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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050126018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905012601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905012601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-01
- Tag1905-01-26
- Monat1905-01
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1905 Ml M 805 8. 0,50 8.150.50 8. 9,408. 1,35 8. 0.708. 84.-40 L 85.—8. 5.-8. ^10^ 21^,'lOL »p.:- 1884/1988. 1984/1988. «<i«r Ml. VI»I<i«i>ii«. 1,25 8. 1,05 6. 5.448. 0.248. 80c, 8.8 1845 8.8 .258. 844 L >.248. vvsixss rStek.M. 4758. 9178. 4058 885 8. 810 8. 1850 8. 1 8. 8. 8. 6. S. 'rioritLt«». >>«uttz,s 42008.8 245 8.i. 475 8.8 920 8.1. 410 8.8 840 8. 845 Ll. 1050 8? 10558.1. bl 9. Ls 8.,. 284 8. 282 8 i. 175'18. 178/18.1 643 8/ H4Z 8.i. 1850 8. ,82b»i. 4 325 8/ 4Z758.' 1535 8.1 1v35 8.f i>>8 8«»! Vi»14»i>i1«. s8ici.U1i.l>«sLtc1<.ii<. 8V5 8. 650«. 550 8/il WL 4758.8 700 8.1. In Forint. 9cor»i>I >1.50 8. 62.-8. 14,— S 94.—8- ).'408l 8om, lnOn, Vonnülz. ivi«sil><ir, /üricN. VezugS-Preis do» Unsgnü» stall« a»,«holt: vtarwlsllhrltch »>-, hck »wetmaltga täglich« AnstoUuu» tu» tz«l» ^t L.7L. Dnrch di« Post bezogen für D«>chch- laud ». Oesterreich vterieljährltch SUiOl für di, übrig« Läuda Umt Zeit>«g»pret»lttze. rief« Nmmuer kostet 4/ßlNL auf alle» vahuhvfeu »ad III 7ßL I bet b« ZestuugS-BerUus«» TV 14 «ehaktto» «st Go»estM«u 153 Fernsprrch« 8Ä JohaimtSgasft 8. r«»»«« Mariensttoß« 34 (Fernsprech« AM I kr. 1713). daun t»>hii tat« Berit»: LarlDn» cker, H«zal.Bayr^ofbuchb<mdlg^ 1'ützvwnraßr tO lFerus-rech« Amt VI «r. 4««X Nr. 48. Morgen-Ausgabe. KipMtr.TWMaü Anzeiger. Ämksvkatt »es ÄSniglichen Land- und ves ÄSnlgNchen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag dm 26. Zanuar 1905. Anzeigen. PretS die SgeftnNtme Petitzeile LS yamilim- «xd Stelleu-An-eigen LO Flaauzteü« DteschüMmzetgn, »»1« Texl ob« »» «Mb«« Stell« «ch Laris, ri« »Hespallene M*e? Hrtt, N»»»st»r«f<st!»P für N»G«iG«»: >b«»» L»Agadm »ormvtag« bll Uhr. N»rg«»-U»Hgab«: nachmtttag» » Uhr. RN EMÄllÜSA HR Drmk r»d Berlag von G. Voll in Leipzig Suh. U-.», R. S w. KttnthardU. 99. Jahrgang. Var lvicbtigrtr vom Lage. * Prinz Eitel Friedrich von Preußen ist an Lungen- «utzüuduog erkrankt. (S. Dtsch. Reich.) * Die Budaetkommission de- Reichstages be willigte i'/« Millionen Mart für Beschleunigung de- Baur» der Otawibahu bi» Omaruru. (S. Bericht.) * In Petersburg hat die Zeit der Haussuchungen und Verhaftungen begonnen; die deutsche Kolonie feiert den 87. Januar nur durch Gottesdienst. (S. den Artikel.) * Für die gestrige Feier de« 150jährigen Jubiläum- der Universität Moskau war uur ein Gottesdienst in der UaiversttätSkirche zugrlassea. Auch die Setzer streiken jetzt. (G. den Artikel). * Mehrere ausgewiesene Finländer sind mit Er laubnis de- Zaren von Stockholm in die Heimat zurück gekehrt. (S. den Artikel.) vir kurrircbe stevslte. Seit einigen Jahren hat sich der angeblich nüch terne deutsche Charakter in mancher Beziehung dem romanischen genähert. Wir sind Rhetoriker geworden und haben uns eine literarische Gattung geöffnet, die unserem Wesen bisher unzugänglich schien. Wir arbeiten in Ueberschwänglichkeit und machen in Superlativen. Dieser Zug, der sich in Wort und Schrift deutlich nachweisen läßt, tritt dann besonder» stark zutage, wenn e» sich um die Beurteilung russischer Zustände handelt. Das ist nicht unnatürlich, denn bei manchen Schriftstellern stellt sich, Wo Begriffe fehlen, da» Wort eia und diese Begriffe fehlen u»S trotz der räumlichen Nachbarschaft inbezug auf Ruß land immer noch sehr; denn geistig sind die beiden Nationen durch Welten von einander getrennt. Da liegt denn die Versuchung nahe, den Mangel an exakten Kennt nissen dnrch Deklamation zu ersetzen, aber gerade in dieser Beurteilung Rußland- notigen un» politische und finanzielle Motive zu äußerster Vorsicht. Gerade auf diesem heiklen Gebiete sollten wir alle Phrasen von unS abtun und bemüht sein, nur nach Spinozas Vorbild zu verfahren und die Zustände jenseits der Grenze ohne jeden Affekt zu beurteilen. In den letzten Tage» lesen wir selbst in ernsten urteilsfähigen Blättern Schauer geschichten, die vielleicht wahr sein können, die aber ebenso vielleicht erlogen sind. So wurde z. B. in einem Berliner Blatte berichtet, der Zar habe unmittelbar nach dem Attentat seine Familie zusammengerufen und von ihr die Wahrheit gefordert. Mitten in der Ansprache aber sei er Plötzlich mit verzerrtem Gesicht zusammengesunken. Die Szene wurde mit allen Einzelheiten beschrieben und der un befangene Leser mußte den Eindruck erhalten, daß der Zar nicht nur seine Familie, sondern vor allem den auswärtigen Korrespondenten Herrn Müller »der Schulz unmittelbar unter dem Eindruck de» Attentat» zu sich berufen habe, damit dieser seinem Blatte über den epileptischen Anfall mög lichst eingehend referieren könne. Und der Abonnent erstaunt über die Verbindungen seine» Lribblatte», die e» ihm ermög- lichen, dem Zaren mit verzerrtem Antlitz In üngrantl abge- knipst und zum Morgenkaffee serviert zu erhalten. Dem gegenüber müssen wir doch feststellen, daß bisher das Charakterbild Nikolaus' noch schwankt. Ganz Zuverlässige» wissen wir weder über seine intellektuell», noch über seine moralische Wesensart. Natürlich ist e» sehr bequem, den Zaren der Feigheit zu zeihen, weil er sich dem Volke nicht gezeigt habe. Wie leicht aber bei dieser Gelegen heit ein Steinwurf, ei» Flintenschuß, eine Bombe seinem Leben rin End« machen konnte, da» bedarf keine» Beweise», und der Zar kann ein Mann von großem persönlichem Mut sein und doch die Ansicht hegen, daß «S geradezu frevelhaft sein würde, in diesem Augenblick sein Leben zu exponieren. Schwerlich würde mit einem solchen Beweise von Tapferkeit derDache der Freiheit gedient sein, denn wenn jetzt ein Anschlag auf den Zaren gelänge, so würde ganz sicher die blutigste Diktatur die Folge sein. Da» mögen seine Räte dem Zaren vorgebalten haben, und wir wüßten nicht, wa« gegen diese» Rqisonnement einzuwenden sei« sollte. Gewiß, e« ist möglich, daß Zar Nikolau» der Bewegung au» Mangel an Nervenkraft nicht persönlich entgegentrat, tbenso möglich ist «» aber, daß er e» au» triftigen Gründen der StaatSklughrit nicht tat. Ebenso leicht ist e», dem Zaren «nau»gesetzt da» Allheil mittel der Verfassung anzuempfehlen, indessen hat Wohl gerade die tragisch« Naivität de» Arbeiter ausstande» bewiesen, wie wenig di« Nation für «ine solche reif ist. Bei nüchterner Urberlegrnhrit wird man sich sagen müssen, daß der Weg eiaer langsame» Vorbereitung der einzig sichere und richtige ist. Wenn da» Dokument vom Dezember vorigen Jahre» eine klarere Sprache geführt hätte, so hätte jeder, auch der liberalste Russe sich mit seiaen Zu geständnissen einverstanden erklären können. Wir lesen ferner täglich selbst in gemäßigten Blättern da» tadelnde Wort: der Ausstand sei im Blut« erstickt worden. Glaubt irgend jemand, daß man einem derartige« Ausstande wo ander» ander» begegnen würde? Eben erst hat der Reichskanzler chae jede» zwingend« Grund den musterhaft ruhig« Bergarbeitern gegenüber da» Einschreiten des Militär« m Aussicht gestellt und dabei handelt» »« sich nur um eine Eventualität, di« wahrscheinlich und hoffentlich gar nicht eintritt. In P-terSburg war angeküadigt, daß 140 000 Ar beiter vor da» Winterpalai» ziehen und keinem anderen die Adresse übergeben würden al» de« Zaren. Glaubt im deutschen Reiche irgend jemand, daß in Berlin nicht die ganz« Garnison zusammengezoge« werden würde, und daß ein derartiger Versuch ander» verlaufen wäre al» in Peters burg? Wenn jetzt die 150 000 Bergleute nach dem Rate des Herrn Bernstein einen durchau» friedlichen Massen spazier gang nach dem Hause de» Herrn Kirdorf unternehmen würden, um Herrn Kirdorf einen Brief zu überreichen, so würde da- Militär genau so wie in Rußland einschreiten und man könnte ihm darau» nicht den geringsten Vorwurf machen. Man sollte aber auch der russi sche» Regierung diesen Vorwurf nicht machen. Die Arbeiterkundgrbung trug keineswegs einen ungefährlichen Charakter. Ersten» sind Massen niemals ungefährlich. Ihre Stimmung kann von einem Augenblick zum anderen au» Friedfertigkeit in Raserei Umschlägen. Zweiten« ist e« bereit» erwiesen, daß seit Wochen revolutionäre Umtriebe einen solchen Ausbruch vorbereitet haben. Selbstverständlich soll mit diesen Einschränkungen nicht etwa das System der Auto kratie verteidigt werden. Wir halten eine vorsichtige Um bildung diese» System» für durchau- notwendig, aber wir möchten einer kühleren Betrachtung da» Wort reden. Al« die Schüsse beim Fest der Wasserweihe in dem Pavillon fielen, da orakelte man allenthalben, da« russische Heer sei nicht mehr sicher und die Stund« der großen Ab rechnung sei nahe. Jetzt hat e» sich gezeigt, daß der Zar sich auch gegen sei» eigene« Volk aus die Truppen verlassen kann. Noch also ist Zar Nikolau« der Herr seine« Lande«. Er ist e« und wird e» bleib«, so lauge «r seiner selbst Herr ist. Freilich, wi« lang« die» d«r Fall sein wird, ob und wann die Nervenkraft de» Autokraten zusammenbrechen wird, da« wissen wir nicht. Er ist in einer Lage, der auch Stärker« vielleicht erlieg« würden, denn man bedenke wohl, daß eine mächtige Partei in der unmittelbaren Umgebung de« Zaren von konstitutionellen Experiment« überhaupt nichts hören will und daß eine Auflehnung gegen diese Partei gefährlich ist. VostLZa torrout, er wäre der Erste nicht! E» scheint un» ratsam, die Folgen der Revolte nicht zu überschätzen. Aehnliche» ist schon öfter in Ruß land vorgekommrn, wenn auch nicht in dieser Ausdehnung und in dieser Stärke. Sicher aber wird e» gelingen, die Revolten niederzuschlagen. Wen« dann ein Mann an die Spitze de» Reiche» träte, der in klarer, allen verständlicher Sprache Besse rung verheißt und sogleich mit der Tat einsetzt, so ist r» noch immer nicht zu spät. Ob dieser providenzielle Mann sich findet oder nicht, davon hängt die Entwickelung de» nächsten Jahrzehnte» ab. In Rußland ist man der Ansicht, daß ein« Aera Witt« beginnen wird. Jeden- fall« ist er die einzig« Persönlichkeit, auf die die russische Regierung noch Hoffnungen setzt. Er ist der Einzige, ob er der Richtige ist, ist fraglich. Witte ist ein Mann, der mit der ganz« Bildung unserer Zeit ausgerüstet ist und den man nicht mit plumpen Reaktionären vom Schlag« PlehweS vergleiche» darf. Ob er e» vermag, Geister zu ruf« und zugleich zu bannen, Schleus« zu öffnen und zugleich einer vernichtenden Ueberschwemmung zu wehren, da» kann uur die Zeit lehr«. Der Seneralrttellt im siubrrevier. Auf dorn toten jpnnkt. In einer am DieuStaa Abend in Köln abgehalten« überaus stark besuchten Volksversammlung berichtete der Führer der christlichen Bergarbeiter Essertz-Effe» über den gegenwärtigen Stand de» Bergarbetterstreik», der auf einem toten Punkt «»gelangt, indessen nicht beendet werde, bi» die hauptsächlichsten Forderungen der Berg leut« bewilligt wären, selbst wen» der Ausstand noch zwei bi» drer Wochen andauere, lieber den auf den staat liche» Grube» auSHtbrochenen Ausstand werde die Siebener kommission am Mittwoch beraten, jedenfalls werde sie die Belegschaften auffordern, wieder anzufahren. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, i» der die unentschlossene Haltung der Staatsregierung entschieden verurteilt und ver langt wird, daß der Staat gegenüber dem assoziiert« Milliardenkapital Stellung nehm« und die Willkür einzelner weniaer Kapitalgewaltigen in diejenige» Schrank« verweise, di« eu»« gesunde Bolk-wohlfahrt beding«. Amtlich wird im .ReichSauz.' «itgeteilt: Nachdem die Vertretung der ausständigen Ruhr-Berg arbeiter, die sogenannt« Sleteaerkommission, bei der Ver nehmung durch die Ministerialkommisfion am 17. und IS.d.M. «gesagt hatte, die Unterlage» für ihre Beschwerden mit tun lichster Beschleunigung zu verschaffen, wird di» Miuisterial- kommissto» am Freitag, den 27. d. M., wiederum nach Dortmund reisen, um am folaendeu Tage nach An hörung d«r Siebenerkommisston «dgultig de» Plan für die Untersuchung der Beschwerde» aufzustelle». Die U»ter- sllchnngen soll« al-dann «fang nächster Woche beginnen. Nach der -Voss. Ztg.' wird der Vergbauverein in Ess« morg« de» Verhandlung« der Ministrriallommissio» bei wohn« L»d über ewig« von der Ar beittrk» Ulmisstoa gestellt« Fordarm»»«» Beschluß fass«. tenhausr hat Aba. Stoetzrl stürz der russischen Werte führ« müßte. Man erwartet Zentrum- folgenden Antrag für morgen eine Proklamation de» Kaiser». Inzwischen ist Wie nach Kattowitz berichtet worden ist, bereitet in Lodz die polnisch-sozialistische Partei einen allgemeine» Ausstand vor. Die ganze Garnison steht in Bereitschaft. Aüskohr »«rbannte» FinlSndo». Wie au» Stockholm gemeldet wird, sind infolge der Erlaubnis des Zaren, daß die ausgewiesenen Finländer in die Heimat zurückkebren können, am Dien-tag mehrere Fiu- länder, darunter Graf Creutz und der Advokat Eaftre», zurückgereist. Anllländischo Anndgobnngo«. Der Gemeinderat der Stadt Lyon hat, wie die ,Ml». Ztg.' meldet, auf den Antrag einer sozialistischen Grupp« fast einstimmig die nachstehende Erklärung angenommen: -Infolge der schmerzlichen Ereignisse, di« Petersburg zum Schauplatz und die russisch« Arbeiter zum Opfer batten, erhebt der Gemeinderat mit der Entrüstung, di« «ine Demo kratie dabei beseelen muß, Einspruch gegen diese» barbarische Verfahren, da» eine» zivilisierte» Land«» unwürdig ist. Die Versammlung sendet dem russischen Volke den Ausdruck ihrer lebhaftesten Teilnahme und drückt den Wunsch au», daß seine Forderung« triumphieren möchten." — Die römischen Zeitungen sind nach einem Telegramm der ,Frkf. Ztg.' voll von Interview» mit Björnson und russischen Journalist«, die ihren Abscheu gegen die gewaltsam« Unter drückung der Volk«bew«gung in Rußland au»drück«. Di« .Tribun»' überschreibt ihren Leitartikel mit .Schande' und sagt, da» Volk branch« kein« Rücksichten zu nehmen wie di« Regierungen und könne der Entrüstung vollen UuSdruck geb«. Der Gemeinderat von Pavia und di« sozialistisch«» Vereine i» viel« anderen Städte» erließ« Protest resolutionen. Ei» Kn»is<hoi«fnll in« L«its<hko»p»l«»iO s Au» Petersburg erhält die .Deutsche TagrSzta." folgende Mitteilung, die sie .allerdings auf ihr« Zuverlässigkeit nicht prüf« kann'. Obwohl d« La» dia Bestimmung h«» Vie stritt; in sturrlsn». Di» militärisch» Sichernng Petersburg». Von einem militärischen Mitarbeiter, dem es angebracht scheint, * Erinnerungen an Ludwig XVl. heraufzubeschwören, wird dem „H. C." geschrieben: E» hatte geheißen, daß vier Infanterie-Regimenter Petersburgs gewillt seien, nicht auf die Arbeiter zu schießen; bi« jetzt aber hab« sich die Truppen, von denen allerdings vorwiegend Kavallerie zur Verwendung gelangte, mit zwei vereinzelten Ausnahmen als zuverlässig erwiesen: nur im Wassili-Ostrow-Distrikt soll Infanterie vor den Barrikaden die Waffen nieder gelegt haben und bei der Nicolaib rücke, die westlich »um Winterpalais führt, sollen einige Soldaten, auf dir Auf- »orderuna der Arbeiter, nicht zu schieß«, die Gewehre haben sinken lassen. Bemerkenswert ist, daß die Truppenkomman deure, ungeachtet des gemessenen Befehl», keinen zu schonen und auf jeden Äufreizer zu schießen, nur beim Winterpalais zur Anwendung von Geschützen geschritten sind, sich im übrigen zunächst möglichst aus die Anwendung der blanken Waffen der Kavallerie beschränkt haben. Einstweilen zieht die Regierung, offenbar in der Besorgnis, daß der Ausstand weiter um sich greife, sehr bedeutende Verstärkungen aus den Petersburg benachbarten Garnisonen nach der Hauptstadt, und zwar 4 Regimenter au» Narwa, 3 Regimenter Kavallerie aus dem nah« Peterhof, und die ganze 23. Infanterie- Division aus Reval zur Bewachung der Fabriken. Ferner die 38. Infanterie-Division aus Reval und Pfkow. Die Garnison Petersburgs besteht bereit» au» der l. und 2. Garde-Infanterie-Division, der 37. Infanterie- Division de» 1. Armeekorps und aus der 1. und 2. Garde- Kavallerie-Division, ist jedoch zurzeit, da die Reserven nicht einberufen sind, nur auf etwa 25 000—30 000 Kombattanten zu veranschlagen. Dies« Anzahl genügt gegenüber einer auf ständischen Bewegung in einer Bevölkerung von I»/, Mil lionen nicht, so daß ihre bedeutende Verstärkung durch di« erwähnten Truppen notwendig wurde. Petersburg liegt auf zwei Inseln und zwar Wassili- Ostrow und PeterSburgSki-Ostrow und auf der durch d>n Lauf der Newa gebildeten Halbinsel, die die Hauptstadttri!« AdmiraleteitSkaja, KasanSkata, Sprßkaja, NarwaSkaja, MoS- kowskaja, Litemaja, RoschdenSwenstkaia und Alexander- NewSlikaja umfaßt. Die Newa bildet mit dreien ihrer Arme jene Inseln und begünstigt die Isolierung und die Ueberwältigung der Aufständischen in Abschnitten. Inmitten der Stadt liegt auf einer vierten und kleineren Insel die von Peter dem Großen erbaute Peter Pauls- Festung, die mit ihren Geschützen die wichtigsten Newa brücken, die Troitzki-, Dworo-, Alexander- und Tutschkow- brücke, sowie die umliegend« Stadtteile beherrscht. Die militärischen Bedingungen für die Ueberwältigung des Aus standes sind daher vorhanden und nur eiu Schwanken in der Festigkeit und Treue der Truppen könnt« dieselbe vereitel», wenn etwa, wie bei dem Dezemberaufstand von 182L, der heutige Aufstand durch hohe Offiziere, wie damals die Fürsten und Generale Obolen»si, Sergei-Trubetzkoi, Muraw- sew-Apostol, Pestel u. a., sowie durch einige Garderegimenter unterstützt würde. Darnach steht e» aber vorläufig nicht au». In pitrrrbnrg. Der Petersburger Berichterstatter d«» .Daily Thronicle" drahtet vom Dienstag, gegen Mitternacht: Die Truppen be herrsch« noch immer die Stadt. Unaufhörlich Neffen Militärverstärkung« ein. In den Vorstädten wurden wieder Läden geplündert und Telegraphendräht« durchschnitten, doch war heute keine allgemeine, organtfierte Bewegung der Aufständischen zu bemerk«. Diese wart« ab, wie sich di« Ereignisse außerhalb der Hauptstadt entwickeln werden. Hierüber lauf« haarsträubende Bericht« «in. Der kritisch« Tag wird wahrsch«inlich der morgig« sei». Ma» erwartet, daß, wen» di« Vorhersage überhaupt zutrifft, da» Signal von Mo»ka» komm«, werde. Jedermann fragt: .Wa» wird Mo»ka« tun?" Der Fioanzminister soll den Zar« ersucht hab«, die Er nennung Trepow» zum Diktator von Petersburg nicht zu vollzieh« und auch d« Belagerungszustand nicht zu ver hängen, da «in« salch« Maßregel pe «in« scharf«, Sur»- der Aufenthaltsort de» Kaiser» unbekannt. — Heute abend waren die Straß« Petersburg» wieder in tiefe Dunkelheit gehüllt. All« Häuser waren geschlossen. Maa sah nur wenige Zivilperson« in den Straßen. In der Nacht zum Mittwoch wurde »ach eiaer Depesche der,/Voss. Ztg." die Beerdigung der unglücklichen Opfer vom Sonntag fortgesetzt. Aus dem Mrnnrhospital wurden 40 Leichen getragen, Vorau schritten di« Geistlichen. Die Polizei hat befohlen, am Mittwoch abend schon von 5 Uhr an sämtliche Haustüren zu schließen. Die Theater sind schon seit drei Taaen geschlossen, ebenso alle Vergnügungsetablissement-. — Auf Befehl de» General» Trepow werd« nach dem ,B. T.' ununterbrochen Haus suchungen vorgenommeu. Mehrere hundert Per sonen aller Schichten der Bevölkerung wurden verhaftet und nach der Peterfestung geführt. Trepow ließ mehrere Arbeiterführer zu sich bescheid« und forderte sie auf, auf ihre Kolleg« eio^uwirk«, daß st« keine Politik mehr treiben möchten. Die Beschwerden würde er, soweit st« wirtschaftlicher Natur wär«, wohlwollend prüfen und Er füllung aller Forderungen erwägen. — Mau will nach eiaer Pariser Depesche de» A." die tätigst« Mitglieder de» liberalen Komitee« in dies« kritischen Tagen fest halten und ihn« später angeblich freistell«, in» AuSlavd zu reisen. Witte empfing Verwandte der Verhaftete» und erklärte ihnen, e» sei richtig, dak dir Herr« kürzlich bei ihm al» Deputation vorsvrach«. Er und Fürst Mirsky sei« durch die Verhaftung selbst überrascht. Er wolle gern alle» aufwendeu, di« Verhaftet« freizu- belomm«», vorausgesetzt, daß sie uicht weg« anderer Ver schuldungen zur Rechenschaft gezogen Word« seien. — Auf den Putilowschea Fabriken soll« »ach der .Boss.Zta.' die Wied eranmeldungeu zur Arbeit hraonn« haben. Di« Vertreter der Blätter war« bei MlrSky und äußert« ihre Wünsche auf Einberufung einer Repräseutanteuversamm- und die Freiheit der Presse. Der Fürst erwiderte, Reformen seien im Gange und würde« verwirklicht werden, sobald di« Ruhe wiederheraestellt sei. — Die deutsche Kolonie hat beschlossen, an Kaiser» Geburts tag nur «in« FestgotteSdienst abzuhalt« uud da» sonst übliche Festessen und den Kommers au-fall« zu lassen. — Ueber die Vorgänge am Sonntag wird dem ,B. T.' noch berichtet, daß auf dem Platz« vor dem Winterpalais keine Ansammlung stattgefunden hat und kein Schuß gefallen ist, die Zusammenstöße ereigneten sich außerhalb der Stadt. Ferner ist festzustelleu, daß der Priester Gapon vor dem Narwator verwundet wurde und daß er uicht ge flohen ist. In Wie der „Voss. Ztg." gemeldet wird, hab« gestern die Setzer die Arbeit niedergelegt. — Rach der tele graphischen Berichterstattung fand vorgestern m voraerückter Abendstunde eine Versammlung der Gehülfeu der Moskauer Rechtsanwälte statt, in der — genau im Sinne der Peters burger Resolution — beschlossen wurde, die Führung von Prozesse« „wegen de» Fehlen« der nötigen Ruhe" riuzuskelleu. Iensett» von MvSkau durchzogen di« ganz« DienStagnacht hindurch Truppen, Polize,Patrouille» und Arbeiter haufen die Straßen; «» fanden kein« Zusammenstöße statt. E» streikten die Arbeiter in zwanzig, vorzugsweise mittel- großen Fabriken. Auf der Fabrik Weichelt forderten die Arbeiter den Achtstundentag, die Entlassung von vier Meiste« wegen Bedrückung der Arbeiter, Beseitigung der Strafen und bösliche Behandlung der Arbeiter; außerdem wünschen die Arbeiter an der Abschätzung der gelieferten Arbeit teil zunehmen. Die Arbeiter der Fabrik Bromley, die fast gleich zeitig mit jenen die Arbeit «instellten, schlossen sich ihren Forde rungen unter Aeußeruog anderer Wünsche nach Schaffung einer Fabrikbibliothek uud eine« Lesesaale» an; ferner soll da« Fabrikambulatorium in ein Krankenhaus umgewandelt werden. In beiden Fabrik« fordern die Arbeiter, daß der Lohn für di« Zeit des Ausstande- voll gezahlt werde. — Die gestrige Feier de» 150jährigen Jubiläums der Universität sollte aus einen Gottesdienst in der Universitätskirche be schränkt bleiben. Im preußisch« Abgeordnetenhaus« (Ztr.) mit Unterstützung de» Zentruv zum Bergarbeiterausstand eingebracht: Da» Han» der Abgeordnete» wolle beschließ«: dl« Staat», regirrung z» ersuchen, sofort eine Kommission unter Zuziehung von mindest«» 7 Mitglieder» de» Abgeordnrtenhausr» zur Untersuchung der ArbeÜerverbLltlllfl« im Kohlenbergbau eiuzusetzeu, und auf gründ der Ergebnisse eine« Sesetzentwurf zur Beseitigung der fest- gestellt« Mißstände schleunigst einzubrtngen. Der ,FLln. VolkSztg." zufolge wie- Thyss« L Comp., die Inhaberin der Hamboruer Zechen, sämtliche Konsum anstalten an, die Warenpreise nm S bi- 10 Pro,, zu er mäßigen, um den notleidenden Bergleuten - Familien bei- zustehen. In Oberhausen und anderen Städten hat die Eisenbahn die dort lagernden Kohlen verbraucht, so daß der sogenannte KriegSbeslanv i" Angriff genommen werden mußte. Die Firma Krupp, die ihren Angestellten Hau»- branvkohle lieferte, hat nach dem „8.-A." diese Lieferung« jetzt wegen Kohlenmangels eingestellt. Di« Mittel der Ltreikendelw. Nach Meldung au» Bochum sind beim alten Verband 100 000 an UllterstützungSgelvern «ingegangen, beim christlichen Gewerkverein 40 000 Aus Leipzig sind am Mittwoch 5000 als zweite Rate vom GewerkschaftSkartell zur Unterstützung au die streikende« Bergarbeiter abgesandt worden. Folgen des Streik«. In Bremen fand am DienSlag zwischen Vertretern de» Kohlensyndikat» und der großen Reederei« au» Anlaß des BergarbeiterauSstauve» eine Besprechung statt, in der e» sich hauptsächlich um die Kohlenvepoi» in Port Said u. a. handelte. Dabei erklärten die Syndikat-Vertreter, daß sie, so lange die Bergleute die Arbeit nicht wieder aufnehmen, die Intervention der Regierung ablehnea müßten.
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