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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040107023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904010702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904010702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-07
- Monat1904-01
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2S H (excl. Porto) Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./L 60.—, mit Postbesörderuag ./C 70.—. Aanahmeschluß für Anzeige«: Abeud-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Mvrgeu-AnSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 98. Jahrgang. Var lvicktigrte vom Lage. * Die Denkschrift der königl. sächsischen Regierung über dieReformdeSWahlrechtSzurZweitenKammer ist den Ständen heute zugegangen. * In Baden erregt da» Ueberhandnehmen franzö sischer Iagdpächter in der oberbadischen Rheinebene die Aufmerksamkeit und erweckt den Verdacht, daß es sich um ein ausgedehnte» französisches Spionagesystem raffi nierter und gefährlicher Art handle. * Die infolge eines Artikels der „Bad. Landeszeitung" entstandenen, von vielen Blättern eingehend erörterten Gerüchte über Verstimmungen zwischen Berlin und Karls ruhe werden vou der „Bad. Preffe" als jeder Be gründung entbehrend bezeichnet. * Die Meldung französischer Blätter, der Statthalter von Elsaß-Lothringen, Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, werde durch einen kaiserlichen Prinzen ersetzt werden, wird dementiert. * Gerüchte, die auch hier in Leipzig auftauchen, wollen wissen, Japan habe Rußland den Krieg erklärt oder die Feindseligkeiten begonnen. Eine Bestätigung haben diese Gerüchte nicht gefunden. Lvirchen Weg unä fliesen. «kl. Der Zwischenfall in Korea i Ausbruch von GtrettigkAten zwr chen Koreanern und Japanern) hat RrrßtanH veranlaßt, eine größere Truppenabteilung dort auf der Bildfläche erscheinen zu lassen. Ein solches Vor gehen im jetzigen Augenblick könnte leicht als der Beginn der Feindseligkeiten gedeutet werden, und es ist auch schon so aufgefaßt worden. Indessen versichert die Petersburger „Birschewija Wjedomosti", dieser Schritt beseitige nur jeden Zweifel an der Festigkeit der russischen Politik in Ostasien und stimme vollständig mit der Erklärung über ein, die die russische Regierung 1898 an die Regierung von Korea habe ergehen lassen. Das Blatt weist darauf hin, daß eß in dieser Erklärung heißt, Rußland werde sich jeglicher Einmischung in die Angelegenheiten Koreas ent halten, so lange Korea im stände ist, ohne fremde Hülse die innere Ordnung und seine Unabhängigkeit zuwahren. Sollte letzteres jedoch nicht der Kall sein, werde Rußland im eigenen Interesse gezwungen, Maß regeln zu ergreifen. Der Augenblick für solche Maßregeln sei nun gekommen. DasBlatt tritt der Ansicht aus das entschiedenste entgegen, daß daS AuSrücken dcsRegimentes nach Korea als Beginn des Krieges anzusehen sei Auch Japan scheint in dem Borrücken Rußlands in Korea keinen eains Kolli zu sehen: wenigstens ist bis heute mittag nichts bekannt geworden, was darauf schließen ließe. 'Die Großmächte haben ihre Stellung zu dem russisch-japanischen Streitfall auf der gleichen, durch das gemeinsame Interesse an der Erhaltung des Friedens vor gezeichneten Linie genommen und werben sich ohne zwingende Veranlassung nicht davon avdrängcn lassen. Daß Deutschland eine ruhige Fortbildung der ost asiatischen Verhältnisse wünscht, damit seine und anderer Kulturstaaten Unternehmungen zur wirtschaftlichen Er schließung Chinas gedeihen können, bedarf keiner er neuten Versicherung. In London «n'd Paris sucht man den easu8 t'ovckorig fern zu halten, dessen Eintritt England an die Seite Japans, Frankreich zur Parteinahme für Rußland nötigen müßte. Oesterreich-Ungarn möchte die der Förderung seines Einvernehmens mit Rußland dienende makedonische Reformarbcit nicht durch Verwick- wicklungcn in der Mandschurei und Korea beeinträchtigt sehen. Italien will im Interesse einer umfaßenden Neu ordnung seiner Finanzen den internationalen Geldmarkt vor jeder im Kriegsfall möglichen Störung bewahrt wissen. Die Bereinigten Staaten von Amerika stellen ihre wirtschaftlichen Bestrebungen in Ostasien nicht über die Erhaltung eines guten politischen Gesamtverhältnisses zu Rußland, das durch rasche Anerkennung des neuen Frei staates Panama in Washington neuerdings günstig empfohlen ist. So bilden gegenüber den beiden in der mandschurisch-koreanischen Frage unmittelbar beteiligten Regierungen die übrigen Mächte gleichsam einen Halb kreis, aus dem kein dritter Staat mit besonderen Absichten herauStritt, wie auch keiner einem der Streitenden ein seitige Begünstigung oder Abneigung entgegenbringt. Diese Gruppierung beruht nicht auf Vereinbarung, ist aber darum nicht weniger fest. Sie entspricht -en Inter essen der einzelnen Länder und wird zu dem noch allseitig erhofften friedlichen Ausgang der in Petersburg und Tokio geführten Unterhandlungen das ihrige beitragen. Nur was England betrifft, ist ein Heraustreten aus seiner Reserve in den Bereich der Möglichkeit zu ziehen. In dieser Hinsicht schreibt die offiziöse Wiener „Pol. Korr.": England ist sich dessen bewußt, was seine Interessen und sein Prestige im fernen Osren erfordern, und cs wird diesen Anforderungen nachkommen. Es faßt seine Rolle als Bundes genosse nicht in engherziger Weise auf und wird daher weder zulassen, daß Japan von mehr als einem Gegner bedrängt, noch daß es von einem ein zelnen zu starken Feinde erdrückt werde. Aus Paris schreibt man uns hierzu noch: In den französischen Regierungskreisen hält man eine sofortige Teilnahme Englands im Falle eines ostastatischen Krieges für ausgeschlossen. In London weiß man sehr genau, daß ein kriegerisches Zusammengehen Englands mit Japan gleichviel ob Rußland der Angreifer ist oder nicht, den Bündniöfall für Frankreich und Rußland ergeben würde. Ucberhaupt würde das Eingreifen Englands Ver wickelungen nach sich ziehen, die einem Weltkriege gleichen würden. Deshalb steht es für alle urteilsfähigen politischen Kreise als Tatsache fest, daß wenigstens im ersten Zeitabschnitt -er Waffengansg zwischen Rußland und Japanalletn vor sich gehen wird. Anderseits aber ist cs klar, -aß Rußland niemals daran denken kann, seine gesamte Landkricgsmacht. oder auch nur seine gesamten Seestreitkräfte gegen Japan in Tätig keit treten zu lasten, da eine solche Möglichkeit die Stellung Rußlands als europäische Großmacht geradezu aufheben würde. Im Gegenteil wird Rußland, s ch o n a n s R ü ck- sicht auf seinen französischen Verbündeten genötigt sein, keinen Zweifel an seiner militärischen Leistungsfähigkeit nach zwei Fronten aufkommen zu lasten. — Sonst wird noch berichtet: * Peking, 6. Januar. (Meldung des Ncuterschen Bureaus.) Ein Telegramm aus Niulschivang meldet, japanische Handelshäuser hätten ihre Vertreter angewiesen, ihre Familien aus der Mandschurei fortzusenden. In dem Telegramm wird weiter gemeldet, der stellvertretende britische Konsul in Niutschwang reise nach Peking ab, um mit dem dortigen britischen Gesandten die Lage zu besprechen. * New Mark, 7. Januar. (Tel. des Ncuterschen Bureaus.) Ein Telegramm aus Tokio meldet, der Kaiser von Japan empfing den früheren Gouverneur der Philippinen, Tuff, und zog ihn zum Frühstück. Im Laufe der Unterhaltung sagte der Kaiser, er wünsche, daß man in den Vereinigten Staaten wisse, daß Japan ernstlich und geduldig besorgt sei, den Frieden aufrecht zu erhallen. * London, 7. Januar. (Telegramm.) Der Tokioer Korrespondent des „Standard" meldet: Man darf annehmen, daß die Antwort Rußlands an Japan bei der russischen Gesandt- schäft in Tokio am 5. Januar eingegangen, aber der japanischen Regierung bisher noch nicht zugestellt ist. Aus Peking eintrefiende Nachrichten gehen übereinstimmend dahin, daß China eine ent schlossenere Haltung gegen Rußland einznnehmen anfange. Die russischen Schiffe, die bis vor kurzem in koreanischen Gewässern lagen, kehren mit Volldampf nach Port Arthur zurück. Hier ist nicht die mindeste Erregung vorhanden, obgleich Anzeichen darauf hindeuten, daß Ereignisse von weitreichender Bedeutung nahe bevorstehen. Der Kursrückgang an der Börse dauert un gehemmt fort. politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Januar. „Paradedienft." Die Nachricht, daß die deutscheu Seestreitkräfte in Ostasien wegen der drohenden Kriegsgefahr in stand ge setzt seien, etwa bedrohter deutscher Interessen sich anzunehmen, wird vom „Vorwärts" mit einem bezeichnenden Kommentar versehen. Das sozialdemokratische Zentralorgan meint, die deutschen Schiffe würden selbst beim Ausbruche des Krieges nicht allzuviel zu tun haben, weil cS im Interesse beider kriegführenden Mächte liege, auf die Angehörigen neutraler Mächte jede irgend mögliche Rücksicht zu nehmen. „Härten wir", fugt der „Vorwärts" hinzu, „nicht ein einziges Schiff in Ostasien, so würden englische oder amerikanische Schiffe deutschen Reichs angehörigen genau dieselbenDien st e leisten können, wie unsere deutschen Fahrzeuge; derartige Aktionen gehören nun aber einmal zum Paradedienste der Flottenpolitik; auch Italien benutzt die Gelegenheit, etliche Schiffe einmal eine Extraspazierfadrt antreten zu lassen." — Wäre die Naivität der vorstehenden Auffassung echt, dann wäre der „Vorwärts" mit Fug beneidenswert. Wohin wir aber kämen, falls gemäß dem sozialdemokratischen Standpunkte praktisch verfahren würde — darum würde uns niemand be neiden. Selbst den besten Willen der englischen und der amerikanischen Schiffskommandanten vorausgesetzt, ist es doch selbstverständlich, daß ein englischer und ein ameri kanischer Befehlshaber immer und überall zunächst an seine englischen, bezw. amerikanischen Landsleute denkt und mit seinem Schiffe regelmäßig zunächst solche Punkte auf sucht, an denen die eigenen Landsleute sich befinden. Wie kann unter diesen ganz natürlichen Verhältnissen ernsthafter- Weise davon gesprochen werden, daß englische oder amerika nische Schiffe deutschen Reichsangehörigen „genau dieselben Dienste" zu leisten vermöchten, wie unsere deutschen Fahr zeuge? Auf die Leistung derartiger Dienste werden englische, und amerikanische Schiffskommandanten allenfalls dann bedacht sein, wenn die Möglichkeit besteht, daß deutsche Schiffskommandanten bedrohten englischen oder amerikanischen Bürgern tatkräftige Hülfe ihrer seits gewähren können. Verzichtet eine Groß macht von vornherein darauf, den Schutz ihrer Staats angehörigen selbst in die Hand zu nehmen, so fordert sie hiermit die opferwilligeren sonstigen Großmächte zur Miß achtung der Interessen ihrer Staatsangehörigen geradezu heraus. Es ist daher nickt anzunehmen, daß der grenzenlos naive Optimismus des „Vorwärts" echt sei. Vielmehr erklärt sich diese Art von Optimismus zwanglos aus dem Bedürfnis, die Wucht der Tatsachen, die betreffs der ost asiatischen Krisis die Notwendigkeit einer starken Flottenrüstung zur Evidenz beweisen, nach Vermögen abzuschwächen. Erfolg aber kann der „Vorwärts" mit solchen Bemühungen nur dort haben, wo man absichtlich die Auge» vor der Wirklichkeit verschließt. Französische „Jäger" in Vaden. In Frankreich hat s. Z. die Befestigung de» Oberrheins, die schweizerischen Blättern Anlaß zu Klagen über Bruch des Völkerrechts und über Bedrohung Basels durch die Kanonen preußischer Forts gab, die Aufmerk samkeit anscheinend wenig erregt. Jedenfalls aber interessiert man sich dort im stillen lebhaft für die Oberrheinsraae, und eS unterliegt keinem Zweifel, daß man jenseits der Vogesen alle militärischen Vorgänge am Oberrbeine mit größter Genauig keit studiert hat und noch zu studieren sucht. Im Zusammenhänge hiermit wird jetzt, wie der „Nat.-Ztg." geschrieben wird, m manchen Bevölkerungskreisen Badens die Ueberhandnahme französischer Iagdpächter -in der oberbadffcke» Rheinebene als aufsehenerregende Erscheinung angesehen und besprochen. Legt man auch in besonnenen Kreisen auf die unter den badischen Iagdpächter» umlaufenden, zum teil recht abenteuerlich klingenden Gerüchte kein Gewicht, so glaubt man doch Anlaß zu dem Verdachte zu haben, eS handele sich um ein aus gedehntes französisches Spionagesystem beson ders raffinierter und auch besonders gefährlicher Art. Wörtlich heißt eö in der Zuschrift: „Hierher gehört zunächst die Tatsache, daß die Zahl der französischen Jagdpächter in den letzten Jahren sehr groß ge worden und daß natürlich auch die Zahl der von den badischen Bezirksämtern für Franzosen ausgestellten Jagdpässe im gleichen Verhältnis gewachsen ist. Es kann behauptet werden, daß südlich der Murg sich kaum noch ein größerer Jagdbezirk in deutschen Händen befindet; entweder sind die größeren Jagdgebiete von französischen Gesellschaften direkt gepachtet, oder aber diese haben elsässische Pächter vorgeschoben und die Fran zosen erscheinen als Gäste. An derartigen Jagden nehmen nur Franzosen teil, und eS wird nur französisch gesprochen- Auffällig ist jedenfalls die weitere Tatsache, daß die Jagd liebhaber aus Frankreich sich beinahe ausschließlich den Teil Wemryer L Zotiu. Roman von M. Prigge-Brook. i<ac.i>r»a Verbote«. „Was wird aus ihm?" fragte sie Mit rotgeweinten Augen die Tochter. „Was wird aus ihm?" der Prediger, der die Leiche etnsegnete, und „WaS wird aus ihm?" das j»nge Weib in seiner tiefen Not. Da besann Franze See berg sich keinen Augenblick, sie nahm den Knaben von der Großmutter Schoß und setzt« ihn auf ihre Knie. „Der ist nun mein", sagte sie Lazu leise, ganz leise, so daß nur die alte Mutter die Worte gehört. Die dankte sie ihr mit warmem Blick. Fränze hielt Wort. Von Stund' an mar sie die Mutter deS kleinen Neffen, wenigstens seine Nährmutter. Clo erholte sich nicht mehr von dem Schlag, der so jäh und unverhofft ihr großes Glück zerstört, sie siechte hin, teil- nakhmloS für alles außer ihrem Schmerz, teilncrhmloü selbst für ihr kleines Kind; das wurde drei Jahre alt, völlig ein Waisenkind, doch ließ die gute Tante ihn das nicht fühlen. Mit mehr Liebe ist wohl kaum ein Kind er zogen worden und gefehlt hat ihm sein Lebelang nichts. Er wuchs auf wie die Kinder wohlhabender Leute, und aynte nicht, daß cs die Stunden der Tante waren, mit dcyen sie seinen Unterhalt bestritt. Bon früh bis spät ging st« rastlos ihrem Erwerbe nach, und als Franz sein achtzehntes Jahr vollendet und dir Hochschule bezog, da arbeitete sie noch fleißiger, um ihm die Freuden einer sorg losen Studienzeit zu ermöglichen. Jetzt war Franz Grllnbcrg längst am Ziel, er arbeitete alh Affessor am Landgericht einer Kreisstadt in der Mark und widmete seiner Tante eine schwärmerische Zärtlichkeit. Kein Festtag verging, den er nicht mit ihr verbracht, kein noch so kleines Ereignis seines Lebens blieb ihr nnbe- könnt, und Tante sowohl als Neffe hatten nur den einen Wunsch, in absehbarer Zett Zusammenleben zu können Die Gunst blieb ihnen vom Schicksal bislang noch versagt. Längst hatte das alternd« Mädchen cS verwinden gelernt, daß ihm der höchste Wunsch, das Endziel seiner« Strebens versagt geblieben, im Herzen aber bewahrte sie der heißgeliebten Kunst eine treue Anhänglichkeit. Da fi» au« selber nicht zu den AuSerwählten gehören konnte, machte es sie schon glücklich, anderen bchülflich zu sein, ihr Ziel zu erreichen. Die dankbare Zärtlichkeit mancher großen Sängerin bewies, daß sic in dieser Hinsicht Erfolg gehabt. In Erna Helt sah sic das Bild der eigenen Jugend erstehen, in vielen Dingen ähnelte dieses begabte Kind der alten Lehrerin. Gerade so süß nxar einsi ihr Lied erklungen, so eifrig war auch sie gewesen, und mit hoher Freude nahm sie das Mädchen zu ihrer Schülerin an. Nicht lange und ihr einsames Herz flog dem lieblichen Kinde zu, das sich an sie mit der Herzenswärme anfchwß, die seinen Jahren eigen. Es war den beiden jedesmal eine große Freude, wenn sie nach der Stunde noch ein Weilchen zusaimnenbleiben und miteinander plaudern konnten. Dein jungen Mädchen ging dann das Herz aus, es plauderte so lieb und zärt lich, als sei sie daheim bei ihrem Mütterchen, ihr argloses Gemüt hatte kein Geheimnis vor der geliebten Lehrerin. Und doch eines hatte sie, von dem sie nickst zu sprechen wagte, obgleich es sie zu Zeiten sehr beschäftigte. Das war der Umstand, daß sie Wemeyer, den neuen Freund, wie er sich nannte, io häufig sah, immer zwar zufällig. Daß dieser Zufall sich fast täglich einstelltc, hätte sie be fremden müssen, da er ihr aber immer angenehmer er schien, dachte sie lieber über die Häufigkeit desselben nicht nach, zufrieden, daß sie ihn sah. Er gefiel ihr nrit jedem Male mehr. Seine lebhafte Art, die bcschaidene Weise, in der ihr zu zeigen verstand, was sie ihm war, schmeichelte dem Mädchen, er schlich sich so allmählig unvermerkt in ihr Herz. Bald fehlte ihr etwas, wenn sie ihn einmal zwei Tage nach einander nicht iah, sie wartete auf ihn, sah sich in der Gegend der elektrischen Straßenbahn, die in der Nähe von Franziska Seebergs Wohnung hielt, aufmerksam um, und strahlte über das ganze schöne Gesicht, wenn sie ihn endlich erblickte. Obgleich der Holzhändler stets von Geschäften sprach, die ihn in ihre Nähe geführt, fühlte das Mädchen instinktiv, er kam nur ihretwegen, nur für sie. Allmählig hielt er eS denn auch nicht mehr für nötig, Vorwände ausznsinnen, er kam, so ost er sie bei Fräulein Seeberg wußte, und holte sie ab. Anfangs be gleitete er das Mädchen bescheiden bis an die Bahn, ver abschiedete sich und mar froh, sie überhaupt gesehen zu haben. Nicht lange und das genügte ihm nicht mehr, inrmer weiter dehnte er seine Begleitung aus, ver- wickelte Erna in ein angeregtes Gespräch, das sie den Halteplatz der Bahn übersehen ließ; noch später ging sie, unbekümmert um das, was etwaige Bekannte sagen würden, mit ihrem Freunde noch eine Stunde spazieren, ihr ab und zu sich lei e regendes Gewissen damit beschwich tigend, daß sie sich sagte, er sei auch ihrer Eltern Freund, und diese würden kaum etwas gegen den Verkehr einzu wenden haben. Warum sie aber den Namen ihres Freun des in den Briesen an diese vermied, hätte sic selber nicht zu sagen gewusst. Und Wemeyer erging es seltsam mit dem Mädchen, er konitte sich ein Leben ohne sie nachgerade nicht mehr denken. Sein Haus, seine Familie, ja, selbst das Gedeihen seiner Firma, auf die er stolz gewesen, das alles bedeutete ihm ihr gegenüber nichts mehr. Mit Staunen ertappte er sich daraus, daß er seine Tageseinteilung völlig nach ihr geregelt, und daß ihm alles gleichgültig war, sah er nur das schöne, anziehende Geschöpf. Anfangs war er sich über das Gefühl, das ihn zu Erna zog, nicht klar. Nicht ihre Schönheit, so sehr er sie bewunderte, noch ihrer Stimme süßer Laut hatten ihn bezaubert, das war sie selbst, die ganze kleine, unaussprechlich süße Person, wie er sie bei sich nannte! Sie füllte alle seine Gedanken Machte der Architekt, der das Roseneck eiuzurichten über nommen, dem Holzhändler einen Vorschlag, so überlegte dieser unwillkürlich, wie dieser oder jener Gegenstand sich Ernas Schönheit gegenüber verhalte, wie er ibr paffe, und das gab den Ausschlag, allen Gegenreden des Fachmannes zum Trotz. Dabei kam Wemener mit seiner Frau immer mehr auseinander. Nie mehr, wi« früher, besprach er mit ihr die Lage seines Oieschästes, kaum, daß er es über sich ge wann, deS Rosenecks zu erwähnen, von dem er wußte, wie wenig ihr der prunkvolle Bau gefiel. Ihrer Frage, ob und wann er denn gedenke, das neue Haus zu beziehen, setzte er nur ein gelangweiltes „ich weiß es nicht" ent gegen, was die feinfühlige Frau verletzte und schweigen ließ. Sie fühlte sich müde und unglücklich über sein ver ändertes Weien, und hatte mehr alS einmal versucht, ihn sich znrückzugewinncn. Aber aus -en Versuch ging Hugo Wemener nicht ein, ihm entging der Gemütszustand der armen, vernachlässigten Frau, weil er nur noch an Erna denken konnte. Er fragte sich doch manchmal, vor sich selbst erschreckt, wohin 'eine Leidewchaft für sie ihn führen werde, denn nach und nach wurd« ihm klar, daß eS Leiden- schäft war, die ihn zu ihr zog. Was sollte ihm die? Er war gefesselt, ein armer, unfreier Mann, und seine Gc- danken waren Sünde. Rechtlich genug, mn diese Sünde nicht Herr Wer sich werden zu lassen, kämpfte er gegen sein Gefühl, und brachte es über sich, da» Mädchen tagelang nicht zu sehen! Dann hielt er es nicht aus, lief wie ein Ratender durch Flur und Feld, und fand sich abends, tot müde und zerschlagen an Leib und Geist, in seinem Ouar- tier, unfähig, länger zu widerstehen. Das traurig ver wunderte Gesicht -es jungen Mädchens ließ ihn sich am nächsten Tage einen Toren schelten. Dabei ahnte Erna nicht, daß der, -em sich ihr junges Herz in Liebe -uzu neigen begann, ein seit einem Menschenalter seiner Frau angetrauter Mann, ihr nimmer gehören könne. Niemand war da, der es ihr hätte sagen könnem Rudolf, dessen Liebe wohl doch den Weg zu ihr ge funden hätte, weilte seit kurzem fern. Dein stummer, fragender Blick quälte seinen Vater, und schnell ent- schloffen, sandte er ihn an Stelle seineSDertreters nach Eng- land, wo mancherlei Geschäfte ihn aus Monate fern hielten. Vergebens war der leise Protest des unglücklich Liebenden, der die Hoffnung, Erna Helt endlich wiederzu sehen, nicht aufgeben mochte. Der Mutter vertraute er seinen Schmerz vor der Abreise an, sie sand keinen Trost, denn da sie nichts von ihres Mannes Leidenschaft wußte, verstand sie auch nicht, was ihn bowegte, und sagen mochte der arme junge Mann ihr nichts. Er reffte ab und sein Vater atmete hinter ihm unwillkürlich auf, denn vor dem Sohn« hegte er eine an Furcht grenzende Scheu. Rudolf hätte ihn nicht mit dem Mädchen sehen dürfen. Während er ihr ängstlich sein Verhältnis zu seiner Frau und Rudolf verschwieg, trug er andererseits Sorge, daß Erna alle- Wissenswerte über keine Person erfuhr. Sie staunte, als <r sich ihr als der Besitzer deS Rofeneckö bekannte, denn sic war lange genug in Berlin, mn zu missen, waS daS bedeute; der Reichtum WemenerS imponierte ihr. Und et lag nahe, daß sich in ibrc Träume, die sie nach junger Mädchen Art über die Znkirnst spann, der Gedanke ein- flocht, wie herrlich es sein müsse, reich zu sein, alles haben und erlangen zu können, was man nur wünsche! Der Winter u»ar vergangen, und ein frühzeitiger Frühling brach über die Rcichshauptstadt herein. Die Märzsonne schien so hell und freundlich, daß man sich wunderte, weshalb noch drüben im Tiergarten und auf den Schmnckplätzeik der Stadt Bäume und Sträucher blattlos standen, die Knmpen wuchsen sichtbar und drohten ihre Hülle zu sprengen. In den Straßen und Gaffen wogte eine unabsehbare Menschenmenge, niemand blieb bei dem heiteren Wetter daheim, die Häuser lagen verlassen und leer. Auch Erna hatte sich zur ungewohnten Zett
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