Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040105020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904010502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904010502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-05
- Monat1904-01
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS'PreiS di der Houvtexpedition oder deren Ausgabe» pelleu abgeholt, vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Hau» 3.7». Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitungSprei-liste. Lrdaktion und Lrpedition: Iohannisgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. Filialeuprditi»«e»: Alfred Hahn, Vuchhandlg., UniversttätSstr.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34. Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713. Haupt-Filiale Serliu: Earl Duncker, Herzgl. Bayr. Hofbuchhandlg., Lützowstraße 10 Fernsprecher Amt VI Nr. 4803. Nr. 8. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (»gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto) Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännalimeschluk für Ilnzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Dienstag den 5. Januar 1904. 98. Jahrgang. Var AiMigrle vom Lage. * Die Neujahrsansprache des Kaisers soll, wie der „Reichsbote" mitteilt, noch weiter gegangen lein, u. a. auch in eindringender Weise den Zusammenhang von Nation und Heer berührt und vor jeder falschen Standesüberhebung gewarnt haben. Wie alle derartigen Kundgebungen, hätte sie aber einen vertraulichen Cl-arakter getragen, dadurch entziehe sie sich einer öffentlichen Wiedergabe. * D e r P o l e S z u m a n , geboren am 3. Februar 1822, wird der Alterspräsident des preußi schen Abgeordnetenhauses werden. Wenn er daS Ehrenamt annimmt, würde zum ersten Male ein Pole den Borsitz im Abgeordnetenhaus führen. Tas zweitälteste Mitglied ist Schaffner (natlib.f, ge boren am 25. Februar 1822. Ihm folgt im Lebensalter Staatsminister a. D. Hobrecht (natlib.j, geboren am 14. August 1824. * Dem Kongreß in Washington ist der Schrift- wechsel in der Panama-Angelegenheit zu gegangen; Kolumbien hat sich nunmehr endgültig zu ent. scheiden, ob es Krieg oder Frieden will. * Im russisch-japanischen Konflikt werden die Rüstungen fortgesetzt. Die Antwort Ruß lands wird am Sonnabend erwartet. Die Lage bleibt kritisch. * Das französische Transportschiff „Vienne" ist noch nicht gesunden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Januar. Kaiser und Kunstpficge. Der Großherzog von Weimar hat bekanntlich un längst eine Reibe moderner Künstler an die Kunstschule in Weimar derangezogen, u. a. Hans Olde, van de Belte, Schulze- Naumburg, Ludwig von Hoffmann. Infolgedessen haben sich die verschiedenen deutschen Gruppen der Sezession in einer Berlreterkonferenz in Weimar zu dem Zwecke geeinigt, in einer großen gemeinsamen und regelmäßig wiedertehrenden Aus stellung der modernen deutschen Kunst die Anerlennung zu verschaffen, die ihr in gewissen Kreisen noch immer versagt geblieben ist. Nun wird der „Welt am Montag" geschrieben, unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Weimarer Beschlüsse babe der Kaiser den Kultusminister vr. Studt nach Weimar geschickt, um beim Großherzoge dabin vorstellig zu werden, daß er von seinem Plane abstehen möge; aber der Großherzog habe sich dem Minister gegen über in sehr kräftigen Worten gegen jede Einmischung in seinen Bestrebungen nachdrücklichst verwahrt. Jeden falls würde eine solche Verwahrung auch erfolgt sein, wenn die Bertreterkonferenz der Sezession nicht in Weimar, sondern in einer anderen nichtpreußischen Residenz stattgefunven hätte und wenn der Fürst des betreffenden Landes nicht der Groß herzog von Weimar wäre. Von jeher haben es die deutschen BundeSsürsten als eines ihrer teuersten Rechte nicht nur, sondern auch als eine ihrer liebsten Pflichten angesehen, in ihren Die llniformänderungen in -er Armee und das Zentrum. Schon am letzten Tage des verflossenen Jahres haben wir darauf hingewiesen, daß der neue Kriegsminister v. Einem trotz der günstigen Aufnahme, die feine ent schiedenen Erklärungen über die Soldatenmißhand lungen und die Zustände in Ford ach bei der ersten Etatsberatung im Reichstage fanden, nach den Ferien sowohl in der Budgetkommission, wie bei der zweiten Plenar beratung des Etats einen schweren Stand gegenüber den immer zahlreicher werdenden Klägern über die Neuerungssucht und den Luxus im Heere haben werde. Jetzt kündigt die „Köln. VolkSztg." an, daß das Zentrum die Führung dieser Kläger übernehmen werde. In einem Leitartikel über die neuen Uniformänderungen weist nämlich das rheinische Zentrumsblatt auf die Schärfe und die Rückhaltlosigkeit hin, die in einem bei militärischen Dingen ungewohnten Grade in der Presse nicht nur der Linken zum Ausdrucke gelange. Nun dürsten es auch die andern in Betracht kommenden Faktoren an Ent schiedenheit nicht fehlen lassen; wo sei der Kriegsminister, der im Verantwortlichkeitsgefühle mit ganzem Ernst darauf aufmerksam mache, daß der Schneiderluxus daS Heer schädige? Diese Frage müsse im Reichstage aus der Mitte derjenigen Parteien gestellt werden, welche die unbedingt notwendigen HeereSausgaben bewilligen wollen. Es wäre von der Volksvertretung unverantwortlich, den keineswegs notwendigen Belastungen des Militäretats, des Offizier- korpS und der Mannschaften nicht mit vollem Nachdruck ent gegenzutreten. Das dürfe unter keinen Umständen den Sozialdemokraten überlassen bleiben. Das Zentrum werde es sich nicht nehmen lasten, gegenüber den allmählich un erträglich werdenden Mißständen nicht nur zu reden, sondern auch alle Budgetfeststellungshandhaben zu benutzen, um das Wort zur Tat zu machen. Man darf also lehr lebhaften Debatten entgegensetzen. In diesen dürsten sich aber das Zentrum sowohl, wie die übrigen Beschwerdeführer davon überzeugen, daß es „BndgetseststellungShandhaben" nur für solche Neuerungen giebt, zu deren Einführung im Etat Forderungen eingestellt sind. Landen Kunst und Wissenschaft nach ihrer Weise zu pflegen und dafür zu sorgen, daß beide nicht, wie z. B. in Frank reich, unter einem alles beherrschenden, die freie Entwickelung hemmenden zentralen Einfluß geraten. Das weiß auch der Kaffer und schon deshalb glauben wir nicht, daß er sich der angeblichen Verwahrung ausgesetzt habe. Es würde aber auch gar nicht mit der Sorgfalt überein stimmen, mit der er jeden Schritt vermeidet, der von einem BundeSsürsten und einem Einzelstaat auch nur als Versuch einer Einmischung gedeutet werden könnte, die mit der Reichöverfassung nicht in Einklang zu bringen wäre. Am wenigsten würbe er gerade dem Groß herzog von Weimar gegenüber, der durch seine Wartburgs pflege beweist, wie wenig ihn engherzige Kunstauffassungs- fchranken fesseln, einen Anreiz zur Beeinflussung gehabt haben. Ihm selbst zwingt in Preußen niemand die L-ezession auf; sie nicht zu begünstigen, ja sie zu bekämpfen, ist sein gutes Recht, das er sich von keiner Seite beschränken lassen wird. Dieselbe Freiheit wird er also auch allen Bundesfürsten lassen. Es ist daher zu wünschen, daß der Meldung der „Welt am Montag", die darauf berechnet zu sein scheint, nicht nur in den Kreisen der Sezessionisten und ihrer Anhänger Mißstimmung zu er wecken, ein bündiges Dementi von Berlin au- entgegen gesetzt werde. Solche Neuerungen, deren Einführung nur den Offizieren Kosten verursacht, sind der direkten Einwirkung des Reichs tags entzogen. Nun kann eS ja keinem Zweifel unterliegen, daß auch Klagen und Beschwerden des Reichstags über kost spielige und überflüssige Neuerungen der zweiten Art einen gewissen Eindruck an entscheidender Stelle machen werden. Da aber derartige Klagen nicht neu sind und doch einen positiven Erfolg nicht gehabt haben, so dürste es zweck mäßig sein, daß auch in den Einzellandtagen diese Dinge zur Sprache gebracht und die Regierungen aufgefordert würden, im BundcSrate ein Wort zur Sache zu reden. Die Folgen der Belastung der Offiziere mit überflüssigen Ausgaben treten ja zumeist in den Einzelstaaten zu Tage und geben diesen mithin ein Recht, nicht schweigend an diesen Folgen vorüberzugehen. Die Kriegsgefahr im fernen Osten. Immer dasselbe Bild: FriedenSboffnungen — KriegS- befürchtungen! Nach der einen Version lautet die Antwort Rußlands auf die letzte japanische Note günstig, nach der anderen ungünstig. Die Rüstungen setzen beide Teile fort. In welchem Geiste die russische Erwiderung gehalten sein wird, läßt der Inhalt einer von dem Londoner „Central News Bureau" veröffentlichten offiziösen russischen Erklärung erkennen, aus der wir daS Nachstehende hervor heben: Was Korea betrifft, so hat Rußland dort nur Kohlenstationen für Handelszwecke verlangt. Korea liegt dicht bei den russischen Häfen und Niederlassungen, und für die Zwecke der kommerzi ellen und nationalen Verteidigung sind Kohlenstationen dort nötig. Man könnte sagen, Rußland sollte weder am Schwarzen Meere noch an der Ostsee, und Großbritannien sollte nirgends in der Welt Koblenstationen haben. Aber alle Nationen haben gleiche Daseins-Berechtigung. Die Vereinigten Staaten haben nichts für den Panama-Kanal auSgegeben, und doch w-ikd-n P» eS als einen unfreundlichen Litt betrachten, wenu Jemand den Panama-Kanal anrühren wollte. Rußland hat aber eine Billion Rubel in die transsibirische Eisenbahn und in die Mandschurei gesteckt, und trotzdem stellen sich einige Nationen erstaunt darüber, daß Ruß land überhaupt Ansprüche auf die Mandschurei geltend macht. Nach Darbringung solcher Opfer glaubt Rußland vorherrschende Interessen in der Mandschurei zu haben, weit höhere Interessen als jede andere Nation. Japan beansprucht politische Rechte in der Mandschurei und verlangt ein gewisses Gebiet für seine sich schnell vermehrende Bevölkerung. Ruß land erbebt gegen diese Ansprüche nicht den geringsten Einwand. Aber unter anderen Mächten herrscht ein gemein sames Bestreben, Japan vorzuschieben, so daß es im Interesse Anderer Dinge fordert, die die Japaner selbst gar nicht wünschen. Gegenwärtig scheinen die Vereinigten Staaten Japan dazu zu ermutigen, daß es Ansprüche in bezug auf die Mandschurei erhebt. Es leidet der Handel keiner Nation in der Mandschurei dadurch, daß Rußland dieses Land besetzt hat Englische, amerikanische, deutsche und japanische Waren kommen in das Land dinein und werden verkauft, ohne daß Rußland es hindert. Sollte in fünfzig Jahren die Hälfte der Bevölkerung ider Mandschurei russisch geworden sein, so würde die Sache ganz anders sein, aber warum sollte man jetzt mit dieser Möglichkeit rechnen? Sollte in Zukunft die russische Besetzung der Mandschurei sich in irgend welchen Beziehungen dem Handel anderer Nationen als nach teilig erweisen, so wird es dann an der Zell sein, diese Fragen vorzubringen. — Es wird dann die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba und Philipvinen mit derjenigen Rußlands gegen über der Mandschurei verglichen und behauptet, daß man von Washington aus Japan zum Kriege antreibe und daß ein gewißer Teil der Presse in Großbritannien dasselbe tue. Dann heißt es wörtlich weiter: Rußland hat bezüglich der Mandschurei nichts mit Japan zu verhandeln. Die Mandschurei gehört Japan nicht, und Japan hat keine Interessen dort. Rußland gesteht Japan nicht das Recht zu, sich in die Verhandlungen Rußlands und China bezüglich der Mandschurei einzumischen. Hat Japan aber in der Mandschurei Rechte, die ihm China gewährt hat, so kann Rußland nichts dagegen sagen, so lange die Mandschurei chinesisches Gebiet ist. Wenn in fünfzig Jahren dir Mandschurei russische- Gebiet wird, dann wird die Sache ganz anders sein. Die Mandschurei ist gegenwärtig kein russisches Ge biet, und Japan kann folglich von Rußland bezüglich eines Ge- bietes, das China gehört, und zeitweilig von Rußland besetzt ist, keine Zusicherungen verlangen oder erhalten Bei Beurteilung der koreanischen Frage hat Rußland darauf zu sehen, daß rin sehr wichtiges Verteidigung», mittel der Mandschurei nicht gefährdet wird. Wenn in den Verhandlungen mit Japan seitens Rußlands Forderungen gestellt werden, deren Zweck ist, die Sicherheit der Verkehrs- mittel in der Mandschurei zu befestigen, so sollte man das nicht für aggressive Politik Rußlands halten. Wenn Rußland es nötig hatte, offen mit Japan zu sprechen, so war es darum nötig, weil Rußland Sicherheit braucht für seinen Verkehr auf der Kaiserlich-chinesischen Eisenbahn, die mit der sibirischen Eisenbahn in Verbindung steht. Vergleicht man Rußland mit den Bereinigten Staaten, so erscheinen die Forderungen Rußlands durchaus be scheiden, und man wird dann erkennen können, wo die Aggression liegt. Die Regierung von Großbritannien hat keinen Ein wand erhoben, da anerkannt ist, daß britisch« Interessen in keiner Weise gefährdet sind oder in Betracht kommen. Verschiedene britische Geschäftsfirmen in Korea haben einen Alarmruf aus gestoßen, aber sie leiden mehr unter amerikanischer Konkurrenz und unter amerikanischer Einfuhr, als unter irgend welchen Maß regeln Rußlands. Von ganz besonderem Interesse ist in diesen Darlegungen der fortwährende Hinweis auf die Vereinigten Staate« und deren Parforcesprünge üoer die von ihnen selbst gezogene Barriere der Monroe-Doktrin. Es ist wohl nicht zu viel ge sagt, wenn man eine wachsende Verstimmung zwischen Peters burg und Washington konstatiert, deren etwaige Konsequenzen nicht« weniger als belanglos für Rußland sind. — Die neuesten Nachrichten lauten: * Peking, 4. Januar. (Reuters Bureau.) Man glaubt, daß Japan dte Antwort Rußlands auf seine Forderungen er halten hat. — Nachrichten aus Tokio besagen, Graf Lambsdorff habe versvrochen, am Sonnabend dem japanischen Gesandten in Petersburg die Antwort auszubändigen. * London, 5. Januar. (Telegramm.) Der „Standard" läßt sich aus Tokio telegraphieren, es sei dort das Gerücht verbreitet, daß die Antwort Rußlands, die am 2. Januar eingegangen, unbefriedigend laute. Eine Bestätigung des Gerüchts liegt nicht vor. In den Kreisen, die man für wohlunterrichtet Feuilleton. Wemeyer L Sohn. 3s Roman von M. Prigge-Brook. - - dru» vtrbotrn. Man stellt sich gegenseitig vor, der Holzhänoler wird gebctrn, zu bleiben, und er bleibt nur zu gern. Bald ist er mir Ernas Vater, Professor Helt, in ein Gespräch ver tieft, bei dem die beiden Herren sich immer bester gefallen und kennen lernen. Aber er gefällt auch der Mutter und, was mehr sagen will, Erna selber, die längst vergassen Hot, daß «r ihr älter erschien. Nun sielst sie nur sein schönes geistig belebtes Gesicht. Wemeyer hat in dem Glück des Augenblickes seines Sohnes vergessen, um deffentwillcn er hcrgekonrmen ist. Da spielt man plötzlich nebenan zum Tanz. Die flinken Füßchen des jungen Mädchens Hüpfen un willkürlich im Takt. „Gnädiges Fräulein tanzen?" fragt Wemeyer und hofft ffn stillen, sie hat keine Lust. Aber sie hat nur zu große Lust und begegnet allen Einwänden des besorgten Vaters, der von zu großer eben erst gehabter Aufregung spricht, mit der schmeichelnden Bitte: „Nur .ein einziges Mal, Väterchen, dann gehe ich auch als folgsames Kind mit euch nach Hause." Die Rosen des Südens', locken von nebenan. Wemeyer steht aus. Ter bittende Blick des Mädchens läßt ihn alles vergessen. Unter der Tür hält sie ihn zurück. „Ich habe eine Bitte", plaudert sie zutraulich, „möchten Sie mir dte erfüllen?" „Jede", sagt er feurig, und es ist ihm Ernst damit. „So reden Sie meinem Vater nicht wieder zu, wenn er von seiner Abneigung gegen das Theater spricht. Ich möchte zur Bühne und hoffe, ich komme dazu, wenn auch nicht heute oder morgen." „Sie wollen zur Bühne?" ES ist ihm plötzlich, als dürfe er das nicht leiden, als müsse er das zu vereiteln suchen um jeden Preis. Weiß denn dieses junge Geschöpf was ein Leben in der Bühnen mell bedeutet? Und ist nicht sie, gerade sie mit ihrer Schöndelt zu schade dazu, viel zu schade! Er kann sie sich nur denken als angebetetes Weib, umgeben von allem, was Reichtum nur herbeizuschaffcn im stände ist. Im Moment fällt ihm sein Roseneck ein. DaS wäre der Rahmen für ihre Schönheit. Am liebsten hätte er ihr den fürstlichen Besitz zu Füßen gelegt, jetzt gleich. Ach, wer nur könnte, wie er wollte. Hat er den Satz laut gedacht? Die gold strahlenden Mädchenaugen sehen ihn verwundert an. „Wir wollten ja tanzen." Er legt den Arm um sie, und nun umschmeicheln ihn die Walzerklänge. Hugo Wemeyer tanzt und preßt dabei das wonnige Weib in seinen Arm. O, daß der Tag kein Ende nähme! Hat er schon einmal so getanzt? Empfand er schon einmal diese trunkene Seligkeit? Fester und fester drückt er das Mädchen an sich, und sie läßt ihn und schmiegt sich willenlos in seinen Arm. Ta tönt ein leiser Ruf: ,Zater!" an sein Ohr, noch einmal „Vater!" Der Tanz ist aus. An allen Gliedern bebend, steht Wemeyer da und starrt in eine Ecke des Saales, von wo ihn die Augen seines Sohnes vorwurfsvoll und strafend ansehen. Rudolf ist bleich wie der Tod. Keiner Bewegung mächtig, starrt er airf den, der ihm alles geraubt, die Freude, das Glück des Abends, und warum? Ist das ein Zufall oder .... Er wagt es nicht, den Gedanken auSzudenken, sondern versucht zunächst, sich zu fasten. Damit er ihr unter die Augen treten kann, um derentwillen er gekommen. Sein Vater mag die Vorstellung des Sohnes besorgen, ist er doch der Nächste dazu. Und während er sich durch den Genuß eines Glases Sekt zu stärken sucht, weicht das Entsetzen allmählich von ihm ab. Es muß ein Zufall sein, sagt er sich, nur ein Zufall. Er faßt Mut und sucht Erna Helt aus. Sie wird ihn wiedererkennen, hofft er im stillen. Doch Erna ist fort. Sie ging mit ihren Eltern gleich nach dem zweiten Tanze, erzählte der Portier, der den jungen Hol-händlersohn kennt. „Auch der Herr Papa sind längst weg", fügt er hin zu; „er ging mit dem fremden Fräulein zusammen. Müssen wohl Bekannte sein." Aber der junge Wemeyer antwortet nicht. Er sucht in der Garderobe nach seinen Sachen. „Nur fort, nur fort", murmelt er. „Wer mir doch sagen könnte, ob er um mein Gefühl gewußt hat", murmelt er im Gehen, und sagt er am Morgen, als er nach stundenlangem Umherirrcn im Tiergarten sein Heim aufsucht. Er hat des Rätsels Lösung nicht gefunden und ihm bangt vor der Aussprach: mi, seinem Vater. Wenn er ihn nun verlieren müßte. <! * Es scheint, als scheue der Holzhändler auch seinerseits diese Aussprache, vor der sein Sohn sich fürchtet. Er hat sich damit begnügt, dem Jungen am nächsten Morgen, wo er ihn erst im Kontor wiedersieht, einige erklärende Worte hinzuwerfen von einer Einladung drüben beim Nachbar, die er vergessen, um sich zur rechten Zeit noch daran zu er innern; von Erna Helt kein Wort. Und Rudolf, der fühlt, sein Vater sagt ihm zum ersten Male in seinem Leben die Unwahrheit, verspürt gleichwohl nicht den Mut in sich, darauf hinzuweisen, zu fest sitzt ihm der kindliche Respekt im Kopfe und im Herzen. Aber er wird stiller von dem Tage an. Umsomehr, als er auch Erna nicht mehr sicht. Es ist, als sei sie plötzlich vom Erdboden verschwunden, und doch kann er nicht glauben, daß sie abgereist ist. Tenn in der Musikschule drüben feiert man nicht, die vielgestaltigen Töne der verschiedensten Instrumente und Ensemble gesang schallen nur zu deutlich von drüben her dem Ein- samen zu, der traurig über den Büchern sitzt und seine Hoffnung begräbt. Wann wird er endlich das geliebte Mädchen sehen und sprechen können? Von einer Nach frage im Hause Genthiner Straße Nr. 10, wo Erna wohnt, sieht er ab. Er mag sic nicht bloßstellen und muß be fürchten» man erkennt in ihm den Sohn deS viel- vermögenden Handelsherrn, und das will er nicht. Wenn ihn Erna nicht um seiner selbst willen, seine Person allein lieben lerne, so verzichtet er. Bei seiner Jugend stellt er die höchsten Anforderungen an ein zukünftiges Liebes- und Eheglück, und er hat Ursache dazu. Es kann nicht leicht einen braveren, solideren Menschen geben, als den jungen Wemeyer, dem doch die Schätze der Erde zu Gebote stehen, will er sich amüsieren. Aber daS Wort steht nicht in seinem Lexikon, so wenig als in dem des Vaters, und während dieser das tief bedauern möchte, em pfindet sein Sohn darüber ein Gefühl berechtigten Stolzes. Alles Minderwertige verschmähend, spart er die reichen Schätze seines Herzens einzig dem Wesen auf, das einst die Seine wird. Und dieses Wesen heißt Erna Helt! Frau Elisabeth erwartete am Morgen nach dem Feste Rudi mit geteilter Empfindung. Hatte er sein Ziel er- reicht und das Mädchen kennen gelernt? Schien sie ihm auch bei näherer Bekanntschaft seiner Liebe wert? Sie wußte nicht, sollte sie hoffen oder fürchten, das Ganze widerstand ihrem schlichten Sinne, es grenzte für sie an das Abenteuerliche. Rudolf erschien gegen seine Gewohnheit erst, als die Eltern am Mittagstische saßen. Sein Blick vermied den des Vaters, wie seine Mutter mit Befremden wahrnahm, aber auch ihr wich er aus. Ihr blieb nichts übrig, als ihn einfach festzuhalten, da er, nachdem die Mahlzeit beendet war, gleich hinter dem Holzhünidler das Zimmer verlassen wollte. „Hast du mir nichts zu sagen, Rudi?" fragte die sanfte Stinrme der bewegten Frau. „Wie war es bei Kullecke?" Er zuckte die Achseln und verbarg den gequälten Aus druck seines Gesichts, so gut es gehen wollte. „Wie soll eS gewesen sein? Eine Unmenge Menschen, die einander im Wege standen, ein schauderhaftes Gedränge, große Hitze mid mäßige Genüsse, bis auf einen." „Und der?" „Kam von der Sängerin Erna Helt her, «die alle iiber» traf. Sie hat eine phänomenale Stimme und wird ihr Glück machen auch ohne deinen dummen Jungen, der sich einbilücte —" „Diese Sängerin — wie nanntest du sie doch? — Erna Helt ist also —" »-Das junge Mädchen, dem dein Sohn seit Monaten wie ein verliebter Sekundaner nachsteigt, ohne andern Erfolg, als daß er wenigstens jetzt ihren Namen weiß." ,-Du lerntest sie nicht kennen?" „Nein." ,/Latz dir doch nicht jede Silbe abkausen, Rudi", bat Frau Wemeyer und rückte ihm ganz nahe. „Du kannst dir denken, wie ich mich für jenes junge Mädchen interessiere, nachdem ich alles weiß. Drum sprich, was hattest du mit ihr?" „Ich nichts, aber auch gar nichts, desto mehr mein Herr Vater, der den ganzen Abend nicht von ihrer Seite wich. Sie saß bei ihren Eltern, weshalb ich anfangs zu be scheiden war, zu stören, später, als ich dem Beispiele der Herrn Wemeyer senior folgen wollte, war es zu spät. Sie hatte das Fest verlassen, mein Vater ebenfalls." „Dein Vater?" mit weitgedffneten Augen starrte die Frau auf den Sohn, der so maßlos verbittert sprach. Sie verstand ihn nicht. Was in aller Welt führte ihren Mann auf jenes Fest, von dem er wenige Stunden vorher noch nichts gewußt. Und ibr hatte er gesagt, ein Fremder. . .! Es wurde ihr plötzlich elend. Sie mußte sich Mühe geben, damit Rudolf nicht merkte, wie ihr war. Zum ersten Male in ihrer Ehe hatte Hugo sie belogen ohne er sichtlichen Grund. Wenn sie wenigstens ahnte, weshalb? Sic faßte sich und versuchte, ans Rudolf mehr heraus- zuholcn, als dieser für gut fand, mitzuteilen. Vergebens, er gewann cs nicht über sich, an seine Herzenswunde zu rühren, auch war ihm seines Vaters seltsames Benehme»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite