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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905012001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905012001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-01
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Januar im preußischen Abgeordnetenhause be ginnen. * Die internationale Arbeiterschutzkonferenz tritt am 8. Mai in Bern zusammen. (S. Dtsch. Reich.) * In Petersburg durchbohrte« mehrere Kertätschenkugeln, die au» der Richtung de» Börsengebäude» gekommen sein sollen, während der Zeremonie der Wafserweihe die Fenster de» Nikolai-SaaleS de» WtnterpalafteS. Der Vorfall ist unaufgeklärt; Zar und Zarin waren bei der Zeremonie anwesend. (S. den besonderen Artikel.) * Im Auftrag de» Papste» kondolierte der Erzbischof von Pari» dem Präsidenten Loudet au» Anlaß de» Tode» von dessen Mutter. (S. Ausland.) * Der Präsident von Venezuela bat nach schroffster Steigerung de» Konflikt» mit der Union Bewilligung der amerikanischen Forderungen versprochen. (S. Ausland.) Var homogene Minirteriam. E» gibt einen uralten Witz. In einem Examen für höhere BerwaltungSbeamte wurde der Kandidat gefragt: „Wa- tun Sie, wenn in Ihrem Bezirk eine Ueberschwemmung eintritt?* Worauf der zukünftige Landrat oder Re gierungspräsident geantwortet haben soll: „Ich ergreife die nöligen Maßnahmen.* Der Mann hätte im heutigen Preußen seine Carriere gemacht. In Preußen werden seit Jahren bei jeder Gelegenheit die „nötigen Maßnahmen* ergriffen. Als bei dem letzten Hochwasser der schlesischen Flüsse alle Welt mit verhaltenem Atem den Trauerbotschaften folgte, ergriff Frhr.v. Hammerstein, Preußen« unschätzbarer Minister de» Innern, mit gewohnter Energie die nötigen Maßnahmen und fand auch die erlösenden Worte, indem er in wahren HerzenStönen die verzweifelten Flußanlieger auf die sicher reichlichen Ergebnisse der Sammel büchsen hinwieS. „In diesem Sinne" hat Frhr. v. Hammer stein fortgefahren zu wirken. Eine seiner letzten Maßnahmen war die Verteidigung her polizeilichen Sistierung von Fräulein Janina Berson, wobei man e» sicher auch im scharfäugigen Ausland al» minnesängerhafteS Rudiment erkannte, als vor über hundert Männern die Geschichte vom Bett de» Herrn Kar funkelstein erzählt wurde. Auch sonst verdankt die Polizei diesem Manne viele». War er es doch, der jetzt erst wieder in glücklichster Schaffenslaune an jenem denkwürdigem Dienstag de» preußischen Abgeordnetenhauses da» Wort prägte von der „ordinären Polizei*. Die Stenogramme verzeichnen an jener Stelle „Heiterkeit*. Wir aber glauben, daß den Grafen Bülow beim Lesen der Berichte ein nicht mehr gelinde» Grausen befallen hat, ein Grausen vor der Geschick lichkeit diese» Manne», selbst wohl begründete und sym pathische staatliche Pläne zu diskreditieren. Genau so war e» damals, al« da» lapidare Wort an die Polen gerichtet wurde: „Ihr habt zu gehorchen und wir zu befehlen*. Schon damals bewies er, wie wenig für einen geschickten Staatsmann dazu gehört, um die gerechteste Sache ins Unrecht zu setzen. Graf Bülow hat sich zu dem Programm der Homogenität seine» Ministeriums bekannt, da e» ihm nun offenbar nicht gelungen ist, sämtliche Minister nach seiner und z. B. de» Grafen Posadow»ky höheren Art zu formen, so wäre e» vielleicht ein Ausweg, der zu der erstrebten Einheitlichkeit führte, wenn er selbst al» Proteu» sich etablierte und sich vergröberte. Daß e» für einen leitenden Minister in Preußen noch ein andere» Mittel geben könnte, um in seinem Kabinett gleiches Niveau zu halten, ist undenkbar, nachdem diese Proben schönsten Können» vom Frhru. v. Hammerstein noch immer ungeahndet vermehrt werden dürfen. Bon vornherein sei festgestellt, daß diese Leistungen dar« äs coucour» sind, daß sie selbst von Herrn Möller nicht entfernt erreicht werden können. Immerhin — auch er kann sich sehen lassen. Wir haben erlebt, wie die Hibernia-Aktion glorreichen Angedenken» mit all den netten, kleinen, scherz haften Attributen inszeniert wurde, wie sie dem gewerbs mäßigen Börsentreibe« entsprechen. Warum auch nicht? Herr Möller war länger Kaufmann, al» er Minister ist und sein wird; man sagt sogar ein erfolgreicher Kaufmann. Mag sein. Also lag e» nahe, daß der Minister sich der Gelegenheit freut«, endlich einmal seine» unpraktischen Kollege» zeigen zu können, wie r» an der Börse hergeht und wie man ein Bergwerk kauft. Und er kaufte für viele Million«» Aktie«, f» viel, daß er sicher die Majorität erkauft hätte, ganz sicher — wenn ihm nicht em Strich durch di« Rechnung gemacht worden wäre. Und die Blamage taten, ihm seine frühere» AufstchtSratSkollegen an. E» war unerhört — wirklich u»«rhört. Herr Möller hatte so sauber spekuliert. Nur «twa» hatte er ver^ye», emi-e Kletut-ftttt», daß « Neulich uicht mehr der Geh. Kommerzienrat Möller war, sondern die Exzellenz, und daß er nicht für eine beliebige Gruppe kaufte, sondern für den Staat Preußen, und daß außer gewöhnliche Umstände auch außergewöhnliche Mittel bedingen, und daß der gerade Weg manchmal immer noch der beste, woher da» Wort von der BiSmarckschen Offenheit stammt. Wie gesagt — Herr Möller soll rin erfolgreicher Kaufmann gewesen sein, kein königlicher, aber ein erfolgreicher. Schade, daß er seinem Berufe so früh entzogen wurde. Schade. Denn dann hätte man jetzt im Abgeordnetenhause bei der Besprechung der Vorgänge im Ruhrgebiet auch wahrscheinlich eine andere handelsministerielle Sprache zu hören bekommen. Vielleicht, vielleicht — wäre der ganze Streik nicht ausgebrochen. Von allen Seiten wird e» be stätigt, daß wir hier keinen Lohnstreik sich entwickeln sehen, daß eine Menge ungeklärter Gefühl« der Erbitterung zu sammengewirkt haben, um das Unglück herauf zu be schwören. Und das aufrührerischste aller dieser Gefühle war die Erinnerung an die Stillegung der kleinen Zechen. Wenn im Sommer des verflossenen Jahre- ein Mann mit großen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf dem Posten gestanden und die Ereignisse gemeistert hätte, anstatt sich von ihnen meister» zu lassen, so wäre diese- Erregungömittel heute au-geschieden, und wir hätten den Streik vielleicht nicht. Immerhin, man soll nicht ungerecht sein. Was kann Herr Möller dafür, daß er früher Geheimer Kommerzienrat war und jetzt ganz im Geheimen noch immer Kommerzienrat ist? Nichts. Er kann doch schließlich nichts dafür, daß man „den langen Möller* hat eine Karriere machen lasten. Er operiert mit den Begriffen, die ihm Fleisch und Blut ge worden sind und redet im Abgeordnetenhause privatwirt schaftlich, wie er r» gelernt hat. Er hielt eine Entschuldigungs rede für die Hibernia-Leute, verurteilte mit Recht den Kontraktbruch und stellte die ganze Kaiserdeputierteng-schichte von 1889 at» harmlose Unverbindlichkeit hin. Nur die Deputierten und einige Reichstagsabgeordnete, barunter Hammacher, hatten daS Protokoll unterschrieben. Die Berg werksbesitzer hatten da» aber wohlweislich nicht getan, ergo ging sie die ganze Sache nichts an. So argumentierte Herr Möller. Und so ganz sprach er im Geiste seine« früheren Berufes, daß wir das gerührte leise Bravo zu hören glauben, mit dem die Geschäftsfreunde von der Ruhr diese schlüssigen Ausführungen belohnt haben werden. Auch im Abgeordnetenhause soll seiner Rede der Beifall nicht versagt worden sein. Und doch, und doch — Graf Bülow hatte vorher aus einem anderen Gefühl herau-gesprochen. Am 14. dS. MtS. sagte er im Abgeordnetenhause: „Ich erwarte aber auch von den Arbeitgebern, daß sie den Beschwerden undWünschen der Arbeitnehmer gegenüber Verständnis und Entgegenkommen zeigen." Wo ist das Pendant in der Rede de« Handels- Ministers vom Dienstag? Und weiter. Graf Bülow hat neuerdings dafür gesorgt, daß der betrübt zurückgekehrte Oberbcrghauptmann v. Velsen abermals ins Ruhrrevier fuhr. Abermals freilich holt« dieser sich von den Herren an der Ruhr eine Abfuhr, denn der Bergbauliche Verein lehnte di« Teilnahme an den Verhandlungen mit den Arbeiterdelegierten ab. Aber der Versuch ist wenigstens von neuem gemacht worden, so daß die Welt doch nicht das gar zu blamable Spektakelstück genießt, wie die Regierung eines Kulturstaats mit ver schränkten Arme» eine Million Menschen auf der Straße sieht. Und es sind Anzeichen dafür vorhanden, daß der preußische Ministerpräsident Wert auf das Bekanntwerden seinrr persönlichen Stellungnahme legt. In der am Donners tag herausgekommenen „Sozialen Praxis* von Prof. Dr. E. Francke heißt e» in einer Besprechung de» Streiks: „Aus diesen Ausführungen de» leitenden Staatsmanne» und des Ressortminister» geht daS Bestreben hervor, volle Un- Parteilichkeit nach beiden Seiten walten zu lassen. Di« Mahnung an die Arbeiter, sich aller Ungesetzlichkeiten zu enthalte», entspringt der Besorgnis, daß solche Vorkommnisse die augenblick lich nur schlummernde Bewegung gegen den „Umsturz,"d. h. in Wirklichkeit gegen di« Koalitionsfreiheit der gewerb liche« Arbeiter, wieder zu kräftigem Leben erwecken könnte«. Wir wjssen bestimmt, daß Graf Bül«w nach wie vor gewillt ist, sich nicht in diese unsoziale Bahn dränge» zu lassen. Ebensowenig dürsten aber im Augenblicke Aus- nahmemaßnahmen gegen di« „Sohl«nbarone" sein« Billigung finden. Der konservative Antrag, den Gemeinden da» Recht der Abgadenerbebung von dem Werte sttllgelegter, aber noch betriebsfähiger Bergwerksunternehmungen zu geben, den da» Zentrum unterstützt, ist aber immerhin ein Zeichen der steigenden Abneigung der Volksvertretung gegen di« Rücksichtslosigkeit d«r Steinkohlensyndikate." Wem «S in dieser Au-laffung de» hochverdienten Heraus gebers der „Soz. Prax." auffallen sollte, daß Prof. Francke den Handelsminister an den Bülowschen Verdiensten partizi pieren läßt, dem sei gesagt, daß in dem Artikel die böse Möllersche DienStagSrede noch nicht berücksichtigt werden konnte. Leider — denn sonst würde die Stell« wahrscheinlich ander» gelautet haben. E» bleibt noch ei» Wort zu sagen über di« parteipolitische Auffassung der Situation. Ma» sagt, Herr Möller sei früher »ationalliberal gewesen, und wenn die Herren Abgg. Hirsch >«id Schmieding echte Typen des Nationalliberalt-mu- sei» soll«, kauu er sich freilich heute ruhig der Gesinnung-treu» rühm«. Sie hab« i» so «tsri-t einseitig« »eise für di, Zechenbesitzer gewirkt, daß einem von ihnen der Borwurf gemacht werden konnte, seine Rede habe die Situation verschärft. Sie haben al» wirtschaftspolitische Mandatare gesprochen, aber nicht al- Volksvertreter. Selbst die kargen Sprüche der Konservativen haben un» bester gefallen als diese unsozialen Worte, die die Bezeichnung liberal mit demselben Rechte verdienen, wie sie etwa Frhr. v. Stumm verdient gehabt hätte. Uud national waren sie zum Erbarmen. Da plagen sich nationalliberale Männer im Lande umher, um eine Koalition der bürgerlichen Linken zusammenzuschweißen, und im Parlament... Wir wollen nicht noch bitterer werden. Nur da» Eine müssen wir aber mals sagen: DaS Zentrum hat sich durch seinen Charakter als „regierende Partei* nicht im Geringsten daran hindern lasten, einen Mann wie Brust vorzuschicken und sich dadurch eine gewaltige Summe von Sympathien zu sichern. Gewiß extra- vqgierte diese Rede wieder ein gut Teil zu Gunsten der Arbeiter, aber sie war keineswegs in ihrer Art so einseitig, wie die Ausführungen der Gegenpartei. Ein Minister, der eS fertig bringt, die hochmütige Manier der Zechenbesitzer mit keinem Worte zu tadeln, und der damit die Mahnworte des Ministerpräsidenten an dieselben Leute geradezu desavouiert, kann nicht gut al- homogener Bestandteil des Ministerium» betrachtet werden. Er mag imstande sein, wie der erwähnte ExamenSheld von dem Ergreifen der „nötigen Maßnahmen* zu reden, aber daß er sie auch ergriffe, wird man von ihm uicht erwarten dürfen. An dem Herrn Ministerpräsidenten ist eS daher» nach dem er wähnten dritte» Ausweg zu suchen, um die proklamierte Homogenität seines Ministeriums herzustelle». 9. Sei Seneralrlreilr »er vergardeitrr im fiubrgediet. Dortmunder Ronferenz. Da» Hauptereigni« des heutigen Tage» war di« Kon ferenz von dem Oberbergamt in Dortmund. Zu dieser waren erschienen Vertreter der Regierung, de« Berg- bauamt- und der Ausschuß der vier Bergarbeiterorgani sationen, während der bergbauliche Verein keinen Vertreter entsandt hatte. Die Arbeiter-Delegierten begründeten in mehrstündiger Sitzung den Regierungsvertretern gegen über ihre Forderungen und unterbreiteten ihnen daS bis jetzt gesammelte Material zu weiteren Unterlagen. Die Regierungsvertreter erklärte«, daß die preu ßische Regierung Unterkommissare zur weiteren Unter suchung der Angelegenheit ernennen werde. Da wegen deS Fehlens des Bergbaulichen Vereins Beschlüsse nicht gefaßt Werden konnten, wollen die ArbeiterauSschüffe ihre Wünsche und Beschwerden in einer Denkschrift vorbringen. Die SlaatSregierung will dann die Mißstände der einzelnen Zechen prüfen und für Abstellung Sorge tragen. Nach Mitteilungen de» Delegierten Kühne, de- zweiten Vorsitzenden vom christlichen Gewerkverein, haben die Regrerungsvertreter in der Ministerialkonferenz sich der Forderung aus Einführung der Achtstunvenschicht gegen über völlig ablehnend verhalten. Aus Kreisen, die dem Bergbaulichen Verein nahestehen, wird dem „B. T.* versichert, daß daS Bestreben der Regie rung, eine Vermittelung herbeizufübren, sehr hoch geschätzt wird, daß man aber den definitiven Friedensschluß so lange für ausgeschlossen hält, als die Arbeiterschaft ihren prinzipiellen Standpunkt nicht aufgibt. Während einerseits als Vorbedingung zur sriedlichen Beilegung de» Generalstreiks die bedingungslose Zurücknahme der Proklamation gefordert wird, macht sich andererseits eine durch die Vermitte- jung der Regierung geförderte Geneigtheit zu Konzessionen an die Arbeiter gellend, die sich beispielsweise in dem Verzicht auf die Einbehaltung der fälligen Lohnbeträge und die Auf kündigung der Bergarbeiterwobnungen äußert. Nach der »Voss Ztg." soll Oberberghauptmann v. Velsen geäußert haben, er habe in der am Dienstag in Dortmund statt gefundenen Konferenz mit der Arbeiterkommifsion den Ein druck gewonnen, daß die Arbeiter sofort zum Friedensschluß bereit wären, wenn die Zechen nur einen Teil ihrer Forde rungen bewilligen würden. Die ablehnende Haltung des Bergbauverein» habe diese Hoffnung vollständig zerstört. Var Umfang de» Streik». ** Bei der DonnerStag-Mittaa-schicht hat sich die Zahl der Streikenden nicht vermehrt. Insgesamt sind 205 Zechen bezw. Schachtanlagen vom Ausstande betroffen, auf denen insgesamt 195 876 Mann ausständig sind. Wie mit- geteilt wird, haben verschiedene Zechen aus Schlesien Angebote von Bergarbeitern erhalten, die hier be schäftigt werden möchten. Wenn die Zechen von diesem Angebot Gebrauch machen, dürften zahlreiche Bergleute nach Beendigung des Au-standes im Ruhrrevier kein« Beschäftigung mehr finden. Nach Mitteilung d«S Königl. Oberbergamts Dortmund waren am 18. morgen« noch 11 Zechen mit etwa 5000 Mann Belegschaft vom Aus stande unberührt. Auf den im Ausstand befindlichen Zechen arbeiteten zu derselben Zeit noch 4LL18 Mann über und unter Tage weit«. Unterstützungen für Streikende. Da» Hamburger GewerkschaftSkartell beschloß die Heraus gabe allgemeiner Sammellisten zur Unterstützung der aus ständigen Bergarbeiter. Die Hamburg« organlsterten Metall arbeiter sandten bereit» 5000 -ck ab, ebenso ist vo» Leipzig wieder eine Summe abgegangen. Da» BerbandSorgan der Hirsch-Dmtlerfchen Gewerkvereine fordert ebenfalls die Gewerkvereine auf, Beiträge für die Au«stSndigen zu sammeln. I» diesem Stande höchster Rot möchten sich die Gewrrkvereiner auch »»geniert a» Freunde außerhalb d« Arbeiterschaft weadea »ad »« Beiträge bitte». Rückwirkungen. Ueb« Rückwirkung«» de- Streik- liegen »och folgende Meldungen vor: * Hamm, 19. Januar. Die westfälische Drahtindustrie legt heute Abend den Walzwerksbetrieb wegen Kohlen mangel» still. Damit sind einschließlich der im Puddel- betriebe bi-lang beschäftigten Leute etwa 400 bi- 500 be schäftigungslos geworden. * Lsnabrück, 19. Jamrar. Nu« ist auch die Georgs Marienhlltte großenteils stillgelegt und damit sind zahl reiche Arbeiter beschäftigungslos geworden. In den Erz gruben werden Feierschichten eingelegt. Bei weiterem Kohlenmangel wird die Arbeitslosigkeit sehr bald einen sehr bedenklichen Umfang annehmen. Zchltrre M Oie fenrter Ser Wntetpalair. Unmittelbar au- Petersburg und mittelbar über London sind in den Abendstunden mehrere Telegramme ein- gelau>en, welche den öffentlichen Zuständen in der von politischer Unruhe heimgefuchten und durch den General streik erregten russischen Hauptstadt den drohendsten Aspekt verleihen müssen. Es bat sich etwa« ereignet, was als An schlag geizen den Winterpalast gedeutet werden kann. Wie verhängnisvoll eine Bestätigung dessen wäre, wird man sich vergegenwärtigen, wenn man bedenkt, daß nicht »um ersten Mal durch terroristische Exzesse in Petersburg d« Polizeiabsolutismu» de« gewünschter» Vorwand erhielt, die hoffnungsvolle liberale Agitation gewaltsam niederzuschlagen. Man erinnere sich an die Folgen der Ermordung Alexanders H., an die Vernichtung der von Louis Melikow au-gearbeiteten Verfassungspläne und an Katkow-, des Leiters der „MoSkow Wjed.*, berüchtig te», finstere» Wort: „Erbeben Sie sich meine Herren! die Regierung kehrt zurück!* Der genaue Text der Mel dungen ist: * Peter-bMH, 19. Januar. D« Kaiser und die Kaiserin wohnten heute der Feier d« Wasser weihe bei. * Petersburg, 19. Januar (4 Uhr 10 Min. nachm.). Während der Zeremonie der Wafserweihe gleichzeitig mit dem zweiten Salutschuß durchbohrten mehrere Kartätsch kugeln, die von der Richtung des Börsen gebäudeS ausgegangen sein sollen, die Fenster des NikolaisaaleS des WtnterpalafteS. An der Börse waren die zum Salut bestimmten Artilleriegeschütze aufgefahren. Der Vor fall ist bt-her unaufgeklärt. Es verlautet, eia Polizist sei getötet. * London, 19. Januar. DaS „Reutersche Bureau" verbreitet folgende Meldung aus Petersburg: Gerade als der Kanonendonner heute da« Ende der Feier der Wafser weihe ankündigte, wurde durch ein Fenster d« Nikolaus- Halle des Winterpalaste» geschossen. Es wurde niemand verletzt. Die Kugel zerschmetterte die elektrischen Lampen auf der anderen Seite der Halle, die Lampen fielen zu Boden. DaS Fest der Wasserweibe ist da» Jordansfest der griechisch-katholischen Kirche, die alljährlich am 6. Januar zum Gedächtnis an Jesu Taufe im Jordan be gangene Zeremonie; die Geistlichkeit, die in Prozession aufziebt, weiht das Wasser durch Eintauchen von Kruzifixen und besprengt die Versammelten mit dem nunmehr als wunderkräftig gellenden Naß. Der Nikolaussaal ist dec größte Saal des erst seit Nikolaus II. wieder ständig bewohnten WinterpalaiS und der Schau platz der Hoffestlichkeiten. Der Aufstellungsort der Artillerie geschütze lag vermutlich zwischen der Börse und der über die Bolschaja führende Palaisbrücke. Ein authentischer Bericht über den mysteriösen Vorfall wird von der Peters burger Polizei Wohl kaum gegeben werden, und es ist wahrscheinlich, daß sie au« Besorgnis von der Massen stimmung strengste Nachrichtensperre verhängen wird. Hier durch wär« allen wilden Kombinationen, die im „Echo de Paris* und in mehreren Londoner Blättern nicht auSbleiben werden, Tür und Tor geöffnet. ver kurritcb-japanircbe Iftieg. Die Vorgänge in -er Mantfchurai. Die „Times", deren Telegramm sich zur Hälfte mit dem Telegramm de» Rcuterkorrespondenten in Tokio deckt, er fahren aus Tokio vom >8. Januar: Eine Depesche OyamaS bestätigt, daß am 17. Januar japanische Streitkräfte eine Abteilung russischer Kavallerie in der Nachbarschaft von Sanchuaho umzingelten und zerstreuten. Der Feind büßte 300 Tote und Verwundete und eine Menge Waffen ein. Japanische Stabsoffiziere wollen in den Reiben de« Feinde- eine große Menge reguläre chinesische Truppen gesehen haben. Die feindliche Kavallerie war 5000—6000 Mann stark und hatte über zehn Kanonen, wurde hei Niutschwang geschlagen und zog sich am 16. Januar nach Nordosten zurück. Di» russischen Streitkräfte. Wie ein Shanghaier Telegramm de- „Daily Telegraph* besagt, ist eine rege Tätigkeit unter den südlich von Mukde» stehenden Ruffen wahrnehmbar. Die dortige Truppenmacht wird auf 240 000 geschätzt. Es verlautet auch, daß bei Nikol-k eine russische Streitkraft di« Zugänge «ach Wladiwostok, wo 3000 Ruffen stehen, bewacht. V»schlag«ahm» de» englischen Dampfer» „Vakle?" durch die Japaner. Au» Tokio vom 19. Januar meldet da» Bureau Reuter: Di« Japan« habe» aestern in der Tschuschima-Straß« de« «güsche» Dampf« „O-kley* aufgebracht, der <uu 17. N».
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