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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050207024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905020702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905020702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-02
- Tag1905-02-07
- Monat1905-02
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BezugS-PretS tv der Hauptexpedltion oder deren Äu«fla5». stellen abflkholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch. land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zritunqsprei-liste. Diese Rümmer kostet aus allen Bahnhöfen und III ^I( I bei den Zeitungr-Berkäuseru f» Redaktion und Vrpedttton: 1b3 Fernsprecher 222 Johanni-gasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Maricnstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, herza l.Bayr.Hofbuchb andlg, Lützowslraße 10 lFerusprechrr Amt VI Nr. 4603). Abend-Ausgabe. KipMer TagMall Amtsblatt des Königl. Land- «nd des Königs. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. An zeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, Geschäslsanzeigen unter Text oder an bewnderer Stelle nach Tarif. Dir «gespaltene Reklamezeile 75 Ännahmeschlutz für Anietgen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Vrtra-Beilagen lnur mit der Morgen- Ausgabe- nach besonderer Vereinbarung. Tie vrvrdition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. ttr. V., R. L W. Klinkhardt-. Nr. 89. Dienstag den 7. Februar 1905. 99. Jahrgang. Var ivicbtigrte vom Lage. * Im Altenburger Residenzschloß brach beute morgen Grobfeuer aus, das u. a. viele kostbare Ge mälde vernichtete. (S. A. Sachs. Umgebg.) * Das Befinden deS Prinzen Eitel Friedrich bat sich soweit gebessert, dast weitere Krankbeitsberichte nicht mehr ausgegeben werden. (S. Deutsches Reich.) * Fürst Ferdinand von Bulgarien trifft morgen früh 10 Uhr in Berlin ein. * In Belgrad ersuchte, nachdem Protitsch die ihm angeborene Kabinettsbildung abge lehnt bat, der König Pasitsch, seine Demission zurüctzuziehen oder ein neues Kabinett zusammenzustellen. Pasitsch hat darauf noch nicht Bescheid gegeben. (S. Ausland.) * Nach einer Wiener Meldung ist Gorki gestern abend 7 Uhr entlassen worden. (S. den Artikel über Rustlanv.) * Da« „Daily Cbronicle" behauptet, in einer Konferenz ver russischen Großfürsten sei die Einstellung des Krieges besprochen worden. (S. russ.-jap. Krieg.) Vie gelabt Ser präventivbalt. Die „Frankfurter Zeitung" erörtert in einem aus- führlichen Artikel den Begriff der Präventivhaft, mit der bekanntlich die preußische Regierung durch ihre Behand lung des Falles Janina Berfon ihr Land beglückt hat. Die junge Studentin blieb über eine Woche ihrer Frei- heit beraubt, obwohl kein anderes belastendes Moment gegen sie vorlag, als daß sie des Anarchismus dringend verdächtig sei. Gegen die Ausweisung als solche hätte sich natürlich nichts einwenden lassen, ob aber die Ver haftung und die Jnhafthaltung berechtigt lvar, das ist eine, wie Falstaff sagt, „wohl aufzuwerfendc Frage". Tic Behörden haben versucht, die Berechtigung ihres Ver- fahrens nachzuweisen; aber es ist charakteristisch, daß sie bei diesem Versuch einander widersprochen haben. Der Minister des Inneren und der Obcrpräsident der Provinz Brandenburg rechtfertigen die Festnahme, ohne positive Gesetzvorschriften zu nennen, mit der Sicherung der Durchführung der Ausweisung, während der erste Staatsanwalt auf 8 10, Teil 2, Titel 17 des Allgemeinen Landrechts verweist, der es als das Amt der Polizei be zeichnet, die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Ab- Wendung der dem Publikum oder einzelnen seiner Mit glieder bevorstehenden Gefahren zu treffen. Unserer An sicht nach ist dieser Paragraph nicht geeignet, das Dor- gehen der Behörden zu stützen, wenn man ihn nicht un gebührlicherweise erweitern will, so daß er schlechtweg alles umfaßt. Daß die Anwesenheit des Fräuleins Bcr- son die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung be droht, wird wohl selbst Herr von Hammcrstcin nicht bc- haupten, der ja die .Harmlosigkeit der russischen Studen tin durch seinen Hinweis auf ihre Herzensbeziehungen am allerbesten erhärtet hat. Wenn der Minister des Inneren und der Oberpräsident die Verhaftung aus einem Staatshoheitsrecht ableiten, so beweist das nur, daß in einem zivilisierten Staate eben auch das Fremdenrecht gesetzlich geregelt und mit ausreichenden Garantien umgeben werden sollte. Die ganze Frage ist von großer Tragweite, wenn es auch dem Laien auf den ersten Blick scheinen mag, als handle es sich nur um einen Ausländer und als sei die Angelegenheit für uns selbst nicht von wesentlicher Be deutung. Aber in einem Staate, in dem ein Ausländer Objekt uneingeschränkter Eigenmächtigkeit wird, greift diese Eigenmächtigkeit leicht auch auf die Behandlung der Bürger über. Wir haben also ein dringendes Interesse daran, von unabhängigen Richtern zu hören, ob die administrative Verhaftung zulässig ist oder nicht. Ties kann auf einem doppelten Wege erreicht werden. Es kann entweder gegen den Bescheid des ersten Staatsan- lvalts Beschwerde an den ObcrstaatsanNxilt eingelegt werden, die eventuell an das Kammergericht weitergc- leitct wird oder cS kann eine Zivilklage wegen Freiheits beraubung erhoben werden. In diesem Falle würde wohl die zuständige Behörde den sogenannten Konflikt erheben und dann hätte das Obcrverjwailtungsgericht zu entscheiden, ob in der Inhaftnahme und Jnhaftbetvah- rung eine Polizeiliche Amtsbefugnis enthalten ist. Vie Iftiriz in lsunlanü. Vie Situation in Z)eter»burg. Nach einem von heute datierten Telegramm fand gestern unter dem Vorsitz des Finanzministers Kokowzow eine Versammlung von Vertreiern der P r i v a t - u n d Staats- sabriken im Petersburger Bezirk statt. Die Fabrikanten beschlossen, sich in Gruppen, die gleichartige Betriebe um- fassen, zusammenzuschliesten und darüber zu beraten,, welche Bedürfnisse der Arbeiter sogleich zu befäedigen seien, wo- möglich, ohne die Regelung der allgemeinem Frage durch die Gesetzgebung abzuwarten, über die der Finanzminister dem M i n i st e rk o m i tee schon Vorschläge unterbreitet hat. Ans Zarsksje-ssels». Der Korrespondent des ,,Berl. Dagebl." glaubt, wiederum ein Attentat gegen den Zaren entdeckt zu haben und meldet: Der Kaiser sand im Arbeitszimmer des Palais in Zarskoze-Sselo einen in französischer Sprache abgefastten Bries, in welchem milgeteihl wird, daß zwölf Mann entschloßen seien, den Kaiser wegen der Vorgänge am 22. Januar zu töten. Sofort wurden umfassende Vorkehrungen gegen etwaige Anschläge getroffen. — Eine ergänzende Meldung auS Petersburg liutet „Als sich der Zar gestern früh im Palais Zarskoie-Sjclo nach teincm Arbeitszimmer begab, bemerkte er beim Durch schreiten der Räume einen am Boden liegenden Brief, der an ihn gerichtet war. Er öffwete ihn und sand darin ein französisch abgefaßtes Schreiben, in welchem gesagt wird, daß sich 12 Perjonen entschlossen lstitten, den Zaren wegen der Vorgänge am 22. Januar zu töten. Der erste Mann sei bereits in Petersburg eingetroffen, um diesen Entschluß zur Ausführung zu broigen. Der Bries rief enorme Aufregung hervor und führte zu einer sofortigen, strengen Untersuchung. Es ist völlig rätselhaft, wer den Brief hat einschmuggeln können; umfaßende Sicher- heitsvorkchrungen wurden getroffen. In unterrichteten Kreisen nimmt man die Sache sehr crmst, da cs gegen Bombcnattentate keinen anderen Schutz gibt, als den, daß der Zar im Palais verbleibt, was aber auf die Dauer nicht durchführbar ist." Es ist schon möglich, saß sich dieses Komplott als eine Finte, würdig der Geschichte von der spionierenden Bonne, erweist. Definitive Befreiung G»rki». Wie das „Neue Wiener Tagblatt" mBdet, ist Ma/im Gorki gestern abend 7 Uhr aus der Haft entlassen worden. Dem Korrespondenten des „Berl. Dahl." wurde auf ein Gesuch, den Gefangenen in der Peter Paulssestung be uchen zu dürfen, mitgeteilt, daß das Gesuch gegen land s los sei. weil Gorki in wenigen Tagen frci- ömmen werde. Die Beschlüsse des Moskauer Adels. Nach einem Moskauer Telegramm, haben 80 Mit glieder der Adelsgenossenschaft unter Bezugnahme auf die am 4. d. M. angenommene Adr esse an den Kaiser eine Minoritätsadresse emgereicht, in welcher das Votum der Mehrheit bedauert und betont wird, daß das ein zige Mittel, aus den gegenwärtigen Wirren zu kommen, darin bestehe, daß ein Kundgebung erfolge, aus welcher man ersehe, daß Thron und Volk innig verbunden seien, Dies I Verordnungen in einer Adresse an den Zaren Aus- könne aber nur durch Anhörung fr e ige w ä h l te r ! druck zu geben, ist aber zu einer endgültigen Formulierung des vei sL55i5cb-japanische Weg. Die -iplouiatischeu Schiebungen. Aus London wird depeschiert: Ein Telegramm aus Washington berichtet, Laß der englische, der rufsische und der Leut^chc Botschafter nacheinander mit dem Staats- setreiär Hat) konferierten. Obgleich jeder der drei Bot- schafler das Zusammentreffen in Abrede stellt, wird be hauptet, Laß diese Unterredung gleichwohl slallgefundcn habe und mit Friedensunterl-andlungen in Zusammenhang zu bringen seien. — Wir haben das Dementi, das Cassini in Washington gegeben wurde, bereits erwähnt. Das „Daily Ehroniclc" meldet aus Petersburg, es sei bei einer gestern abgehaltencn Kon;erenz der Großfürsten beschloßen worden, mit Japan Frieden zu schließen l?). Das Gerücht von der Rückkehr Äuro- patkins soll keinen anderen Grund haben, als den, die Verhandlungen zu erleichtern. Das Ergebnis der letzten Schlacht in der Mant schür ei und die Schwierigkeiten, die Armee zu verproviantieren, sollen zu diesem Entschluß geführt haben. — Die Meldung ist zweifellos nur englische Kombination und beruht auf Pariser Depeschen vom gestrigen Datum. Ebendahin gehört ein Bericht der „Central News", die Annahme von Privattele gram m c n in Mulden, Wladiwostok und anderen mantschurischen Städten sei gestern verweigert worden, und zwar von früh morgens an bis 4 Uhr nachmittags. Es sei dies das erste Mal seit Beginn des Krieges, datz die tele graphische Verbindung nach der Manlschurei aus Veran lassung der russischen Regierung unterbrochen wurde. Tie Tatsache wurde eifrig kommentiert. Dem russischen Generalstab ist, nach einer direkten Petersburger Meldung, nichts Positives über eine Rückkehr Kuropatkins be- kannt. Es sei auch kaum anzunehmen, daß sie erfolgen könnte. Sollten sich die Gerüchte von General Kuropatkins Abberufung aber dennoch bestätigen, dann käme Groß- f ü r st Nikolaj Nikolajewitsch in Betracht. Togos Rückkehr zur Flotte. Der „Daily Telegraph" meldet aus Tokio von gestern: Admiral Togo ist heute nachmittag zur Flotte abge reist. Im Hafen von Sasebo liegen zurzeit neun beschlag- Bertreter des Volkes geschehen. Um den äußeren Krieg glücklich zu Ende zu führen, müße man vor allein die Ruhe im Innern wiederherstellen. Die Adresse deckt sich im übrigen inhaltlich fast genau mit derjenigen des Peters burger Adels. In Aasan. Aus Kasan wird depeschiert: In der Stadt herrscht Ruhe. Tic Gassabrik und die elektrischen Anlagen werden durch Militär bewacht. Die Universität ist bis aus weiteres geschlossen. Das Kriegsgericht von Sewastopol. Wie der Petersburger Korrespondent des „Petit Parisicn" berichtet, Hot das Kriegsgericht von Sewastopol im Meu- tereiprozeß der Marine das Urteil gefällt. 30 Matrosen wurden zum Tode verurteilt, tue üb rigen zu schweren Disziplinarstrafen. Die Zustände in Warschau. Von gestern wird aus Warschau gemeldet, daß der Ausstand an Ausdehnung zunimmt. Die Arbeiter überreichten den Fabrikherren ihre Forderungen, von denen die hauptsächlichsten sind: Achtstündiger Arbeitstag, Abschaffung der Akkordarbeit und Erhöhung des Arbeits lohnes. Angesichts der Unmöglichkeit, die Forderungen zu bewilligen, baten die Hültenbesitzer den Finanz minister telegraphisch, sie an den Beratungen über die Arbeiterfrage tellnehmen zu lassen, deren Lösung nur auf gesetzgeberischem Wege möglich sei. In sämtlichen Bäckereien herrscht der Ausstand. Die Bierbrauereien wollen ar beiten, werden aber daran gehindert. Die Vorstellungen i:n Volkstheater wurden abgesagt. Die Kohlenpreße sind fast um das Doppelte gestiegen. Die Unruhen an der preusziscb-rn;,«scben Grenze. In Sosnowice dauert, wie telegraphiert wird, der Arbeiterausstand fort. Gestern wurde eine Anordnung des Generalgouverneurs über Volksansammlungen ver- öfsenilicht. Die bei der vorgestrigen Kundgebung umher getragenen Fahnen trugen die Aufschriften: „Nieder mit der Selbstherrschaft! Nieder mit dem Krieg!" Entsprechend einer Forderung der Ausständigen wurden die Lehrstunden an der Vergschule zu Dombrowo eingestellt. — Der „Voss. Ztg." wird über Kattowitz gemeldet, daß 1500 Mann mit zwei Generälen in Sosnowice cinrückten. Ter Be - lagerungszustand wurde nachmittags verhängt. Polizeimeister Kronberg wurde seines Amtes ent hoben. Die Streikenden in Sosnowice beschlossen, die Ar- blit am nächsten Donnerstag wieder aufzu nehmen, unter Einführung des Achtstundentages, gleichviel, ob die Arbeitgeber wollen oder nicht. Die Ermordung -es staatsprokureurs Ishnsssn iu Belsingsors. lieber den Nevolveranschlag auf den Staatsprokureur wird ausführlicher gemeldet: Heule erschien in der Wohnung Johnssons eine militärisch gekleidete Person, welche eine fran zösische Visitenkarte, lautend Leutnant Alexandre Gadd, vor zeigte und um einen geschäftlichen Empfang bat. Als Gadd in das Kabinett des Prokureurs eingetreten war, gab er mehrere Rcvolverscksilsse auf Johnsson ab: drei Kugeln trafen die Brussi den Magen und die Schuller des An gegriffenen. Sofort stürzte ein Geheimpolizist herbei, jchoß mehrmals aus Gadd und durchschoß ihm den rechten Fußknochcn. Gadd versuchte zu flüchten, stolperte und siel im Vorzimmer. Sodann wurde er ins H o s p i t a l gebracht, wo sestgestellt wurde, daß er außer am Fuß noch an der rechten Hand verwundet war. Abends lag er in besinnungslosem Zustande. Sechs herbeigeeilte Aerzte stellten den Tod des Proku reurs fest. Sein Sohn, der beim ersten Schuß herzu gekommen war und auf den Angreifer schoß, trug eine leichte Verwundung am linken Fuße davon. Zu der Untat schreibt der „L. A.": Man wird bei den gegenwärtigen Zuständen in Rußland und besonders in dem schwergeprüften Großfürstentum Finland ohne weiteres vermuten dürfen, daß auch hier wieder aus politischen Motiven ein Strafgericht an einem Mann voll-ogen worden ist, der sich an der Unterdrückung der verbrieften Rechte und Freiheiten des finländitchcn Volkes mitschuldig gemacht hat. Welche Rolle dabei der erschossene Pro- kureur Johnsson im einzelnen gespielt hat, ist im Auslande nicht bekannt geworden. Zu Anfang dieses Jahres war der neu gewählte Landtag zusammengetreten. Er machte Miene, den Forderungen des Volkes auf Beseitigung der gegen die Verfassung des Landes verstoßenden Gesetze und druck zu geben, ist aber zu einer endgültigen Formulierung dieser Kundgebung nicht gekommen oder vielleicht auch nicht zugelassen worden. Jedenfalls hat er seine Arbeiten bald wieder cinslellen müssen. Als dann die Unruhen in Rußland begannen, traten auch hier und da in Finland Neigungen zu lärmenden Straßenkundgebungen hervor, die jedoch rasch wieder erloschen. Dafür hat jetzt wieder eine erfolgreiche Einzelaktion die allgemeine Aufmerksamkeit auf den zähen Kampf hingelenkt, der in diesem russischen G r v ß f ü r st e n t u m nun schon seit vielen Jahren gerade von den besten Elementen des Volkes gegen das Peters- burgcr autokratische Regiment geführt wird. Die Nnruben in Tiflis. haben nach den Telegrammen in den letzten Tagen nicht aufgehört. Von den Agitatoren, die am Frcuag abend Proklamationen verteilten, wurden einige verhaftet. Der Sonnabend verlief ruhig. Am Sonntag früh strömten die Arbeiter nach dem Zentrum der Stadt. Um Mittag ent faltete eine Menge von etwa 300 Mann eine roteFohne und verteilte Proklamationen; die Menge schoß mit Revolvern auf die Schutzleute, die die Fahne fortnehmen wollten. Drei Schutzleute wurden verwundet, zwei von ihnen schwer. Die Polizei zerstreute die Ruhestörer und verhaftete 30: der andere Teil wurde von der Polizei und Kosaken verfolgt und zerstreut, wobei noch ein Po lizist verwundet wurde. Die Zahl der zu Schaden gekomme- nen Personen ist unbekannt. Im Hospital wurden 10 Arbeiter ausgenommen, von denen einer schwer durch einen Schuß, die andern leicht verletzt sind. Von den Zei- tungcn erscheint nur „Kaukasus". Am 6. Februar wurde die Druckerei der Zeitung „Tislißky Listek" zerstört. Auf den transkaukasischen Eisenbahnen breitet sich der Ausstand weiter aus; am Sonnabend legten die Weichen steller und Stationswärtcr auf sechs Stationen dieser Bahn die Arbeit nieder, ebenso tin Hafen, und die Manganerz arbeiter in Pott. Am 5. Februar hatten alle Maschinisten die Rangiermaschinen ungeheizt, teils aus den Schienen, teils noch in den Depots stehend, verlassen. Am Sonnabend wurde ein M i l i t ä r z u g, der nach Balum gehen sollte, von Ruhestörern durch Aufreißcn von Schienen zum Ent gleisen gebracht, Unglückssälle sind jedoch noch nicht vorgekommen. Feuilleton. Frauchen. Roman von Felix Freiherr von Stenglin. NaLdruck verboten. Jedes Frauenzimmer lernt tanzen; ob sie es nachher kann oder nicht kann, lernen tun sie eS alle, cs gehört zum Weibe, und wer nickst tanzen kann, der kann auch nicht zum Ball gchen. Um die guten Tänzerinnen reißt man sich, die schlechten heißen Mauerblümchen und bleiben sitzen. Und die haben das Sitzen bald satt und bedauern dann zu spät, das; ihnen die Grundlage fehlt. Ebenso ist eS mit dem .Hausfrauenberuf, ohne den das Weib gar nicht zu denken sein sollte. Er gehört zum Weibe, macht die Grundlage, daS Fundament, das Wesen des Weibes aus. Und wer dies alles nicht hat, wird beim Tonzfest deS Lebens aukgelacht, lacht selbst aber nicht mit. Und nun mal ganz klipp und klar, ohne Flausen I Soviel hab' ich erkannt: Du stehst am Abgrund, moin Mäuschen, und wenn Du nickst schleunig umwendest, plumpst Du unrettbar hinein, aber nicht nur Du, Dein Mann und Deine Kinder mit Dir. Dadurch, «daß Du Dich mit der Studentin dem Frauenrummel hingibst, machst Du nur alles schlimmer, entfremdest Du Dich Deinem Walter noch mehr. Es wird ihm gehen wie Leer, der auch schließlich infolge des häuslichen Elends den Abschied nehmen mutzte. Im Aerger über all den Klein kram geht di« Energie natürlich so nach und nach flöten. Man wird ihn in irgend ein noch kleineras Nest versetzen, und wenn's gut wird, kriegt er später ein Bezirks kommando. Dabei kann er ja auch bestehen, aber ich glaube, er hatte Ehrgeiz, und wenn solche Leute kalt ge stellt werden, ist ihre Lebenskraft gebrochen. Und nun betrachte Dir auf der anderen Seite, was Du haben könntest! Du brauchst ja nur zu wollen! Du hälft Dich ja von allen hohen und sitzen Freuden, die das Leben Dir offen auf der Schüssel entgcgenbringt, mit Absicht fern! Wie reich diese Schüssel istz, das hast Du ja noch gar nicht erkannt! Freilich Mühe und Plage gibt es genug, wenn man sie gouietzcn will, aber auch über- reickfen Lohn: Friede unter Euch, glückliche .Kinder, die Befriedigung nach der Arbeit. Wenn ich morgens nach dem ersten Abschnitt meines Tagewerkes mit den Meinen um den Tisch sitze, — wie ist das dock; an jedem Morgen eine neue Feier der Liebe und des Tankes gegen Gott! Und wenn nun erst der Frühling komant, die Vögel an zu singen fangen, und es im Garten grünt, — wie wird da alles noch einmal so leicht und noch einmal so schön! Dann müßt Ihr auch hinausziehen, ich werde für ein.Häuschen im Grünen sorgen. Aber wenn ich von Lohn sprach, — um Lohn tu ich eS eigentlich doch nickst. Glaube nur, ich tu es nur aus Eigennutz. Ich will herrschen, mein Kind, und welcher Mann könnte so herrschen in seinem Beruf wie ich in mainem? Es ist ein süßes Gefühl,.Königin zu sein! Dann kommt auch die Verliebtheit wieder, die zioeite Verliebtheit kommt, nachdem man sich in einander ge- fanden, sich verstehen gelernt hat. Und die ist schöner noch als die erste. Keine verzehrende Unruhe mehr, das ruhige Glück des Besitzes, das feste Band der gemein samen Erinnerungen. So Hand in Hand der Ewigkeit entgegen! „So, jetzt mutz ich aufhören, — nicht, weil ich Dir nichts mehr zu sagen hätte (der See meiner Gründe lietze sich in acht Tagen nickst ausschöpfen), sondern weil der Arm mich schmerzt, denn es ist Abend, und er hat sein Teil auch heute endlich geschaffen. Der Onkel sitzt vor mir und schmunzelt, denn er ist über die „Erwägungen" noch nicht herausgekommen, während ich die Tat bereits getan lxrbe. Er erwägt so lange hin und her, bis Gründe nn-d Gegengründc sich auf heben und nichts zustande kommt. Wir Frauen mögen wohl einseitiger fein, aber wir sind auch schneller. Mögen wir manchmal vorbeiichietzen, hin und wieder treffen wir wohl auch einmal, und selbst ein Schutz, der fehl geht, ist oft noch besser als gar keiner. Deine treue Tante Lotte. * * * Als Agnes diesen Brief gelesen hatte — es war morgens am Kaffeetisch — steckte sie ihn rußig in die Tasche, ohne darüber zu spreckvn. Einige Minuten später ging sie ins Schlafzimmer unter dem Vortoande, sich anders anklciden zu wollen, und las dort den Brief ungestört noch einnral. Sollte Tante Lotte Reckst haben? dachte sie. Lange blieb sie sitzen, den Brief in der .Hand, und säum nach. Wie überzeugend das alles klang! War sie wirklich im Begriff, an ihrem eignen Glück leichtsinnig vorbeizu- gehen? Sie dachte nicht mehr an das gemeinsame Inter esse der Frauen, — die würden schon ohne sie fertig wer den, — nur noch an ihr eigenes Interesse und das der Ihrigen dachte sic. Wenn cs sich wirklich so verhielt, wie Tante Lotte schrieb, — wenn ihr wirklich die häusliche Arbeit nicht mehr schrecklich sein würde, sobald sie gelernt batte, sie richtig zu erfassen ja, warum sollte sie dann noch nach anderen suchen? Es trieb sie zu ihrer Kleinen, die sie heute noch gar nicht gesehen hatte. Sie nahm sic auf den Arm, herzte sic, lxftf beim Herrichten-des Bades und war von solcher Fürsorge, datz sie Minna in Erstaunen versetzte. Vom Kindcrzimmer aus begab sie sich in die Küche, besprach mit Auguste eingehend das Mittagessen und bestellte nach träglich Büchsenspargel, um Walter damit etlvos Ange- nehme? zu erweisen. Zu Tante Lotte! Zu Tante Lotte! klang cs ihr immer in den Ohren. Es gährte förmlich in ihr; wenn nur Valeska nickst da gewesen wäre, sie würde sich gleich auf den Weg gemacht haben. Da hörte sie Walter fortgehcn, — er verabschiedete sich nickst einmal von ihr! Ach, das tat ihr weh! Herr gott, würde sie ihm eine Freude machen, wenn sic Tante Lottes Rat befolgte! Entschlossen ging sie in ihr Zimmer, wo ValeSka mit ihren Zeitungen beschäftrgt war Sie konnte es nicht mehr für sich behalten, was sie so erregte. „Du, Valeska? Lict doch diesen Brief einmal. Von Tante Lotte.'
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