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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905021001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-02
- Tag1905-02-10
- Monat1905-02
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DkzugS-PretS tu der Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in-Hau» >l 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ».50, sür die übrigen Länder laut Zeitunq-prei-liste. Diese Rümmer kostet auf allen Bahnhöfen und 111 bet den ZeitungS-Berkäufern I * Redattton und Expedttto«: 153 Fernsprecher 222 Johannt-gasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Marirnstraße 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 1713). Haupt-Ftliale Berit«: EarlDuncker,Herzal.Bahr.Hofduchbandlg, ' Lüyowstrahe 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 48031 Nr. 74. Morgen-Ausgabe. Wp.rigl'r Tligeblaü Ämtsvlatt des Köitigl. Land- und des Königs. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 10. Februar 1905. An zeigen-Preis die 6gespaltene Petitzelle 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 ^f. Finanzielle Anzeigen, GeschästSanzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Die »gespaltene Reklamezeile 75^. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Aulgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richteo. Ertra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pole in Leipzig (Inh. vr. L. R. L W. Klinthardtl SS. Jahrgang. Var AichUgrte vom Lage. * Die gestrigen Sffentltchen vrrgarbetterpersamm- lungen in Essen und Umgegend haben mit grotzcr Mehrheit den Beschluß gefaßt, entgegen der Resolution ihrer Delegierten den Ausstand fortzusetzen. (Liehe Leitartikel.) * Der Reichstag hat gestern die Beratung der Handels verträge begonnen. (<S. Bericht.) "Dem Reichstag geht demnächst eine Novelle zur Gewerbeordnung zu, betr. Einführung des Be fähigungsnachweise» für das Baugewerbe. (S. Parlamentsbericht.) * Fürst Ferdinand von Bulgarien besuchte gestern vormittag den Reichskanzler. * Der österreichische Eisenbahnminister v. Wittek soll zurücktreten; als sein Nachfolger wird uns der Jung tscheche Kaftan genannt. (S. Ausland.) * Lee tritt im „Standard" gegen die Behauptung auf, daß er Verfasser de», Aufsatzes der „Army anv Navy- Gazette" sei, worin die plötzliche Vernichtung der deut schen Marine befürwortet wird. (S. Ausland.) * In einer Versammlung in Rom beschlossen vorgestern 1000 Eisenbahnangestellte, im Falle der Militari st rung de- EisenbahnpersvnalS sofort in den AuSstand zu treten. * Da» dritte russische Geschwader soll am Sonnabend aus 8 ibau auslaufen; Admiral Nebokodow hat die Flagge auf dem „Imperator Nikolai" gehißt. ffririr im vergalbeilerrttrik. Wenn nicht alles trügt, so ist der Generalstreik der Berg arbeiter im Ruhrrevier zu Ende. Am 16. Januar wurde der Generalstreik beschlossen und 200 000 Mann legten ohne Kündigung die Arbeit nieder. Nach dreieinhalbwöchiger Dauer, nach einem Lohnausfall von etwa 15 Millionen Mark und gewaltigen anderen Verlusten, so an Material, durch Schäden in den Gruben, infolge Brachliegens deS Kapitals, soll nun die Arbeit wieder ausgenommen werden. Was ist erreicht? Für den Augenblick wenig, sür die Zukunft viel. Die Zechcnbesitzer haben nicht nachzegeben, in keinem Punkte, um keines HaareS Breite. Wenn sie wollen, können sie sich dessen rühmen. Noch gestern ant wortete Herr Kirdorf (kiderniss) im Namen der Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft dem Ver bandsagenten Fischer in dem Sinne: Es soll nie mand gemaßregelt werden — mit Ausnahme der zu Maßregelnden. Das wird kaum zur Hebung der Fried fertigkeit beigetragen haben. Aber hier hat sich gezeigt, von welch eminentem Einfluß die angeblich gar nicht existierende öffentliche Meinung ist. Sie allein hat das Ende deS Streiks in so verhältnismäßig kurzer Zeit ermöglicht, sie hat den Bergarbeitern die Garantien geschaffen durch die versprochene preußische Berggesetznovelle, sie hat durch ihr Schwergewicht die tastende preußische Regierung mitsamt ihrem Handelsminister Möller unwiderstehlich in die Richtung der sozialen Reformen gezwungen. Noch tagelang nach dem Busbruch des Riesenstreiks warnte Herr Möller vor einer Gesetzgebung „ad iraw", wie er diese Beseitigung längst erkannter Schäden, diese längst spruchreife gesetzliche Regelung der Arbeitsverhältnisse be zeichnete. Und nun ist diese Berggesetznovelle feierlich, auch von ihm, angekündigt worden und der preußische Minister präsident hat sich mit seiner Person dafür verbürgt, daß die Novelle kommen wird. Ohne diese Zusicherung aber wäre der AuSstand bei der Halsstarrigkeit der BergwerkSbesitzer sicher noch nicht beendet worden. Hier hat also das soziale Empfinden des deutschen Volkes den Friedensvermittler ge spielt, und der Segen unserer sozialpolitischen Entwickelung 'st nie so offenbar geworden wie in diesem Moment. Noch in anderer Weise ist das zu konstatieren. Noch nie ist ein Streik von solcher NiesenauSdehnung in so ruhiger Weist durchgesührt worden. Kein Totschlag, keine ernsthafte Körperverletzung beschmutzen die Sache der streikenden Arbeiter. Kaum daß es zu ganz vereinzelten Prügeleien zwischen ein paar Streikenden und Arbeitswilligen g«' kommen ist, so daß den Ausständigen sogar von den offiziellen Vertretern de« Reiches an amtlicher Stelle das Zeugnis eines musterhaften Verhaltens ausgestellt worden ist. Die Bekundungen der anderen Seite erklärte Staatssekretär Graf PosadowSky ausdrücklich als aufgebausckt oder direkt falsch, und in keinem einzigen Falle ist die vom Grafen v. Bülow angedrohte ultima ratio der militärischen Gewalt gebraucht worden. Gott sei Dank! Wir können stolz sein auf diese glänzende Disziplin in den Reihen der Streikenden. DaS kann un» kein andere» Land nachmachen, nicht dir sogenannte freie Schweiz, nickt da» ebenso genannte Amerika. Hier haben die Arbeiterorganisationen ihren Befähigung-- und zugleich ihren ExistenzberechtigungS-Nackwei» erbracht. Jetzt noch versuchen zu wollen, ihnen die Möglichkeit der Koalierung zu beschneiden, wäre mehr al- Torheit. Nun bleibt nock ein» zu hoffen, daß nämlich die Wieder aufnahme der Arbeit sich in derselben ruhigen Weise vollzieht wie der Streik. Gerade di« Histeri« der -roßen Ausstände lehrt, daß nach anscheinender Beilegung der Differenzen die praktischen Schwierigkeiten erst anfangcn. Auch 1889 war es so. Die Zechenverwaltungen setzten mit Maßregelungen ein und die Teilausstände dauerten bis in den Dezember deS Jahre«, obwohl schon am Ende Mai der AuSstand für beendet erklärt worden war. Schon liegen uns zuverlässige Meldungen vor, die darauf schließen lassen, daß die Arbeiter nur mit Widerstreben dem Rufe zur Wiederaufnahme der Arbeit folgen werden, soweit sie eS überhaupt tun. Man befürchtet bereits, daß das Essener Revier weiter streiken wird. Doch wird zum Mindesten mit der Einigkeit auch die Kraft deS Streiks gebrochen sein und die Intransigenten werden zusammenschmelzen wie der Schnee in der Früh lingssonne. Der Beschluß -er Arbettervertreter. Wir lasten hier die Nachrichten folgen, die den äußeren Verlauf der Beilegung des Streiks schildern. Die wichtigste Meldung ist diese: * Esten a R-, 9. Februar. Die auf heute morgen 9 Uhr an beraumte jRevierkonferenz der streikenden Bergarbeiter zu der die Presse erst in letzter Stunde zugelaffen wurde, beschloß nach eingehender Beratung, nachdem sie sich für die Wiederauf nahme der Arbeit au-geiprochen hatte, gegen 2 Uhr die Annahme folgender Resolution mit allen gegen 5 Stimmen: In der Erwägung, daß der Herren-Standpunkt des Vereins für Bergbauliche Interessen durch diesen Kampf in nächster Zeit noch nicht gebrochen werden kann und die Bergwerks besitzer nach wie vor Verhandlungen mit der Siebenerkommission ablehnen, ferner in Erwägung, daß durch ein Weiterführeu des Kampfes Las gesamte wirtschaftliche Leben einer un ermeßlichen Erschütterung ausgesetzt ist, glauben wir an die Opferwivigkeit der Bergarbeiter, sowie der gesamten Berg arbeiterschaft keine höheren Anforderungen stellen zu dürfen. Im Hinblick darauf, daß nahezu die gesamte öffentliche Meinung auf Seiten der streikenden Bergarbeiter steht und die Regierung, gedrängt durch die imposante Kund gebung der Bergarbeiter, im Reichstage bereits Gesetzentwürfe, be treffend die Arbeiterkammern und die Rechtsfähigkeit der Beruf-Vereine angekündigt hat, sowie eine seit mehr als ein Jahrzehnt versprochene Reform der Berggesetzgebung aufs bestimmteste zugesagt hat, in welcher erstens die Sicherheit gesetzlich geregelt wird, zweitens lieber stunden verboten bezw. eingeschränit werden, drittens die Knappschaftskasse verbessert, viertens das Wagennullen verboten wird, fünstens die vielen und hohen Strafen beseitigt werden und sechstens Arbeiterausschüsse eingefübrt werden, beschließt -ie Dele giertenkonferenz der vier Verbände, die Arbeit wieder anfznnchmcn. Sollten die Versprechen, die der Bergarbeiterschaft während deS Kampfes von Selten der StaatSregterung gegeben worden sind, nicht erfüllt werden, sowie die Beschwerden unbe achtet und die Mißstände der Bergwerksbetriebe in der Weise fortbestehen bleiben, so behält sich die Bergarbeiterschaft vor, so einmütig, wie sie diesen Kampf geführt hat, aufs neue diesen Kampfplatz zu betreten, um die Erfüllung ihrer berechtigten Forderungen zu erzwingen. Die Bergarbeiter verpflichten sich, die Stärkung ihrer Organisationen energisch zu betreiben, um jeder Zeit für einen Kampf gerüstet zu sein. Ferner wird über dieselbe Versammlung gemeldet: * Essen a R., 9. Februar. In der geheimen Beratung der Revierkonferenz der Bergarbeiter wurde, wie der Vorsitzende nach der Zulassung der Presse feststellte, der Siebener- Kommission ein Vertrauensvotum ausgestellt. Effertz und Sachse referierten kurz über die Besprechungen und gaben die Gründe an, die für die Wiederaufnahme der Arbeit ge sprochen haben. Nach langer Geschäftsordnungsdebatte wurde mit überwiegender Mehrheit Schluß der Debatte beschlossen. Sodann wurde die bereits gemeldete Resolution angenommen. Als Termin sür die Wiederaufnahme der Arbeit wurde der 1V. Februar bestimmt. Auf Antrag Huö und anderer wurde dir Siebener-Kommission beauftragt, weiterhin zu tagen und die Ausführung der Versprechen zu überwachen. Die Streikenden machen Schwierigkeiten. Wie schon oben ausgeführt, beginnen nun erst reckt die praktischen Schwierigkeiten. Die erste Meldung darüber liegt uns bereits in einem Telegramm unseres Spezial korrespondenten im Ruhrrevier vor: * Esten, 9. Februar. (Eig. Drahtmeld.) Heute nachmittag fanden in Essen Versammlungen der Bergarbeiter statt, die zur Resolution der Delegierten Stellung nahmen. Die Delegierten wurden von der erregten Masse total niedergeschrieen. Die Arbeiter verlangten stürmisch nach anderen Vertretern und warfen den Delegierten Verrat an der gemeinsamen Sache vor. Zur Wahl anderer Delegierten kam e« indessen nicht. Die von den Delegierten verteilten Flugblätter wurden zerrissen und auf die Straße geworfen. Wahrscheinlich wird im Essener Revier vor läufig lvettergeftreikt werden, und e« ist zu befürchten, daß der Auestand nicht mehr jenen ruhigen Verlauf nimmt, wie bisher. * Essen, 9. Februar. Ju den heute nach mittag in Essen und Umsiegend veranstaltete» öffentlichen Bergarbeiter«Versammlungen wurde mit überwiegender Majorität be schlossen, dem Beschluß der Delegiertenkonferenz der Bergarbeiter, die Arbeit wieder anfznnehmen, nicht beizutreten, vielmehr im Ausstande zu der- harren. A«»stand»statistik. * Esten a. R., 9. Februar. In den 18 Revieren des Ober bergamtsbezirks Dortmund und der Zeche Rheinpreußen sind heute 67 724 Arbeiter bei der Gesamtbelegschaft von 261591 angesahren. Mithin fehlten 1v:k 867 Arbeiter gegen 194 917 am Mittwoch. * Berlin, 9. Februar. Der „Staatsanzeiger" schreibt: Aus allen drei Schachtanlagen der Paul»- und Hohenzollerngrube fuhren die Belegschaften am 8. Februar wieder vollzählig an, ebenso auf dem Ostfelde der Mathildegrube; dagegen verweigerten auf dem Westselde dieser Grube 25 Schlepper ohne Angabe von Gründen die Einfahrt. Neu in den Ausstand trat die Be legschaft der Grube Emma bei Radlin, Bergrevier Rntibor; von 180 Mann fuhren zur Miltagsschtcht am 8. Februar nur 28 an, heute ruht der Betrieb dieser Grube vollständig, ebenso auf den Schächten der Gewerkschaft Cbarlotte bei Czernitz, auf der Johann Jakobgrube bei Niedobeschüy und der Redengrube bei Birtultau. Auf der Hohen Lauragrube sind 57 Schlepper und auf der BeatenSglückgrube 71 Mann auSsländig. Bon der Ge samtbelegschaft der vom Ausstand betroffenen Steinkohlenberg werke des BergrevicrS Ratibor von 5423 fehlten heule 3168. In dem Waldenburger Bezirk fehlten in der Nachtschicht zum 8. Februar, sowie in der darauf folgenden Früh- und Mittags schicht auf der Karl Georg Victoria-Grube von 2358 Mann 1647 , auf der Gustav-Grube vou 1118 Mann 649, auf der Abendröte-Grube von 1081 Mann 24. Neu in den Aus stand trat die Belegschaft der Schwesterfchächtr des Stein kohlenbergwerks Vereinigte Glückhilf und Friedenshoffnung zu Hermsdorf; von 2913 Mann fuhren nur 312 an. Im Ruhr bezirk fuhren auf den vom Ausstand betroffenen Zechen zur Früh schicht am 8. Februar insgesamt an 55 662, also 817 mehr al- am Vortage. Auf der Zeche Rheinpreußen waren am 7. Februar vou 5602 nur noch 855 Mann ausständig. Eingabe -er Siebenerkemmissisn an den Aeichrkanzler. * Essen a. R., 9. Februar. Die Siebenerkom- Mission hat eine Eingabe an den Reichs kanzler gerichtet, in der sie bedauert» daß die preu ßische Regierung einer reichsgesetzlichen Regelung der Berggesetzgebung nicht zu stimme, und um Ausnahme folgender Punkte in das preußische Berg- gesetz bildet: 1) In allen Steinkohlenbergwerken tiitt vom 1. April 1905 ab eine Höchstdauer der Schicht von 8^ Stunden, vom 1. Januar 1907 ab von 8 Stunden ein. An zu nassen Arbeitsorten und an solchen von mehr als 28 Grad Celsius ist die Tauer der Schicht auf höchstens 6 Stunden festzufetzen. Die Schichtzeiten verstehen sich für alle Grubenarbeiter vom Beginn der An fahrt des einzelnen Mannes bis -um Beginn seiner Aus- fahrt sSeil fahrt). 2) Verbot aller Ueberschichten und Sonn- tagsarbeiten; es sind solche nrnr zur Rettung von Menschenleben, bei außerordentlichen Be triebsstörungen oder Schachtreparaturen zulässig. Haben im Sommer wegen Mangel an Absatz Feierschichten eingelegt werden müssen, so kann die be treffende Zeche diese im Winter wieder nachholen lassen; mehr als zwei Schichten dürfen im Monat jedoch nicht nachgeholt werden, auch Doppelschichten dürfen dabei nicht gemacht werden. 3) Verbot des Wagennullens. Wo Wagen- kontrolleure von der Belegschaft gewählt werden, dürfen ihnen Schwierigkeiten von feiten der Zechenver- waltung nicht gemacht werden; auch müssen die Kon trolleure seitens der Zechenverwaltung genau wie die Belegschaftsmitglieder anerkannt werden, deren Rechte ihnen verbleiben. Den Lohn des Wagenkontrolleurs zahlt die Zeche verlagsweise aus und zieht ihnderBeleg- schäft am Lohntage a b. 4) Auf jeder Zeche mit mehr als 200 Mann Belegschaft wird innerhalb vier Wochen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ein aus geheimer Wahl hervorge- gangener Arbeiterausschuß eingesetzt. Wahl berechtigt ist jedes großjährige Belegschaftsmitglied. Wähl bar ist jeder Arbeiter, der über ein Jahr auf der Zache ge- arbeitet hat und über 25 Jahre alt ist. Die Arbeiteraus schüsse sollen nicht nuralleBeschwerdenundMiß- stände bei der Verwaltung vorbringen, sondern haben auch die Grubemitzukontrollieren und die Un - terstützungskasse zu verwalten, sofern zu der letzteren nicht ein besonderes aus geheimer Wahl hervor- gegangenes Arbeiterkomitee vorhanden ist. 5) Die Strafen dürfen erstmalig 50 Pfg. nicht über schreiten; die höchste Strafe für Vergehen darf nicht höher als die Hälfte des täglichen Durchschnittlohnes des betreffenden Arbeiters sein. Die Gesamtstrafe für ver schiedene Vergehen darf in einem Monat höchstens 4 ^k. be tragen. Beim Verhängen von Strafen, die höher als eine Mark sind, ist der Arbeiterausschuß erst zu hören. 6) Die Reform des Knappschaftskassen- wesens bitten wir dringend so zu gestalten, wie in den beiden Petitionen verlangt wurde, welche der Ch r i st l i ch e Gewcrkverein und der Verband Deutscher Bergarbeiter im März 1901 an das König!. Staats- Ministerium für Handel und Gewerbe und an das Hau ber Abgeordneten abgegeben, und die bis heutenochnichterledigt sind. Diese Punkte unserer Aenderungen haben ja in dem Regierungsentwurf zu Artikel 7 des Berggesetze», welches im Oktober 1903 ver öffentlicht, aber noch nicht erledigt wurde, Aufnahme gefun den. Wir bitten dringend, daß auch unsere übrigen For derungen bei der bevorstehenden Gesetzesänderung Berück sichtigung finden. Wir verweisen dabei auf di« Begründung in den genannten Petitionen. ver Zukrtanä in Ziicstvemklika. Di« Entschädigung der Ansiedler. Der Reichstag bat unter Ablehnung der Regierungsvorlage, die 5 Millionen Mark für das Hereroland verlangte, in zweiter Lesung nur 3 Millionen Mark für das ganze Schutz gebiet bewilligt und damit den schwergeprüften Ansiedlern eine neue Enttäuschung bereitet. Wenn das Zentrum seine ablehnende Haltung damit begründet bat, daß es erst die Niederwerfung aller Aufstände abwarten wolle, weil eS erst dann den Gesamtschaden Überblicken und be urteilen könne, welche Mittel zum wirtschaftlichen Wieder aufbau des verwüsteten Landes notwendig feien, so ist dem entgegenzuhalten, daß der Schaden des HereroaufstandeS sich heute schon vollständig übersehen läßt, daß derselbe durch die vom Reiche eingesetzte Abschätzungskommission sogar zum größten Teile schon beute amtlick ermittelt ist. Die Widerstandskraft der HereroS ist gebrochen, Volk und Führer beginnen sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben und die Wiederaufnahme deS Farmbetriebes erscheint in absehbarer Zeit möglich, einzelne Farmen sind sogar schon wieder bezogen. Eine allgemeine Wiederaufnahme des WirtsckaflSbetriebeS ist aber nur dann denkbar, wenn die Farmer vorerst durch volle Entschädigung in den Besitz der dazu erforderlichen Mittel gesetzt werden. Es ist ganz unverständlich, weshalb die Farmer im Hererolande auf die Beendigung der ver schiedenen, volle 9 Monate später au-gebrochenen Hotten- toltenaufstänbe warten sollen, die wahrscheinlich erst nach Jahr und Tag zu erhoffen steht. Man begeht damit ein Unrecht gegen die Farmer sowohl al- auch gegen die Kolonie, deren Wiederaufbau mit doppeltem Eifer gefördert werden sollte, um die großen pekuniären Opfer baldmöglichst wieder einzubringen, die der Ausstand vom Reiche gefordert bat. Wie die „Dtsch. Kol.-Ztg." hört, ist den Farmern seit dem t. Januar die bis dahin gewährte Verpflegung entzogen worden, so daß sie sich mit ihren Familien von nun an selbst unterhalten müssen. DaS Leben im Schutzgebiet ist teuer, beute doppelt teuer. Es steht daher zu befürchten, daß die bisher bewilligte geringe Abschlagszahlung bei Beendigung des Ausstandes aufgezehrt sein wird, ohne ihrer Bestimmung, den Farmern den Wiederaufbau ihrer wirtschaftlichen Existenz zu ermöglichen, gedient zu haben. Zum Schluß muß man noch großem Befremden Aus druck geben über die Ausführungen eine« ZentrumSreduers. Dieses Mitglied eine: großen christlichen Partei, die sich doch auch zu der Lehre von der christlichen Nächstenliebe bekennt, konnte nicht genug Steine zusammenlesen, um sie auf die armen Opfer einer verkehrten Reichskolonialpolitik zu werfen, während er auch nicht ein einziges von den vielen Momenten Hervor bob, die zu ihren Gunsten sprechen. Während so Erz berger an den Ansiedlern kein gutes Haar ließ, war der Sozialdemokrat Bebel ehrlich genug, zu erklären, daß er den Farmern und Händlern in ihrer Allgemeinheit die Schuld am Ausstande nicht zuschiebcn könne, wenn er es sich auch nickt nebmen ließ, die Gewalttätigkeiten einzelner in der üb lichen Weise agitatorisch zu verwerten. Die Rede deS Herrn Erzberger mit ihrer unmotivierten Anrempelung deS Führers der Ansiedler-Abordnung war eine der häßlichsten Er scheinungen in der nur eintägigen Debatte über die Ent schädigungsvorlage. Einigermaßen versöhnend wirkten die kurzen Ausführungen des Dr. Spakn, denen man ein gewisses Wohlwollen für die unschuldig Geschädigten nicht absprechen konnte. Es ist zu hoffen, daß der Reichskanzler, wie es im Sommer der An- sievlerabordnung zugesagt worben ist, mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit sich für eine volle Entschädigung ein- jetzen wird. Vie ffririr in finrrlsnü. Die Eisenbahndlrektion in Vrerlau teilt mit, daß der Gesamtverkehr nach den Weichselbah - neu über Sosnowice wieder ausgenommen ist. In Sernowice geht der Ausstand unter militärischem Druck dem Ende entgegen. Die meisten aus preußisches Gebiet geflüchteten Beamten kehren zurück. Aus vielen Werken werden die Lesen angeheizt. Das Milowicer Werk arbeitet wieder, Ka- tharinenhütte folgt abends, die anderen Werke morgen. Gesrgi Gapon ist des Seeisorgeamts im Deportationsgefängnisse enthoben mit dem Verbot, die geistlichen Pflichten zu er füllen, solange seine Rolle in der Arbeiterbewegung nicht klargestellt fei. Vorn Ministerium Bulygin. Nach der Zeitung „Naschni Dni" hob das Ministerium des Innern das Verbot gegen den Walderwerb durch Juden außerhalb des Ansafsigkeitsbezirkes aus, da die Forstbesitzer darauf Hinwielen, daß das Verbot die Holzpreise drücke. 17 ^refesfsren -er Univerfität Dsrpat haben in einer Sitzung des Prosessorenkollegiums die Er klärung abgegeben, daß sie wegen der erregten Stimmung der Studenten, die den normalen Lauf der Studien beein trächtige, und weil es unvereinbar mit der Würde der Hochschule sei, die Studien fortzusetzen, wenn ihre Möglichkeit nur durch den Schutz der Polizei garantiert werde, ihre Tätigkeit einstellen. Das Kollegium be schloß mit 28 gegen 7 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen die Vorlesungen zeitweilig einzustellen, bis daS Kollegium die Möglichkeit der Wiederaufnahme derselben klargestellt habe. In Vak« sind infolge des Ausstandes der Setzer die Zeitungen gestern nicht erschienen. Nach Meldungen au» Sachalin gehen die Vorräte der Händler allmählich zu Ende Schreibpapier ist im Hansel nicht mehr vorhanden, daher stellte die einzige Druckerei die Annahme von Bestellungen ein. Die Filiale der Firma sür Kunst Alber- stellte eben falls die Tätigkeit ein. Di« Angestellten begaben sich auf da» Festland.
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