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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050121018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905012101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905012101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-01
- Tag1905-01-21
- Monat1905-01
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Di« 4 gespalten« Reklamezette 7b Auuahmefchlutz für Auzetgear Abend-An-gab«: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmtttag» 4 Uhr. Anzeigen find stets a» di« Expedition zu richt«. Ertra-Vetlage« inur mtt der Morgen- Ausgab«) nach brsoaderer Vereinbarung. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Polz in Leipzig (Juh. Dr. B„ R. L W. «ltukhardtl 99. Jahrgang. Var Mcktigtte vsm lagt. * Im Reichstage ergriff gestern auch der G raf Bülow das Wort zu einer längeren Rede über den Dergar üeiterstreik. (Siehe Bericht.) * Der Schuß auf den Wintervalast in Peters burg ist auS dem -ritten Gsschiitz der ersten Batterie der zweiten Gardeartillerie-Brignde abge feuert worden. (Siehe den besonderen Artikel.) * Witte wurde zmn Zaren berufen: nach einer Pariser Meldung nimmt Swiatopolk-Mirsky an der Untersuchung der letzten Ereignisse nicht teil: sein Nach- folger wäre Fürst Obolensky. (Siehe Ausland.) * In Petersburg stehen, nachdem die streiken- den Arbeiter alle Werkstätten besuchten, sämtliche kleineren industriellen Betriebe still, die Druckereien sind geschlossen worden. (S. Ausland.) * Nach der „Morning Post" hätten dem Plan AayS und Roosevelts, die Integrität Chinas zu sichern, Großbritannien, Frankreich und Deutsch, land ihre Unterstützung bereits zugesichert. vir lllabnmg ter heiligste« Mer. In allen Schichten der Nation, die nicht von der Fata Morgana des ewigen Friedens geblendet sind oder wie hypnotisiert auf das Los eines einzigen Standes starren und jeden Ausblick und Umblick geflissentlich meiden, reift langsam, aber unwiderstehlich die Ueberzeugung heran, daß wir einer Epoche entgegengehen, in der wie der einmal „um der Menschheit große Gegenstände" ge- stritten werden wird. Die VorauSschauenden im deut schen Volke zweifeln nicht daran, daß Entfaltung aller Keime, Beteiligung aller Energien, Konzentration aller nationalen Kräfte die Losung sein muß, wenn wir uns erhalten und uns die Möglichkeit freien Wachstums be wahren wollen. Don diesem Gedanken ist auch die Ge samtheit der verbündeten Regierungen durchdrungen. Immer wieder mahnt -er Kanzler, das Brennende zu vergessen, das Einende zu erkennen: immer wieder ist er bemüht, eine gemeinsame Basis zu schaffen, Gegensätze fortzuräumen, zu versöhnen, zu konsolidieren. Mr sind nicht immer mit seinen Mitteln einverstanden, aber wir müssen zugestehen, daß er diesen seinen Gedanken konse- ouent festhält und wir glauben, daß die „schwere Not der Zeit", die immer die beste Lehrmeisterin ist, ihm zur allgemeinen Anerkennung verhelfen wird. Dieses Streben nach innerer Einheit der Nation führt folgerichtig zu der Forderung, daß die Einwanderung von Elementen nicht begünstigt werde, die einen Fremd- körper im Volksorganismus, einen Staat im Staate bilden, sich weder an uns anpassen können noch wollen und im Ernstfälle eine Gefahr sind, statt eine Verstär kung zu sein. Preußen treibt seine Polenpolitik unter diesen deutschnationalen Gesichtspunkten, durch sie allein wird sie gerechtfertigt. Aber es genügt nicht, daß die Regierung ihre Aufgabe erkannt hat und ihre Pflicht tut: die „herrschenden", die gebildeten und besitzenden Stände müssen ihr zur Seite stehen. Sind diese kurz sichtig oder säumig, so wird auch die Regierung früher oder später deS leidigen Kampfes müde werden und dann ablassen, die slavische Flut einzudeichen. Heutigen TageS bedürfen alle umfastenden Aktionen eine): Regie rung >deS Rückhaltes der öffentlichen Meinung. Wie Verhalten sich nun aber die herrschenden Stände zu dem Gedanken der Vereinheitlichung der Nation, die man in den Ruf: „Deutschland den Deutschen!" zu sammenfasten kann? Mr lesen soeben, daß im Ruhr- gebiet achtzigtausend polnische und sechszehntausend aus- ländische Arbeiter leben. Diese Arbeiter, Polen, Tschechen oder Italiener, sind herangezogen worden, nicht etwa, weil sie leistungsfähiger, sondern weil sie billiger un unterwürfiger sind. Die Unternehmer erblicken in ihnen die Arbeitswilligen pur exeeUeoce. Diese Berech nung war irrig, die Polen haben sich diesmal an dem Streik beteiligt. Aber durften die Unter nehmer zu solchen Mitteln greifen? Sollten sie nicht objektiv, nicht menschenfreundlich, nicht klug genug sein, um den Arbeitern eine höhere Lebens- Haltung, ein freieres Selbstbewußtsein zu gönnen, da ja doch unbedingt mit der günstigen Lage, der gesteiger ten Intelligenz auch die Arbeitsleistung sich hebt? Sollten diese Herren es nicht auS ihrem vaterländischen Em- »finden heraus ablehnen, Landfremde in ihr Gebiet zu ziehen, die unS schwächen, die Raste verschlechtern, die nationalen Instinkte trüben, den «tanckarck ok liks hevabsetzen? Gewiß, »8 kostet Geld, ein solcher Empfin den zu betätigen, allein die Haniel, Thyssen, Stinnes und Genossen würden ja vielleicht nicht gerade Hungers sterben, wenn sie sich entschließen, grundsätzlich nur deutsche Arbeiter einzustellen. Wenn Liese Herren auf dem Altar deS Vaterlandes nichts opfern wollen als Reden, war, fragen wir, solle denn eigenttich in der Lage sein, seinen Idealismus noch durch Handlungen dorzutun? (Bei dieser Gelegenheit wäre eS unS rnter- estant zu erfahren, welcher Praxis dem» di« Staats- betrieb« huldigen.) Im Osten wie im Vesten unteres lieben Vaterlandes daS gleiche Bild, hier die agrarischen, dort die industriellen DLagnaten, die das minderwertige fremde Proletariat in Masten importieren. Frhr. v. L. Goltz sagt in seinem Buche „Agrarwesen und Agrar politik" von den polnischen Arbeitern: „Sie zeichnen sich zwar durch Genügsamkeit und Unterwürfigkeit aus, sie sind aber gleichzeitig unzuverlässiger, weniger sorgfältig, trunksüchtiger, schmutziger und bei schweren Arbeiten nicht so leistungsfähig". Schadet nichts: die kostbare Eigenschaft der „Unterwürfigkeit" macht alle anderen Mängel wett. Das körperliche und sittliche eontagium, die Gefahr der Polonisierung kommt nicht in Betracht: sie sind „billig!" Wir rechten nicht mit dem kleinen Landwirt, von dem wir kein Opfer verlangen, das sein Budget vielleicht allzustark belasten mag. aber wie viele Großgrundbesitzer vergessen den Satz, -aß Adel ver pflichtet! Und wir wiederholen die Frage, wer denn eigentlich nationalen Idealismus betätigen soll, wenn diese Klassen so vollständig versagen und in ihrem Han deln und Unterlassen nur durch Rechenexempel bestimmt werden? Wer abex führt daS Wort „national" lauter, auf dringlicher im Munde, als gerade die Vertreter dieser Stände? Die Sozialdemokratie wird — leider mtt Reckt — als vaterlandlos gebrandmorkt, allein zu den großen Worten fchlt das Komplement der großen Leistungen. Und hier liegt auch der Schlüssel zu dem Rätsel, warum wir weder mtt den Polen noch mtt den Sozialdemokraten fertig werden. Die einen wie die andern sind unseren maßgebenden Ständen an Opfer- freudigkeit, an Idealgehalt -er Gesinnung bei weitem überlegen. In solchen Kämpfen sieht aber — dauernd wenigstens — nicht die mechanische Macht, sondern die innere Ueberlegenhsit, die sittliche Superiorität. Wenn wir diese nicht haben, so werden wir Deutschland weder vor der einen noch der anderen Gefahr bewahren können. Diese Ueberzeugung wollten und mußten wir aus- sprechen, obwohl sie vielleicht verleben wird. Der Sieg der Unternehmer ist gesichert. Die Eng länder mußten über die Buren siegen und so müssen auck die Arbeitgeber über die „Rebellen" siegen. Aber dieser Sieg hat keine ethisckw Bedeutung. DaS wird Herrn StinneS und Herrn Thyssen sehr gleichgültig sein und sie werden vielleicht sagen: „Nach uns die Sintflut!" Dem deutschen Volk aber kann es nicht irrelevant sein, auf westen Seite die ethischen Werte liegen. Eine Nation deren einziges Motto die ewigen Wahrhaften des Ein maleins sind, hat keine Zukunft, hat nicht einmal eine Daseinsberechtigung. Roosevelt, den doch die „smarten" Amerikaner als Führer anerkennen, hat eS in rauhen Worten ausgesprochen: „Man kann nicht streng genug über die Reichen urteilen, die unter Nichtachtung aller Pflichten nur darauf bedacht sind, Geld zusammen zu scharren. Diese Sorte bekümmert sich ebensowenig um den Arbeiter, den sie unterdrückt, wie um Len Staat, den sie gefährdet. Ihre Zahl ist nicht groß: wohl aber ist's die Schar derer, die diesem Typus ähnelt. Und je mehr sie sich ihm nähert, ein um so ärgerer Fluch ist's für das Land." Und weiter hat der Repräsentant ame rikanischer virtu« gesagt: „Die Menschen, die sich rüh men, ein hohes kommerzielles Ideal zu haben, bedenken nicht, daß solches Ideal schließlich sehr geringen Wert hat und daß in keinem jämmerlichen Rvubstaat des Mittelalters das Leben armseliger gewesen sein kann, als das Dasein der Menschen, denen Handel und Ge werbe alles ist und für die Worte wie nationale Ehre, Ruhm, Mut, Tapferkeit, Treue und Selbstlosigkeit jede Bedeutung verloren haben. Weniger als jx kann ein Volk heute von Brot allein leben." Verteidigt Eure heiligsten Güter! DaS ist ein schönes von E^montstim- mung getragenes Wort. Wenn aber diese heiligsten Güter nur noch Atrappe sind, wenn das Bollwerk nur noch Kulisse ist, dann werden die Sieger von heute im» nicht ferner Zukunft unterliegen. Um ein Banner, das nur die Worte trägt: „Zweimal zwei ist vier!" scharen sich keine Helden. 6. ver Srnerslrtreilk im stMgebirt. Lin bLs«» Aapitel. Eine recht üble Nebenerscheinung des seligen Bergarbeiter streike«, wie auch andrer Ausstände, ist die Belästigung von Arbeitswillige», durch die regelmäßig die Hitzköpfe ihren Gtandpuickt detätigen zu mästen glauben, gegen die aber energisch protestiert werden muß. Mit demselben guten Grunde, womit der eine Arbeiter daS Recht der Koalition und deS Streiks für sich in Anspruch nimmt, kann ein anderer beanspruchen, ungestört weiter zu arbeiten, wenn er sich dem Streik aus dem einen oder andern Grunde nicht anschließen will. Die Propaganda für den Streik darf keinesfalls in Mißhandlungen und Bedrohungen auSarten, wie sie vorgekommen sind. Der Dortmunder Bergbauliche Verein führt «ine groß« Anzahl solcher Fälle unterm IS. Januar an, z. B: Zech« Shamrock, Hern«: Bergarbeiter Ortwein wurde am 17. d. M., abend« 10'/, Uhr, an seiner Wohnung in Wann«, Karlftraß« S, von acht Leut« Überfall«. Dieselbe» warf« mit Ziegelstein« und Ammlatt«. Ortwet» ko«tr sich nnr tznrch bi« Flocht sein« »»erfolg«« «tM«. Li-t«, patronillt«»» MA dreiviertel Stunden lang vor der Wohnung. Bon den verfo^,"'f> wurde keiner erkannt. — Shamrock lll/IV, Zeche Mont Erni», Sodingen: Vorgestern und gestern ward« einige Arbeitswillige be droht. Ein Steiger wurde gestern mißhandelt. — HSrder Verein, Dortmund: Heute morgen haben auf unseren Zechen Schleswig- Holstein ganze Banden Streikposten von auswärts die Arbeits willigen durch Drohungen und Gewalt von der Arbeit ferngehalten. Die Streikposten sind fremde Elemente, deshalb ist die Namhaft machung unmöglich. Dir geringe Gendarmerie ist völlig machtlos. Zeche Ver. Germania, Morten lSchacht 2): Heute morgen wurde von dem Betriebsassistenten Heintze gemeldet, daß in der Nacht von dem Fußwege au-, der an unserem Zechenbahnhof entlang führt, auf unsere Koksarbeiter geschossen Word« sei, und wollen die Leute dteserhalb nicht mehr zur Arbeit erschein«. Ferner teilten mir mehrere Koksarbeiter mtt, daß sie in ihren Wohnungen von den streikend« Bergarbeitern, mit denen sie zusammen wohnen, mtt Knochenkaputschlagen, Totschießen und dergl. bedroht würden. Zeche Lothringen, Gerthe bei Bochum: Gestern gegen 1—2 Ubr hatte sich eine Menge Streikender von fremd« Zechen an der Haupt straße ongesammelt, gegen 1500 Mann, die von 1k Mann Gen darmerie auseinander gesprengt wurde. Die Polizei wurde be schimpft und mußte von der blanken Waffe Gebrauch mach«; indes sind nur kleinere Verletzung« vorgekomm«. Zeche Gras Beust, Esten: Heute nachmittag k Uhr wurden auf der Kolonie Seßenberg von ca. 1b Ausständig« di« von der Schicht heimkebrend« Bergleute angefallen, ein Bergmann ntedergeworfen und mißhandelt. Die Polizei war zur Stelle und griff ein. Die Haupttäter wurd« verhaftet. Die Steiger haben die Leute nach Hause begleitet. Auf dem Elisenplatz wurden sie von Streikenden angespuckt usw. Sie klagen über nicht genügend« Schutz. Ungefähr KO Mann erklären, daß sie wegen der Belästigungen nicht zur Zeche kommen können. Daß solche böse Ausschreitungen der Sache der Arbeiter nur schaden, sollten die Leute wohl selbst einsehen. Uneinigkeit ««ter den Streikenden? Als Alarmnachrichten tendenziöser Art^sind einem Mit arbeiter des „L.-A." von maßgebender Stelle die Mittei lungen bezeichnet tpvrden, die der Bergbauliche Verein über die Haltung cer .^cgar^eiter verbreitet. Diese Berichte sind im böchsten Grade aufgebauscht oder so gut wie an der Luft gegriffen. Die Regierungsbehörden im Ruhr- revier haben von Berlin aus Anweisungen erhalten, all diesen Meldungen von Ausschreitungen, Bedrohungen, oder sonstigen Anzeichen einer mit Gewalttaten drohenden Gärung nachzugeben. Der Regierungspräsident bat Er mittelungen anstellen lasten und Berichte an die maßgebende Stelle gesandt, die die völlige Grundlosigkeit aller dieser Alarmnachrichten ergeben. In Bochum fand am Freitag vormittag zur Beratung über weitere Verstärkung des Sicherheitsdienstes eine Kon ferenz zwischen dem Ober- und Regierungspräsidenten statt. Auf einzelnen Zechen würde sich nach Angabe der Zechen verwaltungen die Zahl der anfahrenden Belegschaften bedeutend erhöhen, wenn für sie ein ausreichender Schutz vorhanden wäre. Der Verlauf des heutigen, sowie des morgigen Tages wird nach dem „B. T." ergeben, ob die von mehreren Seiten gewünschte Hinzuziehung von Truppen, gegen di« sich einzelne Stadtverwaltung« ablehnend ver halten, erforderlich ist. ver Lvirckenkall in prtrrrbnkg. ES ist bezeichnend, wie sich die russische Presse zu dem blutigen Unfall an der Newa verhält. Im allgemeinen bringt sie nur die kurze amtliche Mitteilung, die von einem Zufall berichtet. Die „Nowoje Wremza" äußert sich, nach dem „B. T.", ausführlicher. Sie schreibt: „Ganz Petersburg wurde heute durch die furchtbare Nachricht erregt, welche mit allen Einzelheiten von Mund zu Mund wanderte und von einem furchtbaren Verbrechen, mit Religionsschän dung verbunden, meldete. Als der Zar zum ge meinsamen Gebet mit dem Volke hinaustrat, wurde mit Kartätschen geschossen. Man vermutete, daß vom Dache eines Hauses geschossen worden sei. Endlich erschien die Mitteilung im „Regierungsboten", und alle« atmete erleichtert auf. Bittere Vorwürfe wurden gegen die Urheber solchen Leichtsinns laut, der fast unend liches Unheil gebracht hatte. Augenzeugen berichten, daß nach dem dritten Salut ein Geschoß in der Luft krepierte und Kugeln verstreute, von denen manche wirkungslos niederfielen unv andere mit großer Gewalt in die obere und untere Etage des Winterpalais schlugen. Woher? Wie? Weshalb? So fragt sich jeder und richtete ein heißes Dankgebet gegen Gott, daß er das drohende Unheil vom Haupte deS geliebten Zaren abgeweudet hat. Es liegt seit dem gestrigen Nachmittag die folgende dritte amtliche Meldung vor: * Petersburg, 20. Januar. Die erste Batterie der Garde-Artillerie-Brigade, die gestern bei der Feier der Wafferweihe die Salutschüsse abgab, wurde vom Kapitän Dawydow befehligt. Außer ihm waren im Dienst bei dieser Salutbatterie Stab-kapttan Karzew, die Leutnants Graf Kontaissow, Perebinsow, Miller, Rot I und Rot II. Die Batterie bestand aus alten Vorder ladern. Mit der gleichfalls amtlichen Meldung der Peters burger Telrgraphenagentur, wonach rin« Kartusche versehent lich in da- Geschützrohr gesteckt worden sei, stimmt dieses von „Vorderladern" berichtende Telegramm nicht überein. In Pariser Depeschen wird daS dritte Geschütz der ersten Batterie der 2. Garde-Artillerie-Brigade als dasjenige be zeichnet, aus welchem der Scharfschuß abgefeuert wurde. Nach dem „Echo de Paris", das wohl flunkert, wäre die genannte Brigade dazu au-ersehen gewesen, im Bedarfsfälle gegen die ausständigen Arbeiter vorzugehen und hätte darum Munition älteren Musters erhalte». Hauptmann Dawidow von der ersten Batterie soll — wie im „Lokal- Anzeiger" »«verholt wird — Selbstmord verübt hab«, vmi ist di«i» Meltz»»g als «»begründet schon mittags bezeichnet worden. Nach einer Depesche des „B. T." ist der Schutzmann, der bei dem Ereignis schwer ver wundet wurde, gestern aus langer Agonie erwacht. Eine Kugel drang ihm in daS linke Auge, zerstörte eS und blieb im Knochen stecken. Sie wurde abends operativ entfernt. — Nach Wiener Meldungen, die sich auf Petersburger Privat meldungen berufen, wäre die Polizei nunmehr in dem Besitz von Beweisen, daß es sich bei dem Zwischenfall um ein wohlorganisiertes und weitverzweigtes Komplott gegen den Zaren handelt, an dem sehr hochgestellte Persönlich, leiten beteiligt sein sollen. Auch heißt es, daß der Schuß nicht von einer Batterie, sondern von einem versteckt gewesenen Mörder abgefeuert sei. Deutsches Keich. Leipzig, 20. Januar. * vom „Wissenschaftlich-Humanitären Komitee" in Char- lottenburg erhalte» wir folgende Zuschrift: Eharlottenburg, den 1S./1. 1S0K. Berliner Straße 104, II. Sehr geehrter Herr Redakteur! Sie würden uns sehr verbinden, wenn Sie — t»b«z»g ans die Ausführung« in Ihrem geschätzten Blatte vom IS./I. — folgende Bemerkung« aulnehm« wollt«: „Die Agitation gegen d« 8 17b, wir sie daß wissenschaftlich humanitäre Komitee betreibt, basiert a»f durchaus wissenschaftlicher Grundlage und ist einzig bedingt durch die großen »»d fast von all« Setten zugegebenen Mißstände, wie sie daS Besteh« de« § 17b im Gefolge hat (Unerhörte Erpressung«, Vernichtung meuschlicher Existenzen). DaS Bestreben de» wiffensch.chumau. Komitee» ist allein darauf gerichtet, durch AufklärimgSarbett in wett« Kreis« des Volke- eine richtige, mit den wissrnschaftlich« Forschungsergebnissen io Ein klang stehende Auffassung über daS Wes« und di« Entstehung der Homosexualität anzubahneu. DaS Komitee hält sich durchaus fern von der Anschauung, als ob die Homosexualität eine edlere Art der Liebe darstell«; eS hat in sein Programm sogar den Satz ausgenommen, daß eine Ver herrlichung der HomosexualttLt und eine Propaganda für dieselbe auf Grund seines wissenschaftlichen Standpunktes völlig aus geschlossen ist." Mtt vorzüglicher Wertschätzung! Wissenschaftlich-humauitäreS Komitee. Dr. M. Hirschfeld. Da der letzte Satz so gedeutet werd« köunte, als ob wir dem Komitee eine Verherrlichung der Homosexualität vorgeworfen hätte, setzen wir d« betr. PaffuS unserer an gezogenen Auslassung hier nochmals her: „WaS im übrigen selbst den Freunden der Aufhebung deS 8 17b ihre Stellung aus- äußerste erschwert, ist die geschmack lose, zum Teil direkt unverschämte Manier, mtt der manche Vorkämpfer der Bewegung sich mtt der Perversität brüsten. Schon geht eS so wett, daß die Homosexualität als di« edlere Form der Liebe hingestellt wird, uud normale Menschen müßt« sich eigentlich bereit- schämen, nicht un natürliche Neigungen zu hab«. ES bleibt zu befürchten, daß die gesunde Scheu, vor der Perversität durch diese Au-wüchse unheil baren Schaden leidet. In Erkenntnis der Wichtigkeit der Pro phylaxis möchten wir daher alle- vermieden wissen, «aS di« Schar der Unglücklichen vermehr« hilft." Hieraus geht klar hervor, daß diese Worte sich nicht gegen all« Freunde der Aushebung deS tz 175 und insbesondere nicht argen daS „Wissenschaftlich-Humanitäre Komitee" richt«. Auch im übrigen sehen wir keinen Grund, unsere Auffassung von der Bewegung und ihrer Propaganda zu revidieren. S Berlin, 20. Januar. * Vom Vundesrat. In der am 19. Januar unter dem Vorsitz des Grafen Posadowöky abgehalten« Plenar sitzung des Bundesrat» wurde die Reichstagsresolution vom 13. Dezember, betreffend Erhebungen über die Grund lage für eine obligatorische Alters- und Invalidenversicherung der Handwerker den zuständigen Ausschüssen, ferner die Reichs tagsresolution vom 10. Januar, betreffend Abänderung d«S tz 48 Absatz 4 deS JnvalidenversicherungSgesetzeS (Auslands aufenthalt zur Wiederherstellung) dem Reichskanzlerüberwiesen. ES wurde Kenntnis genommen vom Geschäftsbericht der Zentralauskunftsstelle für Auswanderer. Vorgelegt wurde eine Nachweisung der Veränderungen im Grundbesitz deS Reiches für das Rechnungsjahr 1903. Die Zustimmung wurde erteilt dem AuSschußantrage betr. Tarasäye, betr. die Reichstagsresolution wegen Aenderung de« § 70 Abs. 1 der Prüfungsordnung für Aerrte, betr. die Aenderung deS tz 51 Abs. 2 der Eisenbabn-VerkehrSordnung, ferner betr. den Gesetzentwurf wegen Feststellung de« LandesbauShaltS- etatS für Elsaß-Lothringen 190K und die Beschlüsse deS LandeSauSschuffeS über einen Gesetzentwurf für Elsaß- Lothringen wegen Abänderung verschiedener Justizgesetze. Außerdem wurde über mehrere Eingaben Beschluß gefaßt. * 8»» neuen deutsch - österreichischen Handelsvertrag. Gegenüber anderen Meldungen stellt da« „B. T." „auf Grund authentischer Informationen" fest, daß von einer Einigung im Handelsvertrag mit Oesterreich noch keine Rede ist und daß über den Termin der Unterzeichnung des Vertrage» demgemäß auch noch nicht- Näbere« beschlossen sein könne. E» stehe lediglich die Taffache fest, daß die Verhandlungen, die weiter fortgesetzt werden, günstige Aussichten für die Einigung bieten. * Die neuen Aünfztgpfenntgftücke. Die „Nordd.Allg.Ztg." meldet: Nachdem der Bundesrat am 8. Oktober 1904 oe- schlossen hatte, daß neueFünszigpfrnnigstücke mit der Wertangabe „»/, Mark" und schärferer Riffelung deS Rande» im Betrage von etwa lOOMillionen ausgeprägt werb« sollen, ist zunächstmft der AuSmünzung von 10 Millionen vorgeganaen Word«, deren Ausgabe demnächst ihren Ansang nehmen soll. Sobald ungefähr 25 Millionen Mark in neuen Stücken heraestellt sein werde», wa» voraussichtlich im Laufe d«S nächsten Sommer» der Fall sei« wird, soll mit der allmählich« Eia- Ziehung u»d Umpräguug der bisher g«lt«de» Füafzi-pftaai-» stücke vegvaarn werden.
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