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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050316018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905031601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905031601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-16
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Morgen-Ausgabe tipMer Tageblatt a»f «Leu ««hvhtkeu und »I Hts htt-«»-M»-»->wckänftrn »" tF«»spnch« L«t l Rr. 17UY. U«r1D»»Aer SS. Jahrgang Nr. M Dounorstag dm 16. Mürz 1905. ftMet, auch -er MrMchkett entspricht. Prüfen wir diese ' -U ' Anuahmeschluß für Anzeige». Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. machten werde« deshalb zurück»««ommen and ich darf Li« bitten, dt» VoLmachtSnrkund, an «ich znrückgelangen z» laß«. Set«, entspräche, S 28 der mich der Beruf al« gelshrigen Schüler, ihrem Lehrer keineswegs mit dank barer Sympathie lohnen, und daß wir von dem Auf- schwunp dieser Nation, die, wie es scheint, die Europäer auf dem Schlachtfelde zu überbieten und auf dem Welt markt zu unterbieten versteht, nicht das Geringste zu erwarten haben. Unser Entzücken über ihre Siege ist naiv. Unsere Industrie, unser Handel wird diese Er kenntnis am ehesten gewinnen. Indessen mag man hier einwerfen, daß Rußland uns ja gar nichts mehr gewähren könne, weil es ohnmächtig sei. Für heute und morgen trifft dies zu, aber es ist keineswegs unmöglich, daß die Erfahrungen des lebten Jahres das sind, was die Sprache der Kirche eine heil- same Züchtigung nennt. Mit diesem Kriege kann eine neue Aera beginnen; wer will heute entscheiden, ob die Möglichkeit einer Regeneration noch vorhanden ist oder nicht? Wenn wir es vermöchten, in diesem Sinne zu wirken, so müßten wir es tun. Die Gerüchte, Kaiser Wilhelm habe dem Zaren geraten, eine Verfassung zu geben und Frieden zu schließen, sind natürlich tatsächlich unbegründet, aber sie entstammen dem richtigen poli tischen Instinkt. Es ist wünschenswert, daß Friede ge schlossen wir-, denn Rußland darf nicht bis aufs Blut ge schröpft werden, und es ist wünschenswert, daß der Zar den Weg organischer Reformen entschlossen betritt, denn ein von Revolutionen geschütteltes Rußland ist für uns eine Gefahr und vermag keinen Rückhalt zu bieten. Das Ziel, dem unsere Diplomatie setzt zustreben muß, liegt also deutlich vor uns, nur muß es vermieden werden, daß wir uns exponieren, Empfindlichkeiten verletzen und schließlich etwa beide Teile gegen uns aufreizen. Recht eigentlich eine Aufgabe, die der fürstlichen Familien- diplomatie zufällt, da ja in beiden Fragen die Entschei dung allein von dem Zaren abhängt. Nur keine pomp haft verkündete Aktion! Uebrigens sind wir in dieser Beziehung ruhig. Tivlomatischon Takt kann nieman dem Grafen Bülow «-sprechen; er wird uns, wenn sein Wille nicht von oben her durchkreuzt wird, nie in Un annehmlichkeiten» verwickeln, freilich aber auch niemals die Nation zu kühner Initiative aufrufen. Alles in allem betrachtet, verdient die Leitung unserer auswärtigen Politik im Hinblick auf den russisch-japa nischen Konflikt aufrichtiges Lob. Wir haben uns nicht engagiert und doch Rußland von unserer Zuverlässigkeit zu überzeugen vermocht. Das war wichtig, denn wir können uns nicht verhehlen, daß die Zeit vorüber ist, wo wir zwischen England und Rußland wählen konnten. Auf ein enges freundschaftliches Verhältnis zum Briten- reiche müssen wir, keineswegs leichten Herzens, verzichten. Gerade die Ähnlichkeiten der Veranlagung und Entwicke lung trennen uns. Schon sieht sich der Lehrer auf diesem und jenem Gebiete mit Bitterkeit vom Schüler über flügelt. Mit jedem Jahre verschärft sich die Rivalität, und wenn nicht Chamberlains Plan Englands Zukunft sichert, so ist es wirklich ein Kampf ums Dasein, -en England gegen Deutschland führt. An dieser Sachlage vermag kein Interview, keine Bankett-Verbrüderung, keine Klubgründung etwas zu ändern. Das Verhältnis der beiden Länder steht ganz unter dem Motto: Ote tol gue je mette! Aus dieser Erkenntnis ergibt sich für unsere auswärtige Politik die Rückkehr zu dem Worte des sterbenden Wilhelms des Ersten: »Mit Rußland mußt du dich immer gut stehen". Selbstverständlich nur, inso fern diese Gesinnung auch gewürdigt und erwidert wird. Wenn wir aber den Leitsatz einmal anerkennen, so ergibt sich auch auS ihm, welch' ein enormes Interesse wir an der inneren Entwickelung Rußlands haben. Denn ein zerrüttetes, sich selbst zerfleischendes Rußland ist für uns wertlos. Wir können und wollen uns in die Politik des Nachbarstaates nicht einmischen, aber in seinem und in unserem Interesse ist nun, nachdem bei Mukden die letzte Hoffnung auf Sieg zerronnen ist: Baldiger Friede un organische Reform. US Aeens-Äch« Amtsblatt -es Lönigl. Land- und -es Königs. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Var Mchtisrie vs» Las«. * Dem Erfinder de» Kehlkopfspiegel-, Manuel Garcia, ist anläßlich seine» 100. Geburtstage» vom deutschen Kaiser die große aoldeue Medaille für Wissenschaften verliehen wocheu. poelmaltg« täelich« Lut»lluve VB H«» D«chdte«v»bvge»sürLMlch. z>Nd m vefisrrchh tUHfnr vrulsÄhes Zeicd. , Letpst», 15 März. * Zum Kapitel vom Musterschutz. Wir haben schon ver- schiedentlick auf die Unzulänglichkeit unsrer Musterschutz- gesetzt hingewissen. Manchmal hängt das Wohl und Web einer ganzen Iiftmstrie davon ab Ein ganzes Ge werbe kann durch solche Musterschutz Pro,zesse beunruhigt werden, die bei klaren gesetzlichen Bestimmungen unmög lich wären. Namentlich l»id«t unser ausstrsbaads» st»rrl»mlr cramr. Wer politische Dinge bespricht, soll Rhetorik sorglich meiden. Auch wenn sie echt ist, wenn eure Wallung -es Gemütes nach dem erlösenden Wort ringt, sollen wir sie nie-erzukämpftzn und nur mit wissenschaftlicher Objektivi tät zu prüfen suchen. Aus dieser Erwägung heraus haben wir un- von Anbeginn an befleißigt, die Vorgänge auf dem ostasiatrschen Kriegsschauplätze und in Rußland selbst möglichst wenig sensationell und superlativisch zu be handeln. Der Ernst der Situation gebot dies. Denn für unsere nationale Zukunft ist es unendlich wichtig, welche Lehren wir auS Len gewalttgen Kämpfen, aus den Irrungen und Wirrungen entnehmen, in welche wir das Zarenreich verstrickt sehen. Auch der vorsichtigste Beurteiler muß sagen, daß -er Krieg eine militärische Katastrophe bedeutet, und daß dieser Eindruck unauslöschlich bleiben wird, auch dann, wenn die Ueberspannung der Kräfte vielleicht im japa nischen Volk eine Depression Hervorrufen sollte. Japan hat gesiegt, auch wenn Rußland -en »längeren Atem" be sitzen sollte. Wenn der Koloß unevschüttert bliebe, so würde nur Las Wort sich bewahrheiten: mol« »an stnt, aber siegen kann Rußland nicht mehr. Siegen heißt Ueberlegenheit beweisen, und schon haute ist kein Zweifel mehr daran.möglich, -aß die moralische, militärische un technische Ueberlegenheit bei Son unscheinbaren gelben Männern ist. Mr haben keinen Grund, uns besten zu freuen. Gewiß, ein siegreicher Krieg würde Rußlands Hochmut inS Ungeheure gesteigert haben, und sicher hätten wir ihn verspürt. Aber die russische Politik wäre ganz nach Asien orientiert worden, und wir brauchten ihr Uebergewicht nicht zu furchten. Die Weltlage bedarf eines starken Rutz- lands, und wir bedürfen seiner im Hinblick auf Eng lands kaum noch verhehlte Feindseligkeit am meisten. Hätte England, wie; dies eine Zeitlang befürchtet wurde, einen Streit vom Zaun gebrochen und unsere Flotte nach Lees skrupellosem Rezept überfallen, wer würde uns zur Seite gestanden haben? Ein starke» Rußland könnte eine Zerschmetterung der deutschen Seemacht niemals zulassen, weil di« Verstärkung Lar englischen Position ihm selbst ge- jährlich wäre. Der russisch-englische Antagonismus ist Gott sei Dank so tief eingewurzelt, so kräftig begründet, daß an ihm der Versuch, Deutschland zu isolieren und einen rüfstfl^englisch-franzöfischen Dreibund zu begrün, -en, trotz aller dynastischen Diplomatie Eduard» des Siebentsn scheitern wird. Und in Rußland hat niemals die Absicht bestanden, den Franzosen zur Revanche zu ver- helfen, denn auch der kurzsichtigste Staatsmann muß er- kennen, Laß Deutschlaad dem Zarenreich nicht gefährlich werden kann. Dächten unsere regierenden Männer an Expansion — sie denken nicht daran —, so UuirLe sich diese -och nimmermehr »ach Osten richten können. Kurz, in gewissem Ginne bestätigt sich da» emphatische Wort des Kaiser»: Rußlands Trau« ist Misere Trauer. Nur freilich entspricht e» garnicht -em VoSSempfinden, das über -er Bewunderung der heroischen Leistung -er Japaner ganz vergißt, da» eigene Interesse im Auge zu behalten. Der Deutsche liest leider die Flamruenschrift der Zeitgeschichte wie „Lumpenmüllers Lieschen". Er wählt sich «men Helden und fragt nicht, ob die Gestalt, * Nach einer Londoner ZeitnogSdepesche sind vier japa nische Kreuzer vor Sin-apvre «-gekommen. (S. rüst, jap. Krieg.) - Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, Geschäswanzeigen unt< Text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Die 4grspaitene Reklamezeile 75^. ver fall siSmer. Die Angelegenheit der Gräfin Montignoso hat nun glücklich einen neuen Separatfall gezeitigt, de« Fall Körner. Wir «halten folgende» Telegramm: 2. Drespe«, 15. März. (Eigene Meldung.) Da» amt lich« „Dresdner Journal" meldet heute nachmittag: In Ergänzung unserer in Nummer 50 veröffentlichte» Notiz über die anderweitige Behandlung der die Frau Gräfin Montignoso betreffenden Recht-aagelegenheit Sr. Majestät de« König» gebe« wir nachfolgend den Wortlaut de» Schreiben» wieder, welch,» da» Kämmerer-Amt Sr. Majestät de» König» au Hermr Iustizrat Dr. Emil KSrner gerichtet hat. E» geht darau» hervor, daß die fragliche Angelegenheit al» Regiar.«»g»sache bchandelt vwrden fall. Da» Schreib« lautet: Sehr gechrter Herr Iustizrat! «etm «asißst der »stnig hawU beschlossen, «üch»chsts,tu. «er- tret«- in wn private« Recht-ongeiegenhettr» zu der Ara« Gräfin Montignoso al»N,»1«rung»sache behandeln»» laste» «d einend« * Die »Time»" melden, daß eine größere japanische Truppenmacht, Infanterie und Artillerie, sich Wladiwo stok nähere. (S. ruff.-jap. Krieg.) * Der neue norwegische Ministerpräsident Michelseu hat sich vor dem Storthing zum Programm der Schaffung ei««» eiaeuea »orwegischeu Sousulat»wesen» be kannt. (S. Ausland.) * Nach Berichten au» Tokio stehen die Japaner bereit« 18 tz» südlich von Lielina, da» eine Besatzung' vou 50 000 Mau».hat. (G. ruff.-zap. Krieg.) Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Ertra-Vetlagen (nur mU der Morgen: Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Dte Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abeudS 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pole in Leipzig (Inh. ttr. B„ R. L W. Kltnkhardt). * Zwischen dem serbische» Nnauzmiuister Patschu, der dem Direktor der Ottomanischeu Bank G e s ch ü tz b e st e l lu n ae n in Frankreich zuaesagt haben soll, und dem KriegSminister ist ein neu« Konflikt entstand«. (S. Ausland.) * Nach einer Meldung Kuropatkiu» ist ein blutiger Angriff der Japaner gegen da» russische Zentrum bei Fanho abgeschlagen worden; mehr al» 1000 Tote liegen vor d» russisch« Stellung«. (S. letzte Dep.) »er rurrircb-japanftche Krieg. Die russische Niederlage. Nach Berichten der „Nowoje Wremja" sollen HVchnenc- noch 60 000 Mann der dritten Armee intakt sein, vie aber auch ohne Proviant sind. Die Stimmung in Peters burg ist erregt. Das Publikum fordert die Veröffent lichung aller eintreffenden Telegramme und belagert das Generalstabsgebäude. — Ueber die Sch lacht bei Mut - den gibt der Korrespondent der „Nowoje Wremja" folgende Darstellung: Ganz unerklärlich ist die Tatsache, daß die russische Armee bis zum 5. März völlig tatenlos blieb, wo doch jeder fühlte, daß jetzt der geeignete Zeitpunkt sei, den ermüdeten Feind zu bedrängen. An einer Stelle des Westflügels wichen die Ruffen in Heller Flucht zurück, die Bedienungsmannschaften der Artillerie wurden von einer förmlichen Panik ergriffen. Die furchtbar ermüdeten und nervösen, aufs höchste angespannten Truppen vernahmen in ihrer Mitte plötzlich den Ruf: „Japanische Kavallerie kommt!" In voller Unruhe griff alles zu den Waffen, um den Vorratstransport zu verteidigen. Blindlings wurde geschaffen, und die Kugeln pfiffen in allen Richtungen. Da ertönte das Kommando: „Stillgestandrn! Nicht schießen!" Es zeigte sich, daß der Feind gar nicht zur Stelle war. Aber der Zwischenfall hatte zahlreiche Opfer unter den eigenen Kameraden augerichtet. Japanische Nrerrzer. Aus London wird telegraphiert: Dem „Star" wird aus Singapore gemeldet, daß vier japanische Kreuzer dort augekommen seien. rvlaLiw-ft-r. Ein Petersburger Telegramm der „Times" meldet, daß sich eine größere japanische Truppenmacht, bestehend aus Infanterie und Artillerie, Wladiwostoknähere. Wie es heißt, soll die Einschließung und Belagerung des Platzes unmittelbar bevorsteheu. Avschdjeftrvenskyr Dsbut. AuS Loudon wird uns geschrieben: In dem Augenblicke, wo die Nordsee-Affäre des zweiten russischen Geschwaders in befriedigender Weise aufgeklärt worden ist, erinnert ein englisches Blatt an das erste Auftreten de» Admirals Roschvjestweusky, der schon als simpler SchiffSleutuant ein für romantische Abenteuer schwärmender Herr gewesen zu sein scheint. E» war während deS russisch - türkischen Krieges im Jahre 1877, als Kapitän Baranow und Leutnant Roschdjestwensky an den russischen jMariue» Minister einen ausführlichen Bericht sandten, in welchem sie von dem glänzenden Siege erzählten, den sie nach einem heißen Kampfe mit einem ottomanischeu Panzerschiffe davon getragen hatten. In dem Bericht hieß es ungefähr, daß die „Vesta", die während des Krieges aus einem Handelsschiffe in ein Kriegsschiff umgewandelt worden war und unter dem Befehl deS Kapitäns Baranow und der Leutnants Roschdjestwensky stand, das türkische Panzerschiff „Fethi-Bulod" angegriffen und nach einem fünfstündigen er bitterten Kampfe in Brand gesteckt hatte. Der Leutnant babe au» einem Mörser einen gewaltigen Schuß mitten in den Schornstein der „Fethi-Bulod" hinein gefeuert, so daß im Innern deS Schiffe« eine Explosion entstanden sei. Das zu Tode getroffene türkische Schiff habe darauf die Flucht ergriffen. Der Bericht erregte, nach dem er von Roschdjestwensky persönlich nach Petersburg gebracht worden war, das größte Aufsehen. Kapitän Baranow wurde in ganz Rußland als Held und Retter des Vaterlandes gefeiert. UeberallwoeranLand ging, in Sebastopol oder in Odessa, wurde er von begeisterten Volksmengen stürmisch begrüßt. Die russische Presse widmete der Verherrlichung des neu entdeckten Helden ganze Spalten. Von allen Seiten erhielt er mit Diamanten und Perlen be setzte und mit schmeichelhaften Widmungen versehene Ehren degen. Der Zar bewilligte ihm eine lebenslängliche Pension von jährlich 5000 Rubel, ernannte ihn zum Oberstleutnant und verlieh ihm einen hohen Orden. Den Leutnant Roschd- jestweusky hatte man inzwischen ganz vergessen und das führte schließlich den großen Krach herbei. Der Ruhm der „Vesta" und ihres Kommandanten war noch immer im Wachsen begriffen, als eines schönen Tages, am 4. September 1877, in einem Londoner Blatte ein Konstantinopeler Tele gramm erschien, das den Inhalt eines im „Levaut Herald" veröffentlichten Briefes des türkischen Admirals Hobart Pascha wiedergab. In diesem Briefe war kurz und bündig gesagt, daß der SieacSbericht deS Kapitäns Baranow und des Leutnants Roschdjestwensky ein Schwindel sei: es habe zwischen der „Vesta" und dem „Fethi-Bulod" niemals auch nur eine Begegnung auf dem Meere statt gefunden. Das wirkte wie ein Donnerschlag. Baranon hatte fick daraus verlassen, daß die Türken niemals wagen würden, seinen Bericht für eine grobe Fälschung zu erklären Roschdjestwensky aber fühlte sich zurückgesetzt und lanzierte zu erst boshafte Artikelchen in die Presse. Als dann der türkische Admiral mit seinem kategorischen Dementi auf dem Plane erschien, machte auch RovschjestwenSky aus seinem Herzen keine Mördergrube und veröffentlichte in einem Peters burger Blatte mit voller NamenSunter- schrift einen Brief, in welchem er seinen Kapitän sozusagen über Bord warf und den ganzen Kamps bericht für ein Phantasiestück erklärte. Nun war Baranows Schicksal besiegelt. Es wurde eine Untersuchung eröffne!, worauf man ihn aus der Marine entließ. Später fiel Baranow sogar die Treppe hinauf: er wurde mit dem Range eine» Artillerieobersten Gouverneur von Kowno und im Jahre 1897 Mitglied des Senat». Roschdjestwensky aber blieb in der Marine. Majestät legen übrigen- unverändert Gewicht darauf, daß Eie von dem, was Ihnen au- Anlaß deS Auftrag- bekannt gewordeu ist, nicht» veröffentliche» oder sonstwie zur allgemeine» Kenntnis bringen. Mit vorzüglicher Hochachtung Der Kämmerer Sr. Majestät deS König». Die ganze Angelegenheit birgt Seltsamkeiten und dürfte schwerlich dem Interesse de» sächsischen Hofe» nützen, vielleicht sogar die Vertretung seiner gerechten Sache erheb lich erschweren. Noch sieht man nicht klar und ist auf lückenhafte Einzelmomente in der Beurteilung der Lage angewiesen. Man hat sich also vorläufig zu hüten, in den Schlüffen zu weit zu gehen, und größte Vorsicht ist am Platze. Immerhin ist einige» als sicher auzusehen. Der erste Eindruck hat sich bi» zur Gewißheit verdichtet: der königliche Kommissar Iustizrat Körner ist io Ungnade gefallen. Die veröffentlichten Erlasse reden eine zu deutliche Sprache, als daß e» Sinn hätte, daS noch verschweigen zu wollen. Kein Wort de» Dankes verbrämt die Entziehung der Vollmacht und erleichtert Herrn Korner die peinliche Situation. Um so peinlicher jür ihn, da die Hetze der Montignosopreffe gegen ihn noch immer anschwillt und schon groteske Formen angenommen bat. DaS Simplizissimu» - Flugblatt ist so ziemlich das Tollste und Ungerechteste dieser Art Stimmungsmache. Also man ist mit dem bisherigen Kommissar unzufrieden. Weshalb? Schon ist man aus Vermutungen angewiesen. Hat die Erfolglosigkeit -seiner Bemühungen bei der versuchten Ausführung de» delikaten Auftrage» genügt, oder kommen besondere gravierende Umstände hinzu? Auch un» wurde schon augedeutet, daß man vielleicht geschickter und erfolgreicher operiert hätte, wenn ein gewandter Hofmann delegiert worden wäre. Aber wie ge- sagt: Hier steht man schon nicht mehr auf sicherem Grunde und bloße Vermutungen haben wenig Zweck. Es handelt sich nun um die Tatsacke, daß neuerdings die oben vor liegende wörtliche Veröffentlichung de» Schreiben» an den Iustizrat Körner beschlossen und erfolgt ist. Die ersten zwei Sätze scheinen un» für die Situation de» Herrn Körner günstig zu sein, günstiger jedenfalls al» da» vorher bekannt gegebene. Denn hier wird doch wenigsten» für die Entziehung der Vollmacht em Grund angegeben, der bislang ganz gefehlt hat. E» heißt da nämlich, die Angelegenheit solle fortan al» Regierung-fache behandelt werden. Zu welchtm Zwecke, wird nicht gesagt. Vielleicht hofft man da durch eine leichtere BerhandlungSmanier mit den fremden Behörden zu erreichen. Jedenfalls liegt hierin wenigstens eine Art Erklärung. Nun aber kommt der letzte Satz, in dem die Ursache der Publizierung de« Wortlautes enthalten zu sein scheint. Herr Körner soll nicht reden. Iustizrat Körner bat nämlich den dringenden Wunsch, sich zu verteidigen, und möchte eine Darstellung deS Sachverhalts ver öffentlichen, weil er sich kompromittiert fühlt und sich rehabi litieren möchte. E» ist bekannt, daß er sogar die Einleitung eine» Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt hat, daß die» aber angeblich abgelehnt worden ist, weil Leute im öffentlichen Leben Angriffe mit in den Kauf nehmen müßten. Wir vermuten nun freilich, auch Herr Körner würde sich au» den Angriffen nicht viel machen, wenn er de» vollen Vertrauens seines Mandanten noch sicher wäre. Aber die Situation hat ihn nervös gemacht und er veröffentlicht eine „Erklärung", die von der „Frkf. Ztg." abgedruckt wird, ohne daß übrigen» zu sehen ist, woher sie eigentlich stammt. Sie lautet: ,Ln einer großen Zahl deutscher und österreichischer Zeitungen sind au- Anlaß der von mir in Florenz entwickelten Tätigkeit und des von mir der Gräfin Montignoso gegenüber angeblich beobach teten Verhalt«- so tolle Verdächtigungen und Verunglimpfungen meiner Person ausgesprochen worden, und eS haben die Zeitungen auch nach meiner Heimkehr diesen unerhörten Preßfeldzug gegen mich in so gehässiger Weise fortgesetzt, daß ich da- nicht länger ruhig mitansehen kann, wenn ich nicht Gefahr laufen will, daß auch verständige und mir wohlgesinnte Personen an mir irre werden und mein guter Ruf unwiederbringlich verloren geht. Diese Verdächtigungen und Verleumdungen sind aber fast durchgängig mit den bezüglich der Montignoso-Angelegrnheit selbst aufgetischten Erfindungen «nd Entstellungen so vermengt, daß eine wirksame Zurückweisung der gegen mich persönlich erhobenen Angriffe nur mit gleichzettiger aktenmäßigrr Veröffent lichung de» wirklichen Sachhergang«- zu erreichen sein würde- Nach den Gesetzen bin ich jedoch verpflichtet, über den mir erteilten Auftrag uub dessen Ausführung streugste Verschwiegen heit zu beobachten. Wenn indes auch nur ein kleiner Teil der gegen mich erhobenen Angriffe der Wahrheit würde ich bet «einer Tätigkeit in Florenz den dentschen Recht-amvalt-ordnung verletzt, da» heißt, Achtung nicht würdig gezeigt haben, die mein Rechtsanwalt erfordert. Ich hab« daher zunächst den einzigen der zeit für mich gangbaren Weg beschritten, um meine angegriffene Ehre z» verteidigen, indem ich am 26. Februar bei dem Vorstand der AnwaltSkammer für da- Königreich Sachse» selbst den An- trag ringereicht hab^ gegen mich ei» ehrengerichtliche- Ver fahre» zn eröffne». In diesem Verfahren ist mir die Möglichkeit geboten, dte in den Zeitungen gegen mich erhobenen Angriffe und Schmähungen gründlich uutersnchen zu lasten »nd die Halt losigkeit aller gegen «ich an-gestreuten Verleumdungen durch beeidet« Zeugenaussage« und sonstig« gesrtzliche Mittel zu beweisen." Wir vermuten, daß diese Erklärung mit der jetzt erfolgten Veröffentlichung de» Kämmererschreiden» an Herrn Körner in Verbindung steht. Herr Körner spricht hier von der Not wendigkeit einer „aktemnäßigeu Veröffentlichung de» wirklichen Sachverhalts", «nd aerade die soll nach dem ausdrücklichen Willen de» König» nicht ersolgen. Selbstverständlich ist gegen den Willen de» König», der von vornehmster Rücksicht beeinflußt sein wird, nicht da» Gerinaste einzuwenden, und auch die Privatwünsche de« Herrn Korner dürfen und werden daran nicht» ändern. Nur ist zuzugchehrn, daß der frühere Kom- miffar in einer höchst fatal«« Situation ist. Und wir wieder holen — auch den Interessen de» König!. Hose» scheint un» dieser neue „Fall" nicht förderlich. Jedenfalls wird di« ganz« Angelegenheit durch ihn «dermal» kompliziert, und wen» man ihn hätte vermeiden können, wäre e» deffer gewesen.
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