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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040114020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-14
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Anzeigen-PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (6gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 (excl. Porto). Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung -/L 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 2t. Donnerstag den 14. Januar 1904. 98. Jahrgang. Vas Wichtigste vom Lage. * Es verlautet jetzt, der Bundesrat werde in der Frage derRechtsfähigkeitdcrBerufsvereine den Wünschen der Mehrheit des Reichstages und nament lich des Zentrums weit cntgegenkvmmen. * In der Berliner Aerzte schäft scheint ein Konflikt zwischen den verschiedenen Aerztcorganisativ- nen wegen derfreien Arztwahl bcvorzustehen. Ter Verein der Berliner Kassenärzte, der die beschränkte freie Arztwahl vertritt, hat seine Mitglieder aufgefordert, sich durch Revers der Ortskrankenkasse der Kaufleute und drei anderen Kassen gegenüber bis zum Jahre 1908 zu verpflichten. * Der österreichische Kriegsmintster er klärte, er sei bereit, das Duell möglichst einzuschränken, es gäbe jedoch gewisse Grenzen, über die hinaus nach den heutigen gesellschaftlichen Anschauungen ein Duell un vermeidlich sei. * Die Verhandlungen zwischen Rußland und Japan dauern ohne Fristsetzung durch Letzteres fort. politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Januar. Ueber das Scherlsche Prämicn-Lparsysicm hat die „N o r d d e u t s ch e A l l g e m. Zeitung" ihren Mund weit ausgetan; die Wirkung ist st a r r e s Er st a u n e n und e r n st e B e u n r u h i g u n g. Denn jetzt ist kein Zweifel daran mehr möglich, daß die preußische Ltaatsregierung nicht nur das Lotto-Tparsystem ge prüft, sondern seine Einführung zum 1. Januar 1905 be trieben hat und weiter betreibt. Demnach ist cs wirkliche und wahrhaftige Tatsache, daß die preußische Ltaatsregierung der Umwandlung des Lpartriebes in den Lpieltrieb Vorschub leistet! „Bedenken" hat die preu ßische Ltaatsregierung allerdings gehabt: aber sie be treffen nicht die eben genannte Hauptsache, sondern Ncbenpunkte und können deshalb im Augenblicke mit Stillschweigen übergangen werden. Was in der halb amtlichen Auslassung ferner Erstaunen und Be unruhigung hervorruft, ist der T o u blindlings vertrauender Verehr» na. den das preußische Regicrungsvrgan in Bezug auf die Persönlichkeit des Herrn Lcherl anschlägt. Die „Nordd. Allg. Ztg." stimmt ohne die geringste Einschränkung in das Lelbstlob ein, das Herr Lcherl als Vater des Lotto-Sparbetriebs- Gedankens sich selbst gespendet hat. Die Frage, ob die Lcherlpresse, die in allen Schattierungen überwiegend die Leniationssucht, die Klatschsucht, die Eitelkeit, die Ver flachung fördert, solche Vertrauensseligkeit zu recht fertigen vermag, hat offenbar die preußische Ltaats- rcgierung nicht behelligt. Und die Tatsache, daß mit dem Wachstum der Lcherlpresse und ihres Einflusses das Wachstum der Lozialdemokratie gleichen Lchritt gehalten hat, hat das Vertrauen der preußischen Ltaatsregierung zum Lcherlschcn Unternehmnngsgeiste offenbar gleichfalls nicht gemindert. Die preußische Ltaatsregierung erblickt, dafür liefert die „Nordd. Allgem. Zta." den urkundlichen Beweis, in Herrn Lcherl nichts weiter als den uneigen nützigen Wohltäter der Menschheit, und zeigt sich beinahe zerrissen vor Lchmerzen darüber, daß Preßangriffe Herrn August Lcherl zum Rücktritte von seinem Lotto-Tpar system bestimmt haben. Der „Herzog" fiel, sein „Mantel" blieb einstweilen auf dem Trocknen: diesen „Mantel" dem „Herzoge" nachzuwerfen, das ist jetzt die Aufgabe der Presse und des preußischen Landtages. Wenn diese Faktoren ihre Lchuldigkeit tun, werden die übrigen Bundesregierungen gar nicht genötigt werden, Stellung zu dem Projekte zu nehmen. Ein Steucrgefpenst. Wenn die preußische Regierung sich für das Scherlsche Prämien-Sparsystem erwärmt oder gar begeistert, so liegt jedenfalls die Vermutung nicht fern, daß sie auch mehr als platonisches Wohlgefallen an dem im vorigen Jahre im Land tage angeregten Gedanken finde, den Kommunen einen Beitrag zu den Unterhaltungskosten der großen staatlichen Institute, die sie beherbergen, besonders der Universi täten, aufzuerlegen. Nun wird zwar von einer sich offiziös gebärdenden Berliner Korrespondenz versichert, von einer solchen Absicht könne vorläufig noch keine Rede sein; Herr Ministerialdirektor Althoff im Kultusministerium, der gute Laune auf der rechten Seite des preußischen Abgeord netenhauses sehr zu schätzen wisse und ein sehr höflicher Herr sei, habe den Vorschlag für nicht übel erklärt und Er wägungen darüber zugesagt; darauf seien, um dem neuen Ab geordnetenhause mit Material dienen zu können, Erhebungen ver anlaßt worden, in welchem Umfange den Städten materielle Vor teile durch die Existenz zum Ressort des Kultusministeriums ge hörender staatlicher Institute erwachsen. Der Minister selbst habe sich in der Frage nicht festgelegt. Wer aber die Stellung des Herrn Althofs im preußischen Kultusministerium kennt, wird aus dieser Versicherung keine besondere Beruhigung im Sinne der preußischen Universitätsstädte schöpfen. Was Herr Althoff für „nicht übel" erklärt, wird schwerlich einfach bei Seite geschoben. Und da „nicht üble" preußische Finanz projekte sehr häufig auch iu anderen deutschen Bundes staaten, namentlich in notleidenden, freundliche Aufnahme finden, so kann das preußische Gespenst gar leicht zu einem allgemein deutschen werden. Vorläufig regt man sich in Göttingen, von wo ans dem „Hannoverschen Kour." ge schrieben wird: „In der Diskussion über eine speziell den Universitäts beziehungsweise Hochschutstädten aufzuerlcgende Sondersteuer ist bisher ein Punkt nicht genügend zur Geltung gebracht worden: unsere Universitäten sind ursprünglich private Vereinigungen gewesen und auch in ihrer weiteren Entwickelung freie autonome Korporationen, nach Art der auf englisch-amerikanischem Boden noch heute bestehenden Verhältnisse, geblieben. Auch wo sie auf landesherrlicher Stiftung beruhten, erfolgte gemeinhin von vornherein eine feste Dotation, so daß alle Universitäten aus eigenem Vermögen erhalten wurden, das aber in der Mehr heit der Fälle auf kirchliche und private Zuwendungen zurückging. Als durch die Säkularisationen der Reformations- und Revolntionszeit und mit der Entwickelung derUniversität zur Staatsanstalt dieHochschul- fonds vielfach auf den Staat übergingen, übernahm dieser lediglich eine fcstgelegte Verpflichtung. An nicht wenigen Stellen aber blieb das Vermögen der Universitäten unangetastet. So werden z.B. die Kosten unserer hannoverschen Georgia Augusta in Göttingen verfassungsmäßig aus dem Klosterfonds bestritten. Die gesamten Kosten des Unterhalts einer älteren Universität trägt der Staat schwerlich auch nur in einem einzigen Falle. Was aber die Anstalten neueren Datums, speziell auch die landwirt schaftlichen, technischen, tierärztlichen Hochschulen und Institute anlangt, die sämtlich dem verflossenen Jahrhundert ihre Ent stehung verdanken, so haben bei ihrer Gründung die beteiligten Städte und Provinzen in der Regel so erhebliche Opfer gebracht, teils einmalige durch Hergabe des Baugrundes, der Baukosten u. dgl., teils solche, die dauernde Verpflichtungen in sich schließen, daß auch ihnen gegenüber von einer einseitigen Be günstigung durch den Staat keine Rede sein kann." Die nichtpreußischen Universitätsstädte, bei denen die Ver hältnisse ganz ähnlich liegen, wie bei den preußischen, würden vorsichtig handeln, wenn sie schon jetzt zu Aufstellungen ver- schritten, aus denen klar hervorgeht, wie wenig das „nicht üble" Projekt verwirklicht zu werden verdient. Jesuitenfeiudliche Bewegung i« Luxemburg. Ob der in Frankreich auf der ganzen Linie entbrannte Kampf gegen die katholischen Orden und insbesondere ihre Schulen es ist, der seine Wellen in das Großherzog- tnin Luxemburg mit 95 v. H. Katholiken hinüberwtrft? Auf jeden Kall gährt es in den 200 000 Einwohnern des Ländchens stark, und eine von den Abgeordneten Simmer und Brasseur mit Geschick geleitete Bewegung will die Novelle zum Schulgesetz von 1898, welche mit Hülfe dec ultramvntanen Abgeordneten fast den gesamten Unter richt dem maßgebenden Einfluß der katholischen Geistlich keit überantwortete, zu Fall bringen. Abschaffung der daraufhin als Gymnasien, Handels- und Industrie schulen überall eingerichteten Konvikte unter priester licher Leitung und mit einem fast ausschließlich aus klerikal gesinnten Mitgliedern zusammengesetzten Lehr körper, das ist die gegenwärtig in den Zeitungen und zahlreichen Versammlungen lebhaft erörterte Frage. „Auf zwei Gymnasiallehrer kommt eine Soutane, und es kann obendrein noch ein Jesuit mit kurzem Rock darunter sein: ja, es steht zu befürchten, daß auch noch der zweite aus Gründen der Nützlichkeit klerikal wird." In Wahr heit kommen auf 90 Lehrer 40 katholische Geistliche, dar unter, wie bemerkt, die Leiter der Anstalten. Gemein schaftliche Messen Sonntags und Donnerstags, sechs ge meinschaftliche Kommunionen im Jahre, dazu gemein samer Aufmarsch in -er Fronleichnamsprozefsion, sind beispielsweise eingeführt. Da auch ein Teil -er Lehrer schaft sich offen gegeii das priesterliche Schuljoch wendet, so beginnen die Geistlichen ernstlich um ihre Oberherr schaft zu fürchten und haben in den letzten Wochen ganz nach dem Muster des Katholischen Bolksvereins für Deutschland — es wird dies unumwunden eingeräumt — einen LuxemburgerVolksvereinin der Haupt stadt des Großherzogtums gegründet, um durch Volks blätter, Flugschriften eine Auskunftsstelle für Rechts- und soziale Fragen, soziale Kurse usw. die Bevölkerung zu bearbeiten und zu fesseln. Ob das in entscheidendem Maße gelingen wird? Deutschland hat immerhin Ver anlassung, diese bemerkenswerten Vorgänge an seiner Grenze und so nahe bei Trier im Auge zu behalten. Rußland und Japan. Keine Zeitgrenze für die Antwort Rußlands! Man meldet uns: * Tokio, 13. Januar. (Reuter.) Tie Antwort Japans ist heute nachmittag dem russischen Gesandten, Baron v. Rosen, aus gehändigt worden. Die Verhandlungen werden fortgesetzt, ohne daß eine Zeitgrenze festgesetzt worden ist. Das spricht entschieden für die friedlichen Dispositionen in Tokio wie in Petersburg und läßt die Lage weit be ruhigter erscheinen, als die Alarmnachrichten aus englischen Quellen sie fort und fort darstellen. Dazu stimmt auch das folgende Dementi: * Petersburg, 13. Januar. Gegenüber den auswärts ver breiteten Nachrichten stellt die „Russische Telegraphen-Agentur" fest, daß an amtlicher Stelle keinerlei Meldung über das Aus laufen der russischen Flotte aus Port Arthur vorliegt. Aus Tokio wird weiter berichtet: Die in europäischen Blättern enthaltenen Angaben über die angeblichen For derungen Japans bezüglich der Mandschurei riefen hier große Ueberraschung hervor. Japan verlangte nie mals die Räumung der Mandschurei, erkannte vielmehr die besonderen Interessen Rußlands und dessen Recht an, seine Interessen zu schützen. Japan forderte nur, daß Rußland die freiwillig gegebenen Bürgschaften über die Achtung der territorialen Integrität Chinas in der Mandschurei auch einhalte. Außervem verlangte Japan die Freiheit des internationalen Handels in der Mandschurei. — Bei dieser gemäßigten Haltung Japans darf man auf einen glücklichen Abschluß der Verhandlungen rechnen. — In Münchner UniversitLtskreisen kursierte gestern das Gerücht, die an der Münchner Universität studierenden Japaner hätten die bayerische Metropole verlassen, um für den Fall des Kriegsausbruches der Militärpflicht in der Heimat zu ge nügen. DaS Sekretariat der Universität teilt auf Anfrage mit, daß das Gerücht keine Grundlage habe. * Port Laid, 13. Januar. Der japanische Kreuzer „Kafuga" ist hier eingetroffen. Deutsches Reich. * Berlin, 14. Januar. * Entschädigung unschuldig Verhafteter. I» der Frage der gesetzlichen Regelung der Entschädigung un schuldig Verhafteter ist jetzt ein Ausgleich zwischen den innerhalb der verbündeten Regierungen in manchen Be ziehungen auseinandergehenden Ansichten nahezu er reicht. Soweit noch Meinungsverschiedenheiten bestehen, sind sie mehr formaler als materieller Natur. Die end gültige Beschlußfassung des Bundesrates gilt als nahe bevorstehend. Während die großhcrzoglich hessische Regierung in ihrem beim Bundesrate eingebrachten An träge von den im Reichstage früher ergangenen Anre gungen mehr oder weniger absah und etwas ganz Neues zu schaffen beabsichtigte, lehnt sich der -em Bundesrate vorliegende Gesetzentwurf möglichst eng an die frühere Stellungnahme des Reichstages an. Deshalb ist auch mit Wahrscheinlichkeit auf eine einigermaßen günstige Auf nahme desselben in letzterem zu rechnen. * Rechtsfähigkeit der Bernssvereiue. Wie wir aus Bundesratskreisen hören, finden darüber, welche Stellung die Reichsleitung gegenüber der Zentrumsinterepellation wegen der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine einnehmen wird, noch Verhandlungen mit den einzel staatlichen Regierungen statt. Bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches wurde die Frage der Rechtsfähigkeit der Berussvcreine ausgeschieden, weil über sie ans politischen Gesichtspunkten zu befinden fei. Im Bundesrate glaubt man annehmen zu können, die Feuilleton. Wemeyer L Sohn. ioj Roman von M. Prigge-Brook. « choruck verboten. „Phrasen, Worte, leere Redensarten!" höhnte er. „Was soll mir dein Leben? Meine Freiheit will ich und werde ich erhalten mit dir oder ohne dich, verlasse dich darauf." „Vater!" „Du willst mir drohen? das fehlte gerade. Nimm dich in acht! Biö jetzt war ich geduldig und gütig, weil ich Mitleid empfand mit deiner Mutter. Ihr Eigensinn regt mich auf, verdrießt mich, und ich spüre Lust, über sie weg ein Ende zu machen. Willst du also etwas für deine Mutter tun, so gib ihr den guten Rat, mich freizugebeu." „Ich denke nicht daran. Im Gegenteil! Mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln werden wir käurpfen gegen das grausame Unrecht, das man uns antun will, und gegen dich!" „Biel Glück dazu!" höhnte der Holzhändler, den der Zorn übermannte. „Ich bleibe Sieger, denn ich liebe das Mädchen und lasse nicht von ihm!" „Den Namen, den Namen!" drängte Rudolf, den eine vage Angst anwandelte. „Was soll dir ihr Name! Glaubst du, du kannst gegen mich austreten? Lo wenig, wie ich von ihr lassen werde, läßt sie von mir!" ,^Ver ist sie — endlich!" Rudolf bebte vor Ungeduld. „Fürchtest du dich, mir ihren Namen zu nennen?" „Ich mich fürchten? pah! — Da fällt mir ein, du kennst sie ja, zum wenigsten hast du sie gesehen, ineine Erna, Erna Helt, früher im Musikinstitut bei Knllecke?" Rudolf brach in ein nervencrschütterndcs Gelächter aus. „Das also ist des Pudels Kern? Der Vater trium phiert über den Sohn! O, über das Schicksal! Freue dich, mein Mütterchen, freue dich! Du besinnst dich doch wohl noch auf mein« Beichte vor der Reise? Ahnst du et was? Erna Helt, so hieß das Mädchen, welches —" Er lachte wieder laut und gellend, so daß die kranke Frau zu zittern begann. Dem Holzhändler trat der Angstschweiß auf die Ztirn. In diesem Augenblicke fürchtete er seinen Sohn. Was wollt« er mit feinen Worten eigentlich sagen?" Er kannte Erna keinesfalls, mochte er sie auch aus der Entfernung gesehen und vielleicht verehrt haben, das kam vor. Lie wußte nichts von ihm, so viel war sicher, und darum Die schwache Stimme seiner Frau unterbrach seine Ge danken. „Laß mich jetzt allein", sagte sie erschöpft, „ich will mit Rudi reden, du magst tun, was du nicht lassen kannst, ich halte dich nicht mehr. Geh nur, geh!" „Elisabeth!" Im Augenblick schwanden Angst und Zorn und Schmerz. Wcmeyer wollte ihre Hand erfassen, sie an die Lippen i zu ziehen, jedoch energisch wehrte sie ab. „Danke mir nicht, dazu hast du keinen Grund. Mich ekelt die Geschichte, darum mache ich ein Ende. Geh!" Wie ein geprügelter Hund schlich er sich aus dem Zimmer, in welchem der Sohn den Kopf in der Mutter Schoß barg. „Ich bin so unglücklich, Mutter", klagte er, „totunglücklich. Warum, ach, warum hat er mir das getan!" Obgleich Wemcyer sein Ziel weit leichter und schneller erreicht hatte, als er zu hoffen gewagt, fühlte er sich im Innern unzufrieden. Sein Anwalt, dem er die Lchei- dungsangelcgcnhcit übergeben, hatte ihm mitgeteilt, daß diese erst nach geraumer Zeit würde ausgesprochen wer den, da die gesetzlichen Vorschriften eine gewisse Bedenk zeit verlangten. So lange indes Wemeycr nicht völlig frei war, durfte er seine Erna nicht Wiedersehen und — was schlimmer war — sich ihren Eltern nicht nähern. Sie hatten ihre Tochter mit lebhaftem Vorwurfe emp fangen und sich auch nicht befriedigt gezeigt, als diese ihnen bewies, der Vorwurf treffe sie unverdient. Dann müsse man sich an die Person des Mannes halten, hatte der Professor gemeint, dessen pedantisch ehrbare Art sich durch die Werbung des Vermählten verletzt fühlte. „Ich sehe darin einen Oirund mehr, deinem Glücke zu miß trauen, mein geliebtes Kind", »rußte Erna sich sagen lassen. Sic nahm die Vorhaltungen freilich nicht ruhig hin, sondern sic kämpfte auf das lebhafteste für ihr Glück. Es verging kein Tag, an dem sie nicht Nachricht von ihrem Liebsten erhielt; die Nachrichten hielten sic arffrecht und gaben ihr Mut, täglich aufs neue den schweren Kampf zu wagen, die Eltern gefügig zu machen. Es gelang ihr endlich nach vieler Mühe. Professor Helt sah, daß ihre Wange verblich, das Auge sich trübte und der holde Frohsinn von einst schwand. Da gab er, bezwungen von den inbrünstigen Bitten des Kindes, nach. „Ich wasche meine Hände", sagte er resigniert, „und gebe dein Geschick in deine Hand. Vielleicht sollte ich fester sein in meinem Willen und dir energisch versagen, was ich nicht als ein Glück erkennen kann. Man wird aber schließlich müde und alt, ich kann die Tränen meines ein zigen Kindes nicht länger sehen, darum magst du ihm schreiben, er darf kommen, aber nicht eher, bis «r geschieden ist. Als freier Mann nur tritt er über meine Schwelle." „Vater!" Der laute Jubelruf der Tochter lohnte ihm seinen Entschluß, seine Frau aber blieb unzufrieden. „Ich kann mich nicht mit Ernas Wahl aussöhnen", klagte sie ihrem Manne. „Bedenke nur, was werden die Leute sagen, erfahren sie, wer er ist. Und erfahren wer- den sie es schon bei der Trauung! Mir ist, als könnte ich dann niemand mehr frei ins Auge sehen!" „Du übertreibst, nach Frauenart", tadelte der Professor sic wohl. „In einem Punkte aber gebe ich dir Recht, man braucht hier nichts zu erfahren, und darum ist es besser, das Kind heiratet, wenn seine Zeit gekommen ist, in Berlin." „In Berlin? Unmöglich! Nur aus dem Elternhause holt sich der Mann seine Frau!" „Du vergißt, daß Erna sich von vornherein nicht an den Brauch gehalten, so mag sie nun die Konsequenzen tragen. Entweder so oder —" Er kam nicht weiter, die Tochter schloß ihm die Lippen init einem Kusse. „Ich bin ja einverstanden, Väterchen." Sic war so überglücklich, daß er nun endlich „Ja" ge sagt, -aß sie den Liebsten erwarten durfte, bald, bald. Was tat's, daß bis dahin noch manches zu überwinden war, was tat's, daß ihr geboten wurde, reinen Mund zu halten vor jedermann? In lachender Ferne winkte ihr ein Glück, ein großes, märchenhaftes, ihr ganzes bis heriges Sein verschwand vor dieser Aussicht. Sie fühlte sich unsagbar glücklich in dieser Zeit. Dem Holzhändlcr wurde es nicht so wohl. Er verlebte eine qualvolle Zeit. Zunächst verließ er seine Wohnung und siedelte nach Roseneck über. Aber cs wollte ihm nicht heimisch werden in dieser kalten Pracht, der das beste fehlte, die Seele. Allein und auf sich angewlcren, ver brachte er seine Tage in diesen, viel zu geräumigen Zimmern, in denen man die eigenen Schritte gespenstig widerl-allen hörte, kein Mensch besuchte ihn Leine Freunde zogen sich scheu von ihm zurück, denn man ver dachte es ihm, daß er seine Frau verließ, nun sie leidend und alt geworden war; man verdachte es ihm, daß er sich an ein junges Mädchen hing, das seinen Jahren nach eher zu seiner Tochter gepaßt hätte, denn zu seiner Ehefrau. Und ferner verdachte man ihm sein Verhältnis zu seinem einzigen Sohne. In letzterem tat man ihm übrigens Unrecht. Er bot Rudolf vergebens an, bei ihm im Geschäft zu bleiben. Als dieser das bestimmt ablehnte, ließ er ihm die Wahl zwi'chen Stockholm und London, von dort aus konnte er die Firma vertreten. Auch das schlug Rudolf aus. Er wolle nichts, gar nichts, ließ er seinem Vater sagen, sein Brot gedenke er sich ganz allein zu verdienen. Elisabeth ließ alle Vorschläge ihres Gatten willenlos über sich ergehen, ihr war alles gleichgültig, so ungeheuer gleichgültig, sie hatte nur den einen Wunsch, nicht fort zu müssen aus den Räumen, in denen sie zehn Jahre des Glückes zugebracht, alles übrige ließ sie kalt. Es rührte sie nicht, daß ihr Anwalt die Großmut Wemeyers pries, der ihr ein Viertel seines nach Millionen zählenden Ver mögens überließ. Die große Summe, die er -cm Lohne zugedacht, verschmähte dieser. Er wollte auch die Mutter bereden, zu verzichten, er traue sich's schon zu, sie ohne Entbehrungen erhalten zu können, davon wollte sic aber nichts wissen. Es kam ihr und mehr noch Rudolf zu, daß nicht der ganze große Besitz in fremde Hände fiel, in jedem Falle würde Rudolf später ruhiger, dann würde er wohl ohne Skrupel nehmen wollen, waS ihm die Hand der Mutter anbot, sie durfte sich sagen, daß sie getreu das Ihrige getan, Wemeyers Hab und Gut zu mehren. * * * Elisabeth hatte das größte Opfer gebracht. Um ihrem Gatten den Weg zu ebnen, ging sic aut den Vorschlag seines Rcchtsbcistandes ein und trat selber als Klägerin auf. So blieb der Name des jungen Mädchens rein, ob auch die näher Eingeweihten die Köpfe schüttelten und es dem Holzhändlcr verargten, daß er die treue Lebens gcfährtin von sich stieß. Es galt ja auch nur, den Gerichten gegenüber den Vorwand böswilliger Verlassung aufrecht zu erhalten. Auf diesen hin wurde die Ehe der Wemeyers geschieden, und Hugo atmete auf. Der Sommer mar gegangen und hatte dem Winter Platz gemacht. Nach harten, klare» Jrosttagcn winkten im März die ersten Boten des Lenzes, an den Straßenecken bot man Palmkätzchen und Schneeglöckchen ans An einem
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