02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050120026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905012002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905012002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-01
- Tag1905-01-20
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Die ägespalleue Retlamezeile 7b Uuuah«eschlutz für Unzeigeu: Abeud-Au-gab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmtttagS 4 Uhr. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richt«. Ertra-Vetlageu («ur mit der Morgen- Ausgabe^ nach besonderer Vereinbarung. Die Ertzedtti«« Ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. . Druck und Verlag von Et. Post tu Leipzig (Inh. vr. R. L W. Lltuthardt). 9S. Jahrgang. Var Aicdligrle vom Lage. * Die sozialdemokratische Interpellation Uber den Generalstreik im Ruhrgebiet w,rd heute im Reichs tage vom Handelsminister Möller beantwortet. Im Streik befinden sich jetzt etwa 240 000 Mana. * Loubet besprach sich gestern nachmittag mit den Führern der Mehrheitsgruppen der Kammer. (S. Pol. Tagesschau.) * Sämtliche Mannschaften der bei der Wasserweibe in Petersburg aufgestellten Batterien wurden in strengen Arrest verbracht: gemeldet wird ferner, die Offeriere und ein Feuerwerker sollen nach der Peter-Pauls-Festung transportiert worden sein. (S. den besonderen Artikel.) * Am Petersburger Massenstreik haben sich wiederum 20 000 Arbeiter angeschlossen; eine Kundgebung von 400 000 Arbeitern vor dem kaiserlichen Palaste wird augesagt. (S. Ausland.) * Der Präsident Roosevelt schlägt dem Kongreß die Entsendung von sechs Handelsattaches nach dem Ausland vor. (S. Ausland.) Vie stia«tZÄa«.venlrz»siN. Im Reichstage ist soeben die neue Denkschrift über die Entwicklung de» Kiautschaugebiete» zur Verteilung gekommen; sie umfaßt dieses Mal den Zeitraum vom Oktober 1903 bi» Oktober 1904, gibt aber für einzelne wirt schaftlich besonders wichtige Punkte Nachweisungen auf Grund von Drahtnachrichten bis zum Schluffe de« Jahres 1904, so daß ein aktuelle« Bild der Lage unserer ostasiatischen Kolonie gezeichnet wird. Photographien und Kartenpläne erläutern auch diese« Mal den Text. Dieser selbst bietet zahlreiche statistische Angaben über alle Gebiete der Verwaltung, über Handel, Schiffahrt, Postverkehr, Finanzen, Justiz-, Schul- und Gesundheitswesen u. a. m. und ermöglicht es so in voller Objektivität dem Leser, sich ein Urteil über die wirt schaftliche und kulturelle Entwicklung zu bilden. Diese Entwicklung ist durchaus erfreulich. Sie bestätigt die vou der Marineverwaltung stets betonte Grundanschauung, daß di« Entwicklung der Kolonie nicht sprunghaft und plötz lich, sondern in stetiger, organischer Weise, im engsten Zu- sammenhange mit der Ausgestaltung der Verkehrswege sowohl über See wie Über Land sich vollziehen müsse und vollziehen werde. Die beiden wesentlichen Vorbedingungen für «in Auf blühen de« jungen Platzes sind einerseits die Förderung der Schiffahrt durch moderne und groß angelegte Haseneinrichtungen und anderseits die Ausschließung des ausgedehnten Hinter- lande», insbesondere seiner wirtschaftlich wichtigen Plätze durch die Eisenbahn. In beiden Beziehungen hat daS Be- richtjahr entscheidende Fortschritte gebracht: Der erste Ab schnitt de- großen Hafen« ist dem Verkehr übergeben und die deutsche Schantungeisenbahn ist fertiggestellt und eröffnet worden. Die Montage de» großen Schwimmdocks und die Herstellung der Dockversenkstelle sind so weit vorgeschritten, daß die Inbetriebnahme des Docks im Frühjahr 1905 zu er warten ist. Der Bau der Eisenbahn ist, wie auf gründ der Bau fortschritte de» Vorjahre» in der Denkschrift 1903 in Aussicht gestellt wurde, unter Einhaltung der konzession-mäßigen Frist vollendet worden. Am 1. Juni 1904, genau fünf Jahre nach dem Tage der KonzessionSerteiiung, sind sowohl die Hauptlinie bi» Tstnanfu in einer Länge von 395 km als auch die Zweiglinie im Poschantal in der Länge von 40 km dem öffentlichen Betrieb übergeben worden. Daß «S trotz der nicht unerheblichen Störungen, die sich der Bauausführung politisch durch die Wirren de» Jahre« 1900 und technisch Feuilleton. Am jeden Preis. 21j Roman von Sergei D . . . . «achdruck dervol«. Jetzt blätterte Camille in ihren „Times", daß daS Papier nur so knisterte. „Schreiben?!" Er nickte. „Hier?!" „Warum nicht?" Die Journale wurden Pim Ständer -urückgetragen. Dann unterhielt man sich ein Weilchen über das Wetter, bestellte frischen Tee, und schließlich fiel es der Dame ein, daß sie noch einen Brief zu schreiben habe. Der dienstfertige Kellner brachte das gewünschte Papier, und Camille Gräfin Della Torre bedeckte vier Seiten davon mit ihrer großen, steilen Handschrift. Dann reichte sie den fertigen Brief hinüber zu Napier. „Gut", meinte der, nachdem er ihn gelesen. „Aber — wie?" Sie nickte verständnisvoll. Dann zahlten sie und verließen da- CafS, um sich auf der Straße sofort zu verabschieden. — — — — — — — «Irgend welche geheime Mächte arbeiten an meinem Verderben", klagte Harry der ihn besuchenden Claire. „Heute war mein Vater hier. Ich glaube, er glaubt «vH sch« an mein« Gchmldl" namentlich durch die grenzenlose Verwahrlosung der Wasser läufe des Landes entgegenstellten, gelungen ist, eine allen Anforderungen de« Verkehr« entsprechende normalspurige Bahn in dieser Ausdehnung in fünf Jahren betriebsfähig herzustellen, muß als eine anerkennenswerte Leistung deutscher Industrie hervorgehoben werden. Die Wirkungen deS neuen Hafen- und Bahnverkehrs lassen sich schon jetzt in ihrem zahlenmäßigen Ausdrucke mannigfach nachweisen: Die Einnahmen des Schutzgebietes stiegen im vergangenen Jahre von 305 037 aus 501 946^», der Schiffsverkehr nahm von 273 Schiffen auf 337 zu mit einem Tonnengehalt von 388 323 Registertonnen statt 286 260, die Einnahmen des in Tsingtau zugelassenen chinesischen See zollamts steigerten sich von 441 000 auf 618 000 Dollar und derWert deSDurchgangshandels von 17276 732 auf 24 861 262 Dollar und daS alles, obgleich seit Ausbruch des russisch japanischen Krieges der vorher bestehende japanische Schiffs verkehr und Hanvel nach Tsingtau aufhörte. Der Personen- und Güterverkehr auf der Schantungbahn ist in namhaftem Steigen begriffen. Die Zahl der wöchentlich beförderten Personen beläuft sich auf 12 000 bis 15 000, gegen 8000 bi« 10 000 im Vorjahre. Noch weit bedeutender ist die Zunahme de« Güterverkehrs, der in den ersten neun Monaten 1903 sich auf 27 000 Tonnen Fracht- und Eilgut belaufen hatte, während er in dem gleichen Zeiträume des BerichtSjahreS 88 000 Tonnen, also mehr als das Dreifache erreicht hat. Währenv mit den fiskalischen Mitteln angestrengt an dem weiteren Ausbau des Hafens und der Stadt gearbeitet wird, hat sich auch der private Unternehmungsgeist auf dem Gebiete der Bautätigkeit sowie industrieller Anlagen günstig fortenrwickelt. Er wendet sich ferner in erhöhtem Maße land wirtschaftlichen Versuchen zur Hebung der Vieh- und Milch wirtschaft zu. Auch suchten mehrere neu gegründete gärtnerische Betriebe den wachsenden Bedürfnissen gerecht zu werden. Die WitterungSverhältnisse deS Berichtsjahres waren dadurch, daß sich der Regen über fast alle Monate verteilte, günstige und zeitigten eine gute erste und zweite Ernte. Dte Forst kulturen haben sich weiter in günstiger Weise entwickelt. Die GesuudheitSverhältnisse während de« Berichtjahre waren durchaus erfreulich. Eine neu eingerichtete Druckerei verlegt die erste deutsche Tage-zritung am Platze, nämlich die „Tsingtauer Neuesten Nachrichten", die im Vereine mit dem Wochenblatte „Deutsch-Asiatische Warte" und zwei chinesischen Zeitungen die Bevölkerung über die wichtigsten Ereignisse unterrichtet. Der Verkehr mit den chinesischenBehörden hielt sich in freundlichen Formen und gab Zeugnis von dem Vertrauen der Chinesen zu dem Vorgehen der Deutschen im Schutzgebiet und der günstigen Rückwirkung auf die Provinz. Der Lvlrcbrnkal! in pelrrrbiirg. Was zu erwarten stand, ist positiv geschehen; der Zwischen fall während des NewafesteS soll geahndet werden, und diese Ahnvung wird, da der Zar geschreckt worden ist, da er an Machinationen de« „unterirdischen Rußland»" glaubt, und da die Anhänger de« Polizeiabsolutismus Nikola» den Zweiten in seiner grenzenlosen Furcht erhalten werden, zweifellos drakonisch sein. Maa will Opfer: man will die Panik, wie sie der Groß- lürst Sergius in Moskau gewollt hat, um die allgemeine Unsicherheit zu mehren und die Aera des Schwankens zwischen Reform und Repression in eine Aera der Repression zu ver wandeln. Nach einer Meldung der Berliner Morgrnblätter sind die Mannschaften aller an der gestrigen Feier be teiligten Batterien sofort in strengen Arrest genom men. Sämtliche Osfiziere der l. Gardebatterie, sowie der Feuerwerker, der die Geschützbedienung leitete, wurden nachts nach derPeter-PaulSseste gebracht. Zwei „amt liche" Versionen wurden au-gegeben, deren erste verdächtig und nutzlos ist wie die zweite; diese lautet: * Petersburg, 19. Januar. Die PeterSb. Telegr.-Ag. meldet über die Ursache de- heutigen Unfall«: Bei einer vorgestern abgehaltenen Uebung der 1. reitenden Garde batterie blieb eine Kartätsche im Geschützrohr- Beim heutigen Salutschießen wurde eine Kartusche ver sehentlich in diese« Rohr gesteckt, worauf der Kartätschschuß loSging. Ueber Berlin wird gemeldet, der Vorfall, der sich höchsten« al« Einschüchterungsversuch begreifen läßt, sei ein gegen den Zaren gerichtete« Attentat gewejen. Der Zar se» nur wie durch ein Wunder gerettet worden, da er in dem Zelte, welche« für die Feierlichkeit der Wasserweihe an der Newa errichiet war, nur ungefähr 15 Schritte von dem Orte entfernt gestanden habe, wo eine Kugel direkt durch die Fahne de« Seekorp« schlug. Die Entfernung von der Börse bi« zum Winterpalai« beirägt etwa 600 Meter, weshalb kaum mit einem wirklichen Shrapnel! geschossen worden sein kann, sondern wahrscheinlich nur etwa 15 Shrap- nellkugeln in der Ladung waren. Gestern war zugleich auch die Zeremonie der Fahnenweihe, zu der die Fahnen sämt licher Regimenter in Petersburg gebracht waren. Eine Kugel durchschlug die auf dem Pavillon stehende Andreasflagge, zwei fuhren in da« Holz de» Pavillons, eine ging durch die Scheiben des nach der Newa zu liegenden NikolaisaalS, eine tötete einen Schutzmann, eine verwundete einen Priester, mehrere andere schlugen inS Eis und die Mauern de« Winterpalais. Im Augenblick, al» der Schuß fiel, schien der Zar nicht« zu bemerken; er bewahrte völlig seine äußere Ruhe und kehrte mit den Großfürsten und der Suite in« Palais zurück, wo er die Verhaftung aller an der Parade beteiligt gewesenen Batterien auordnete. Nach andern Depeschen vermutet man, daß der Schuß durch einen bestochenen Feuerwerker in da« Geschütz gebracht wurde. In der Stadt herrschte höchste Aus- re-gung. Bedeutsam ist, daß nach der Richtung der Schuß löcher d»e Kugeln dicht über dem Pavillon, in welchem der Zar mit seinen» Gefolge stand, vorübergeganzen sein mußten u..d ?:..gcfäh: i..t... Nahe eiuschlugeu, in welcher die Fenster liegen, von denen au« die Zarin mit den Großfürstinnen und Hofdamen die Zeremonien beobachteten. Die russische Botschaft in London erklärt, sie sei nur nichtamtlich benachrichtigt worden, daß e« sich um eine „unbedeutende Demonstration" gehandelt habe. Die Tötung eines Polizisten sei nicht bestätigt. Der Schuß auf den Winterpalast sei au« solcher Ferne abgegeben, daß e« sich nur um eine Demonstration handeln könne. D»e Pariser Meldungen sind pünktlich eingetroffen. Der „Petit Parisien" meldet, der Generalinspekteur der Ar tillerie, Großfürst Sergiu« Michailowitsch, sei mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt worden. Wenn sich erweisen sollte, daß e« sich um ein Attentat gegen den Zaren handelt, dann würde die Angelegenheit den Gerichtsbehörden unterbreitet werden. Einer wei teren Meldung nach wurde außer dem Schutzmann auch eia Palastbeamter von den Schrapnellkugeln getroffen und leicht verletzt. Zwei Kugeln drangen ins Innere der Kapelle ein, doch ohne Schaden anzurichten. Die Ver mutung, daß ein revolutionäre« Komplott voriiege, gewinnt nach der „Petit Paristen" an Wahrscheinlichkeit. Die Polizei war gewarnt, jedoch auf eine solche Form desselben nicht gefaßt gewesen. Der Betrieb der elektrischen Eisenbahn läng« der Newa, der gestern nachmittag unterbrochen war, wurde abend» wieder freigegeben. Da« „Echo de Paris" berichtet, daß zwei Artilleristen verdächtig seien, den Zwischenfall herbei geführt zu haben. Der Hauptmann der Batterie ist ohne jede Schuld und vor Verzweiflung beinahe wahnsinnig. Da- Gerücht von einem Selbstmord, welche« gestern abend zirkulierte, ist bisher nicht bestätigt worden. ver Seneralrtteilr cler Srrgarbeiter im siMgebiet. Die Lage. „DermittelungSversuche sind aussichtslos", das ist in kur zen Worten die Signatur der gegenwärtigen Lage. Die Zechenbesitzer wollen eben nicht mit den Arbeitervertretern verhandeln. Diese Weigerung hat naturgemäß große Er regung hervorgerufen, besonders deshalb, weil das Ober bergamt die Zechen gebeten hatte, Vermittelung-Versuche an- zubahnen. In den der Arbeiterkommission nahestehenden Kreisen wird versichert, daß nunmehr der Streik allgemein werden wird. Für die Bergarbeiterversammlung, die heute in Essen anberaumt ist, sind durch die Behörden umfassende Vorsichtsmaßregeln verfügt worden. Im Bochumer Bezirk fanden gestern zahlreiche Bergarbeiterversammlungen statt, die sämtlich einen durchaus ruhigen Verlauf nahmen. In einer gestern in Bochum abgehaltenen, von etwa 2000 Perso nen besuchten Versammlung richtete Reichstagsabgeordneter Sachse auch Vorwürfe gegen die Negierung, die an dem jetzigen Streik mit schuldig sei. Die Aktiengesellschaft „Königs born" erklärt durch Anschlag, daß sie die 6 Schichten wegen Kontraktsbruchs nicht abziehe und fordert die Belegschaft auf, anzusahren, da Verhandlungen wegen Beseitigung etwaiger Mißstände vor dem Oberbergamt schweben. Alle offiziellen Festlichkeiten, auch die Kaisergeburtstagsseier, wurden abge sagt. Gründe «nö Veranlaffung de» Streik». Die Enstehuna deS Streiks wird von der „Köln. Zta." in einem längeren Artikel, der den bekannten Standpunkt des Blattes allerdings deutlich erkennen läßt, wie folgt geschil- dert: Die Erforschung der Ursachen der ganzen Bewegung und ihres plötzlichen AuSbruchs wird bei allen Parteien, die mo dernen volkswirtschaftlichen Anschauungen huldigen, eifrig fortgesetzt. Dabe» ist, wie auch bei allen Rednern in den par lamentarischen Erörterungen dieses Ausstande- ein Punkt zu vermissen, bei dem sehr wahrscheinlich, auch nach dem Urteil von Leuten, die nach ihrem Berufe jahrzehntelang unter den Bergleuten wirken, der Ausgang der ganzen Erscheinung liegt. Es ist die Reform des Knappschaft-Wesens. Wie unsere im Grunde noch so jugendlich soziale Gesetzgebung sich nach wenigen Jahren ihrer Wirktsamkeit als resorm- bedürftig erwielen hat, so macht sich auch seit Jahren schon eine Bewegung zu einer Reform des alten, erprobten Knapp- fchaftswescns, der sozialen Fitrscrge für den Bergmann, be merkbar, namentlich auf Setten der Arbeitnehmer. Eine bal dige Reform wird bei allen Parteirichtungen der Berg arbeiterschaft ersehnt, und wer für diese Resorm eintritt, kann einer großen Gefolgschaft unter den Bergarbeitern, auch nach andern Richtungen, sicher sein. Die Sozialdemokratie war so klug, hier einzusetzen, und der sozialdemokratische alte Berg- arbeitervcrband richtete seine ganze Agitation »m Lause des letzten Sommers danach ein. Den ersten Erfolg mit dieser Taktik hatte der alte Verband im letzten Herbst bei den Wah len der Knappschaftsältesten: er brachte eine erheblich höhere Zahl Kandidaten als früher durch, und dieser bedeutsame Sieg der Sozialdemokratie war zugleich eine schwere Niederlage des christlichen Gewerkvereins, dessen Kandidaten in vielen von ihnen vorher behaupteten Bezirken den Sozialdemokraten unterlagen. . . . Schon damals konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, daß die Vorbereitungen zu einem Schlage gegen die Arbeitgeber im Gange seien- aber die Oraanisato- ren hatten nicht ,m entferntesten die Absicht, jetzt, mitten im Winter, in Zeiten nicht glänzender Geschäftslage den Stein ins Rollen zu bringen: man dachte vielleicht an daS kommende Frühjahr, und wenn da die zu einem wirksamen Arbeiter- kampf notwendige, sehr gute Konjunktur ausgeblieben wäre, dann vielleicht erst an daS nächste Jahr. Allmählich aber traten Verhältnisse ein, welche die Pläne der sozialdemokratischen Organisatoren durchkreuzten. Es kam ein ziemlich milder Spätherbst, die erwartete Besserung der allgemeinen Ge schäftslage blieb aus, die Kohlenförderung mußte eingeschränkt werden. Die Feierschichten, welche die Zechenverwaltungen bis Ende Dezember einzulegen genötigt waren, gaben der steigenden Gärung unter den Bergleuten die größte Nahrung, die Unzufriedenheit, gestärkt durch eine maßlos hetzende Ar beiterpresse, wuchs zur Erbitterung. Nun kam der Fall Bruchstraße, und gleichzeitig tauchte eine Unterströmung, eine Nebenregierung auf, wie die sozialdemokratischen Führer sie jetzt nennen. Diese Führer, denen daS alles unerwartet schnell kam, suchten den ausgebrochenen Brand auf Bruchstrabe zu beschränken, in der Erkenntnis, daß ein allgemeiner Aus stand nicht genügend vorbereitet sei und die Gefahr mit sich bringe, daß bei einem für die Bergarbeiter ungünstigen Ausganae eines allgemeinen Kampfes die ganze, nach jahre langer Arbeit wieder gehobene Vcrbandsorganisation ge- Claire war sehr ernst. „Was ist denn schon wieder?!" fragte sie halb besorgt, halb ungeduldig. - „Jemand, — ein Komplize von mir, — ein Russe, soll eine große Unbesonnenheit begangen und mich dabei stark kompromittiert haben. Wer eS ist, will man noch nicht sagen, — es sei noch nicht so weit, heißt es. Nur so viel hat man dem Vater mitgeteilt, um ihn ,vorzu bereiten". Claire war sehr besorgt. Sie glaubte, alle Fäden in der Hand zu haben; — jetzt kam hier wieder ein un- bekannter russischer „Komplize" dazwischen. Es sah wirklich aus, wie ein abgefeimtes Komplott gegen Harry. Mächtig durchbrach daS Mitleid den Panzer, mit dem sie ihr Herz umgeben hatte. Sie ergriff seine Hände und blickte ihm zärtlich in die Augen. „Armer Junge!" sagte sie leise. „Aber verlasse dich auf mich. Es wird noch alles gut werden." Und auch er vergaß seinen Vorsatz un- im nächsten Moment ruhte daS schöne, blonde Köpfchen an seiner Brust. „Claire, — meine einzige Claire — wenn ich dich nicht hätte!" flüsterte er innig. „Aber du hast mich!" antwortete sie fast heiter. „Wert bist du'» ja nicht! —" er senkte den Kopf — da» war zuviel, — im nächsten Moment hatte sie ihre Lrme um ihn geschlungen und ihn lange und heiß geküßt. da««»«» b? d^ronaa. — LoL -oBLera»«», vergangen sein!" hauchte sie. „Nur durch Läuterung wir- au» Eisen Stahl!" „Kannst du mir vergeben — vergessen?!" flüsterte er, sie an sich reißend. Und so feierten sie ihre Verlobung — eine wirk liche Verlobung — mit einem langen Kuß. Hinter Kerkermauern. „Weih George?" fragte Harry noch, als Claire gehen mußte. „Nichts! Er würde mich nur stören mit seiner Aengstlichkeit." „Sei nur vorsichtig!" „Sei unbesorgt! Auf Wiedersehen!" „Du kommst doch jeden Tag?" „Jeden Tag!" „Dann bin ich glücklich!" Und es war einer der glücklichsten Tage seit langer Zeit für Harry. Zum ersten Male schlief er die Nacht hindurch auf seinem harten Lager und stand erfrischt am nächsten Morgen auf. Harry glaubte an seine Claire. Nun er sie hatte, mußte alles gut werden. Claire selbst war weniger optimistisch, wenn sie e» auch nicht merken ließ. Die Annonce, von der sie sich so viel versprochen, hatte nicht» gefruchtet. Täglich sechs- mol mußte ihre Zofe zmn Hauptpostamt eilen und nach Briefen für O. X. SO fragen; sie war fast ständig unter- weg». Bi» jetzt waren alle Gänge vergeblich gewesen. Sie wunderte sich schon, daß Georg« nicht» merkte. Hache waaa kü» Leck Tage-am, uud G vae^oaH ungefähr die richtige Zeit, Boris Suwarow, wie verein bart, zu besuchen. Claire eilte vorerst noch einmal nach Hause, in der Hoffnung, den so heiß ersehnten Brief vorzufinden. Bald war sie um eine Hoffnung ärmer; daS Mädchen war wieder mit leeren Händen zurückgekehrt. Sie kämpfte ihre Enttäuschung nieder, nahm schnell ein kleines Lunch zu sich, ließ geduldig Georges Strafpredigt wegen ihres fortwährenden „Herumstrolchens" über sich ergehen und machte sich dann auf den Weg zu Suwarow. Der hatte sie schon ungeduldig erwartet. Gesund heitlich ging es ihm bedeutend besser; er hatte daS Bett verlassen und empfing sie, mit einem eleganten Schlaf, rock bekleidet. „Mein liebes Fräulein, ich habe Ihnen eine an genehme Mitteilung zu machen! Ich kenne den Aufent- halt der MrS. Hamilton", begann er, kaum daß seine Besucherin sich gesetzt hatte. Claire preßte ihre Hand auf die Herzgegend. „Wo ist sie?" fragte sie gepreßt. „Miß Ashton — ich gestatte mir zuvor. Sie an Ihr Versprechen zu erinnern." Claire nickte ungeduldig mit dem Kopse. „Nun denn — Mr». Hamilton wohnt im Hotel dÄngleterre, Petersburg." Er schwieg und beobachtete neugierig die sichtliche Er regung seine» Viu d vi». „Schon lange?" fragte Claire.
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