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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050304020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905030402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905030402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-04
- Monat1905-03
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Bezugs-Preis in der Hauptrxpebition oder deren AuSgako» stellen abgrholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in-Hau» 3.7V. Durch dir Post bezogen für Drulsch- land u. Oesterreich virrteliührlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitunqsprriSIiste. Diese Nummer kostet 4 IZH ? auf allen Bahn böten und III ^I( I bei den ZeitungS-Brrküufern I * Nedakttou und SrpedMo« 153 Ferntprecher LLZ Johanni-gasse 8. Haupt-Ftttale Dresden: Marienstratze 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: TarlDunctrr, Hrrzgl.Bayr^ofbuchbandlK, Luyowilrahe 10 iFernsprrchrr Amt VI Nr. 46031 Nr. M. Abend-Ausgabe. MchWr Tagtlillilt Amtsblatt des Königs. Land- nnd des Königs. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 4. März 1905. An zeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen. Geschästranzeigen unter Text oder an beionderer Stelle »ach Tarif. Die -gespaltene Reklamezeile 75^. Unnahmeschlutz für Anreisen: Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmUtagS 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Au-gabe- nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition Ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von D. Polz in Leipzig lJnh. vr. V..R. <L W. Kltukhardtl SS. Jahrgang. Var Wckstlgtte vom Lage. * König Friedrich August wird in der zweiten Aprilwoche die Städte Zwickau, Werdau, Crim mitschau, Meerane und Glauchau und Anfang Juli das Vogtland besuchen. * An der Technischen Hochschule zu Hannover sind erneute Differenzen zwischen Rektor undStuden- tenschaft ausgebrochen. (S. P. T.) * AuS London wird gemeldet, die Lage des Ministeriums Balfour sei so kritisch, daß Eduard VH. die geplante Mittelmeerfahrt aufgeschoben habe. (Vgl. Pol. Tagcsjchau.) * Das englische Oberbaus bat gestern über den Fall eines Krieges und einer Invasion feindlicher Land truppen debattiert; Lord Selborne erwiderte auf die An frage. (S. Ausland.) * Eine furchtbare Feuersbrunst richtete in South Shields (Grafichaft Durham) enormen Schaden an. (S. Aus aller Welt.) * Nach einer englischen Meldung annullierte Ruß ¬ land große Bestellungen in Waffen und Munition, die die Regierung in Belgien aufgegeben hatte. (S. russ. - jap. Krieg.) * Die Entscheidungsschlacht um Mulden ist nach dem russischen Schlachibericht im Gange; auf dem linken Flügel ist die ganze Nacht gekämpft worden. (S. russ.- jap. Krieg.) Vie juridische Seite cker Angelegenheit Montignoss. Von einem Juristen wird uns geschrieben: Die Angelegenheit der Gräfin Mon ti g n o s o bietet in ihrer gegenwärtigen Gestaltung er hebliches juristisches Interesse. Es ist ein Satz aner kannten Rechtens daß fremde Staaten und ihre Herrscher der inländischen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen sind. Erst unlängst ist dieser Nechtssatz wieder bestätigt worden, als eine Kieler Schiffswerft wegen ihres. Werklohns einen Arrest in ein kaiserlich türkisches Kriegsschiff vollstrecken wollte. Dem geschriebenen Rechte gehört dieser Satz nicht an, die Obergerichte, insbesondere im erwähnten Falle der preußische Kompctenzgerichtshof, haben aber an seiner Gültigkeit nicht gezweifelt. Ob das geschriebene Recht Italiens eine entsprechende Vorschrift enthält, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn das nicht der Fall wäre, müßte davon ausgegangen werden, daß die italienischen Gerichte aus völkerrechtlichen Gründen Bedenken gegen ihre Zuständigkeit tragen müßten. Ter König von Sachsen ist für sie der Souverän eines fremden Landes und darum grundsätzlich der Gerichtsbarkeit keines anderen als seines eigenen Landes unterworfen. Hier von bildet auch der Umstand keine Ausnahme, daß es jedem deutschen Bundesfürsten unbenommen ist, als Kläger vor jedem deutschen Gerichte Recht zu nehmen; denn jeder deutsche Bundesfürst ist eben Mitsouverän Les Reiches. Die hier gekennzeichneten völkerrechtlichen Be denken werden es sein, die den Dresdener Hof von einer Klage bei den Florentiner Gerichten abhalten, und nicht die Möglichkeit einer Prozeßverschleppung durch die Be klagte. In Fällen, wie dem vorliegenden, wo im Grunde eine reine Rechtsfrage zu entscheiden ist, bietet sich wenig Raum für Verschleppungsversuche. Der rein tatsächliche Streitstoff ist verhältnismäßig einfach und leicht zu klären. Diffizil sind lediglich die Rechtsfragen, ins besondere — abgesehen von der Frage dec Zuständigkeit der Gerichte und der Zulässigkeit des Rechtsweges — die Fragen der Statutenkollision, also die Frage, welches Recht anzuwenden ist, ob der eockiee eivile italiano oder das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und das sächsische Hausgesetz. Ten Zweifeln, die an der Zuständigkeit der italie nischen Gerichte bestehen, kann auch nickst dadurch ausge- wick-cn werden, daß der König bei einem inländischen Gerichtshöfe, falls ein örtlich zuständiger bestehen sollte, eine Verurteilung der Gräfin zur Herausgabe des Kindes erwirkte und darnach in Italien vollziehen ließe. Italien vollstreckt ausländische Urteile nur dann, wenn das zu ständige italienische Gericht das Vollstreckungsurteil dazu erlassen hat. Also auch in diesem Falle wäre Voraussetzung wieder eine Unterwerfung des Königs unter eine fremdländische Gerichtsbarkeit. Im Falle des Assar-i-Tew fik hatte das Auswärtige Amt die Angelegenheit als in sein Ressort gehörig in Anspruch genommen und die gerichtliche Zu- stündigkeit bestritten. Es will uns scheinen, als ob auch der gegenwärtige Fall in das Ressort der Diplomatie gehörte. Könige sind eben keine Privatleute, wenigstens nicht im internationalen Reckstsverkehre. Eines zeigt aber der Fall, nämlich daß Herrsck>er bei der Verfolgung privatrechtlicher Ansprüche zur Zeit im internattonalen Verkehre schlechter gestellt sind als ihre Untertanen. Freilich ist die Zahl der Fälle, in denen sich dies fühlbar macht, gering. vr. dl. Vie W;ir in ftuttianck. Da» Jubiläun,»«Manifest. In der Kundgebung vom 3. März 1861 hatte Alexander II. gesagt, er habe sich in der Tiefe des Herzens gelobt, „um dem uns anverlrauten Berufe zu entsprechen, daß wir mit unserer kaiserlichen Liebe und Sorge alle unseren treuen .Untertanen jeden Standes und jeder Klasse umfassen wollen, vom Krieger, der edel die Waffen fübrt zur Verteidigung des Vaterlandes, bis zum demütigen Handwerker, der sich den Arbeiten des Ge werbes widmet, vom Beamten, der zu den höchsten StaatS- ännern aufstcigt, bis zum Arbeiter, dessen Pflug die Felder furcht. Bei der Betrachtung der verschiedenen Klassen und Stände, aus denen der Staat besteht, haben wir uns über zeugt, daß die Gesetzgebung des Reiches, die für die Organisation der oberen und mittleren Klaffen so weise ge sorgt und deren Pflichten, Reckte und Privilegien so genau bestimmt hat, nicht denselben Grab von Wirksamkeit besitzt für die an die Scholle gebundenen Bauern." Am Schluffe stand dann der lyrische AuSruf: „Und nun, frommes und getreues Volk, mache auf deiner Stirn ras heilige Zeichen des Kreuzes und vereinige deine Gebete mit den unsrigen, um den Segen des Höchsten auf deine erste freie Arbeit, das gesicherte Unterpfand seiner persönlichen Wohlfahrt und des allgemeinen Besten herab zuflehen". Die Manifeste Nikolaus II. vom 2. und 3. März 1005 wetteifern nicht mit jener Phraseologie; man müßte sagen, daß sie sich selbst dementierten, wenn nicht eine künstliche Verbindung zwischen beiden noch möglich wäre. Im ersten Ukas» den der „Prawilelstwennyi Westnik" veröffentlichte, hieß es, daß der Zar sich weigere, eine neue Landesverwaltung auf neuer Grundlage zu errichten, die aber tatsächlich unserem Vaterlande nicht angemessen sein würde." Ob auch mit hin die „rechtgläubige Kirche" und die kaiserliche Gewalt einer prinzipiellen Reform entgegenstehen, so wurde doch den „getreuen Untertanen" das Recht er teilt, durch den Ministerrat ihre Beschwerde und Wünsche dem Zaren vorzulegen. Das zweite Mani fest verlünvet den Beschluß, „von nun an mit Gottes Hülfe" „vom Volke frei gewähHe Männer bei der Beratung legislativer Entwürfe heranzusiehen". Gs wird also die alt- ruisifche Einrichtung des Semski Sobor, die eine Oligarchie von Beamten, Militärs und kirchlichen Delegierten gewesen war, umgemodelt; das Prinzip der Volkswahl wirb zugelaffen, indessen scheint auch bas ständische Prinzip gerettet zu werden, und die im Reskript angebrachten Klauseln beweiseu vor allem, daß nach Rassen und Gouvernements Unterschiede gemacht werden sollen. Eine Konferenz wird unter Bulygins Vorsitz tiefes „Parlament" vorbereiten. Ueber seine Gestaltung ist mithin noch immer nichts bekannt. Von vornherein unsympathisch aber muß, auch bei den Orthodoxen, die Uebereilung und die unlogische Durchführung der Aktion wirken. WaS aus Petersburg gemeldet wirb, daß auf den Straßen unbeschreiblicher Jubel geherrscht habe, daß den Zeitungsverkäufern die Blätter aus den Händen gerissen wurden, daß der Zar den Minister des Innern in aller Eile in den Palast berufen habe und daß General Trepow äußerst bestürzt gewesen sei, da er in der kaiserlichen Kundgebung einen persönlichen Mißerfolg sehe, ist mit Reserve zu behandeln. 4>«ter»burg unter der Streikdrshung. Aus Petersburg wird der „Voss. Ztg." gemeldet: Eine Anzahl Fabrikanten beschloß, die Fabriken zu schließen. Die Lage ist ernst. Patrouillen durchziehen die Stadt. — Wiefern dieser Rapport einseitig ist, läßt sich nicht erkennen. Dankg»tte»vi«nst in So»nowice. Das „B. T." meldet aus Kattowitz: Die Huld- schinsky-Werke in Sosnowice verständigten sich mit den Streikenden und erfüllten einen großen Teil der Forderungen. Gestern fand anläßlich der Beendigung deS Streiks ein Dankgottesdienst statt, an welchem die Verwaltung sowie die Arbeiter teilnahmen. In Warschau und Lodz. Nach einer vom Sonnabend datierten Meldung rückten gestern in Warschau drei Regimenter Infanterie und ein Regiment Dragoner, in Lodz 10 000 Mann Infanterie und Kosaken ein. Der Generalgouverneur Maximowitsch kommt von Petersburg, um sich über die Situation zu orientieren. — In Lodz traten angeblich die Arbeiter mehrerer Fabriken in Ausstand. Für Montag ist General streik angesagt. Die Bitte einer Deputation um Schließung der Mittelschule wurde vom Kurator abgelehnt. ver rurrirch-japanische Weg. Vie Umkreisung Aurspatkin». Die entscheidende Bewegung der vier japanischen Divisionen gegen die Rückzugslinie der russischen Armee läßt für diese nunmehr, als Resultat einer emsigen Woche, den schlimmsten AuSgang befürchten; die Umfassung des rechten Flügels duich den Marschall Oyama wiederholt die Taktik ver Japanerum Lraojang, und es fragt sich nur, wann General Kuro- patkin die Nachricht erhalten bat. Das Schweigen der amtlichen Depeschen beweist nicht, daß das russische Oberkommando nickt davon unterrichtet war. Es stand so viel ruisiicke Ka vallerie am Hunho und Liaobo, daß sie jede ernsthafte Be wegung der Japaner entdecken mußte. Vier japansicheDivisionen macken etwa 80000 Mann aus, und dieOperationen einer solchen Masse können sich nur dann unbemerkt vollziehen, wenn Vie eigene Reiterei imstande ist, den Marjch völlig zu verschleiern. Hat Kuropatkin daS Auftreten dieser japanischen Armee abteilung rechtzeitig erfahren, so wird er, wie in der „Köln. Ztg." vermutet wird, die jetzt unter Kommando des Generals v.Kaulbars stehenden Truppen, dieGripenberg in den Januarkämpfen führte, zur Ab wehr bereitgeftellt und durch seine Hauptarmee an der Linie M u kb en-Tr eling ver stärkt haben. In den nächsten Tagen sind danach Kämpfe zu erwarten, die leicht bieEntjcheidung deSFeldzugs bringen können. — Ten reckten Flügel der russischen Aufstellung bildet die 2. Armee, jetzt unter General Baron Kaulbars. Zu ihr gehören das 8. und 10. europäische, das 1. sibirische Korps, die 61. Neservedivision, sowie die 2. und 5. Sckützenbrigade. Im Zentrum, daS stellvertretend General Zerpitzki befehligt, steht die 3. Armee mit dem 1., 16. und 17. europäischen, dem 4. sibirischen Korps und der 1. Schützenbrigade und auf dem linken Flügel unter General Lincwitlch ist das 2., 3., 5. und 6. sibirische KorpS verteilt. Im Anmarsch befinden sich nur noch die 3. und 4. Schützenbrigade, sowie das 4. Armeekorps; letzteres bat erst Ende Februar die Reise angetreten und dürfte nicht vor Anfang April den Kriegsschauplatz erreichen. Von der Ausreise berauch bereits mobil gemachten 10. Kavallerie-Division und der gemilchten kaukasischen Kosaken-Dwision verlautet noch immer nichts sicheres; Gerückte wollen wissen, baß diese Transporte, der schwierigen Ernährung der Pferde wegen, unterbleiben würden. Ferner heißt es mit ziemlicher Be stimmtheit, daß keine weiteren Mobilmachungen von Linientruppen in Aussicht genommen seien, daß dagegen die Feldarmee in ihrer augenblicklichen Stärke, durch fort dauernden Nachschub von Ersatzformationen, erhalten bleiben würde. — Eine ganz falsche Privatdepesche aus Petersburg hat nur den Wert zu zeigen, welche Katastrophe im Fall der Umkreisung der Armee Kuropatkins droht: „Gerüchtweise verlautet, daß die Avantgarde der Russen, sowie die russische Intendantur Mukden bereits verlassen bat, um sich nach Cbarbin zurückzuziehen. Die Lage der Russen soll sehr kritisch sein. Ein Telegramm aus Charbin meldet, daß die Japaner gestern den Putilowhügel und den NovostrodSklhügel ein nahmen. Ferner soll die Kavalleriediviflon Nennenkampf fast völlig aufgerieben worden sein. Es wird bereits ver sichert, daß Mulden geräumt werde. Die Russen be fürchten, von den Japanern umgangen zu werden und ihre Stellungen am Hunho aufgeben zu müssen. Beim hiesigen Gencralstab wird diese Meldung dementiert." Aus Sachetun meldet heute die Petersburger Tclegraphen- Agentur Auf dem linken Flügel wurde während der ganzen Nacht gekämpft. Seit dem Morgen des 3. März wogt ein Kampf mit der japanischen Umgehungskolonne bei Shalinpu, von wo Artilleriefeuer zu vernehmen ist. Der Kampf spitzt sich auf der ganzen Front immer mehr zu einer Entscheidungsschlacht zu. Aufkündigung russischer Bestellungen »n Belgien- Aus London wird auf Grund von ominösen Zeitungs meldungen depeschiert: Rußland machte die Bestellung von Waffen und Munition wieder rückgängig, die die Regierung von Petersburg in Belgien aufgegeben batte. Diese Kündigung macht hier viel Aufsehen. Die Erklärung deS russischen Agenten, daß nunmehr genug Waffen angeschafst seien, wird in hiesigen informierten Kreisen nicht geglaubt, vielmehr angenommen, daß Rußland den Krieg bald beenden werde. Panasiatische Zukunft»pläne. Aus Aokobama, den 26. Januar, schreibt man dem „H. Corr.": Japans Blick richtet sich von Ostasien, das man schon jetzt völlig zum japanischen Jnleresscnkreis rechnet, nach Vorderasien, ja bereis bis nach Konstantinopel. Japan besitzt bisher keine diplomatische Vertretung am Bosporus. Diese soll jetzt geschaffen werden, weil sich beide Staaten völlig fremd seien. Auf Grund gemeinsamer Interessen müßten beide Sympathien für einander fühlen, da beide Staaien unter fortwährender Bedrohung durch das aggressive Rußland ständen. Es gäbe viele Türken, die Feuilleton. Frauchen. Roman von Felix Freiherr von Stenglin. Nachdruck verboten. Valeska wollte Frau Lotte die Hand küssen, doch diese kam ihr zuvor und küßte sie mehrmals herzlich auf die Wange. Dann schüttelte auch Eichkamp dem jungen Mädchen die Hand, indem ec ihr gute Wünsche für ihre Zukunft aussprach. Als Valeska fort war, sah Frau Lotte zu ihrem Mann auf und sagte: „Eigentlich müßt' ich froh sein, aber es zieht mir merkwürdigerweise die Kehle herauf. Wahrscheinlich auch Illusion I" — Wieder in die Wohnung des Bruders zurückgekehrt, erwähnte Valeska beim Abendbrot so nebenbei, daß sie am nächsten Tage zu reisen gedenke. Davon wollte Walter nichts wissen; es war ihm ein unerfreulicher Gedanke, die Schwester jetzt gerade zu ent behren, aber sie blieb bei ihrem Entschluß. Agnes machte keinen Versuch, sie zu halten. „Also wirklich, du willst reisen!" sagte sie, aber es gelang ihr weder in ihren Ton noch in ihren Gesichtsausdruck Be dauern hineinzulegen, sie spürte vielmehr zu ihrer eige nen Bestürzung, wie sich unwillkürlich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen stahl, so daß sie den Kopf tief über ihren Teller neigte, um sS zu verbergen. XIII. Am nächsten Tage stand Agnes früh auf, sorgte für den Jungen, damit er rechtzeitig und ordentlich zur Schule komme, badete die Kleine selbst und trug bei ihren wirtschaftlichen Besprechungen mit Auguste einen gewissen gereiften Ernst zur Sckiau. Die Lust, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, hielt an, und sie war auf richtig dankbar, daß sie nicht fortbrauchte. Später half sie Valeska beim Einbacken und freute sich dabei über deren versöhnliche Stimmung. Es war ihr doch sehr lieb, in Frieden mit der Schwägerin auseinanderzugehen. Dann aber, als Walter — heute früher als sonst — nach Hause gekommen war, kehrte sogleich das Gefühl des Bedrücktseins, das sie gestern in seiner Gegenwart beherrscht hatte, zurück. Sie wurde ernst und schweig sam, — kein Wunder, da er es ja auch war! Nicht ein Wort der Genugtuung über ihren neuen häuslichen Eifer ließ er fallen, sondern tat fortgesetzt, als ob er beleidigt wäre. Agnes dachte einige Male, ob er vielleicht nur auf einige herzliche Worte von ihrer Seite warte? . . . Wenn sie ihm nun zum Beispiel um den Hals fiele und ihn zärtlich bäte, wieder gut zu ihr zu sein? . . . Nein, das brachte sie nicht fertig, das würde sie nie tun, sie hatte auch ihren Stolz! Er hatte dankbar zu sein, nicht sie. Sein Eigensinn, seine Rechthaberei, die schon Agnes früher manche schwere Stunde bereitet hatten, kamen da wieder zum Vorschein. Ihn von einer vorgefaßten Meinung abzubringen, hatte ja immer schwer gehalten. So war eS damals gewesen, als sie aus der Häuslichkeit herausgewollt hatte; so Ivar es jetzt, La sie wieder hinein wollte. Frostig sagten sie sich Gesegnete Mahlzeit. Als Walter sich — bedeutend freundlicher — zu seiner Schwester wandte, gelobte Agnes sich, ihm künftig ganz, aber auch ganz fern zu bleiben, selbst wenn er einmal nach Monaten oder Jahren Annäherungsversuche machen sollte. Dieses Kapitel ihres Lebens, so meinte sie, lag nun abgeschlossen hinter ihr. Sie wunderte sich selbst, wie hart sie geworden war. Oh ja, sehr hart war sie! Er würde vielleicht noch einmal zu ihren Füßen um Vergebung flehen für das, was er ihr jetzt antat, und sie — sie würde ihn kalt zurücklveisen. Dann sollte er schon einsehen, was er sich verscherzt hatte. Ihren Kindern und ihren Pflichten wollte sie leben. Er mochte neben ihr hergchen und sehen, wie er mit dem Leben fertig wurde. Das war nun nicht anders. „Ich werde dich am besten mit einer Droschke zum Bahnhof bringen", sagte Walter zu seiner Schwester, als sie nach Tisch in seinen, Zimmer saßen. Agnes brachte gerade den Kaffee herein. Jetzt setzte sie das Tablett mit den drei gefüllten Täßchen, Zuckerdose und Sabnentopf auf den kleinen Tisch, der zwischen den Geschwistern stand. „Du?" fragte sie darauf, einen Schritt zurllcktretend und Walter mit offenbarer Mißbilligung anblickend. „Ja, ich!" erwiderte er und suchte seinem Gesicht einen Ausdruck von Erstaunen zu geben. „So! Nun, ich hatte mir ebenfalls schon vorge nommen, ValeSka zu begleiten." „Da- kannst du ja", meinte Walter ruhig, indem er Valeska durch eine Handbewegung nötigte, sich Kaffee zu nehmen. „Wenn ich gewissermaßen ausgeschlossen werde und man mich nicht auffordert, danke ich natürlich!" fagte Agnes und ließ sich mit gekränkter Miene auf einen Sessel fallen. „Ihr kommt natürlich beide mit", entschied Valeska. „Seid doch nicht so nervös!" Agnes erklärte, daß sie jetzt keine Lust mehr verspüre. Doch als die Stunde gekommen und die Droschke vor gefahren war, machte sie sich stillschweigend zurecht, um mit einzusteigen. Walter trat höflich zurück, als sie an den Wagen kam und half ihr beim Einsteigen. Bald nachdem Valeska ihre Fahrkarte gelöst und ihr Gepäck besorgt hatte, kam schon der Zug, der nur wenige Minuten Aufenthalt hatte. Valeska stieg ein, Walter und Agnes blieben noch vor dem Wagenfenster stehen. Da trat plötzlich ein Herr heran und grüßte. „Otto, du?" sagte Walter. „Ja, ich. Die Eltern haben mir die Abfahrtszeit verraten, und ich wollte mich doch gerne noch verab schieden." Dabei verneigte er sich grüßend vor Valeskr, und sie reichte ihm die Hand zum Fenster hinaus, die er einen Augenblick mit festem Truck umschloß. Dann plauderte er in leichtem Ton von allerlei neben sächlichen Dingen, heiter, als wenn es eine Trennung von ein bis zwei Tagen gälte. Valeska war ihm dankbar für diese Rücksicht. Was brauchte es auch elegischer Blicke und anzüglicher Reden! Daß sie ihn sah, war ihr eine Freude, und daß er sich ihr so unbefangen zu zeigen vermochte, flößt« ihr Achtung
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