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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050121027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905012102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-01
- Tag1905-01-21
- Monat1905-01
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Di« 4 gespaltene ReNamezeile 75 A«»-H«eschl»ß fßr ««zeige«. Abend»Ausgabe vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets au di« Expedittou zu richten. Ertra-Vetlagen (nur mtt der Morgen- Ausgabe) nach besonderer veretubaruag. Die Erpesttin« ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von U. P-h in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Slinkhardt). SS. Jahrgang. Var MÄtigrit vom läge. * König Friedrich August weilte, auf -er Reis« nach Weimar, heute früh für kurze Zeit i n unserer Stadt. (S. Lew». Angel.) * Der frühere ungarische Ministerpräsident Graf Julius Szapary ist in Abbazia gestorben. (S. Ausland.) * Der Konflikt -er Vereinigten Staaten mit Venezuela hat sich dadurch verschärft, das; Castro mehrere Forderungen abgelekmt und Caracas auf unbestimmte Zeit verlassen hat. (S. Ausland.) * Stössel hat in Shanghai erklärt, Port Arthur hätte sich vor der Kapitulation höchstens noch KTage halten können. (G. Russ..japan. Krieg.) * Die Zahl -er in Petersburg streikenden Arbeiter wird jetzt auf 98000 geschätzt. (D. den besonderen Artikel.) verSnleralrireill mrä ürrsiei»rtag. Die Interpellation Auer und Genossen, die gestern im Reichstage verhandelt wurde, hat leider eine Enttäuschung gebracht. Der sozialdemokratische Abgeordnete Hus sprach mit einer gewissen Mäßigung in der Form und fand sogar Worte de- Lobe» für den Reichskanzler und einige nationale Akzente, die vielleicht eine Brücke zur Verständigung hätten abgeben können. Er sagte wörtlich: Ich darf im Namen meiner Kameraden erklären: di« Worte des Reichskanzlers vom Sonnabend haben so sympathisch gewirkt und solch« Friedenshoffnungen erweckt, daß wir uns sagten, nach diesen Worten werde es zu dem großen Kampf nicht kommen. Aber nicht bloß am Sonnabend schon hat Herr Müller dies» Illusion zerstört, sondern erst recht am Montag. Wenn irgend etwas die Unternehmer in ihrem Starrsinn gekräftigt hat, ist es di« Stellungnahme des Bergwerksminister Müller. Und schon vorher hatte der Vertreter der Bergarbeiter gesagt: Wen« Leute, bi« nicht Deutsch könne», unsere Anord nungen nicht verstehen und ihnen nicht Folge leisten und nicht ge nügend diszipliniert sind, Ausschreituugen sich zu schulde» kommen lasse», warum haben un» denn die Lechenbesitzer solche Element« ins Land gebracht? Da- waren Töne, die man selten genug aus sozialdemo kratischem Munde hört. Um so auffallender ist es, daß der staatsmännische Instinkt auf diese Anregungen so gar nicht reagierte und daß es auch der sonst doch nicht un geschickte Kanzler nicht verstand, so überaus wertvolle Zugeständnisse aufzugreifen und sie zum Ausgangspunkte seiner Betrachtungen zu machen. Es geht doch nicht au, daß diese Bewegung, welcher der kluge Herr Fischer, der Kardinal-Erz bischof von Köln, immerhin so eine Art Sanktion erteilt hat, nun ganz ausschließlich unter dem Gesichtspunkte „Ruhr ist die erst« Bürgerpflicht- betrachtet und auf die Dresdner Parteitagserfahrungen zurückgeführt wird. Wir müssen bekenne», daß wir vom Kanzler ein höheres Auffassen der Situation und ein weitere- Zurückvrängen des rein polizeilich Wünschenswerten erwartet haben. Und das war umso berechtigter, al- Graf Bülow am verflossenen Sonn abend un« wirklich neue Hoffnung eingeflößt und Hue ihm doch die Hand entgegengestrrckt hatte. Wir können uns denken, was ihn besonder- veranlaßt hat, auf die kitzliche Frage der Rassenverderbni- durch Polen und Italiener nicht einzugehen. Vielleicht hätte er sich nicht ge scheut, wen« die Angelegenheit nur die Industriellen anginge. Aber sie ist auch eine Agrarfrage von Bedeutung, und wie die Zechenbesitzer bestehen auch die meisten Latifundienbesitzer und der Bund der Landwirte auf ihrem „Recht", der deutschen Arbeiterschaft da- fremde Blut zuzuführen, unbekümmert um die schwere nationale Gefährdung, de- materiellen Vorteil- willen. Und gegen diese beiden Fronten zugleich zu fechten, da- schien Wohl dem sowie so nicht recht bodenständigen Manne zu gewagt. Schließlich wollen wir nicht verkennen, daß seine Ausführungen auch gute und nützliche Gedanken enthielten, die nur den einen Fehler hatten, daß sie ein wenig deplaziert waren, weil das Gegengewicht fehlte, das Anklingen der rein menschlichen Anteilnahme an den Vorgängen. Daß seine Worte immer noch erheblich höher im Werte waren, al- die des Ressortministers Möller, müssen wir zwar be tonen, ohne damit aber eine Anerkennung ausgesprochen zu habe«. Ztteülnacblicbten. Wie au» Essen gemeldet wird, ist in 13 Bergrevieren die Zahl der Arbeitswilligen gestiegen, in 5 Revieren zurück- aegangeu. Es werden kleinere Ausschreitungen au» ver schiedenen Gegenden gemeldet, die aber keinen Anlaß zu vesonderen Maßregeln gaben. Am Donnerstag haben die Vorstände der vier Bergarbeiterverbände beschlossen, jeden Ausständigen, der mindesten« zwei Monate der Organi sation «»gehört, mit wöchentlich 10 sowie 50 für jedes Kind zu unterstützen; die übrigen, auch Nichtorganisier ten, erhalten 9 Am Freitag nachmittag hat in Essen die erste große Versammlung der Bergarbeiterfrauen stattgefunden. Mehr als zweitausend Frauen hielten schon ein« Stunde vor Beginn den Postschen Saal in Essen-West besetzt. Die Agi tatorin Frau Blum schilderte in kräftigen Worten die Lage und ihre Entstehung. Die Frauen wurden lebhaft erregt und zu Tränen gerührt. In der Diskussion wurde betont, die Männer zu ermutigen und zu unterstützen und zum Schluß eine Resolution angenommen, wonach den Männern und Brüdern Mut zum Ausharrrn zugesprochen wurde, da der Ausstand wohl di- Mitt« Februar dauern werde. Die Alagrn -er Bergleute. Zu den immer wiederkehrenden Klagen gehören auch die geheimen Verständigungen von Zeche zu Zeche über die ein- »einen Bergleute, wenn diese ihre Kündigung geben oder er- halten. Der Bergmann schließt mit der Verwaltung der Grube, auf der er Arbeit nimmt, ein „Gedinge" ab, eine Verein barung über die Lohnhöhe. Das Gedinge wird auf einen Monat festgesetzt. Am 1b. jeden Monat- kann der Bergmann, kann die Verwaltung das Gedinge kündigen. Der Bergmann nimmt oder erhält dann am nächsten Ersten seine „Abkehr", d. i. seine Entlassung aus der Zeche, auf der er arbeitete. Er erhält einen Abkehrschein, der das Datum des Entlassungs tages und die Unterschrift eines Steigers oder sonstigen Grubenbeamten trägt. Ohne die Vorlegung eines solchen .Mkehrscheines" nimmt keine Grube zu normalen Zeiten einen Bergmann an. Unter den Bergleuten wird nun nach dem „Hann. Anz." besonders darüber geklagt, daß diese Abkehr scheine Geheimzeichen erhalten, die unter den Zechenverwal tungen verabredet sind und die den Charakter deS Inhabers auf den ersten Blick verraten. Das mag an einem Beispiel klar gemacht werden. Der Abkehrschein trägt das Datum in Ziffern. Sagen wir also den heutigen Tag: 21 1 Ob Ein Bergmann, der diese w»e man sieht punktlosen Ziffern auf seinem Abkehrschein hat, wird sofort bei Nachfrage wieder Arbeit finden, denn die fehlenden Punkte bedeuten: „N. N. ist «in ruhiger und zuverlässiger Arbeiter". Trägt die erste Ziffer einen Punkt, so ist das schon ein Hinweis, daß der Betreffende keine besondere Empfehlung verdient, aber daß einer Arbeits einstellung nicht« im Wege steht. Ein Punkt hinter der MonatSziffer aber kennzeichnet ihn schon als einen Krakehler, und ist auch der dritte Punkt in der Zifserngruppe vorhanden, so kann der Inhaber dieses ominösen Abkehrscheines von Pon tius bis Pilatus laufen, ehe er Arbeit erhält. Aehnlich verhält eS sich mit dem Schlußhaken in der Unterschrift des Gruben beamten. Hier wird der direkte Hinweis gegeben: „Nehmt ihn" oder «N. N. darf auf den Zechen deS Verbandes keine Arbeit erhalten." Natürlich mögen diese Gebeimzelchen —- wenn sie bestehen — anderer und wechselnder Art sein. Daß sie bestehen, behaupten alle Bergleute. Die Tatsache würde aber genügen, um einen Teil des tiefen Grolles der Berg arbeiter verständlich zu finden. Denn bei solchen geheimen Uebermittelungen ist der Bosheit, dem Rachedurst und ande ren ganz unkrontrollierbaren Privatgefühlen Tür und Tor geöffnet, um ein Arbeiterdasein zu vernichten. Jetzt, wo die Regierung gewillt ist, in eine ernste Prüfung der Mißstände im bergbaulichen Betrieb einzutreten, ist der Moment gegeben, auch festzustellen, ob diese Mißstimmung der Bergleute Tat sachen entspringt. Ist dies der Fall, dann hat die Regierung die Pflicht, einer den Zechen gar nicht zukommenden, unerhört gefährlichen Privatjustrz ein schleuniges Ende zu machen. Zu der Weigerung des bergbaulichen Verein«, in Gegen wart deS RegrerunaSkommissarS mit den Vertretern der organisierten Arbeiterschaft zu verhandeln, schreibt die klerikale „Essener Volkszeitung": Die Forderungen der Arbeiterschaft beziehen sich auf die Grund lage der ganzen Arbeitsordnung und deS ganzen Arbeitervertrages, und sie eigneten sich schon deshalb nicht, wie die Arbeitgeber es wolle», durch Verhandlungen zwischen den einzelnen Zechen und ihren Arbeitern geregelt zu werden. Auch lehre die Geschichte des Streik- von 1889, daß solche Katastrophen nur durch allgemeine Ab- machungen zu beschwören seien. Damals hab« daS Eingreifen deS Kaisers die Arbeitgeber gezwungen, von ihrer Herrentaktik abzugehen und gegen die Verhandlungen HammacherS mit der Arbeiterschaft keinen Widerstand zu erheben. Ob sie jetzt wieder auf den Kaiser als Erzieher warten wollen? lieber Möglichkeit oder Nützlichkeit der einzelnen Forderungen möge sich streiten lassen. Niemand würde eS den Besitzenden verargen, wenu sie ihre Interessen kräftig vertreten. Aber in dieser kritischen Zeit zu verhandeln, sei ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit gegenüber Regiernng, Volk und Gemeinwohl. Vie Isririr in flurrlanä. Der Massenstreik. Durch sämtliche Meldungen wird bezeugt, daß der Aus stand in Petersburg eine ungeheure Ausdehnung an genommen hat. Man befürchtet, daß heute in allen Werk stätten und Fabriken daSGro« der Arbeiter fehle» wird und die Fabriken geschlossen werden. Für heute abend werden weitere Ereignisse erwartet, unter ander« auch ein Versuch der Arbeiter, die elektrische Leitung zur Kraftstation abzustellen. Bi« jetzt verhalten sich die Ausständigen ruhig, nur vereinzelt fanden kleinere Krawalle statt. Die Behörden haben umfassende Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen. Die ganze Garnison, 50 000 Mann stark, sowie weitere 4 Artillerieregimenter sind konsigniert. Truppen werden in Häusern untergebracht und haben Be fehl, auf diejenigen zu schießen, die sich an Privateigentum oder Personen vergreifen. Der Stadthauptmann erließ eine amtliche Be kanntmachung, in welcher eS heißt, infolge der Einstellung der Arbeit in vielen Fabriken und Werkstätten halte er eS für seine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß weder Zusammen rottungen noch Prozessionen auf den Straßen zugelassen würden und daß zur Verhinderung von Massenunordnungen zu den gesetzlich vorgeschriebenen energischen Maßregeln ge griffen würde. Zugleich werden die Arbeiter und Unbeteiligte aufgefordert, sich leglicher Teilnahme an Massen ansammlungen auf den Straßen fernzuhaltr». -er Arbeiter an -en Aaren. AuS Petersburg wird der Text einer Petition tele graphiert, die die Arbeiter an den Zaren gerichtet haben. Diese mit ihrem allrussischen Unterthanengehorsam, ihrem allrussischen Schicksalsglauben ergreifende Bittschrift lautet: „Wir Arbeiter, Bewohner Petersburg«, kommen zu Dir. Wir sind elende, beschimpfte Sklaven und erstickt von Despotismus und Willkür. Al« die Grenze der Geduld erreicht war, stellten wir die Arbeit em und baten unsere Herren, uns nur daS zu geben, ohne das das Leben eine Qual ist. Aber alle« wurde abgelehnt. -We ist nach Meinung der Fabrikanten ungesetzlich. Wir hier, viele Tausende, sowie da« ganze russische Volk haben keine Menschenrechte. Durch Deine Beamten sind wir Sklaven geworden. Jeder, welcher wagte von dem Schutze derInteressen des Arbeiterstande« zu sprechen, wurde inS Gefängnis ge worfen. Der gesamte Arbeiter- und Bauernstand wurde der Willkür überlassen. DaS Beamtentum besteht aus Räubern und Dieben an Staatsgeldern. DaS Beamtentum brachte daS Land in gänzliche Zerrüttung, bürdete ihm einen schimpf lichen Krieg aus und führt Rußland immer mebr an den Rand de« Untergang«. Das Volk ist jeglicher Möglichkeit beraubt, seine Wünsche und Forderungen auSzudrüaen und an der Festsetzung der Besteuerung und der StaatS- auSgaben teilzunehmen. Alle« die« widerspricht mensch lichem und göttlichem Recht. Wir wollen lieber sterben al« unter solchen Gesetzen weiter leben. Mögen unter solchen Verhältnissen die Kapita listen und Beamten leben. Kaiser, hilf Deinem Volke! Vernichte die Scheidewand zwischen Dir und dem Volke. Möge da« Volk vereint mit Dir regieren. Au« un- spricht nicht Dreistigkeit, sondern der Wunsch, au« einer un« allen unerträglichen Lage herauSzukommeu. Eine Volksvertretung ist unentbehrlich; es ist notwendig, daß das Volk selbst mitregiert; befiehl» daß die Vertreter aller Stände und Klassen, auch der Arbeiter, berufen werden. Die« ist unsere Hauptbitte; wir haben aber noch andere." Die Petition zählt dann diese Wünsche auf, die sich hauptsächlich auf die verzweiflungsvolle Lage der Arbeiter beziehen, und schließt: „Befiehl die Erfüllung unserer Bitten, und Du machst Rußland glücklich, wenn nicht, jo sterben wir hier. Wir haben nur zwei Wege: Freiheit und Glück oder das Grab; wir bringen gern unser Leben Ruß land zum Opfer dar." Der -tan- -er Streikbewegung. An der Putilowschen Fabrik, dem UrsprungSort de« Streiks, hing gestern eine Bekanntmachung au«, wonach die Arbeiter, welche heute die Arbeit nicht aufnehmen, ab gelohnt werden. Infolgedessen sind die Militärpatrouillen bei der Fabrik verstärkt worden. Die Besitzer der Maschinenfabriken und Wersten hatten sich von den Napht »industriellen in der Behand lung des Ausstandes getrennt, den Arbeitern Zuge ständnisse gemacht und al« Zeitpunkt für die Wiederauf nahme der Arbeit den 16. bestimmt. Die Arbeiter nahmen die Zugeständnisse nicht an und erschienen am 16. nicht zur Arbeit. Die Besitzer zogen hierauf die Zuaeständniffe zurück und erklärten, Arbeiter nur zu den früheren Beding ungen annebmen zu wollen. Alle Fabriken stellten d,e Arbeit ein. Seit gestern Mittag haben die Arbeiter die Arbeit in vielen industriellen Werkstätten, in allen größeren topographischen Anstalten, an allen privaten und staatlichen Zeitungen, sogar an Anstalten, wie der Akademie der Wissen schaften eingestellt; voraussichtlich stellt hente die Expedition der Staatspapiere die Arbeit ein. Der Ausstand in den Arsenalen nimmt zu. Bis jetzt ist eS zu keinerlei Zusammen stößen mit der Polizei gekommen, die sich äußerlich passiv zu den Ereignissen verhält. Nichts desto weniger herrscht dre vollste Ordnung unter den Arbeitern. U-bertragrsng Streik» nach M»»kan «n- Ciba«. Der „Petit Parisien" berichtet au« Petersburg: Die Delegierten, die von den Moskauer und Libauer Arbeitern entsandt wurden, sind hier «»getroffen. Der Ausstand wird wahrscheinlich auch in dresen beiden Städten proklamiert werden, wa« für Libau wegen der dortigen Arbeiten zur Instandsetzung des dritten Geschwaders von besonderer Bedeutung sein würde. O Vie Schüsse auf -ar winterpalai». Obwohl der Zar vom Wunsche beseelt scheint, dem Vor- fall bei der Wasserweih« den Charakter eine- unglücklichen Zwischenfalls zu geben, und deshalb Dankgottes dienste untersagt hat, um deren Abhaltung die Stadt verwaltung nachgesucht hatte, unterliegt eS, wie die heutigen Telegramme besagen, doch keinem Zweifel, daß ein Feuilleton. Um jeden Preis. 2?j Roman von Sergei D . . . . Sie eilt« hinunter auf die Straße und fuhr mit der ersten besten Droschke nach Pentorville Prison. D«r Aufseher dort kannte sie schlm und zuckte be dauernd die Achseln. «Jetzt geht eS nicht", meinte er. „Aber ich muß Lord Burton sprechen! Verstehen Ti« mich, mein Herr, ich m u ß- Tod und Lehen hängt davon ab!!" Dem Aufseher wurde -och klar, daß hier etwas Außer ordentliches vorliegen müsse. „Well, — kommen Sie mit zum Direktor, Miß", sagte er schließlich. „Wenn Sie mir sogen, um was eS sich handelt, kann ich Ihre Bitte vielleicht gewähren. Miß", meinte der Direktor, da- aufgeregte Mädchen wohlwollend be trachtend. „So darf ich eS nicht. — Gagen Sie mir ruhig, um was eS sich handelt", fügte er noch hinzu, als Claire nicht gleich antwortete, „ich verspreche Ihnen Dis kretion auf Ehrenwort!" Und Claire, in ihrer Derzivoiflung, reichte dem Direktor ohne ein Wort Len Brief. Al» der Direktor denselben beendet, gab er ihr ihn zurück. „Man wird Sie sofort zu Lord Burton führen, mein liebes Fräulein", sagte er mit Betonung und schüttelte ihr herzlich die Hand. „Diesen Brief da verwahren Sie gut! Sie haben dem Lord einen großen Dienst geleistet! Er sollte Ihnen ewig dankbar sein!" — Burton war natürlich nicht wenig überrascht, zu solcher Zeit ins „Empfangszimmer" gerufen zu werden. AlS er Claires blasses Antlitz erblickte, erschrak er. «Claire! Was ist passiert?" rief er ihr entgegen. „Viel, Harry! Gutes und Böses!" Und sie erzählte ihm von ihrer Unterredung mit Suworow. „Ich hatte keinen Grund, das — Mrs. Hamilton zu schützen! Hätte ich doch nur vorauSsshen können! Als ich nach Hause kam, fand ich diesen Brief!" Schweigend überreichte sie ihn auch Harry, der ihn halblaut vorlas: „6. X. 50! Wer immer Du auch seiest, jedenfalls bist Du femand, der Lord Burton liebt. Das kann ich der- stehen, denn auch ich habe ihn gern gehabt, er ist ein ganzer Mann. Und deshalb glaube nicht, daß i ch ihn in seine jetzige Lag» gebracht habe, ebenso wenig, wie ich ihn daraus befreien kann. DaS wird von wo anders geschehen, verlasse dich darauf und fürchte nichts! Seid brav, Ihr beiden; denn unbewußt leistet Ihr Eurem Vaterlande einen großen Dienst! Und nun höre, 6. X. 50! Du hast von der Kahnpartie gehört, — Sullivan muß mich verraten haben! Noch schadet es nichts, sprichst Du aber davon zu Suwarow, dann geschieht ein Unglück, Lessen Tragweite unabseh bar ist. Du vernichtest mit einem Schlag die Hoff nungen eines ganzen Volkes! Verstehst Du! Und darum bitte ich Euch beide, harret aus! Seid Märtyrer für eine gute Sache. Eure Befreiung ist nur eine Frage von Tagen. Du — Harry — kämpfe mit mir! Du hast mich geliebt — ich war Deiner gewiß nicht würdig. Aber bei Deiner einstigen Liebe bitte ich Dich — harre aus! Ich traue Eurem Heldenmut. Später werdet Ihr verstehen! Nvttie Hamilton." Harry ließ den Brief langsam auf den Tisch sinken. „Was jetzt?" murmelte er tonlos. „Zu spät!" kam eS leise über Claires Lippen. „Aber benachrichtigen müßten wir sie doch — vorbereiten! Oh, Harry — Lieser Brief bedeutet vielleicht deine Freiheit, — aber, gern hätte ich darauf verzichtet!" „Mein braves Mädchen", flüsterte er und küßte sie ehrerbietig auf die Stirn. Und dann beratschlagten sie beide, mit dem Resultat, daß Claire eine Stunde später wieder vor Suworows Wohnung stand. Der Diener öffnete. „Herr Suwarow sei leider vor einer Stunde plötzlich auf unbestimmte Zeit verreist." Claires Atem stockte. „No-mV!" Der Diener bedauerte, es nicht zu wissen. Gleich darauf löste ein Zehn-Schillingstllck seine Zunge. So schnell ein Cab sie fahren konnte, eilte Claire zur nächsten Telegraphenstation. Hier gab sie folgendes Telegramm auf: Brief hier zu spät angekommen. Kahn leider kein Geheimnis mehr. S. kennt Adresse und ist Petersburg unterwegs. Dann mußte sie sich, zu Tode erschöpft, auf eine -er Bänke des Amtes niederlassen. IX. „Also meinst du, das wäre noch das Vernünftigste?!" erwiderte Napier, und blickte ängstlich fragend hinüber zur Gräfin Della Torre — wie sie sich in Petersburg jetzt wieder nannte —, „du meinst nicht, es wäre besser, ihn hier zu empfangen — oder im Hütet?" Die Gräfin unterbrach ihre Beschäftigung vor dun Spiegel, wo sic eben die letzten Falten ihrer wunderbaren Balltoilette geordnet hatte, lange genug, um sich dem Sprecher zuzuwenden. „Nein", sagte sie, „gewiß nicht hier. Er wird vom Bahnhof sofort zum Hotel fahren und dort erfahren, wo ich bin. Dann wird er sich ankleiden und mir nach zur Botschaft eilen." Sie betrachtete sich wieder kritisch prüfend im Spiegel. „S o könnte ich ihn hier nicht empfangen", fügte sie dabei hinzu. „Und heute werd« ich schön sem müsse«? so schön, wie noch nie zuvor, Jack."
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