Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050201026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905020102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905020102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-02
- Tag1905-02-01
- Monat1905-02
- Jahr1905
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe einiger Tageblatt SS. Jahrgang. Nr. 58 Mittwoch den 1. Februar 1905 Feuilleton Wirrsnl in ihr ein Ende bereitete. Und während sie noch so dastand, beschloß sie, zur Schneiderin zu schicken und fragen zu lassen, ob ihr graues Kleid schon fertig sei. Sie dachte es sich so hübsch, die Schwägerin darin zu empfangen. Ann»tz«eschluß für Anzeige»: Abrnd-Au-gabr: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. scheulich betragen? Er hatte — ja sie bekam cs gar nicht mehr zusammen, was er getan hatte. Und da stieg ihr Aerger von neuem auf, es wurde ihr ganz nervös, ganz elend zu Mut. Sie warf sich auf den Sessel, zog das Taschentuch hervor und schluchzte. Nickt einmal der Gedanke an das Stelldichein mit Grubweiler machte ihr jetzt noch Vergnügen. Es wurde ihr alles vergällt, aber alles! Sie schrak zusammen, als cs jetzt an der elektrischen Flurklingel läutete. Schnell trocknete sie ihre Augen und erhob sich. Minna, daS Kindermädchen, trat mit einer Depcsckc ein. Frau Agnes erbrach hastig das Telegramm und las: „Ich komme schon heute abend 7 Uhr. Valeska." Da leuchteten Frauchens Augen auf. „Ach, meine Schwester kommt heute schon!" sagte sie zu Minna. Tann ging sie hinüber zu ihrem Mann. Aller Unmut war aus ihrem Gesicht wie weggeblasen. .,Du, Valeska kommt heute schon!" rief sie und reichte ihm die Depesche. Ihm schien die Nachricht ebenfalls Freude zu bereiten. In diesem Augenblick fiel es Frauchen ein, -aff sie nun morgen nicht zum Stelldichein werde gehen können. Das machte ihr aber merkwürdigerweise gor keinen Kummer. Es ist Schicksals Fügung, sagte sie sich mit erleichtertem Herzen; Schicksals Fügung war ihr immer jeder Eingriff von nutzen, Lor irgend einem inneren BezugS-PreiS bl der Hauptexpedition oder bereu Ausguss» stelle« ab geholt: vierteljährliches.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung tu» Hau» S.7V. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ^tl 4.00, für di« übrigen Länder laut Z«itunq»prei»ltste. Begründung vom 28.1.1905. Andererseits erschien eine Er höhung de» oberschlesischen Gchweineeinfuhrkontingent» von 1360 auf 2500 Stück die Woche, mithin von 70 720 auf 130 000 Stück im Jahr, angängig. Da» Zugeständni» entspricht dem wirt schaftlichen Bedürfnis der starken oberschlesischen Arbeiterbevölke rung und begegnet infolge der von beiden Seiten geübten sorg fältigen Aussicht keinen wesent lichen veterinären Bedenken. II. Valeska Bruhn fuhr dritter Klasse, aber nicht im Frauenabteil, denn sie fand diese Einrichtung ungerecht fertigt wie alles, was nach Schutz der Frauen als deS schwächeren Geschlechtes aussah. Gelegentlich zwar be rührte das Benehmen der Männer während der Fahrt sie unangenehm, aber sie sah dies als ein Ueberbleibsel falscher, frauenhafter Scheu in sich an und war bestrebt, solche Eindrücke zu überwinden. Sie saß in einer Ecke und blickte hinaus ln die nord- deutsche Ebene, auf die überschwemmten Wiesen und weiter hinaus zu dem noch winterlich kahlen Walde. Sie hing ihren Gedanken nach und bekümmerte sich nicht viel um die übrigen Insassen des Abteils, zwei jüngere Männer und eine ältere Frau mit einer er wachsenen Tochter. Soviel bemerkte sie aber doch, daß das junge Mädchen öfters mit verschämt neugierigen Micken zu den beiden Herren hinübersah. Es war ein hübsches, frisches Mädchen, das es gewiß nicht nötig l)atte, sich um die Gunst der Männer zu bemühen; zu den: kamen sie schon von selbst, denn eS war ja doch das A und O des männlichen Geschlechtes, irgendwie Bo- Ziehungen zu Frauen zu suchen! Wo aber blieb die Würde -er Frauen den Männern gegenüber? Vie vombenkunae in pari». ES sind im Laufe des Vormittags zwei Pariser Tele gramme auSgegeben worden, deren eines einen dritten Bomben fand meldet, während das zweite sich auf da- Attentat in der Avenue de la Republique bezieht. Sie lauten: * Part», I. Februar. In der Tür de» Hauses Nr. 22 der Avenue de l'OpSra wurde heute früh von einem Polizeibeamten eine zylindrische, 30 am lange Blechbüchse aufgefunden, die mit einer Zündschnur versehen war. Die Büchse war so hingelegt, daß sie, wenn die Tür geöffnet wurde, umgestürzt werden mußte; sie wurde ins städtische Laboratorium gebracht. Das genannte Hau» wird zurzeit von Ausländern bewohnt. * Part», 31. Januar. Der Untersuchungsrichter Flory ließ nachmittags Haussuchungen bet bekannten Anarchisten vor nehmen und vernahm eine Reibe von Zeugen in der Angelegenheit Frauchen. Roman von Felix Freiherr von Stenglin. Nachdruck verboten. Er hielt inne und wandte sich wieder um. „Was hast du denn? Ich rede ja nicht von dir, sondern von dem Bummelanten, diesem affigon —" „LH, ich weiß schon! Tu willst mich ganz und gar zur Sklavin machen. Aber daS laß ich mir nicht bieten!" Sie stand mit rotem Kopf vor ihm, als ob er im Begriffe sei, ihr das Teuerste auf der Welt zu rauben. Er schüttelte, sie betrachtend, den Kopf. „Mit dmn linkem Fuß aufgestiegen, scheint mir. Schade. Wenn man nach Haus kommt vom Dienst, da freut man sich nämlich sozusagen. Und nun wird man so liebenswürdig empfangen. Na, das wird schon vergehen." Er trat ins Eßzimmer, indem er sang: „Und ob die Wolke sie verhü—it—ülle —", nahm die Zeitungen und begab sich damit in seine Stube. Frauchen war gar nicht mit sich zufrieden. Sie hatte ihren Mann angcklagt, und nun lvar ihr, als ob sie Unrecht bekomme. Doch nach einer Weile tröstete sie sich damit, daß er in hinterlistiger Weise nur immer jeden Streitfall zu seinen Gunsten zu wanden verstehe. Ja, das mußte wahr sein, es lag etwas Hinterlistiges in seinem Wesen. Hotte er sich nicht eben wieder ab Aetzatti»« uns Erpesttwn: 153 Fernsprecher 22L Iohannt»gasse 8. Hautzt-Filtale Dresve«: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 17131. dnutzt-Ailinle Berlin: TarlDunckrr, tz«rzal.Bayr.Hofbuchbandlg. Lützowstraß« 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Var ivicbtigrte vom rage. * Auf der Königin Luise-Grube bei Zabrze (Ober schlesien) streiken heute 2600 Mann von 3000. * Nach einer MySlowitzer Meldung der „Breslauer Zeitung" wird für beute im benachbarten russischen Jndu- strierevier der Generalstreik erwartet. «u zeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile SS Familien-- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, Keschäft-auzrigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Die »gespaltene Reklamrzetle 78 Nein, Valeska wollte lieber garuicht Hinsehen. Sie starrte nun anhaltend zum Fenster hinaus. Man ließ sie Gott sei Dank zufrieden und versuchte nicht, eine Unterhaltung mit ihr anzuknüpfen. Wohl hatten die anderen sie beachtet, aber sie war ihnen zu fein und zurückhaltend erschienen, um sich ihr zu nähern. Der Anzug war sehr einfach, aber cs lag gerade darin ein gewisses vornehmes Etwas, das die feine, gebildete Dame erkennen ließ. Und das ernste, schmale Gesicht mit der schmalen, fei „gebogenen Nase und den kühl blickenden, großen, grauen Augen ver stärkte noch diesen Eindruck der Vornehmheit. Valeska Bruhn sah immer ernst aus, wenn eS keine Veran lassung zum Lachen gab. Dies Lächeln ohne Grund anderen Menschen gegenüber, bei der Begrüßung und in -er Unterhaltung, erschien ihr kindisch und unehrlich. Sie hatte es sich mit Energie ganz abgewöhnt, und des halb nannten manche sie stolz und unzugänglich. Während sic so aus dem Wagenfenster hinaus träumte, kamen die Mitfahrenden in ain näheres Gespräch, und jetzt hörte Valeska, wie einer der jungen Männer sagte: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, liebe Frau, wenn ich nicht verheiratet wär', würd' ich Ihre Tochter heiraten, die gefällt mir!" Valeska sah zur Seite und bemerkte, mit welch' begehrlichem Blick der Mann das junge Mädchen be trachtete, und wre dieses offenbar geschmeichelt lächelte. Selbst die Mutter lachte wohlgefällig vor sich hin. ÄnrLsvlatt des Äönigl. Land- und des Königs. Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Volizeiaintes der Ltadt Leipzig. kin llemagreuriorum. Während m der Presse im übrigen noch ziemliche Zu- rückhaltung bei der Kritik der dem Reichstage heute zu gehenden Handelsverträge geübt wird, fahren die Agrarier fort in ihren Klagen über ungenügende Be rücksichtigung. Drei Punkte hebt die „Dtsch. Tgsztg.' heute hervor, die dem Blatte Anlaß zu Klagen geben: den Schweinezoll, den Gerstenzoll und die Zuckerkon- vention im russischen Handelsvertrag. Der Schweinezoll ist den Bündlern natürlich zu niedrig, weil er mit 4V2 Pfg. für das Pfund Lebend gewicht hinter dem Generalzolltorifsatz (9 Pfg.) und dem von dec Reichstagsmehrheit wiederholt beschlossenen Mindestzollsah von 7,2 Pfg. noch erheblich zurückbleibe. Das Blatt fährt dann fort: Ueberaus schwerwiegenden Einfluß gewinnt daneben aber die schon kurz berührte Tatsache, daß, während zur Zeit die Schweineeinfuhr aus Rußland auf 70 000 Stück jährlich kontingentiert und die Ein fuhr aus Oesterreich-Ungarn überhaupt verboten ist, künftig das russische Kontingent annähernd verdoppelt (130 000 Stück) werden und die österreichisch-ungarische Grenze für eine kontingentierte Einfuhr wieder geöffnet werden soll. Das kann nach der „Dtsch. TgSztg." einen „preis- sichernden Einfluß nicht ausüben". Um einen solchen ist eS aber dem Bllndlerblatte lediglich zu tun, und er wäre auch weiter herbeigeführt worden, wenn — der russische .Handelsvertrag nicht gekommen wäre. Dieser mußte aber die erhöhten Getrerdemindestzölle enthalten, und diese waren nur zu bekommen, wenn Deutschland Zuge ständnisse in der „Schwcinefrage" machte. Da wurde daS bisher Unmögliche plötzlich möglich. ES ist nun Diese Nummer ksftet 4/1 ML auf allen Bahnhöfen und III I bei den Zeitungt-Vertäuiern I * Für heute ist der Empfang einer Arbeiter-Abord nung durch den Zaren in ZarSkoje-Selo angesetzt. * Die Entlassung de- Fürsten Swiatopolk-MirSky wird amtlich mitgeteilt. * Nach einer Pariser Meldung sollen Gorki und die anderen verhafteten Schriftsteller vor ein Kriegsgericht gestellt werden, unter der Anklage, daß sie durch eine Ver schwörung die Unruhen am 22. Januar hervorgerufen hätten. * Bisher wurde bereit» über 8 russische Gouvernements der Belagerungszustand verhängt; in Warschau, Krinkj und Homel wurden Einwohner bei Tumulten erschossen. (S. den Artikel.) * Die verstärkte Armee OyamaS wird die russische rechte Flanke und da« Gros der russischen Armee an greifen. (S. rufs.-jap. Krieg.) ungemein interessant, -ie Begründung in der „Nor-d. Nllg. Ztg." vom 28. Januar der Erklärung gegenüberzu stellen, die am 26. Februar 1904 der Königliche Geheime OberregierungSrat Küster im Beisein des Kaiserlichen Geheimen Regierungsmtes T-r. Kautz in der Petitions kommission abgegeben hat: Erklärung vom 26. 2. 1904. Die Durchbrechung der Grenz sperre ist trotz der bestehenden veterinärpolizeilichen Bedenken zugelasfen worden, um eine aus reichende Fleischversorgung der oberschlesischrn Industrie-Bevölke rung unter allen Umständen sicher zu stellen. Die erwähnte Zahl von Schweinen (1360) wöchentlich) hat zu diesem Zwecke trotz vieler gegenteiligen Behauptungen aus gereicht» und eS liegt zurzeit um so weniqer Anlaß vor, da- Kon- tingent zu erhöhen, als die Schweinehaltung in Deutschland einen solchen Aufschwung genom men hat, daß der Bedarf de« obrrschlesischen Jndustriebezirk» trotz der Zunahme der Bevölke rung zu billigen Preisen ohne Schwierigkeit im Inland« gedeckt werden kann. Wer hat Recht? Herr Küster, -er bei 1360 Schweinen schon veterinärpolizeiliche Bedenken hat und weiter be hauptet, daß „bei einer Vermehrung der Einfuhr Ge fahren für die Gesunderhaltung unserer Viehbestände nicht mit Sicherheit zu vermeiden sein lverden", der auch keinerlei Bedürfnis anerkennt? Oder die „Norddeutsche", die dieses Bedürfnis betont und auch bei 2500 Schweinen keine wesentlichen veterinären Bedenken hat? Denn daß in den paar Monaten zwischen der Februarerklärung und dem Abschlüsse des Vertrages eine wesentliche Aendcrung der Verhältnisse eingetreten sei, wird doch niemand bl- baupten wollen! — Also entweder hat die „Norddeutsche" Recht; dann hat die Regierung jahrelang agrarischen, un berechtigten Forderungen zuliebe der obcrschlesischen In dustriearbeiterschaft die Fleischnahrung verkümmert. Oder Herr Küster hat Recht; dann bat der Reichskanzler die Interessen der Schweinezucht, die Gesundheit des nationalen Viehstandes aufs Spiel gesetzt -en Getreide produzenten zuliebe. Der Leser mag entscheiden, was das Schlimmste ist, das erstere, das letztere oder —diese Begründung wichtiger Gesetze. Vie Mirir in vnrrlanü. Entlassung -«» Fürsten ^wlatapolt-Mirsky. Amtlich meldet die Petersburger Telegraphen-Agentur: Der Minister des Innern, Swiatopolk-Mirsky,ist wegen zerrütteter Gesundheit, seinem Anträge gemäß, aus dem Amte entlassen worden. Auch der Petersburger Korrespondent de- „Daily Chronicle" hatte gemeldet, daß die Demission des Fürsten Swiatopolk-Mirsky gestern vom Zaren angenommen worden sei. Man werde diese Demission als Zeichen dafür nehmen, daß die Reformperiode bereits zu Ende sei. Unter den als Nachfolger SwiatopolkS in Betracht kommenden Persönlichkeiten sollen sich Fürst Obolenski, General Stür mer und General KleigelS befinden. Der Rücktritt des Ministers und die Liste seiner Nachfolger sind schon zwanzig fach gemeldet worden; heute, da die Demission Ereignis wird, hat der Verabschiedete und sein Weggang unmittelbare Be deutung verloren. Am 28. Juli war Plehwe ermordet worden; seit dem Dezember war die Tätigkeit seine» Nachfolger» al« provisorisch zu betrachten. Vle Situation lu ^Petersburg. Wie in Petersburg amtlich bekannt gegeben wird, sind nachträglichen Meldungen zufolge am 22. Januar während der Straßenunruhen 96 Personen getötet worden. Von 333 Verwundeten sind bis jetzt 32 gestorben. 17 sind bereits aus den Krankenhäusern entlassen. In den Krankenhäusern befinden sick 23l, 53 werden außerhalb der Krankenhäuser behandelt. — Von den Privatfabriken haben gestern den Betrieb wieder ausgenommen: Die Petersburger Mechanische Fabrik, ferner die Fabriken von Nobel» Leßner, die Fabrik Phönir und die Newsky Baumwollspinnerei. Dagegen sind die Arbeiter der Janiponjewskyschen Manufaktur, in welcher vorgestern noch gearbeitet wurde, in den Ausstand getreten. Die Gesellschaft der Ingenieure beschloß, ihre Tätigkeit für die Regierung so lange einzustellen, bis man die Ver sicherung der Einleitung einer NegierungSreform erhalten wird. — Bei näherer Untersuchung icheinen nach dem „Berk. Tagebl." manche Indizienbeweise gegen di« verhafteten 11 Schriftsteller und Wissenschaftler geschwunden zu sein, und mehr daS warme Interesse dieser Männer am Volke sie zu jenem Schritt veranlaßt zu haben. Es herrscht in höheren Kreisen die Meinung vor, daß Kedrin und Hessen, für welche der hiesige Advokaten verein eine Kaution stellen will, eventuell schon nächster Tage freikommen werden. Auch Gorki dürfte in wenigen Wochen freigelassen, jedoch unter polizeiliche Auf sicht gestellt werden, falls seine Unschuld nicht voll zu Tage tritt. DaS Pariser „Petit Journal" meldet au» Petersburg: Großfürst Boris habe gestern einen längeren Rundgang durch die Arbeiterviertel unternommen und sei überall sym pathisch empfangen worden. Infolgedessen verlautet, der Zar werde morgen 33 Arbeiterdelegierte der Peters burger Fabriken empfangen. Nachdem nunmehr alle Be denken gesckwunden sind, daß er damit dem Druck der Arbeiter nachgebe. Dieses Vorgehen des Zaren sei auf das Anraten des Generals Trepow zurückzuführen. In Moskau. Nach Moskauer Depeschen haben die Arbeiter der Moro- sowschen Textilmanufakturen verschiedene Forderungen gestellt, die Arbeit aber nicht unterbrochen; auch sonst wird wieder überall gearbeitet. Eine Meldung, baß die Besitzung des Großfürsten Sergius in der Umgegend von Moskau vollständig verwüstet und der Großfürst deshalb in den Kreml übergesiedelt sei, wird amtlich al« Erfindung bezeichnet. Es könne sich nur um das Gut deS Großfürsten in JlinS-Koe bei Moskau handeln; dort befinde sich alles in Ordnung. ^Großfürst Sergius bewohne als General gouverneur daS GouvernementSgebäude in Moskau. Seit dem er seinen Posten nicht mehr innehabe, sei er zunächst in * Da« Befinden de« Prinzen Eitel Friedrich ist andauernd befriedigend. * In Pari« ist durch die Polizei eine dritte Bombe entdeckt worden. (S. den Artikel.) der Bomben-Exploston. Die beiden Verhafteten, Baily und Chevalier, sagten au«, die anarchistischen Anschlagzettel, die man bei ihnen gesunden habe, seien ihnen an der Tür eines Versammlung«- saales gegeben worden. Bailly sagt, er kenne Chevalier vom Sehen, da dessen Vater sein Lehrer gewesen sei; er sei aber mit Chevalier gestern zum ersten Mal zusammengetroffen; sie hätten zusammen gespeist und seien dann in die Versammlung gegangen. Beide Verhaftete geben an, sie seien Sozialisten, aber keine Anarchisten der Tat. Daß sie beim tzerauskommen au- der Versammlung weggelaufen seien, erkläre sich dadurch, daß sie über den Knall der Explosion erschrocken waren. Unser Pariser Korrespondent schreibt unS vom 3l. Januar: Di« Reporter der Pariser Zeitungen haben gestern ab 2 Ukr nachmittags sich auf den Wandelgängen de« Justiz- palaste« gedrängt; die ersten Persönlichkeiten der Justizver waltung fanden sich ein, um in den Bureaux de« Gencral- staatsanwaltS oder des „Anwalts der Republik" zu ver schwinden, und um 6 Uhr abends wurde bekannt, eS sei vor dem Lause de« russischen Attaches Trubetzkoi, Rue d'Argen- son Nr. 6, eine Höllenmaschine entdeckt worden. Eine 20 cm hohe Blechbüchse lag auf dem Trottoir, gegen die Tür ge lehnt; ein Polizeiagent des achten Arrondissement sah das freundliche Präsent, daS dann im Auftrag de« Munizipal laboratorium« abgeholt und weggeschafft wurde. Irgend welche Erklärungen oder Details der Untersuchung wurden von der SicherheitSbehörde, die sogar zu Dementis geneigt war, verweigert. DaS «Ziel" des Attentats, der Fürst, ist ein über 60 Jahre alter Lebemann, der überall, wo man sich amüsiert, bekannt ist und nur, weil ihm die Schönheiten von Paris so sehr gefallen, 22 Jahre lang als Militärattache Bürger der Lichtstadt geblieben ist. Die Republik hat ibn zum Groß offizier der Ehrenlegion gemacht. In seinem Ulster, in Frack und weißer Binde, den Cylinder auf der Stirn, hat der mit seinem korrekten Weißen Backenbart sehr sympathische Herr einen Zeitungsmann empfangen und ihm gleichzeitig erzählt, er sei aus dem Theater nach Hause gekommen, sein Diener habe ihm erschreckt die Büchse gezeigt und die Schutzleute geholt. Dann entfernte sich der Fürst; ibn regt die Sache nicht auf, während sein Personal in größter Unruhe ist und Maß regeln zum Schutze der hervorragenden Mitglieder der russischen Kolonie getroffen worden sein sollen. Dies war in der Nacht zum Montag; der Streich vom gestrigen Abend war nicht ganz so harmlos wie dieses „Attentat", dessen Charakter noch gar nicht feststeht. Die Riesenversammlung in Tivoli-Vauxball hatte ein enormes Polizei- und Militär aufgebot veranlaßt; mehr als 8000 Menschen mußten auf der Straße bleiben, „aufrührerische" Ruse wurden gehört, einige Personen wurden weggeschafft. DaS Bureau im Saal, Jaurv«, Allemane, de Pressens«, Dubreuilh, Rubanowitsch, Baillant, Danewitsch, konnten die Menge, die da« Lampionlied sang und „Hubu!" schrie, nicht mehr beruhigen. Draußen wuchs der Trubel immer fataler an; durch die Gegenwart der Truppen aufgebracht, wurden die Mafien, die sich jenseits des Kanals Saint-Martin, in den Cafes rings um den Platz der Republik, auf dem Platz und im Fauburg du Tempi« gestaut hatten, ganz bedrohlich. Nach dem Schluß des Meetings, den Jaures durch eine von niemandem gehörte Tagesordnung mühsam herbeiführte, wälzte sich das Volk durch die Rue de la Douane. DieBombenexplosion vor dem Hau« Nr. 13 der Avenue de la Rspublique erfolgte, ehe noch die letzten Trupps aus Tivoli hinaus waren, und als die Demonstranten den Platz der Republik gewaltsam be setzen wollten. Eine Panik wurde durch den Knall ver ursacht, die Menge stob auseinander, die Verwundeten schrien, mehrere Passanten, angeblich bis zu 60, wurden verhaftet. Unter diesen befindet sich ein junger Mann namens Eugene Chevalier, der auf dem linken Bein hinkte und zwei jungen Frauen seine blut- überronnenen Hände zeigte. Der Gardist Etienne Bonnet wurde am rechten Knie, der Gardist Jean Montagne am rechten Vorderarm und an der Hand durch Splitter schwer verwundet; der Gardist Lasthenie wurde leichter verletzt, sein Gewehr ist zer trümmert. Die Morgenblätter behaupten, die Bombe sei geschleudert worden; indessen scheint da« noch nicht erwiesen. Unter den Gästen der Bar Dauphin, deren Fenster zersprengt ist, wird da» anarchistische Paar Francois genannt. Anzeigen sind stet« an di» Expedition zu richte». Ezttra-Veilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Bereinbarung. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V.. R. L W. Kliukhardt).
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite