lebens ideal. Ein von der Welt beneidetes, hofiertes Mädchen, danach, das von Bewunderern umringte Weib, ja selbst die glückliche Mutter hübscher Kinder, die mir in meinen Verhältnissen nicht allzu viel Mühe verursachen würden, scheint mir das höchste zu erstrebende Ziel nicht. Dies Ideal mag Andere befriedigen, mich — nicht. Dach wo nach ich vorerst trachte, ist die individuelle Entwickelung, die des Geistes und des Herzens. Mit einem Wort, unser eigenstes Wesen dahin zu bringen, das heraus zu geben, was in seinen Fähigkeiten liegt- Erst nach langem Umher tasten fand ich den rechten Weg. Und aus diesem Grunde, Mein alter Onkel, kam Dir meine Erziehung so teuer zu stehen, weil ich von den Höhen der Kunst bis zu den aller alltäglichsten Arbeiten herab meinen Wissensdrang be friedigen wollte. Ich besuchte die Armen und inspizierte die Fabriken. Deshalb nahm ich die Stelle als Lehrerin in einer Gemeindcschule. an. Und endlich hospitierte ich noch fast ein Jahr als Kinderwärterin in einem Kranken haus. Zuerst zog mich das Mitleid zu den Enterbten und . Elenden an, und ich ging zuweilen in die Gefängnisse, auch zu den Arbeiterfamilien, immer mit dem Wunsch, ihnen ihr Los zu erleichtern. Und schließlich bin ich nach all meinen Versuchen zu der endgültigen Klarheit über das gekommen, was meine eigentliche Mission ist." „Himmel! Nellie! Du hast doch nicht etwa di« Absicht zur Heilsarmee überzutreten?^ rief erschrocken der Onkel halb lächelnd, halb ernsthaft aM „Nein, nein, Onkel Georg, beruhige Dich und höre weiter. AW ich eines Tages zum Bewußtsein meines Reich- leidlich hübschen Aussehens kaM, mußte ich mirHitgrft»ch<»^d»ß bte? zu sammen genommen ein Kapital bedeute, über das ich Rechenschaft abzulegen haben würde. Die Gleichnisse in der heiligen Schrift reden ja klar genug über diesen Punkte Außerdem brauchst Du ja nur Tein eigenes Gewissen als, guter Vormund zu befragen, der mit so bewundernswerter Treue die drei Millionen von Meinem Vater verwaltet hah Mit diesem Gelds soll ich nicht nur das Elend anderer, das Mir auf dem Wege begegnet, lindern, womit die Wohltat auch gleichzeitig ihr Ende erreicht, sondern ich muß an der Entwickelung anderer mithelfen, Gutes tun, dessen Rück wirkung nicht ausbleibt. Die soziale. Moralische und in tellektuelle Not will ich lindern helfen, zu frischen, segen bringenden Ideen beitragen und meiner neuen Heimat dienen, so gut ich es vermag. Das muß Dir ganz verdreht Vorkommen. Aber ich fühle es klar und deutlich, daß ich besseres im Leben zu tun habe, als Kleider und Hüte von den ersten Modckünstlern zu tragen." Nack) dieser Aussprache herrschte einige Augenblicke liefe Stille in dem traulichen ZimMer. „Was für eine Art Leben hast Du denn eigentlich in Amerika geführt?" fragte endlich Herr Burklay. „Im Grunde genommen ein höchst einfaches. Das zweite Jahr nach Meiner Ankunft siedelten wir nach Newt- yvrk über. Die älteste Meiner Kusinen studierte Medizin. Und während jener Zeit hospitierte ich im Krankenhaus aus der Kinderstation. Während des ersten und dritten Jahres lebten wir, wie Du weißt, in Boston und zwar in einem geistig hochstehenden Kreise. Onkel ist Professor an der dortigen Universität und meine Kusine Johanna hält selber Vorträge mit großem Erfolg, Wir arbeiteten tüch tig und das Haus glich einem Bienenkörbe, Abends fand man sich entweder im Freundeskreise wieder zusammen und wie Du weißt, zählt Boston zu den gelehrtesten, ge bildetsten Mittelpunkten." „Ich hatte ja auch Deine Tante gebeten. Dich in die elegante amerikanisch« Welt einzuführen," „Das hat sie ja auch getan! Tu darfst nicht vergessen, Onkel, daß wir eine Saison in Newhort zubrachten und daß ich dort das chike Amerika kennen lernte. — Schön ist das aber nicht -. . Es steht jedenfalls tief unter deM arbeitenden, denkenden Lände.. ." „Nun, und" — bemerkte bedächtig Herr Burklay, „wo, blieb denn der Flirt in den drei Fahren? Hat keiner es vermocht, den Herzschlag zu beschleunigen? Sollte sich niemand um Dich beworben haben?" Nell errötete über und über. „Tas kann doch unmöglich Tein Ernst sein, Onkel! Ich bin keine Flirt. Diesem Kokettieren liegt immer Un wahres (Gemachtes!) zu Grunde und das hasse ich Was die Werbungen betrifft, so hat es daran allerdings-nicht! gefehlt." „Und PU hast mir nie etwas davon gesagt?" „Weshalb auch! Ich war ja nie einen einzigen Augen blick unschlüssig. In Newport hielt der älteste Sohn.eines Milliardärs um meine Hand an. Und wenn ich auch gerne zugebe, daß meine Person ihn ungezogen haben mochte, viel Mehr war es jedenfalls aber der alte Name — denn die sind da drüben noch mit einem gewissen Zauber um-- hüllt. Mein Vermögen spielte jedenfalls "keine Rolle da bei; N war neben dem seinen — ein Tropfen oder — Nadelgeld." „Nun?t fragte in scherzendem Tone Herr Burklay sanft, „nach Deinen vorhin dorgetrag'enen Theorien zur wohltätigen Beeinflussung Deiner Mitmenschen wundere ich mich, daß Du Tir diese, dazu so eigensl gebotene Ge 107 legenheit, in den Milliarden eines Schwiegervaters zu wühlen, entgehen ließest?" Nell zog die feingezeichstete» Brauen etwas zusammen, „Wenn Du mich richtig verstanden hättest, Onkel, wür dest Du mir diese Antwort Uichjt geben. Nie werde ich die Gattin eines Mannes, den ich weder lieben noch achten kann. Willy LatiMer war ein Geck, ein von Eitelkeit auf geblasener Ballon, zu moralischem Aufschwung ganz un fähig, tief unter seinem! Vater stehend; ein Flegel, der heute noch die Gabel mit der gleichen Geschicklichkeit führt, wie seine Bergmannshacke, wenn er nicht überhaupt ver gißt, sich ihrer zu bedienen ... Dann schlichen andere UM mich herum) aber einem nur gelang cs, meine Auf merksamkeit zu fesseln und seinetwegen zögerte ich ein paar Tage. . „Sieh mal!" lachte! der Onkel, „dacht' ichs doch, daß sich endlich noch so ein kleiner versteckter RvMan enthüllen würde." „Keine Spur! Er war Vortragender Professor in Bo ston, ein Mann von hoher Begabung und reichem Wissen." „Jung?" „Dreißig Fahre alt. Er gefiel Mir sehr. Er besaß «ine Willensstärke und Geradheit des Charakters, die mir Unbedingt Achtung ^inflößten. Wir verstanden uns gut bis zu dem Augenblick, tvv er mir seine Liebe erklärte. Ich überlegte Mehrere Tage, denn ich war mir nicht klar. Daß ich in ihm einen guten und sicheren Gefährten finden würde, wußte ich, aber was'soll ich Dir sagen — als ich mir die Sache näher betrachtete, fand ich eine Menge kleiner Mißklänge, angeborener Ungleichheiten nicht etwa hinsichtlich unserer gesellschaftlichen Stellung, oder un serer Erziehung, sondern aus unserer eigensten Natur entstammend, aus! der Verschiedenheit unserer Herkunft. And diese Unähnlichkeiten Mehrten sich von Tag zu Tag. Es waren nur geringe, schattenhafte Färbungen, aber hinreichend, um uns beide unglücklich zu machen. Wir haben uns offen gegenseitig ausgesprochen und zu meiner großen Freude ging msir dabei der Freund nicht verloren. Der Bewerber vermochte ihn nicht' zu verdrängen. Ta die Situation indes Peinlich wurde, begab ich mich ins Gebirge mit den Hvbsons und trat von dort die Reise nach hier an." Das Frühstück wär beendet, und Nell ließ ihre Blicke in dem Gemach umherschweifen. „Es ist reizend bei Dir, Onkel, aber es fehlt etwas Lebendes, Blumen vor allem." „Tie kannst Tu nach Belieben yinstcllcn, — übrigens, was hast Du heute vor?" „Ich hatte die Absicht, zu Onkel und Tante von Ver- neuil zu Tisch zu gehen, ich sehne mich danach, Cousine Nellie wiederzufehen." „Tue das. Mein Liebling, sie werden sich sehr freuen; außerdem ist Deine Tante ja immer etwas lpidend." „Ich weiß. Nellie schrieb mir oft. Wie ist sie denn geworden?" „Reizend. Ein sanftes, wohlerzogenes Mädchen," ant wortete der Onkeh Und den Kopf hin- und herbewegcnd, fügte er lächelnd hinzu: „Die wird sich einfach damit be gnügen, selbst harmlos-glücklich zu sein — wenn es dazu kommt. Sie ist ein fröhliches Meltkind und wird als Frau ihre liebenswürdigen Eigenschaften weiter entfalten, wenn sich der Rechte findet, der das zu würdigen weiß." „Weshalb fügst Du den Nachsatz hinzu, Onkel, sind denn diese Art A^änner gar so selten?" . Herr Burklay wiegte abermals den Kopf hin und her. „Deine Cousine Nellis ist der vollendetste Typ d'es'wvhl- erzogenen, gepflegt und behüteten einzigen Kindes. Was wird sie aber angesichts des realen Lebens beginnen? Das ist Mir bis jetzt unklar geblieben. Sie ist ein schwaches Rohr, das der erste Windstoß knicken könnte. Ihre ganze Erziehung war nur auf häusliches Glück gerichtet. Wenn dies nun aber ausbleiben sollte, was dann? Sie toäre doch nicht dis erste und letzte, der das Schicksal dieses Ziel bestimmt hat." „Und warum solide sie es denn nicht erreichen, wenn sie doch fio gut für die Ehe paßt?" fragte Nell etwas erstaunt. „Ich wiederhole es Dir, Nellie ist nicht vermögend. Sie besitzt keine Mitgift, Tarin eben besteht die Schwierigkeit." „Das also wäre Deiner Ansicht nach ein Grund für ein im übrigen junges, hübsches, vollendetes Weib, nicht heiraten zu können? Dagegen würde mir mein Vermögen dazu verhelfen, selber zu wählen? Das' wäre ja eine recht trübe Aussicht für eine arme Reiche wie ich es bin!" „Leider ist es aber doch im allgemeinen so, Kind, das mußt Du Tir schon eingestehen." „Du bist aber sehr pessimistisch^ Onkel, ich dagegen gar nicht und ich will es auch nicht sein. Und hoffentlich werde ich Gelegenheit finden. Dir dass Gegenteil zu be weisen, nämlich daß der persönliche Wert auch ein Wort mitzureden hat, daß auch er ein Kapital bedeutet, ja in manchen Fällen vielleicht sogar dem andern vorzuziehen ist, weil es leistungsfähiger ist. Und Du sollst Tich noch da von überzeugen, was wir beide für ideale Liebesheiraten schließen werden, denen die Vernunft keineswegs fehlen soll." „Für mich jedenfalls die größte Freude," entgegnete Herr Burklay mit einem schwachen, skchstischen Lächeln. „Wenn Meine Worte nicht mit meinen innersten Ge danken im Einklänge ständen, und wenn ich meinen Hoff nungen keinen Glauben schenken- könnte, würde ich sehr Unglücklich sein, Onkel Georg. Lieber verteilte ich mein ganzes Vermögen auf der Stelle unter die Bedürftigen, wenn es mir zu einer ständigen Quelle nagenden Zweifels werden sollte, und in tiefster Seele würde ich Nellie in ihrer Armut beneiden, die doch wenigstens von vornherein die frohe Gewißheit haben wird, um! ihrer selbst willen geliebt zu werden." Herr Burklay lächelte noch immer. Dann standen beide auf, uud der ergraute Mann hielt Has junge Mädchen eine Weile schweigend fest umschlossen. „So, Kind, jetzt geh!" Den« Onkel noch eine Kußhand zuwcrfend, schlüpfte sie leicht und geräuschlos hinaus, ll- Ein wenig später verließ Nell, von Virginic, der wür digen 50jährigen Matrone begleitet, das Haus. Beide be stiegen den ersten besten daherkommenden Wagen, und Nell gab die Adresse des Barons von Verneuil an. Das Wetter war prachtvoll, und Nell, die Paris seit drei Jahren nicht wiedergcsehen hatte, erfreute sich au allem, was ihnen begcnctc, als habe sich die Stadt mit besonderer Koketterie für ihren Empfang vorbereitet, um sie aufs neue für immer an alte, traute Erinnerungen zu fesseln. Träumend überließ sie sich mit einem unendlichen Wohlbehagen den aus sie cinstüratenden Eindrücken. Amerika hatte nicht vermocht, die Heimat zu verdrängen, aber sie war bis dahin noch nicht von ihrem! eigentlichen Reiz durchdrungen gewesen. Geliebt hatte sie ihr Vater land jederzeit, jetzt aber, bei diesem Wiedersehen, fühlte sie erst die volle Stärke der alten Traditionen. Dies in der rötlichen Herbstsonne ihr cntgegenlcuchtende Paris) ließ ihr Innerstes vor Wonne erbeben, und zum ersten- Malpielleicht entschleierte sich ihr, wie eine herrliche Ver such) die Größe und Macht des) Heimatlandes und der sie erwartenden Lebensbestimmung. Gestern noch würde sie sich vielleicht als Amerikanerin ausgcgcben haben. Von einer amerikanischjen Mutter geboren, hatte Frankreich in ihrem Leben nur eine Nebenrolle gespielt. Heute war das anders, ZuM ersten Male fühlte sich Nell von Ver neuil als Tochter ihres eigentlichen Vaterlandes. Ihr Urgroßvater, der alte Baron von Verneuil, hatte als einer der ersten an den Kämpfen in Kanada teilgenommen, große Erfolge errungen und sich endlich dermaßen in
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