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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190501221
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19050122
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19050122
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-01
- Tag1905-01-22
- Monat1905-01
- Jahr1905
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.01.1905
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VezrrgS-Vret- ßD HM chuupwgp-tzsttp, Gtzoo de«M Vnsg-Iw fiel« abgeholt: viertelführlich ^s8.—, bei zveimaltg« tägllch« tz»ft»ll»»g t»«ßa»s ^l8.7ü Durch dir Post bezogt» für Deutsch- laud «. Oesterreich viertrljLhrltch ^s 4.L0, für di» übrige» Lü»d«r laut Aeituu-Sprrislistr. Liese N»»»er kaftet tNL auf alle» Bahnhöfen und III I bet be»Aett»«gs-v«r-Lfrr»-E." Ntsakttnu «Nttz GU>e»ttt»m 1LS Fernsprecher 822 Johannisgafi« 8. Hautzt-Ftltale Dresae», Martenstrabt »4 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt^iltale Lerlt«: k«rID»»ck»r,herzat.Ba>»r^osbllchba^dlg^ LnpowNrahr 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4S08X Nr. 39. WpMerTllgMM Anzeiger. Ämtsölatt -es KSnizklche« Land- und -es LiönlgNche« Ämisqerichles Leipzig, ve, Uetrs »n- -er Nokizeiamles -er Ltadt Leipzig. — — . Soantag dm 22. Januar 1905. Arr zeigen-YreU die 6 gespaltene Petit-eile » Familien- und Stellen «Anzeigen SV Finanzielle Anzeigen, Seschäftsanzeige» »»ter text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Di« 4 gespalten« Retlanuzeil« 7V-ß. U) Ühr, Morgen-Ausgabe: muhmtttags 4 Uhr. sbizetg« fiud stets an dtrErpeditto» zu richte». EKr—Beüa,« (,»r «it der Marge»- Awtgabai »«h besond«rrr veretubarung. Die ErtzetzMa« ist Wochentag» ununterbrochen grSffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck »nd Verlag von G. Pilz i» Leipzig (J»h. ve. R. » «. »ttukhardtj. 99. Jahrgang. Var lvicbllgrle vsn> cage. * Die Prellerschen Wandgemälde aus dem Römischen Sause in Leipzig sind dem Sächsi schen Staate geschenkt worden und werden in der Leipziger Universttätaufaestallt werden. (Diebe Leip». Angel.) * Reichskanzler Graf Bülow empfing Kestern nachmittag den aus dem Ruhrkwbist »urückae- kehrten Oberberghauptmann v. D »l s en zu eitler länge ren Unterredung. * Kür st Ferdinand von Bulgarien wird in den nächsten Tagen, vermutlich am 27. Januar, dem Kaiser «nen offtziallen Besuch abstatten. * Die MutterdeS früheren österreichischen Minister präsidenten Dr. v. Koerber ist gestern gestorben. S. Ausland.) * Rouvier ist gestern mittag im Automobil zu Sarrien gefahren und hat ihm das Ministerium der Justiz angeboten. (S. Ausland.) * Der frühere Präsident deS Onansefreistaats, Gteisn, wirb am 25. Januar von Antwerpen nach Kapstadt abreisen. (S. Ausland.) * Für den heutigen Sonntag sind, um die Mon- strskundgebung der streikenden Arbei terschaft zu unterdrücken, 3 Regimenter Ka vallerie aus Peterhof und I Division Infanterie aus Reval nach Petersburg entsandt worden: ein tragischer Ausgang erscheint unausbleiblich. (S. Ausland.) * Di« „Times" melden, dak die baltische Flotte, wenn sie Madagaskar verläßt, in den w «st - licken Gewässern des indischen OzoanS kreuzen werde. (G. letzte Dev.) P-Mlrcku Aochrprcda«. Der Generalstreik der Bergarbeiter nahm in der letzten Woche da» ganze öffentliche Interesse in Anspruch. So viele ArbeiterauSstände das neue Deutsche Reich schon gesehen hat und so bedrohlich einzelne von ihnen für die Gesamtheit gewesen sein mögen, so ist doch ein Streik von diesen Riesrndimeosione« immerhin etwa» Verblüffendes. ES zeigt sich darin die Kehrseite der beständig wachsenden BolkSzahl und der mit ihr Hand in Hand gehenden Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähig keit. Als vor fünfzehn Jahren in Rheinland-Westfalen 90 000 Bergarbeiter streikten, da schien eine wirtschaft liche Götterdämmerung über da< deutsche Reich herein- zubrechen. Jetzt wird die Zahl der ausständigen Bergarbeiter bereit» auf über 200 000 angegeben, ohne daß mau sicher sein dürste, daß der Höhepunkt deS Streiks bereits erreicht oder gar überschritten sei. Und dabei muß man das Zugeständnis machen, daß selbst diese Viertel Million rüstiger Hände, die jetzt feiern, das wirt schaftliche Gleichgewicht Deutschlands noch nicht ernstlich zu erschüttern vermocht habe«. Die Börse, diese Magnet nadel der Volkswirtschaft, vibriert natürlich etwa» stärker al» gewöhnlich, und die „ordinäre" Polizei de» preußischen Mini ster- des Innern, Frhrn. v. Hammerstein, entfaltet eine etwa- gesteigerte Tätigkeit; aber die Gesamtheit bewahrt vorläufig noch ein« kühlt Reserve. Natürlich ist damit nicht gesagt, daß es nun auch so bleiben wird. Sollte der Streik, der jetzt erst ein paar Tage währt, etwa vier Wochen, sollte er gar vier Monate dauern, dann wird er selbstverständlich unsere gesamt« Industrie in stärkster Weise beeinflussen, ist doch die von der Kohle au-gehend« Energie da- geheime Fluidum, da- den ganzen ökonomischen Organismus in Bewegung setzt. Deshalb war e- notwendig, den Streik im Ruhr gebiet vor da- Forum de- Reich-tage» zu ziehen. Da ist denn auch am letzten Freitag geschehen. Die Sozial demokratie hat dafür gesorgt, daß auch ans dem Resonanz boden de- Reichstage- der Bergarbeitrrstreik einen Widerhall fand. Nur kann mau leider nicht sagen, daß bei dr» Reich-tags- erörternngen viel herau-gekommen wäre. Zweifellos hat Graf Bülow wie in vielen anderen Fragen so auch dem Bergarbeiter streik gegenüber einen zu weiten Blick, als daß er sich von d«n preußischen Scharfmachern den Umfang feines Horizonte- vor schreiben ließe. Es war deshalb auch etwas an der Behauptung, daß zwischen ihm und dem preußische« Haadelsminister Möhler eia gewisser Gegensatz besteht. Herr Möller kam aber seiner ganzen Tradition «nd Denkart nach aus der Haut eines westlichen Industriellen nicht heraus. Aber ia der Praxis schylmpste dieser Gegensatz besonders am Freitag recht be denklich zusammen. Den« anch Graf Bülow hütete sich, gegen die Zechramagnaten offen Front zu mache». Er be gnügte sich, auf den energischen amerikanischen Präsidenten Roosevelt hinzuweisr«, der den Kampf gegen die Trusts und Syndikat, nicht scheu«; »nr klang aus sei»«« Wort« dit Resignation heraus, daß sich etwas ähnliches bei uns nicht durchführe» lasse, oder daß er selbst as doch nicht riskieren wolle. Und dach ist as für de» Reichskanzler nur möglich, ebm besser« Rollt al» die de- Nachtwächters in dem -roßen Streik zu spielen, wenn er anch einmal den Zrchenmagnate« die Zahne zu zeigen wagt. Dazu war aber der angeborene» Farbe seiner Entschließung zu viel Bläffe de« Ge danken- beigemengt, so daß die Herren StinneS, Kir dorf und Genoffen, die jetzt im Ruhrgebiet dit eigentlichen Herren sind, sich schwerlich durch die allgemeinen Ermahnung»» de« Reichskanzlers zur Mäßigung und Be sonnenheit irritiere« lassen werden. Sie fühlen einmal wieder die Neigung, vor aller Welt zu zeigen, daß sie nach wie vor die Herren im Hause sind; und wie die Dinge liegen, dürfte ihnen dabei der preußische Staat Bütteldienste leisten. Ließ doch auch Graf Bülow, so unsicher er sonst auch sein mochte, wemgstens in der Beziehung keinen Zweifel übrig, daß jede Unbotmäßigkeit mit starker Hand nieder geschlagen werden würde. So muß man darauf gefaßt sein, baß da- Reich so gut wie der preußische Staat auch die-mal de» Zauherspruch nicht findet, mit dem sie die Geffter bannen können, toudern daß schließlich hier wie so oft der wirtschaftliche Kampf a» der Verblutung de- eine» »der de- anderen Teil ender; daß e» auch diesmal die Arbeiter sind, die die Zeche betakle» müssen, kann leider kaum einem Zweifel unterliegen. (Weitere» über die« wichtigst« Thema unserer Tage siehe in dem Bericht unsere- Spezialkorrespoudenten au- dem Ruhrrevier.) Nicht ander- dürfte sich die Entwickelung in Petersburg vollziehen, wo gleichfall- ein Riesenstreik im Laufe der letzte» Woche au-gebrochen ist. Der Ausstand ging von den Arbeitern der Putilow-Werke au», hat aber bereit- eine große Reihe anderer industrieller Eta blissement- ergriffen. Bor allem sind e» die Arbeiter der Schiff-Werften u»d der Munitionsfabriken, di« sich dem Streik angrschloffe« habe«. Eine solche Bewegung hat an sich für da» industriearme Rußland noch eine ganz andere Bedeutckng al- jür das de»lsche Reich; sie hat brsooder» jetzt, da mit fieberhaftem Eifer an der Au-senduug weiterer Schiffe »ach Ostafie» «nd an dem Nachschub von Munition und Mannschaften für di« mantschurische Armee gearbeitet wird, eine verhäoguisvlle Wirkung. Aber da» Schlimmste ist anch da- nicht; vielmehr muß die russische Regierung am meisten befürchten, daß die Streikbewegung auf da- politische Gebiet übrrgreist. Denn in diesem Kalle steht sich die russisch« Regierung einer neuen Gefahr gegen über, deren Beseitigung allmählich über ihre Kräfte gehen würde. Scho« jetzt kann e» ja keinem Zweifel unterliegen, daß der Absoluti-mu- sich nur mit Mühe seiner zahllosen öffent liche« und geheime« Feind« erwehre« kann. Da- Attentat auf den Zaren beim Fest der Wafferweihe hat ein leuch tende» Menetekel an die Wand gemalt. Denn um ein plan mäßig vorbereitetes Attentat hat es sich zweifellos gehandelt, al- au- einem Salutschuß ein Kartätscheoschuß wurde, der direkt gegen den kaiserlichen Pavillon abgefeuert wurde. Der Zar ist der Gefahr entgangen; doch man muß die Frage aufwerft», wie lange er sich noch schützen kann, wen» schon seine Leibregimenter gegen die Wühlarbeit der Agitatoren nicht mehr gefeit stud. Schon darf es al- sicher gelten, daß der Reformminister Swjatopolk-Mir-ki seine Rolle auS- gespielt hat und demnächst vom Schauplatze verschwinde» wird. Wa» aber »ach ihm kommt, da- ist zweifellos die kraffe Reaktion. Dabei kann man immer noch nicht sagen, daß wenigsten» die russischen Waffe« in der Mantschurei vom Glück be günstigt sind. Der Handstreich de- KosakengeneralS Mischt- scheu ko gegen die link« Flanke der Japaner, der de» stark verblichenen Ruhm der russische» Kavallerie wieder etwa» auffrischte, hat ja die Verbindungslinie der Japaner mit der See vorübergehend etwa» gestört, doch ohne daß ma« vo» einem wirklichen Erfolge sprechen konnte. E» spar «ine lästig« Bremse, mit deren Abwehr sich die Japaner ewige Zeit abmühe« mußten, die sie aber schließlich erfolgreich in die Flucht jagte«. General Kuro- patkin steht aber immer noch wie angenagelt südlich von Mukde«, ohne daß er seine so oft «»gekündigte Absicht, die Japaner endlich aufs Haupt zu schlage», Wahrzumache« im stande wär«. I» diesrr Beziehung sind wir in Süwestafrika glücklich« daran. Hat e» auch Mühe, Geld und Opfer genug gekostet, so unterliegt e» doch jetzt keinem Zweifel «ehr, daß wenigsten« die Herero der deutsche« Oberhoheit endgültig unterworfen sind. Die Unterwerfung von Wilhelm Maharero drückt diese» Erfolg« der deutschen Truppe» das Siegel a»f. Rur wird es sich jetzt um di« fast noch schwerere Aufgabe handeln, au- den ehemaligen Feinden nützliche Helfer unserer kolonialen Tätigkeit zu erziehe«. Denn da» Land, daß jetzt zu einer Nüst« gewmrde» ist, wieder in ei» Land zu verwandeln, in de» Milch und Honig fließt, darauf »»ß «»»«ehr da- ernst» Bemühen unserer Kolonialverwal- taug gerichtet sei». Ohne Kümpfe mit de« Reichstage wird es dabei freilich nicht abgehe^ wie die erregten Ausein andersetzungen in der vudgetkdWMifsion beweisen. I« Frankreich hat »»» endlich Herr Eombes mit sei»»» Kollege» das Feld geräumt. Er tat es äußerlich «»geknickt, wem» » sich a»ch sage» nmßtr, daß sei» Tage längst gezählt seien. Aber bi» zum letzten Augenblick blieb er der Streithahn, al- der er sich während seiner ungewöhnlich laugen Miuisterlaufbah» bewährt hatte. Noch in seinem DemissionSschreiben schimpft er auf die radikalen Dissidenten, diese Koalition vo» Ehrgeizige« und Ungeduldigen. Nun ringen Rouvier und Clemenceau um seine Nachfolge. Vielleicht macht ein Dritter da- Rennen. Aber wer auch kommen mag, so ist doch an eine grundsätzliche Aenderung der anti klerikalen Politik für absehbare Zeit nicht zu denke». tzmckdm. 2» Lage -er Ztteiür. (Lou »»ferm Epezialkorres»oude»t«n.) Nuhrrevter, am 21. Januar. Ueber 200 000 Mann sind im Ausstand. Langsam, aber stetig ist die Zahl der Aueständigen aogewachien, noch etwa 70f000 arbeiten. Von Unruhen verlautet vorläufig nicht«. Bejon- der» die nun abgebrochenen Verhandlungen in Dortmund sollten nicht gestört werden. Man hat also die Parole au»- gegebe«, möglichst ruhig zu bleiben. An sich konnten diese Verhandlungen kein positive» Er gebnis zeitigen. Sie dienten lediglich zur Information der Regierung, die leider die Rolle des guten Manne- spielt, der den Brunnen zudeckt, nachdem da- Krnd hmeingefallen. Von den Zechenbesitzern nahm niemand an den Verhandlungen teil. Der Bergbauliche Verein steht leider auf dem schroffen Standpunkt, die Organisation der Arbeiter nicht al- deren Vertretung anzuerkenneu. Formal juristisch ist dieser Standpunkt zu verteidige». Er ist aber unverständlich, wenn man unsere ganz« wirtschaftliche Entwickelung betrachtet, die sich nicht durch formal juristische Gründe hemmen oder einengen läßt. Der Standpunkt der Zechenbesitzer ist aber auch unklug, den» er reizt die Masse nur zu um so schärjeren Widerstand. Ist der Streu tatsächlich eine Kraftprobe zwischen Arbeit geber und Arbeitnehmer, so kommt e- allerdings darauf an, wer den Kampf länger auShält. Der »Kapitalist" rechnet auf den scharfen Winter und die «äugelnden Gelder der Streikenden, de.' Arbeiter mit den Millionenverluste«, die die Gilß rdustris märde machen muß. Was hätte Herr Möller darum gegeben, we»n er seiner Zeit in seinem Kampf mit de« rheiniich-westfälische« Groß industrielle» um Madame Hibernia eine» ehrlichen Makler gefunden hätte! Jetzt — o Ironie! — soll er die Rolle be eilen ehrlichen Vermittler- spielen bei denen, die ihm im Grunde ihrer Seele nicht mögen und denen er dieselben freundschaftliche» Gefühle entgegenbringt! Ich kann mir nun freilich schwer denken, daß die Verhand lungen mit der Regierung überhaupt auf den gegenwärtigen Streit Einfluß haben werden. Denn selbst wenn die Regierung sich de» Wünschen der Arbeiter anpaffen sollte, so fehlen ihr doch vorläufig die Handhaben, um ihre Absichten durchzusetzen. Der Bergbauliche Verein steht auf dem Standpunkt: ohne Rückkehr der Arbeiter auf den Rechtsboden ist au keine Verhandlung zu denke». Daß er dabei nicht mit allen seinen Mitgliedern emer Meinung ist, entnehmen wir den Vor gängen der jüngsten Zeit. Auf der Zeche Rheinpreuße« hat Herr Haniel sehr Wohl den Forderungen seiner Arbeiter nachgegeben, obwohl diese ebensogut kontraktbrüchig wurde», wie ihre Kollege» im Ausstande. Aber auch sonst sehlt e» nn Bergbaulichen Verein nicht au mahnenden Stimmen und warmen Herzen. Die Forderuog einer achtstündigen Arbeitszeit ist sehr Wohl erwogen worden und — un- verständig genug — abgelebut, weil ma» sich nicht entschließen konnte, eine einheitliche Einrichtung für die Seil fahrten anzuschaffen. In einigen Zechen dauert diese Fahrt eine halbe Stunde. Diese Zechen haben modernen Betrieb. In anderen aber dauert die Fahrt 1>/, Stunde, da- sind die Zechen der »guten, alten Zeit". Der Vorschlag eine- Groß industriellen ging dahin, die alten Zechen zu veranlassen, ihr« Seilsahrtriorrchtung zu modernisieren. Der Vorschlag wurde abgelehnt. E» ist die- ein bedauerlicher Mangel an Emstcht der notwendlgeu Aeoderungen. Es mag zugegeben werden, daß mau Einrichtung«», die bi» jetzt sich al- notwendig erwiesen haben — wie das Wagennullen — nicht ohne Weitere» abschaffe« kann, weil ein Ersatzmittel fehlt. Ader geschehen muß auch hier etwa». Vielleicht einigt mau sich daraufhin, prozentualiter die ge förderten Steine vom Lohn de- Wagen- abznziehe». Mit Recht kann man un» hieraus antworten, daß durch dieses System wieder ein« Anzahl neuer Kräfte eingestellt werden mußte, die nur di« Arbeit verrichten müßten, Kohle von Steinen zu sortieren, da» Gewicht sestzustellen, usw. Man sieht aus diesen Erwägungen, daß eine Reform jedenfalls nicht so einfach ist. Mittlerweile ist der Ausstand aus die fiskalischen Zechen übergesprungen, »nd die Regierungs vertreter saßen inzwischen in Dortmund und hörte« die Klagen der Bergarbeiter an. War di« Regierung so schlecht informiert, daß sie erst jetzt sich Rats holen muß, hatte st« vom Betrieb« ihrer Zeche» so wenig Ahnung, daß sie nicht sofort die Lage überschauen konnte? Die Stillegungen waren doch ein deutliche- Menetekel. Aber e» ist sonderbar, wie wenig wichtig diese Fragen genommen wurden. Al» vor Kurzem durch die gesamte Presse die Mitteilung ging, daß anläßlich eine» Diner» heim Hautzel-minister Möller de« Kaiser vom Geheimrat 8»eg über die Lag« im Ruhrrevier Vortrag gehalten wurde, da sagt« »an zwar i» hiesigen Jndustriekreis«», daß da- reichlich spät erfolgte, aber man frente sich doch der Anteilnahme des Herrschers. Leider kommt der hinkend« Bote »ach. Bei jene« Di»er ist des Streiks vor de« Monarch« «it keiner Siltze Erwähnung getan. Der Kaiser unterhielt sich, wie «n» von g»t informierter Seit« «itgeteilt wird, sehr lebhaft >b«r drahtlos« Telegraphie i» SwakspmAAd, aber vom Streik sprach «i em and. Der Oberberghanptmann war allerdings zugegen und er mag mit Herrn Möller ge sprochen haben. Und dabei weiß jedermann: Wenn etwas auf die steifnackigen Kohlemnagnaten Westfalen» wirken könnte, so ist e» da- Wort des Kaiser». E- ist ein betrübendes Zeiche« für Preußen« Politik^ wenn da- Geschick von Millionen von der Initiative eines Manne» abhängt, aber es muß doch konstatiert werden, daß dem so ist. ES muß ein Mittelweg gefunden werden. Die letzte Reso lution der Bergarbeiter, die aiff allen Forderungen besteht, die früher dem bergbaulichen Vereine zugingen, ist ebenso unklug, wie di« ablehnende Haltung der Arbeitgeber. Was bezweckt man denn eigentlich mit dieser Schroffheit? Vierzehn Tage Ausstand genügen, um der hiesige» Industrie Millionen schaven zuzufügen. Run gut, die Industrie verfügt hier über Millionen »nd kann eiaige davon verschmerzen. Was ist aber der Arbeiterschaft damit gewonnen? Mao darf doch nicht verkennen, daß eiu Streik nur daun Aussicht auf Erfolg hat, wenn Geldmittel vorhanden find, ihn durch- rusetzen. Mit bloßen Volksversammlung-Phrase« «ud dem Rus: „Kampf bi- zum letzten Bissen Brot" ist niemand geholfen. Wen» der letzte Bissen Brot gegeffe» rst, wa- dann? Und ferner: e- find Arbeitswillige vorhanden, keine «och so «inseitig abeiterfreundliche Presse kann da- leugne«. Sie sagt natürlich: Di« Arbeits willigen haben eben »icht den Mut, ihre Not einzugestehen und Weib und Kind de« Hunger zu überliefern. Nun, wer einmal iu die Verhältnisse hmeinaeseheo hat, der muß zugebeu, daß ein großer Teil der Arbeiter beim besten Willen nicht klagen kann. Sollen diese nun gezwungen werden, au- unverstandenem Solidaritätsgefühl mitzustreiken? Klug genug hat die Arbeiterschaft za auch die Parole au-gegeben, dort »icht zu streiken, wo ma» vor der Still legung steht. Marr darf dabei doch da- Eine «icht verkeunea: eine große Anzahl vo» Stillegungen ist ein« Naturnotwendigkeit. Ein Blick auf die Karte überzeugt davon. E» soll dabei «icht verschwiege« werde«, daß em Teil der Stillegungen rein spekulative» Gründen entsprach. Diese sind unter alle« Umständen zrr verwerfen. Ein recht großer Teil — und das ist Eingeweihte« kein Geheimrri- — ist aber darauf zurück- zufübren, daß die Zeche jämmerlich arbeitete und nur unter Zubuße der Gewerken sich erhalte« konnte. Und vo» dieser Sorte habe» wir ia hiesigem Lande eine recht große Anzahl. Diese gehen durch den Streik völlig zu gründe oder benutzen die gute Gelegenheit, um mit Ausland au- dieser Welt deS Jammer- und Konkurse- abzugeheu. Die Folge ist eiae noch größere Zahl Arbeitsloser. Bon beiden Seilen muß eingelenkt werde». Die Re gierung hat sich ja nun vom Stand« der Dinge spät, aber gründlich überzeugt. Vielleicht hat sie auch etwa- gelernt. ES wäre jedenfalls zu wünschen, daß sie die erworbene Kenntnis dazu verwendet, um weiterem Unheil vorzu beugen. Dr. L. 6. Strettnwchrlctzte«. Wegen befürchteter Ausschreitungen habe» die Land bürgermeister im Essener Revier die öffentlichen Tanz- lnstbarkeite» bi- auf weitere» verboten. Ebenso ,st an den Lohntagen von Sonntag bi- Donnerstag der Verkauf von Branntwei» und Likören außerhalb der Wirtschaft verboten und die Polizeistunde auf 8 Uhr festgesetzt worden. Der Vorstand des Knappschaftsvereins versendet ein Rundschreiben, ia dem r» hecht' „Nachdem ein großer Teil der Belegschaften in den Au-stand getreten ist und gemäß der Arbeitordnung di« Au-ständige» drei Lag« nach der Arbeitsniederlegung al- entlassen betrachtet und au- der Be legschaftsliste gestrichen werden, bitten wir um möglichst baldige Mitteilung der Namen der au-geschiedenen Arbeiter und de» TageS, an dem sie in der Belegschaft-stste gestrichen find, damit wir hinsichtlich der Krankenversicherungs pflicht rechtzeitig unsere Maßregeln treffen können." Viele Zechen schicken den Ausständigen die Abkehrscheine durch die Post zu. Im Begleitschreiben heißt es: „Da Sie ohne Entschuldigung der Arbeit ferngeblieben sind, mithin vier Schichten versäumt haben, ist nach ss 3 der Arbeitsordnung Ihre Entlassung erfolgt. Etwaige Lohn ansprüche können Sie auf dem Zentralbureau geltend machen. Außerdem möchte« wir Sie darauf aufmerksam machen, daß von heute an da» Betreten de» Zeckenplatze« Ihnen verboten ist." Bisher ist alles ruhig. Gleichwohl sind au» Berlin, Köln, Frankfurt a. M. und Hannover Schutzleute in da» Ausstand-gebiet entsandt worden, so z. B. au» Berlin 1 Leutnant, mehrere Wachtmeister und 120 Maun, au- Köln 200 Mann. Der „Reichsanzeiger" schreibt: Nach den am 20. Januar mittags abgeschlossenen Feststellungen waren zur Morgenschicht am 20. Januar auf denjenigen Zechen, die bisher vom Ausstand betroffen sind, 4« 890 Mann über und unter Tage angefabren und 204 724 Mann ausständig. Vom AuSstand unberührt waren folgende in der Förderung befindliche Zechen: Louise Tief bau, Westhausen,Altendorf, Vereiuigte Charlotte beiUeber-Ruhr, Catharina, Friedlicher Nachbar. — Auch auf der Zeche Rhein preußen bei Homberg, OberbergamtSberrrk Bonn, unterbreitete die Belegschaft der Verwaltung eiae Reibe Forderungen, die die Verwaltung mit einer Au-nahme (Regelung der Lohne mit Minimallohn) ohne weiteres bewilligte, worauf ia zwei großen Belegschaft-Versammlungen beschlossen wurde, nicht m de» Streik eiuzatreten. Folge« de« Streik«. * He-eu, 2l. Januar. Da die Belegschaft der Zeche Bereinigt« Trappe i« Silschede ebenfalls streikt, hat da» Hasper Stahl- und Eisenhüttenwerk heute den Betrieb ein gestellt. Die Arbeiter sind jedoch «icht entlasse» worde». ** -atze»lt»»t»rs, 21. Januar. Infolge Kohlenmaagel« hat der Limburger Stahl- und Hütteuvereiu heute de» Puddel- «nd Walzwerkdetrieb eingestellt. Vierhundert Ar- beiter sind dadurch brotlo- geworden. * Köln, 2t. Januar. Wegen Kohlenmangel» legte« die Charlotten- «nd die Friedrlchsdütte iu Siege» ihr« Htahl- uud Walzwerke still. Mehrere Gruben stellte» ihre Förde rung ei». Einig« Hochöfen i» Siegerland ward« außer
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