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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050310026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905031002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905031002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-10
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vrzugS-vrrrs k tz«r tzarpkerpedttt« »der der« A««qab» stell« « »geholt: vterleljShrltch ^SS.—, bet zweimaliger tügltcher sjaslellaag t»< Haas L.7Ü. Durch dir Poft bezog« für Deutsch» laud u. Oesterreich viertel lührlich 4.Ü0, für di« übrige» Länder laut fteituug-prei-list«. Liefe No«»er kuftet aus alle» vahuhüs« und III I bei den Lettuogg-Pertäuser» I * ftirdusttu» vu» SrZedtNum 1LS Fernsprecher tÜLi Iodanat-gassr 8. H«upt»-iltai« Drei»«: Marieastratz« 84 (Fernsprecher Amt I Rr 1718). Hai«t.;diUalr Verli«: TarlDrrackrr, Herzgt.Bayr^ofduchbaudlg^ Lützowiirahe 10 ^Fernsprecher «mt VI Nr LEX Abend-Ausgabe. KiWM T lyM M ÄmlsUfttt des K-ttigk. Land- und des Hönigk. Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Rokizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, Geschäst-anzeigen nut« Text oder an vesonderer Stell« nach Tarif. Die 4 gespaltene Reklamezrilr 7S-^. Aunahmeschlutz für Urrzetgen: Abend-Au-gab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au,gäbe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richt«. Extra-Beilag« (nur mit der Morgen- Au»gabe- nach besonderer Vereinbarung. Die ExpeMkiott Ist Wochentag» ununterbrochen geäffaet vor früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Post r« Leipzig i3nb. vr. «„ R. L W. »ltukhardti. Nr. 127. Var Aicbtigrte vom läge. * Der Kaiser Franz Josef reist am 17. nach Pest, um die Lösung der ungarischen Krisis persönlich in die Hand zu nehmen. * Aus Rom wird gemeldet, Fortis habe be schlossen, das Ressort des Innern selbst zu übernehmen. Nach der „Tribuna" werden 4 bis S der bisherigen Minister beibehalten werden. * Nach einer Reuterdepesche auS Muk den richten die Russen auf die Japaner, die auf der Eisenbahn linie herankommen, von der Umgebung der Kaiser gräber aus ein heftiges Gcschlltzfeuer. Die Japa ner strebten eiligst nach Norden und suck-en den rechten russischen Flügel zu umfassen. (S. russ.-jap. Krieg.) Vie Zaniemng ller steichzfinanren. Bisher hatte der gute Bürger, dessen Verhältnisse nicht zur Zufriedenheit seiner Gläubiger geordnet waren, stets die Möglichkeit, humoristisch darauf hinzuweisen, daß ja auch der Staat, die für Len Einzelnen vorbildliche Gemeinschaft, lediglich auf Borg lebe. Tas deutsche Reich machte es nicht anders, als so mancher lockere Vogel; wenn seine Einnahmen für die Ausgaben nicht reichten, so hieß es einfach: „Borg ich mir einenI" Das Mittel erwies sich als probat und von Anleihe zu Anleihe lebte sich's ja ganz behaglich. Jetzt aber ist in dem Freiherrn von Stengel ein ernster Mann an die Spitze der Reichs finanzen getreten, der uns demnächst neue Neformvor- schlüge vorlegen wird, da sein bisheriges, nach ihm be nanntes Gesetz, die lex Stengel, dem Uebel nicht an die Wurzel gegriffen hat. Ter Bürger hört nur ungern von Finanzreformcn, weil er weiß, daß „Reform" auf diesem Gebiete nur eme neue Steuer bedeutet. Indessen, man soll, nach Hebbels treffendem Wort, den Staat nicht wie eine Last tragen; der Einsichtige weiß genau, daß auf Erden nur der Tod umsonst ist. und daß wir für die Gifter, die der Staat uns gewährt; natürlich auch eine Gegenleistung entrichten müssen. Prinzipiell bnahen wir alle Liese Verpflichtung und niemand wird es un natürlich finden, daß für die immer steigenden Ausgaben auch neue Einnahmcguellcn geschaffen werden müssen. ES handelt sich nur darum, daß der bedürftige Staat möglichst rationell und gerecht vorgeht. Zuerst hatte man damit gerechnet, daß die höheren Einkünfte aus den nenen Handelsverträgen, die am 1. März 1906 in Kraft treten sollen, unser Land mit einem Goldregen befruchten würden, allein, da kam das Zentrum und ließ den größten Teil der Mehreinnahmen aus den Zöllen für die kommende Witwen- und Waisen- Versicherung der Arbeiter fcstlegen. Es gilt also, die Wünschelrute anderswo klopsen zu lassen. Eine Zeitlang Freitag den 10. März 1905. 99. Jahrgang. hieß eS nun, der Tabak oder das Bier würden besteuert werden. Auch wer der Ansicht ist, daß beide Genußmittel eine höhere Besteuerung vertragen würden, kann sich nicht verhehlen, wie unpopulär nun einmal derartige Steuern sind und mit diesem Empfinden, mag es berechtigt oder unberechtigt sein, mnß der Politiker rechnen. Auch kommt noch hinzu, daß durch die neuen Handelsverträge die Lebenshaltung des Volkes ohnehin schon verteuert worden ist und daß gerade in dieiem Augenblick eine neue Belastung des Konsums wahrscheinlich die l-eftiaste Er- bitterung Hervorrufen würde. An eine Besteuerung des Tabaks scheint Freiherr-Don Stengel nicht mehr zu denken, und was die Viersteucr anbetrifft, so würde der Reichstag jedenfalls nicht'mehr bewilligen, als eine in engen Grenzen gehaltene Staffelung der Bransteucr, die keinen nennenswertes» Betrag ergeben würde. So bleibt dem Staatssekretär nur der Weg der direkten Besteue rung übrig, aber auch dieser Weg ist insoweit bereits ver legt. als eins Neichsvermögensstcner dem Widerstande der Einzclstaatcn gegenüber kaum durckuisedcn wäre Tie Einzelstaaten sind in erster Linie auf diese Steuer als Finanzguelle angewiesen und würden außerdem ii> redem derartigen Versuche eine gefährliche Beeinträch tigung ihrer Selbständigkeit erblicken. Unter diesen Umständen läßt sich nur noch an die Wehrsteuer oder an eine Neichkerbschaftssreuer denken und es scl-cint. als ob Herr von Stengel der beabsichtigten großen Reform di«.- Erbschaftssteuer zugrunde legen will. Wir hätten unserer seits dagegen nichts einzulvenden. vorausge'eßt natürlich daß diese Steuer einen progressiven Charakter trägt. Wer viel erbt, muß viel obgcben, wer wenig erbt, wenig Wem von einem Vetter scchszchntcn Grades eine Million zufällt, der muß natürlich mehr bezahlen, als wer von seiner Tante dreitausend Mark erbt. Es bleibt den ge setzgebenden Faktoren Vorbehalten, eine Abftu'ung fest- zusctzcn. die dem Zwecke der Steuer gereckt wird und zu gleich die Billigkeit dem Einzelnen gegenüber nicht aus der Acht läßt. Ein Novum bedeutet ja diese Stnier nicht denn sie besteht bereits in mehreren anderen Ländern bringt in England 300 Millionen Mark Iahresertraa in Frankreich 150 Millionen Mark und es ist eigentlich nur zu verwundern, daß wir noch nicht zu diesem n he- liegenden Sanierungsmittel gegriffen haben. Die Ec- Hebung ist leicht und da das bürgerliche Gesetzbuch die Verschiedenheit des Erbrechts in den einzelnen Staaten nivelliert hat. so würden sich ernste Schwierigkeiten nirgends Herausstellen. Auf Widerstand dürste der Ge danke, wie man sckon jetzt aus der Haltung der „Tcut- schen Tageszeitung" ersehen kann, nur in denfemgen Kreisen stoßen, die ihre ganze politisa eTätigkeit nach dem Worte geregelt haben, daß Nehmen s.liger LennGeben ist. Im Anschluß hieran sei noch ein sehr wichtiger Ge sichtspunkt erwähnt, auf den die „Natlib. Korresp." zu sprechen kommt. Sie schreibt über die schwache Stellung des Reich sschatzsekretärs: AlS ein« der wesentlichsten Voraussetzungen deS Erfolges einer den Anforderungen der Zeit entsprechenden Finanz reform im Reiche haben wir bezeichnet, daß die Stellung des Staatssekretärs des Neichsschatzamtes zu einer selbständigeren ausgestaltet werde. Es handelt sich hier um eine alte liberale und speziell von der nationalliberalen Partei wiederholt geltend gemachte Forderung. Aber nicht wegen der historischen Bedeutung, die sie für unsere Partei hat, kommen wir auf sie zurück, sondern weil ihre Berechtigung im Laufe der Jahre auch von solchen Männern immer mehr anerkannt wurde, die abgesehen von ihrer Parteistellung und ihrer größeren oder geringeren Vorliebe für die eine oder andere Parteirichtung im bestverstandcnen Interesse der Entwicklung des Reichs finanzwesens zu der Ueberzeugung gelangt sind, mit der Be willigung erhöhter Reichseinnahmen allein sei nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit Abhülse zu schaffen, wenn nicht gleichzeitig die Stellung des Neichsschatzsekretärs eine Verstör- kung erfahre. Taß sie zurzeit eine starke nicht ist, ist pudliei juris. Wiederholt- wurde früher und später das Bild ge braucht, der Neichsschahsekretär befinde sich zwischen zwei harten Mühlsteinen, nämlich zwischen dem Einfluß des preu ßischen Finanzministers und dem der Chefs der Heeres- und der Marineverwaltung. In Preußen, dem größten Einzel staate, haben die Erfahrungen dazu geführt, die Stellung des Finanzministers besonders stark auszugestalten. Ter Preu- ßische Finanzminister kann ungeachtet der Kollegialoersassung des preußischen Staatsministeriums in finanziellen Fragen, wenn er nicht will, im Staatsministerium niemals überstimmt werden. Er hat daS Recht, direkt an die Krone zu appellieren. Der Neichöschatzsekrelär kann, wenn ihm nicht der starke Ein fluß des Reichskanzlers zur Seite steht, schon bei der Auf stellung des Neichshaushaltplanes durch den Kriegsminister oder das Neichsmarineamt in seinen Dispositionen vollständig matt gesetzt werden. Im Bundesrat bat er nur das Recht, die preußische Stimme ldes Finanzministeriums! zu führen. Es liegt auf der Hand, daß, je verfahrener die Neichssinanz- angelegenheitcn sind und je erwünschter es ist, wenn endlich Ordnung in die Sache kommt, um so notwendiger es auch ist, zu verfahren, wie wir Vorschlägen. Ver AuMsnü in Zückivertattilra. Hendrik LV tbor bei den L.igländern in sict erhebt. Tie Frage, wo sich der Kapitän Hendrik Witboi befinde, scheint nun dahin beantwortet werden zu tonnen, daß er wirk lich auf br.tilches Gebiet entkommen ist. Tas Vauptblatt der Afrikaner im Kaplande „Ons Land' äußert sich zu der Erklärung englischer Regierungsblätter, daß Hendrik stets auf britischem Gebiete Asyl finden könne, dahin: Wenn das die Gedanken seien, d,e unsere Negierung beseelten, dann könnten die Teutfchen mit Liecht ausrufen: Himmel, bewahre uns vor unseren englischen Freunden! In einer eingeschalte ten Bemerkung wird miiaeleilt, daß der Ucbertritt Hendriks auf br.tisches Gebiet seitdem erfolgt ist. Dadurch wird be- stäligk, ivas man bisher nur vermutete. In den amtlichen Depeschen des Generals v. Trotha wird Hendrik Witboi zum letzten Mal am 13. Januar erwähnt. Liebergaben- ä»cl)icksal. Vor etwa zwei Wochen gingen Klagen durch die Presse, daß die durch Verm«tt'.ung der Firma Matthias Rohde nach Südwestafrika abgesandten Pakete in Swakopmund lagern, ohne weiterbefördert zu werden. Jetzt wird der „Dr. T. R." wieder der Brief eines Offiziers vorgelegt, der die ganze Zeit über an oder in der Nahe der Eisenbahn beschäftigt gewesen ist und trotzdem hie im November abgeschickten Pakete anfangs Februar noch nicht erhalten hatte. Es heißt »n dem Brief: „So erfahr« ich von hier, daß die Pakete in Swakop mund in Bergen Herumliegen: ke»n Mensch bekümmert sich drum; es wird flott gestohlen; wer etwas haben will, muß selbst suchen — auf die Aussicht hin, doch nichts zu finden. Für die Zukunft alles durch die Post schicken, wenn es auch etwas mehr kostet, das ist die Lehre, die wir daraus ziehen müssen. Ich hatte mich so aus alles gefreut und nun ist es nichts. Auch das Ossizierkorps batte mir eine Weih- nachlsliste durch Antelmann zugedacht. Nichts ist ringe- troffen. . . ." Das ist denn doch in hohem Maße zu bedauern. Gewiß ist es nur selbstverständlich, daß zunächst die unbedingt not wendigen Kriegsersordernisse mit der Bahn befördert werden müssen. Anderseits kommen aber doch die mit der Post be förderten Pakete richtig an. Ta müßte es dock möglich sein, diese einmal eine Wocye in Swakopmund warten zu lassen, und inzwischen einen Teil der älteren, „abgelagerten" Sen dungen zu befördern. Sollte vielleicht St. Bureaukratismus seine Hand dabei im Spiele haben'? Vielleicht die „bezahlten" Pakete den „unbezahlten" vorziehen'? Vielleicht auf „An weisung aus Berlin" warten? Jedenfalls sollte man es hier noch emrnal mit einer nicht mißzuverstehenden Depesche ver suchen. Sie wirken manchmal Wunder. Vie Istiri: in sturrlanü. Kur JuSenfrnge. Ter „Voss. Ztg." wind aus Petersburg geschrieben: Obwohl die jüdische Bevölkerung nur den winzigen Teil von eiwa 2,7 v. H. der Gesamtbeoöllerung Rutzlarws aus- machi, bildet die Judensrage einen der wesentlichsten Grund- pseller, au; den die Gegner durchgreifender Reformen sich stutzen. In einigen Tagen soll die Juüenfrage im M i n i st e r k c m i i e e erörtert werden, und, da von den zu tiessenden Entscheidungen nicht nur die Zukunft der jüdischen Bevölkerung, sondern ganz Rußlands beeinflußt wird, sei dieser Gegenstand einer kurzen Beleuchtung unter worfen. Innerhalb der russischen Intelligenz gibt es gegen über den Zuöen drei Gruppen, die ich charakterisieren mochte als die Indifferenten, di« A n t t j e m i t e n und die Egoisten, wobei die Egoisten wiederum in wirtschaftlich« und politische Egoisten eingeteilt werden müssen. In der heutigen Stimmung in der Intelligenz bilden di« Indiffe renten die Mehrzahl. In der semitischen Rasse sieht das Gros der gebildeten Russen keine Gefahr für das Land, wohl oder ein Stimulans für den faulen russischen Bauern und Kaufmann. Mil den Indifferenten in eine Reih« können die wirtschaftlichen Egoisten gestellt werden. Ihrer sozialen Stellung nach sind sie vorwiegend Staatsbeamte und wir finden sie darum auch bei den energischesten Vertretern des Absolutismus. Wenn Finanzmänner wie Witte und Kokowzow Gegner der Judengesetze sind, danp versteht daS wohl ein jeder; schwieriger jedoch ist der als Nesormfeind bekannte Gouverneur von Tula zu verstehen, es sei denn, daß wir in ihm den Typus eines „aufgeklärten Auio- kralen" sehen wollen. Tatsächlich duldet der Gouverneur von Lula die Juden, die dort kein Wohnrecht haben, ledig lich aus dem Grunde, weil sie seit 18W eine sehr bedeutende Belebung des Handels brachten und der sehr ausgedehnten Handelsindustrie neue Lebensgeister durch Eröffnung ent» fermer Absatzgebiete einbliesen. Von den Antisemiten ist wenig zu sagen. Neben den Argumenten, die ihre west europäischen Gesinnungsgenossen ins Feld führen, Haden sie noch ein eigenes: Tie Bauern müssen erst aus eine höhere Stufe gebracht werden, damit sie imstande seren, sich gegen jüdisch« Ausbeutung zu schützen Bildung geben sie aber dem Bauern nicht, weil er sonst di« Religiosität verlieren könnte. Feuilleton. Vie Wehrlosen. Lon Charlotte Eilersgaard. ch Autorisierte Ueberiepung von Wilhelm Thal. «uch»«uU »erboien. Ter Buchhalter sagte zunächst immer, Helwig wäre ja ein ungewöhnlich fleißiger Mann, eigentlich wäre er ein prächtiger Mensch — aber .... und dann hatte er freie Bahn. Ein bißchen blieb immer sitzen. Helwig war zu stolz, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Ter Kampf, der zwischen diesen beiden in der Stille geführt wurde, war also absolut ungleich. Taß die gnädige Frau in der letzten Zeit der Familie Helwig gegenüber so Wohlwollen!) gewesen, hatte den Eifer des Buchhalters noch mehr entflammt. Hclwig hatte mehrere von diesen kleinen Reibereien mit ihm gehabt, während seine Frau im Bett lag und glück lich war. Wenn sie mit ihrem festen Glauben auf die Gehalts zulage Herauskain und die Behauptung aufstellte, ihre Sorgen hätten nun ein Ende, lächelte er nachsichtig. Er konnte cs nicht übers Herz bringen, an ihrem Luft schlosse zu rütteln. Etwas würde er selbstverständlich aus der gnädigen Frau hcrausholen, aber daß es nicht die großen Summen waren, von denen sein Frauchen phantasierte, das wußte er recht wohl. Und daß er um die bescheidene Summe, die er forderte, einen Kampf bestehen mußte, wußte er auch. Aber er mußte doch Mut fasten und sich hinaus- »vagen. Ach, wie genau er diese Reise nach der Villa kannte! Wenn die gnädige Frau mit ihrem kühlen Lächeln er schien. ihm eine Zigarre anbot und höflich, aber so un endlich unzugänglich warl Nicht ein Haar breit half sie ihm auf den Weg, eher verschloß sie sich noch mehr und mehr in sich selbst. Und während er sich dazu auf gerafft hatte, das zu sagen, was gesagt werden mußte, wurde ihr Läckeln immer strenger und strenger. Und doch hatte er sich auf diese Weise hundert Kronen auf hundert Kronen erzwingen müssen, bis er zu dem gelangt war, was er jetzt hatte. Aber das half ja nichts daß er sich in die unange nehmen Erinnerungen vertiefte. Es war besser, all seinen Mut zusammenzunchmen, um Len neuen Strauß mit der Tarne auszufechtcn. Als Helwig sich dem Schmiedeeisengitter des Gartens näherte, verspürte er doch eine unglaubliche Lust, wieder un'znkehren. Aber er ermannte sich. Boni Spielplatz her hörte er das Klappen der Krockctkugeln. Tie gnädige Frau war im Garten. Sie machte sich ihre gewöhnlich Motion vor dem Frühstück. Sie ging mit aufgcschürzten Seidenröcken und hatte Holzschuhe über den feinen Stieseln. Uebrigens war es modern, auf der Villa in Holzschuhen zu gehen, man konnte dann so schön bei jedem Wetter Herumstreifen. Frau Höegh fvar gerade in einein interessanten Spiel begriffen, als sie Helwig bemerkte. Was denn geschehen wäre? Es wäre doch Geschäfts zeit War denn Helwigs Anliegen so wichtig, daß er nickt hätte telephonieren können? . . . Oder . . . ein ärgerlicher Gedanke stieg in ihr auf. ... Ne n, nein, das konnte es nicht lein. Sie war ja neulich erst so unendlich freigebig gewesen. . . . Und sie hatten doch auch wohl Takt, diese Menschen. . . . Obwohl man von der Sorte Gott weiß alles erwarten konnte. . . . Er f'ng an, recht großartig zu werden, dieser Helwig.... Glaubte wohl bald, er wäre unentbehrlich. Sie war gewiß genötigt, ihn ein bißchen zu bremsen. Tann verzog die gnädige Frau den Mund. Sie unterdrückte ein ganz leises Gähnen und ging aufs Hau» zu. Jetzt saßen Fran Höegh und Helwig gemütl ch in den Korbstiihlen der Glasveranda. Tie gnädige Frau klingelte nach Selterwasser. Helwig sah so erhitzt aus, er könnt« wohl etwas Kaltes vertragen. Ob «S di« Länge des Weges war, die ihn so erhitzt hatte, oder der Gedanke an das, was er sagen wollte, — das konnte man ihm nicht ansehcn. Aber das letztere war sicherlich das Wahrscheinlichere. Frau Höegh thronte, halb in ihren Korbstuhl zurück- gelehnt. Unter den Kopf hatte sie sich ein rotes Seiden kissen gelegt. Helwig saß da und überlegte, wie er wohl am besten aniangcn sollte. Auf dem Wege halte er sich alles so klar und ein leuchtend zurecktgelegt. Tic Worte waren kraftvoll und gut gewählt. Und nun konnte er nicht ein einziges von den Worten finden, die er so nötig brauchte. Ach, durfte er nur warm und innig zu ihr sprechen, nut ihr sprechen, wie ein Mensch zu einem Menjöhn spricht. . . . Aber sie saß ja steif und unnahbar da, wie eine Königen, die nur leere Worte entgegennahm. Und so viel Mut, daß er alles zerbrechen konnte, hatte Helwig nickt. Sicherlich stand diese Frau im Bündnis mit übernatürlichen Mächten. Mit einem Blick zähmte sie alle, die in ihre Nähe kamen. Jehl sah sic so bestimmt auf Helwig, als ob sie sagen wollte: „Na, Sic haben wohl ein Anliegen?" Laut aber sagte sie: „Es ist Geschäftszeit, Herr Helwig, was ist das für eine wichtige Mitteilung, die Sie mir zu machen haben?" Helwig siammelre zuerst wrc ein verlegener Schul- junge. Tann aber faßte er plötzlich Mut und sagte: „Meine gewöhnliche Bitte, gnädige Frau." „Ihre gewöhnliche Bitte?" Jetzt war die gnädige Frau an der Reihe, verlegen zu werden. Ader daS dauerte nur eine Sekunde. Bald nahm sie wieder all ihre Würde zusammen. „Wie soll ich da- verstehen?" Helwig »var wieder ganz auS dem Konzept. „Verstehen Sie denn nicht, gnädige Frau", sagte er bittend ES handelt sich um mein Gehalt, ich kann nicht mehr damit auskommen." Tie gnädige Frau überhörte den Ton und sagte ganz schnell und geschäftsmäßig: „Wieviel haben Sie doch jetzt jährlich, Herr Helwig?" „Zweitausend Kronen." „So, also so weit sind Sie gestiegen, das ist doch ganz schön. Finden Cie eigentlich nicht, daß zwei- tausend Kronen viel Geld sind?" Der Ton der gnädigen Frau klang wieder milde und weniger geschäftsmäßig. „Ja, es ist wohl viel Geld, aber ein Jahr ist doch laug", sagte Helwig mutig. „Nun, es hat wohl dieselbe Länge für Sie, wie für uns " Tic gnädige Frau fühlte sich in diesem Augenblick mit dem Volk verwandt. „Ja, aber es wird mir so furchtbar, furchtbar schwer, auszukommen", fuhr Helwig fort, während er sich nervös erhob. Es war so dumm, daß er nichts weiter als diese gehackten Sätze herausbekam. . . . Aber was braucht es denn das auch. Tie gnädige Frau wußte ja, was er wollte. Es tvar im Grunde ja gar nicht nötig, sich deutlicher zu erklären. „Ach, wenn die gnädige Frau nur wüßte, wie wir jeden Schilling umdrchen müssen, bevor wir ihn aus geben", sagte er . . . „und jetzt, wo die Familie Zu- wachs bekommen hat." Aber nun erhob sich die gnädige Frau auch und stellte sich vor ihn hin: „Zuwachs bekommen", sagte sie spitz, „habe ich Sie darum gebeten, war Ihre Familie nicht schon vorher groß genug? . . . Habe ich vielleicht selbst Kinder?" „Nein, gerade . . . und deshalb . . . meinte ich." „Ja, Sie meinen so viel, Herr Helwig, aber Sie sind auch vergeßlich. . . . Habe ich Ihnen nicht über diese . . . diese unvorhergesehenen Ausgaben hinweg geholfen? . . . Sie hätten mir die Unannehmlichkeit ersparen sollen. Sie daran erinnern zu müssen." „Wir sind ja auch dankbar, meine Frau und ich", stammelte Helwig, „aber . . . aber . . „Ich könnte mich fast versucht fühlen, daran za zweifeln", sagt, dr« gnädig, Frau fast traurig, «rvLrm
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