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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904011101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904011101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-11
- Monat1904-01
- Jahr1904
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Tabellarischer und Zifiernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (rxcl. Porto). Extra-Vellage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—» Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig Str. 17. Montag den 11. Januar 1904. S8. Jahrgang. Amtlicher Teil. Holz-Auktion. Montag, den 18. Januar d. I., sollen in Abt. 31a des Burgauer Reineres von vormittags 9 Uhr an ca. 200 starke Eichen-TurchforstungShaufen gegen Barzahlung im verschlossenen Holze an Ort und Stelle meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: an der Leutzschcr Allecbrücke in der Nähe des Lchützenhofes. Leipzig, den 8. Januar 1904. TcS Rats Forstdeputation. Vermisst werden seit 22. Dezember 1903 die am 24. November 1864 zu Freiberg i/S. geborene, zuletzt in Leipzig - Bolkmarsdorf, Kirch straße 88 wohnhaft gewesene Tischlersehefrau Johanni» Martha Teschner geb. Reichert uud deren 7'/, Jahre alte Tochter Margarete Teschner. Die erstgenannte Tischlersebefrau Teschner ist etwa 1,60 m groß, von starker Gestalt, dunkelblondem Haar, hat volles rundes Gesicht, braune Augen und im Oberkiefer vier falsche Zähne; an der rechten Geste des valjes befindet sich ein roter Fleck m der Größe eines Zehnpfennigstückes. Bekleidet war sie bei ihrem Weggänge mit schwarzem Satinrock, blaugrauem, langhaarigem Winterpaletot, schwarzem Sammethut, Knopfstiefeln und „ü. Ä." oder D." gezeichneter Leibwäsche. Da sie sich in letzter Zeit mit Selbstmordgedanke» getragen hat, so ist nicht ausgeschlossen, daß sie sich und ihrem Kinde ein Leid angetan hat. Alle Mitteilungen, die zur Ermittelung der Vermißten führen könnten, werden an die Kriminalabteilung der unterzeichneten Be hörde erbeten. Leipzig, de» 9. Januar 1904. D«S Poltzetamt der Stadl Leipzig. Lr. ll. L. 4189. Bretschneider. Gründer. Versteigerung. Dienstag, den 12. Januar, von früh 10 Uhr an, kommen wegen Auflösung des Geschäfts in Leipzig, Zeitzcr Slrahc 34, im Laden, die Warenbestände des Baumgartenschen Geschäfts, dazu gehörend: Emaillierte und Porzellanwaren. Schürzen, Sportwagen, Bronze- u. einige Eßwaren, sowie die ges. Ladeneinrichtung, dabei 4 Bronze-Kronleuchter, 4 große Regale, 2 Ladentafeln, 1 mit Marmorpl., 1 Eisschrank, 5 Bücherkisten, 2 mess. Balkenwagcn, 2 gr. Schaufensterrouleaus, gr. Firmenschilder, 1 gold. Taschenuhr, 3 g. Ringe, 1 a. Brille u. 1 Klemmer, 1 silb. Tabakdosc u. a. m. zur öffentl. Versteigerung. Trummlitz, Lokalrichter. letzte Nachvichten. * Nencs Palais b. Potsdam, 10. Januar. Nach der gestrigen Mittagstafel unternahm das Kaiserpaar einen Spaziergang im Park von Sanssouci. Heute vor mittag wohnte der Kaiser dem Gottesdienst in der Garnisonkirche zu Potsdam bei und empfing um 12?4 Uhr den Staatsministcr Budde. * Berlin, 10. Januar. Heute abend traf derKaiser hier ein und begab sich nach dem Kgl. Schauspielhaus, um der Vorstellung von Blumenthals ,L3enn wir altern" und Rostands „Die Romantischen" beizuwohnen. Im Schauspielhaus wurde das Souper genommen. Die Nacht verbleibt der Kaiser in Berlin im Kgl. Schloß. Morgen früh gedenkt der Kaiser sich von hier aus nach Landeshut (Kreppelhof) und Breslau zu begeben. Im Gefolge des Kaisers werden sich befinden Ober-Hof- und Hausmarschall Graf zu Eulenburg, Generaladjutant General der Infanterie v. Plesscn, General L la suit« Graf v. Moltke, Flügeladjutant Fregattenkapitän von Grumme, Generaladjutant Admiral Frhr. v. Senden- Bibran, Chef des Marine-Kabinetts, Generaladjutant Generalleutnant Graf v. Hülsen-Häfeler, Leibarzt Stabs arzt vr. Nieüner. Nach Landeshut und Kreppelhof be geben sich auch vom Hofe Ihrer Majestät, welche selbst an der Reise nicht tcilnimmt, Oberhofmeisterin Gräfin v. Brockdorff, Palastdame Gräfin v. Keller, Hofdame Frl. v. Gersdorff und Kammerherr Vize-Oberzeremo nienmeister von dem Knesebeck. * Berlin, 10. Januar. Der Kaiser nnrd den preußischen Landtag am 16. Januar persön lich eröffnen. * Berlin, 10. Januar. Die „Germania" erfährt über den Empfang des Prager Erzbischofs Kar dinal Frhr. v. Skrbensky beim Kaiser: Zu nächst empfing der Kaiser den Kardinal in besonderer, etwa viertelstündiger Audienz, ließ sich dann die Be gleiter des Kardinals, den Geheimsckretär Picha, sowie den Großdechanten der Grafschaft Glatz (des preußischen Anteils der Prager Diözese), Pfarrer Hobans, vor stelle» und unterhielt sich mit allen in liebenswürdigster Weise. Der Bitte des Kardinals, der Kaiser möge seine Huld auch fernerhin der Grafschaft Glatz zuwenden, sagte der Kaiser bercitwilligst Erhörung zu. Am Sonntag Mittag wird der Kardinal vom Kultusminister Studt empfangen werden; dann wird er einer Einladung des österreichisch-ungarischen Botschafters v. Szögyeni Folge leisten. Am Sonntag Abend ist Frhr. v. Skrbensky Gast des Kultusministers vr. Studt. Der Kardinal gedenkt am Montag über Breslau nach Prag zurück- zureiscn. * Berlin, 10. Januar. Ueber die Ansprache, die der Kaiser bei der Neujahrsparole an die Offiziere gehalten hat, erfährt die „Post": „Falsch ist bei spielsweise die Behauptung, es seien zum Anhören der Ansprache eine Reihe besonderer beteiligter Militärs mit befohlen worden. Auch die dem Kaiser in Len Mund ge legten allgemeinen Ermahnungen und War nungen sind mehr als naheliegende Kombinationen, wie als authentisch anzusehen. UnS wird von autori sierter Seite erklärt, die Allerhöchste Ansprache sei rein dienstlicher Natur gewesen." * Berlin, 10. Januar. Bezüglich des Bot schafters der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin, Charlcmagne Tower, dessen Er setzung durch den früheren New Uorker Bürgermeister Seth Low angekündigt wurde, erklärt die „Post", Mr. Tower habe es verstanden, sich beim Kaiser die- selben Sympathien zu erwerben, wie sein hier noch im besten Andenken stehender Vorgänger White und erfreue sich einer besonderen Wcrtschätznng in den leitenden deutschen Kreisen. Ein förmliches Dementi ist hierin freilich nicht zu erblicken, doch läßt auch Mr. Seth Low erklären, er wisse nichts von einer Berufung auf den Berliner Posten. * Berlin, 10. Januar. Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: Der Versuch der Sozialdemokratie, die Crimmit schauer Arbeitgeber zu vergewaltigen, bat unter Führung dcS Zentralverbandes deutscher Industrieller weiteste Kreise der Industrie zur Abwehr vereinigt. Bon den verschiedensten Seiten ist in den letzten Wochen aber auch an den Zentralverband deutscher Industrieller die Aufforde rung ergangen, über den zeitigen Anlaß hinaus eine dauernde Organisation der deutschen Arbeitgeber zu schaffen, die unberechtigten Anforderungen agitatorisch verhetzter Arbeitermassen erfolgreichen Widerstand zu leisten vennag. In den nächsten Tagen findet eine Sitzung des Direktoriums des Zentralverbandes deutscher Industrieller statt, und die entscheidenden Beschlüsse werden bereits in kürzester Zeit der Industrie unterbreitet werden. * Berlin, 10. Januar. Dem „Berliner Tageblatt" wird aus Dresden gemeldet, die sächsische Regierung wird in den nächsten Tagen den Ständekammern eine Denkschrift über die Aussperrung in Crimmitschau zugehen lassen. — Mehrere Morgenblätter melden aus München, daß der ehemalige Sozialist und spätere Anarchist Friedrich Dempwolff als unheilbarer Geisteskranker in der Kreis irrenanstalt gestorben ist. * Oldenburg, 10. Januar. Ueber LaS Befinden des Großherzogs von Oldenburg liegt fol gendes ärztliche Gutachten vor: Die günstige Wirkung der Dresdener Kur hat insofern angehalten, als -aS persönliche Befinden befriedigt. Nichts- destowcniger haben wiederholte Untersuchungen ergeben, daß die Kräftigung des Herzmuskels noch nicht gleichmäßig anbauerte, daß vielmehr, trotz der Schonung, die Herzgröße je nach der dem Herzen zu- gemuteten Arbeit schwankte, indem Anstrengungen jeder Art ebenso wie andere ungünstige Einflüsse zeit weilig eine nachweisbare, nicht unerhebliche Schwächung und Störung der Herztätigkeit hervorriefen. Um den erreichten Erfolg zu einem möglichst dauernden zu ge stalten, war eine Wiederholung der medtko-mecha nischen Behandlung notwendig, der sich noch eine längere Zeit völliger Schonung unbedingt an schließen muß. Bet der Natur des Leidens (Herz- klappenfehler) ist auch für die nächsten Jahre «ine Wiederholung der Kur, sowie eine bauernde körperliche Schonung zur Erhaltung einer geregelten Herztätigkeit erforderlich. Oldenburg, 7. Januar 1904. (gez.) vr. Burg dorf, Obermedizinalrat. (gez.) vr. Löhr, Oberstabsarzt, * Hannover, 10. Januar. Gegenüber der Meldung Berliner Blätter, daß zwischen dem Stadtdtrektor Tramm und dem früheren Regierungspräsi denten v. Brandenstein ein Duell stattgefunden habe, und daß die Erkrankung des StadtdtrektorS auf dieses Duell zurückznführen sei, ist das „Hannoversche Tageblatt" zu der bestimmten Erklärung ermächtigt, da von diesem Gerücht auch nichtetnWortwahrset. * Solingen, 10. Januar. 45 Aerzte in Solingen- Umgegend haben gestern die Tätigkeit für die Mit glieder der Allgemeinen Ortskrankenkasse ein gestellt, nachdem letztere 5 beamtete Aerzte angestellt hat. Die 45 Aerzte erklären, daß sie diese beamteten Aerzte nicht als Kollegen anerkennen und demzufolge nicht mit Fattilletsn In den Lagunen. Bon Erich Merkel. Nachdruck virbon» Jede Großstadt hat ihre mehr oder minder ausgebildeten Verkehrsmittel: Droschken verschiedener Art, elektrische, Dampf- oder Pferde-Straßenbahnen, Omnibusse und was es sonst noch an Geschirren gibt. In Venedig, wo es zwar mehr feste Straßen, besser Gassen, gibt, als man sich für gewöhnlich vorstellt, verkehren Wagen absolut nicht, und es ist kein Zugtier zu sehen. — Tie Gassen, selbst die be lebtesten, wie die von der Piazza San Marco unter dem Torre dell'Orologio nach dem Rialto führende, sind so schmal, daß Fuhrwerk eben nicht passieren kann, und so wickelt sich aller Transport-, sowie ein beträchtlicher Teil Les Personenverkehrs zu Wasser ab. Lord Byron, der größte Enthusiast von Venedig, hat die Lagunenstadt „einen Palast von hundert flüssigen Säulen" genannt, und Dichter aller Zeiten und Zonen haben die Schönheit der grünen, ruhigen Wasser, die die dunklen Fundamente der Paläste bespülen, in begeisterten Versen besungen — und cs ist in der Tat hauptsächlich diese Eigenart Venedigs, der ,^>uf der Lagune schwimmenden Stadt", die ihr Weltberühmtheit verschafft hat. Auf diesen „Wasser straßen " in des Wortes eigent licher Bedeutung gleiten nun die Gondeln dahin, offene und überdachte, ganz entsprechend den geschlossenen nnd ossenen Droschken oder Fiakern unserer Städte; auf dem Canal granüe, der Hauptverkehrsader Venedigs, sausen die Vaporetti, die städtischen Tramtvays, nuferen elek trischen Straßenbahnen vergleichbar, dahin, doch ver- kehren diese flinken Dampfer nur von morgens ^7 Uhr bis kurz nach Sonnenuntergang. Der Fahrpreis beträgt, nnserm „Groschen" entsprechend, 10 Centesimi für die ganze und Teilstrecken — tont comme oster nous. Die Gondeln, die als Traghetti alle Ueberfahrten über den Kanal, nach der Giudecca, den schwimmenden Bädern, auch »ach Murano, San Nicolo und dem Lido besorgen, und die Vaporetti haben in der Hauptsache den Stadt verkehr zn bewältigen, nach den Laguncn-Jnseln um Venedig fahren die größeren Dampfer der Svcieta Vcneta Lagunare. Diese Schraubendampfcr gehen nach dem Lido, nach Chioggia, Burano, Cavazuccherina, nach Kusine, Mestre und den betreffenden Zwischenstationen. Die AbfahrtSstelle aller dieser Dampfer ist an der Riva degli Schiavoni. Dies ist eine ziemlich breite Kai- straße, von der Piazetta am Dogenpalast vorbei südlich nach den Giardini publici führend. Bon der Ponte della Paglia aus sieht man die Leufzerbrücke, Poirte dei Sos- piri, die Len Dogenpalast mit den StaatSgefäiignisien verbindet. Nicht weit davon erhebt sich das Standbild von Bittorio Emanuele II., 1887 von dem Bildhauer Ettore Ferrari ausgeführt, und diesem Denkmale gegen über ist die Abfahrts- und Ankunftsstelle der Lagunen dampfer. Mit einem solchen bin ich Mitte August dieses Jahres nach dem Städtchen Chioggia, südlich von Venedig, gefahren, und von Lieser Lagunenfahrt will ich jetzt ein wenig berichten. An den zahlreichen Handelsschiffen und Fischerbarkcn, an Kriegsschiffen und Torpedobooten vorüber, die alle an der Niva degli Schiavoni vor Anker lagen, gleitet das Schiss auf dem Bacino di San Marco dahin. Dies ist der Teil des Meeres, wo der Canal Grande und der Canal della Giudecca zusammen in die offene Lagune einmünden, und wo die breite Seefläche sich auszudehnen beginnt. Darum steht auch an der Riva degli Schiavoni Hotel an Hotel — alle übrigens in ehemaligen Palazzi eingerichtet — denn der Blick von da über die weit«, flimmernde Lagune und drüben die Insel San Giorgio Maggiore mit der imposanten Kirch« des heiligen Georg und dem hoch ragenden Campanile ist unbeschreiblich schön. Auch vom Schiffe aus genoß ich den herrlichen Au- blick, nicht minder den der allmählich entschwindenden Stadt, die sich sonnenbcglänzt und heiter, in lebhaften Farben sich dem Auge darstellend, ausbreitete. Zur Linken lagen die öffentlichen Gärten, an dem südöstlichen Ende Venedigs. Napoleon I. hat dort einen ganzen Stadtteil niederlegen lassen und prächtige Anlagen ge schaffen. Bäume, die sonst in Venedig eine Seltenheit bilden, und Gebüsche, gebildet von Sträuchern und Pflanzen der südlichen Zone, sind in anmutiger Anord nung dahingepflanzt, und abends flutet die Menge am Denkmale Garibaldis vorbei, das sich mitten im Grünen erhebt, auf den Parkwegen dahin und genießt die milde Abendluft nach dem heißen Tage. Ein angenehmer Wind wehte über den Lido von der offenen See herüber. Südöstlich von Venedig erstreckt sich langhin der „Lido", der die Lagune und Venedig vom offenen Meere abschließt. An seinem Nordende ragte die Kirche San Nicolo, die Bäder waren nicht sichtbar, sie liegen am Oststrande und man erreicht sie vom Landungs plätze des Baporetto aus mit der Pferdebahn, die eine breite Straße, mit Bäumen zu beiden Seiten bepflanzt, entlang führt. Hingegen konnte man das Castello di L. Andrea vom Schisse aus gut anschaucn. Es ist — ganz unähnlich dem Charakter eines Festungswerkes — im Renaissancestil erbaut. Bon ihm aus wurde 1797 die französische Flotte beschossen, als sie mit Gewalt in die Lagune eindringen wollte. Es war dies der letzte Gruß der fallenden Republik. Rechts von uns lagen die Inseln San Servolo mit der Irrenanstalt und San Lazzaro. Letztere Insel hat eine gewisie Berühmtheit durch Lord Byron erlangt, der sich zu Anfang des vorig«» Jahrhunderts in dem dortigen Mechitarislenkloster aufhielt. Absonderlich ist daran fer- , ner, daß San Lazzaro armenischen Mönchen gehört, die nach ihrem Ordensstifter Mekar Mechitaristen genannt sind. Sie führen in dem Kloster eine altberühmte Drucke rei, die den Zweck hat, durch Veröffentlichung geeigneter Werke in Armenien die Civilisation dort zu verbreiten. Bald lagen diese Inseln hinter uns, und wir fuhren den Lido entlang. Mächtige Dämme, deren Aufführung die Republik viel« Millionen gekostet hat, erstrecken sich kilo meterlang, um die Lagune dauernd vor der Brandung des Meeres zu schützen und ihre Versandung zu verhin dern. Bis Malamocco reichen diese gewaltigen Bauten. Malamocco liegt am Südende des Lido, ein unansehn liches Städtchen mit wenigen ärmlichen Häusern. Man sah vom Schiffe aus die Armut und den Verfall. Und diese Stadt war einst mächtiger als Venedig, und di« Dogen haben im 8. Jahrhundert dort residiert, bis es unter Pipin von Franken eingenommen wurde. Kurz darauf ist der Sitz der Regierung von Venetien nach Rialto, also Venedig, verlegt worden. Doch ein anziehendes Bild bot die gr«ll von der heißen Nachmittagssonne beschienene hellfarbige Häuserreihe am Strande immerhin mit den Balkonen, grünen Fenster läden und den pittoresken Torbögen, die in das Jnncre der verfallenden Paläste führten. Ein hagerer Engländer, der in Begleitung eines hübschen jungen Mädchens, an scheinend seiner Tochter, die Fahrt mitmachte, zeichnete auch eifrig, aufrecht auf Deck stehend, die wechselnden Bil- der, die sich dem Auge darbotcn. Nachdem er den Kai von Malamocco skizziert hatte, kontcrfeite er unzählige Fischer- barken, di« in dem frischen Winde mit vollen Segeln hin und her fuhren. Sie bieten insofern einen eigenartigen Anblick, als die Segel grellgelb oder rotbraun in der Sonne leuchten und große Buchstaben und Zahlen darauf gemalt sind. Ganz in der Ferne am Horizonte, wo Lagune und Himmel ineinander überzugehen schienen, segelte eine ganze Flottille Fischerboote herum; bei dem flimmernden Sonnenglanz, der auf dem Scespiegcl lag, hatte es den Anschein, als ob diese Boote in der Luft schwebten, ebenso wie auf der entgegen gesetzten Seite die Türme und Kirchendächer Venedigs einer schwebenden Fata Mor gan« anzugehören schienen. Eine hochbepackte Obstbarte fuhr dicht an uns vorbei. Prächtige Weintrauben, mit kirschgroßen Beeren, waren in Körben hoch ausgctürmt, und die so beliebten roten Tomaten, die der Italiener auch roh verspeist, lagen in mächtigen Haufen ausgeschüttet auf dem Verdeck; eS fanden sich Riesencxemplarc darunter. Und Pfirsiche, groß und dunkclrot, winkten verlockend herüber — in Venedig kaufte man das Pfund, etwa 12—15 Stück, schon mit 14 Centesimi, also 10,5 Pfennige. Unterdessen hatten wir bei Pellestrini angelegt, einem kleinen, unscheinbaren Flecken. Bon hier erstrecken sich die Murazzi, em Ltcindamm, aus mächtigen Quadern ge fügt, Uber 5 Kilometer rveit bis nach Chioggia. Diese Kolossalarbeit hat Venedig 10 Millionen Lire gekostet, doch hat sich der Aufwand längst bezahlt gemacht, da die Gewalt der MeereSwogen sich an diesem Ntesendamm« bricht. Ohne diesen Steindamm wäre die Lagune längst versandet, wie es ähnlich Ravenna ergangen ist. Doch so haben die großen Dampfer und Segelschiffe genügend tiefes Fahrwasser bis in den Hafen von Venedig. Chioggia wurde nun sichtbar. Es ist etwas größer, al- sonst die Lagunenstädte, und wird durch eine Art großen Kanal ähnlich wie Venedig in zwei Teile geteilt. Auch Chioggia hat eine glänzende,allerdings wett zurückliegende Vergangenheit. Seine Dogen durften eS wagen, mit denen des aufstrebenden Venedig zu rivalisieren, und erst nach der Einnahme und Unterwerfung der Stadt durch die Venetianer sank es von seiner Höhe herab. Jetzt ist eS eine wenig bedeutsame Jnselstadt, die sich aber ihre Eigen- art streng gewahrt hat. Ihre Bewohner unterscheiden sich in Sprache und Gewohnheiten in mehr als einer Hinsicht von den übrigen Bewohnern der Lagunen. Wir machten einen Rundgang durch die Straßen der Stadt. Sie waren bedeutend breiter und freier, wie die Venedigs, auch waren Kanäle längst nicht in dieser Fülle vertreten, wie dort. Es stand §ur Anlegung von Straßen und Plätzen eben fester Jnselbodcn zur Verfügung, was in Venedig nur in geringem Grade der Fall war. Einige Kirchen haben wir uns angeschaut, Besonderes boten sie nicht, immerhin, man war Lurch die Prachtbauten Venedigs, wo fast jede Kirche irgend einen großen Bau meister der Renaissance mit Stolz ihren Erbauer nennen darf, wo in ganz obskuren Kapellen Meisterwerke von Len berühmtesten italienischen Malern zu finden sind, zu sehr verwöhnt, um an Liesen, durchaus nicht unschönen Kirchen bauten besonderes Gefallen finden zu können. Prächtige silberne und vergoldete Altargefütze schmückten den Haupt altar der Hauptkirche; an den Wänden hingen viele ziem lich plump gemalte Bilder, meist darstellend, wie die heilige Jungfrau Schiffer aus See- und Gewitternot rettet. Ich mußte dabei lebhaft an die Martcrlbilder Tirols denken, die mit einem Realismus gemalt sind, der besser Plumpheit genannt zu werden verdient. Unser Aufenthalt in Chioggia war kurz bemessen, anderthalb Stunde nur, doch das war vollauf genügend« Zeit, die Stadt zu besichtigen. Die Hauptsaäi« war unS und den andern auch di« Fahrt durch die Lagune, die jetzt im Glanze der nntergeheiidcn Sonne sich vor uns aus breitete. Die Türme Venedigs stiegen rotbestrahlt nach einstündiger Fahrt vor uns aus der see empor, ein glän zendes Diadem der Königin des MittelmeereS! Hinter der mächtigen Kuppel der Kirch« Santa Mar4a della Sa lute, einem charakteristischen Wahrzeichen Venedigs, glühte der Himmel noch rot, als der Vapore in den Bacino di S. Marco einbvg. Die Kuppel hob sich dunkel tn scharfen Umrissen von dem farbenglühenden Hintergründe ab — ein herrliches Bild! — Der letzte Abend in Venedig! Wir haben ihn in froher Erinnerung an die prächtige Lagunen fahrt noch sehr lustig bei Asti spumvnte verbracht!
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