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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040119022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904011902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904011902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-19
- Monat1904-01
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Famitiennach- richten (v gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 -H. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlus; für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Poll in Leipzig (l)r. Victor Äliokhardt L Co.). 33. Dienstag den 19. Jannar 1991. 98. ^(lhlAllllsi. Var Massigste vsm Lage. * Die Mobilisierung deutscher Streitkräfte zur Bekämpfung des Hereroaufstandes nimmt ihren Fortgang. Die ganze 2. Matrosendivision in Wilhelms haven will freiwillig nach Afrika. Ueber die äußeren Anlässe der aufständischen Bewegung kommen Nachrichten in die Presse. * Die Entschädigungsansprüche deutscher Reichsangehöriger aus dem Boerenkriegc sind in Pretoria zum AuStrage gekommen und teilweise schon ausgezahlt worden. * DaS Scherlsche Lotterie-Sparsystem wird im preußischen Abgeordnetenhause infolge eines Antrags der freisinnigen Bolkspartei zur Sprache kommen. — * Im Osnabrücker Reichstagswahlkreise ist eine Stichwahl zwilchen dem nationalliberalen und dem wölfischen Kandidaten nötig. * Die Rüstungen und Truppenkonzentrationcn in Ostasien dauern fort. ver Ulittlanck Ser Herero. Zum ersten Male tauchen jetzt in der Oeffentlichkeit einigermaßen begründete Angaben über die äußeren An rässe zum Aufstande in Südwcstafrika auf, und zwar läßt sich die „Jrkf. Ztg." berichten: „Die Politik derHalbhcit und Schwächc, welche die Negierung in Windhoek bisher den Eingeborenen von Deutsch-Süldwestafrika gegen über eingehalten, hat nunmehr ihre blutigen Früchte gezeitigt. Gegenwärtig befinden sich die Herero in offenem Aufstande, die Bahnlinie Swakopmund — Windhoek ist streckenweise zerstört, Okahandja mit seiner großen Militärkascrne ist eingeschlossen und Windhoek von jeder Verbindung abgoschnittcn. Als ich v o r a ch t M o n a t c n zu Studienzweckcn das nordöstliche Hererolan- bereiste, konnte ich außer einer Erbitterung der Herero gegen die deutschen Händler nicht das mindeste An- zeicheneinerdeutschfeiuülichcnStimmung wahrnehmen. Die Koffern gingen ihren gewöhn lichen Beschäftigungen nach und zeigten sich im all gemeinen freundlich und zugänglich. Nur der Um stand fiel mir auf, daß sämtliche Häuptlinge der von mir berührten Dörfer nach Okahandja, dem Wohnsitze des Oberkapitäns Mahärero, gezogen waren, um einer großen Ratsversammlung beizuwohnen: die kranken oder altersschwachen Häuptlinge hatten sich da selbst durch ihren ältesten Grootmann vertreten lasten. Tie Versammlung dürfte einen vollen Monat getagt haben, denn Anfang Slpril vorigen Jahres waren die Häuptlinge schon in Okahandja und Mitte Mai fand ich in der Nähe dieses Ortes noch immer einige Dörfer ohne Oberhaupt. Den Anlaß zu der großen Häuptlingsver- fammlung hatte ein ernster Streit zwischen Kam ba sem bi, dem reichen Kapitän von Otjosondjupa am Waterberg, und Dienstleuten des Obertapitäns MahL - rero gegeben. Im Januar vorigen Jahres trieben nämlich Angestellte der Filiale der Handelsfirma Weke L Voigts am Waterberg und die dortigen Händler Michaelis und Heilbronner von Kambasembi jahrelang schon ausstehende Schulden im Betrage von 20 000 mit rücksichtsloser Energie ein, so daß der Kapitän sich genötigt sah, anstatt des fehlenden Bargeldes den Händlern große Rinderherden auszuliefern. Als er hierbei dem Häuptlinge eines benachbarten Torfes befahl, die von letzterem behüteten Rinder, welche sein (Kanrbascmbis) Eigentum seien, nach Otjosondjupa zu bringen, weigerte sich der Häuptling dessen mit der Be gründung, diese Rinder seien im Besitze des Oberkapitäns Mahärero, und ließ sich selbst durch Drohungen nicht ein schüchtern. Nun sandte Kambasembi seinen Kriegs kapitän mit 150 Mann nach dem Tvrse, ließ den Häupt ling und dessen Grootleute durch Peitschenhiebe züchtigen, die Rinderherde wegtreiben und übergab sie dann den genannten Händlern. Ans die Klage des gemaßregelten Häuptlings berief nun der Obcrkapitän Mahärero jene Häuptlingsversammlung ein, in welcher nach Beilegung der inneren Streitigkeiten zweifellos der Ausstand wider die deutsche Herrschaft beschlossen wurde. In erster Linie richtet sich die Bewe gung gegen die im Hererolandc an sässigen Händler, bei welchen die H e r e r o be deutende Schulden stehen haben, und bei dem Hasse der Kasfern wider die Händler ist für diele und ihre Familien das Schlimmste zu befürchten, zumal sich den Herero gegenwärtig die günstige Gelegenheit bietet, sich mit einem Schlage ihrer lästigen Gläubiger zu entledigen. Als der Haupturheber des Aumandes ist unbedingt der alte Kambasembi zu betrachten^ der über die rück sichtslose Schuldeintreibung der Handelsfirmen von Waterberg maßlos erbittert war: zudem hatten sich zur nämlichen Zeit seine Söhne Traugott und Wilfried, wie wir bereits am 1. August v. I. berichteten, in das Ovamboland geflüchtet, um sich einer über sie ver hängten Arreststrase zu entziehen. Wie sehr Kambasembi seinen Deutschenhaß zu verbergen wußte, erhellt wohl am besten aus dem Umstande, daß er mir im Mai v. I. an läßlich meines Besuches in Otjosondjupa unter Versiche rung freundschaftlichster Gefühle die Hand küßte. Wäh rend meines dortigen Aufenthaltes gewahrte ich zwanzig Ovambo, die nachts mit großen Körben aus Ovamboland eingetrosfen waren und nach der Meinung eines gerade anwesenden Händlers an Kambasembi Pulver abgc- liefert hatten. Es ist zweifellos, daß die Herero schon seit geraumer Zeit durch portugiesische Händler ldic ihrerseits wieder, wie überall in Afrika, nur die Handlanger dcr Engländcr sein dürsten; s. a. den zweiten Leitartikel des heutigen Morgenblattes: Red.) und deren Zwischenträger, die Ovambo, mit Ge wehren und Munition versorgt wurden. Umsomehr aber muß es bedauert werden, daß die deutschen Militärbehörde» selbst au die Herero Ge wehre und Patronen verkauften, wenn auch in beschränktem Maße. Dagegen wurde den An siedlern nicht gestattet, das vorzügliche Repe ti e r g c w e h r, mit dem die Schuntruppe ausgerüstet ist, zu führen, um den heimlichen Verkauf von Militär patronen zu verhindern, sondern cs wurden an sie nur E i n l a d c r - Gewehre Modell 71 abgegeben, so daß die Herero den Ansiedlern vielfach mit gleichen Waffen cnt- gegentrclen können. Glücklicherweise sind die Herero elende Schützen, sowohl mit dem Gewehre als auch mit Pfeil und Rogen. Während meiner Rette ließ ich o t von Herero mit Pfeilen, die von diesen Kasfern nie vergiftet werden, nach einem Hute schießen, der aber trotz der kurzen Entfernung von fünfzehn Schritten nie vor dem achten Schüsse getroffen wurde: dagegen sind sie im Steinwcrfcn und Schleudern ihrer Keulen sehr geschickt. Speere werden selten verwendet. Das ganze Volk der Herero, das infolge unsinniger Viehwirtschaft und Verschuldung in fortschreitender Ver armung begriffen ist, zählt rund 80 000 Seelen und stellt im günstigsten Falle 10 000 Krieger ins Feld, die je doch wegen der großen Entfernungen und der benach barten feindlichen Hottentottenstämme nie zusammen gezogen werden können. Der Aufstand wurde durch den Obertaprtün Mahärero, welchem an 200 Dörfer im süd östlichen Hererolandc mit 24 000 Einwohnern unterstehen, begönne», indem er mit schätzungsweise 2000 Kriegern die Kaserne in Okahandja, jedenfalls nach Usberrumpe- lung der zahlreichen Häuser des weitläufigen Ortes, ein schloß, um zuerst diese seine Residenz von den Deutschen frei zu bekommen. Gleichzeitig wurde einem Entsatzver- snche von der Windhoeker Seite durch Zerstörung der Eisenbahnbrücke bei Osona, südlich von dem Belagerungs orte, vvrgebeugt und ein Verstärkungstrain von zwei Offizieren, 1 'Arzt nnd 56 Reservisten ans Swakopmund bei der westlich von Okahandja befindlichen Eisenbahn station Waldau aufgehalten und angegriffen. Die Um gebung von Waldau bildet, wie ich durch persönlichen Augenschein weiß, dem Verteidiger das ungünstigste Gc- fechtstcrrain an der ganzen Bahnlinie, da der dichte Buschwald bis unmittelbar an die Mauern des Stations gebäudes herantritt und keine Uebersicht zuläßt, dagegen ist das große, hochgc>baute steinerne Gebäude leicht zu ver teidigen, minder die weitläufigen Schuppen, und da im Hauptgebäude sich auch eine Gastwirtschaft befindet, so dürfte für die nächste Zeit genügend Proviant vorhanden sein. Für Windhoek ist einstweilen nichts zu befürchten, da «sich dort mindestens 400 waffenfähige Männer (Beamte, Privatangestellte, Handwerker und die Garten- nnd Weinbaufarmer des benachbarten Älcin- Äindhvck) befinden, welche die Stadt bis zur Ankunft der aus dem Süden hcrbeicilendcn Schutztruppc, die in Windhoek Ende dieses Monats eintreffen soll, ohne be sondere Schwierigkeit verteidigen können. Sehr schlim m steht es dagegen um die einzelnen Uber das ganze Land zerstreuten Ansiedelungen und P o l i z ei st a t i o n e n: auf manchen abgelegenen Far men wird man selbst heute noch ohne Ahnung von den blutigen Vorfällen der jüngsten Zeit sein. Tie Garnison von Outjv (nächst der wichtigen Otcrvi- mine), welche aus einer Kompagnie berittener Infanterie unter Hauptmann Kliefot und mehreren Geschützen be steht, ist durch Kambasembi, der ebenfalls 2000 Mann ins Feld stellt, und Manafse, welcher über 1000 Krieger ge bietet, abgeschnittcn und wird alle Hände voll zu tun haben, um nur die nächste Umgebung von Outjo zu schützen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß die guten Freunde der Herero, die Ovambo, die Gelegenheit zu einem Ueber fall von G r o o tf o n t e i n, der nörd lichsten geschlossenen Ansiedelung des Schutzgebietes, be nützen werden. Glücklicherweise trifft anfangs nächsten Monats der fällige Ersavtransport für die Truppe in einer Stärke von 5 Offizieren und 255 Mann in Swakop mund ein, so daß nach Ankunft der Haupttruppc aus dem Süden einschließlich der waffenfähigen Bevölkerung von Windhoek 1000 Mann gleichzeitig längs der Bahn von Süden und Westen gegen Okahandja operieren können: auch werde» die Hottentotten mit Freuden die Ge legenheit ergreifen, um über ihre alten Feinde herzusallen. Ter Ausgang des Kampfes ist nicht zweifel haft. Ter Äusskand dürfte, da die Herero erfahrungs gemäß schon nach der ersten blutigen Schlappe klein bei- zugobcn pflegen, in Bälde niedergeworfcn sein. Die gegenwärtigen Unruhen sind natürlich für die wirtschaft liche Entwickelung des Schutzgebietes von dem ungünstig sten Einflüsse und schädigen die Kolonie schwer. Es ist da her höchste Zeit, daß eine Reform des Händler- wesens durchgeführt und auch mit -cm gegen wärtigen Berhätschelungssystem gegen über den Eingeborenen gebrochen werde, denn der Kaffer hält Milde für Schwäche, ihm imponiert nur die roheKrast." Die Mobilisierung der deutschen Streitkräfte. * Tie Marine-Infanterie zieht im Laufe eiucs Jahrzehntes jetzt zum vierten Male ins Feld. Vor genau zehn Fahren, nämlich im Jahre 1894, wurvr ein 12l Mann starkes Deta chement nact Kamerun gesandt, uni einen dort eutiiaodiuLu Neaeraittjiand unterdrücken zu he'scn; oie Ruhe mar aber schön wieder hergcstelll, als der Transport vor Kamerun cüuraf. 1897 gab die Besetzung des Kiautschaugebietes Anlaß zur Einsendung eines 650 Mann starken Bataillons. ^luS dieser Truppe ging das jetzt in Tsingtau stationierte lll. Sce- bcnaillon hervor. Die letzte Verwendung der Marine-Infan terie erfolgte 1900 und 1901 bei den Wirren in China. Da mals wurden beide Bataillone mobilisiert und später der Be satzungsbrigade cingereiht. Die kriegsstarken, zusammen 2500 Mann zählenden Bataillone haben den ganzen Feldzug mitgemacht und 86 Mann haben Gut und Blut dem Vaterland geopfert. Der Beseh! zur Mobilisierung eines 500 Mann starken, nach Deutsch-Südwestafrika bestimmten Korps ging am Sonntag Mittag in Kiel ein. Der Kieler Trans port verläßt Mittwoch früh die Garnison. Tie Einschiffung erfolgt in Wilhelmshaven. Zur Teilnahme meldeten sich zahl reiche Freiwillige, namentlich auch Einjährige. Die Fahrt nach Swakopmund wird immerhin 3—4 Wochen in An spruch nehmen, so daß vor Anfang März die Truppe kaum verwendbar sein wird. Zum Führer des Korps ist guiem Vernehmen nach der Kommandeur des II. Scebataillons, Major v. Glasenapp auscrsehcn. Major v. Glascnapp gehörte von 1874 bis 1900 dem Landbeere an. Bei der im Sommer 1900 erfolgten Mobilisierung der beiden Scebalaillone wurde er dem Chef des Stabes der Marine-Expedition, General major v. Hopfner, zugereist und nach besten durch Krankheit bedingte Rückkehr trat er zum Stabe der 3. ostasiatischen In fanterie-Brigade. Nacb der Rückkehr aus China wurde er Bataillonskoinmandcur im Magdeburgischen Infanterie-Regi ment Nr. 66 und einige Monate später Kommandeur des II. Seebataillons. — Das Kieler Detachement wird dem Kom mando des Hauptmanns Fische! unterstellt. — In Wil helmshaven meldete (ich beim Appell zur Mobilmachung der zweiten Matrosendivision auf das Kommando „Freiwillige vor" die ganze Division von 1000 Mann. — Zur Unterstützung des Expeditionskorps > ach Südwestafrika entsendet die Marine den großen .Kreuzer „Prinz Heinrich" und den Kreuzer „Medusa". Neue Unglücks Nnöbriöbten aus den, AusstondSgebiete. * Der Windhocker Korrespondent der „Kolonialen Zeit schrift" teilt seinem Blatte durch dringliches Kabel-Telegramm mir: „Buschleutc Maltahöhe Farmer, Jäger und Frau ermordet, Okahandja im Verteidi gungszustand, 400 Hereros mit Gewehren vor Okahandja, weiterer Zuzug Hereros aus östlichem Sandfcld gemeldet." D Berlin, 19. Januar. (Telegramm.) Nach einem gestern hier eingelaufeucn Telegramm ist der aus Stettin stammende Tierarzt Kampnv am Sonnabend auf einem Patrouillenritt bei Karibik erschossen worden. politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Januar. Tc» Ernst der Lage tm füdwestafrikauischcn Schutzgebiete hat gestern im Reichstage der Reichskanzler in einer eindringlichen Rede geschildert, die in der Mahnung gipfelte, der von ihm dem Präsidenten überreichten, vom Bundesrate bereits in einer aci iwc angesetzten Sitzung genehmigten Bo klage auch seinerieitS seine Zustimmung zu geben, damit weiterem Unheil vorgebeugt werden und die Ehre der deutschen Fahne gewahrt werden lönne. Diese schleunigst in Druck gegebene und verteilte Vorlage wird schon heute zur ersten und Fenilleton. Wemeyer L Sohn. 14j Roman von M. Prigge-Brook. lv ruck verboten. Man drang nun nicht länger in Rudolf, den das sehr verdroß, weil es ihn wieder und wieder erinnerte und ihm auch diesen schönen Sommertag durch den Gedanken an die Ferne vergällte. Ain liebsten wäre er der frohen Gesellschaft entflohen. Daß er auch nicht verwinden konnte — nie, nie. — Etwa acht Tage verlebten die Booth in New Bork, ihren jungen LandSmann überall einführend. Dieser empfand mit Behagen, Laß man ihn wie zu sich gehörig ansah. Seine Furcht vor der Zukunft schwand, er sehnte sie nunmehr herbei, besonders die Arbeit, sollte sie ihm doch die Befriedigung, die er vermißt, und das — Ver gessen bringen. Wenn die Nachmittage und Abende dem Vergnügen und der Geselligkeit gewidmet waren, so benutzte Bvvth den Vormittag, um mit seinem Gehülfcn die nötigen Maschinen anzukaufen. Der größte Teil derselben stand fix und fertig da, ein anderer wurde sofort in Arbeit genommen, und man versprach, daß alles tunlich bald an Ort und Stelle geschafft werde. Jedenfalls konnte man mit der Anlage beginnen. So nahm man Abschied von alten und neuen Freunden, wobei Rudolf zu seinem Befremden wahrnahm, daß Miß Margaret nicht, wie abgemacht worden war, die Freunde in ein besuchtes Seebad begleite, sondern die Heimreise antrete; sie habe sich's überlegt und möge nicht ohne die Mutter sein, sagte sie. Vergebens redeten die Eltern, vergebens die Freunde zu. Miß Julie Astor schwor ihr feierlich, sie werde sich hüten und Margaret noch ein ein ziges Mal besuchen, wenn sic so schlecht Wort halte. Sie habe doch mit größter Freude vor ihrer Europatonr das Rciscprojekt mit entworfen und falle nun so kläglich ab. Was das wohl bedeute. Die Antwort bestand in Tränen, am Halse der Mutter gewelnt. „Nimm mich mit, ich sterbe vor Heimweh", flüsterte das hochrrregte Kind der Teuren ins Ohr. Es blieb nichts übrig, als ihr zu willfahren, was von Missis Leite mit leiser Unzufriedenheit geschah. Sie fesselte die Tochter während der Reise mehr an ihre Person, und Margaret konnte nicht, wie sonst ausschließ lich, um Mister Wemeyer sein. Aus den Augen ließ sie ihn darum doch nicht. Die Bahnfahrt ist eine reizvolle an den Usern des Hudsons entlang, der Zug passierte keine erwähnenswerte Stelle, ohne daß das klingende Organ des jungen, frischen Mädchens mit lauter Stimme Rudolfs Namen rief. „Mister Wemeyer, sehen Sic hierher." Und gehorsam steckte er den dunkelhaarigen Kopf neben dem rotgoldencn aus dem schmalen Fenster des Abteils und bewunderte, was zu bewundern war, bis Missis Booths sanfte Stimme gebot: „Schließe das Fenster, Margaret, und setze dich zu mir, mein Kind, du könntest dich erkälten." Erkälten! Das Wort stand nicht in Margarets Lexikon: die überängstliche Mutter mußte sich manchen wohlgemeinten Spott gefallen lassen von ihrer Tochter, aber geduldig steckte sic auch den ein. Ihr wachsames Ange schlief doch nicht, denn Margaret veränderte sich. Sic wurde liebenswürdiger, fügsamer, so wie Missis Booth sich früher in stillen Stunden das eigenwillige Kind ost gewünscht. Nun sie so geworden, mar es ihr auch nicht recht, sie forschte der Ursache nach und kam dazu, diese in Rudolf zu suchen. Kein Zweifel, Margaret liebte ihn, zum mindesten zeigte sic das größte Interesse an seiner Person. Und da Rudolf in einem Anfall entsetzlicher Seelen pein der Frau, die ihm so gütig cntgegcnkam und ihn dazu an seine Mutter mahnte, sein Herz geöffnet und ihr das Web seines Lebens anvertraut, so bangte ihr Mutter herz um das geliebte Kind, denn niemals würde Wc- mcycr es wieder lieben können. Die Stadt Las Paz war erreicht. Von hier ans fuhren die Booth mis eigenem Wagen die über achtzig Kilometer weite Strecke bis zu ihrer Farm. Für Vor spann unterwegs bei den Nachbarn war gesorgt, die Reise würde trotzdem und trotz verschiedener Einkehr eine strapaziöse sein, weshalb man mehrere Tage in Las Paz blieb. Missis Booth schwankte. Sollte sie hier sich ihrem Gatten anvcrtrauen, ihn nmrnen, Rudolf mitzunchinen? Sic war überzeugt, cs bedinge nur eines Hinweises bei dem Deutschen, und dieser trat sofort und freiwillig von seiner Stellung zurück. Wie aber, wenn sic sich irrte? Wenn das, was sie für Liebe bei Margaret hielt, nichts weiter war. als das Erwachen des Kindes zum Weibe? Sie beobachtete Margaret scharf, und da wollte es ihr wieder scheinen, als sähe das Mädchen in dem Deutschen nur den brüderlichen Freund: ihm jedenfalls war Margaret wie eine Schwester. Und das sollte sic stören wollen? Sic nahm sich vor, stets über ihr Kind zu wachen nnd alles übrige Gott zu vertrauen, mehr lag nicht in eines Menschen Macht. Die Wageufahrt nahm das Interesse des Deutschen ganz gefangen. Die lange, schmale kalifornische Halb insel wird in der Mitte von einem Küstengebirge durch zogen. An dessen Fuße befanden sich die ehemals un durchdringlichen Urwälder. Seit Jahrzehnten hatte die Axt des Händlers den übermäßige» Reichtum gelichtet, ganze Strecken waren verschwunden und hatten frucht barem Boden Platz gemacht, der Getreide aller Art, Tabak, Wein und Südfrüchte hcrvvrbrachte, in einem Ucbcrflnß, wie ihn Rudolf sich bisher nicht einmal hatte träumen lassen. Auch die stehcngeblicbcnen Waldungen erwiesen sich als noch so bedeutend, daß der Holzhänölcrs- svhn, der den Reichtum der Nordländer an Solz gesehen, erstaunte. Mister Booth hatte Recht, hier lohnte sich eine Anlage, zumal da die Flüsse, der Sakramcnto und San Joaguin, die größten Flöße würden aufnehmen können. Der Wagen verließ jetzt die große Straße und entfernte sich von den Ortschaften, durch die die Paeificbahn fuhr. Die Einsamkeit wurde größer. Nur von Farm zu Farm erstreckten sich bisweilen gebahnte Wege, allmählich hörten auch diese auf, und Rudolf begriff, was Margaret von ihrer Einsamkeit erzählt hatte. Auf Meilen umher sah das Auge nichts als Wasser und Wald, darüber spannte sich wie eine Glasglocke der tiefblaue Himmel, von dem dasSonnengestirn seine Glut hernicdersandtc, ersch'affend, ermattend und versengend. Ganz von fern sah das Auge auf grüne Wiesen, erkannte Felder, weidende Herden, ab und zu ein einzelnes Gehöft, sonst nichts. Man bog in einen fühlen Waldviad ein, die beiden Booth sch iefen, nur Margaret war wach. Lachend schwang sich das junge Geschöpf vom langsam hinsahrenden Wagen, nickte dem Deutschen zn, der einschlafcn wollte, und sah ihn einen Augenblick später neben sich am Boden. „Folgen Sic mir." Die schimmernden Mädchenangen iahen ihn lockend, geheimnisvoll an. Rudolf mußte folgen, er mochte wollen oder nicht. Und leise, als fürchte sie, ein Laut störe den Zauber dieser Stunde, schob Margaret die Zweige auseinander und kroch in die sich bildende Oeff- nung, hinter der sich wie ein Dom Niesencichen wölbten. Rudolf war dickst lsinter ihr. Er hob seine Augen auf und stieß einen Schrei des Entzückens aus, denn was er sah, war wie ein holdes Wunder. Ueber ihm die Riesenkronen der alten Eichen, die keines Menschen Hand je berührt, sie senkten ihre Zweige zu Boden und strebten doch auch wieder aufwärts zum Himmelszelt. Und von den Zweigen hingen, die Bäume miteinander verbindend, grünen Girlanden gleich, Lianen nieder, an die sich Winden rankten und bunte Kresse, Tierlcibcrn ähnliche Orchideen wuchsen im Grunde und schneeige Kalla, glühende Amaryllis, lauber Märchen blumen von einer Größe, wie Rudolf sie nie gesehen. Er bückte sich und wollte den Falter greisen, der unbeweg lich auf einer Farre lag. Ein Lachen Margarets ließ ihn die Hand zurllckziehcn, der Falter war nichts, als eine bunte, südliche Blitte, fremd wie der Name, den das Mädchen nannte. Sie zeigte sich ob des gelungenen Streiches froh wie ein Kind. „Hatte ich nicht recht?" plauderte sic lustig, indessen sic ihn immer wieder aufs neue aufmerkcn ließ „was sollten wir zwei in dem heißen Wagen, wo Ma und Pa schlafen und wir nicht einmal plaudern konnten? Da wollte ich Sie mit unserm Walde überraschen und, gestehen Sie, eS ist gelungen!" „Wie schön, wie wunderschön", konnte Wemeyer nur hcrvorbringen, und cs war ihm ernst uw seine Be- gcisterung. „Nun fassen Sie es erst, daß ich mich heimsehnte von meinen Freundinnen in der Stadt. Tic ahnen ja nicht einmal, wie schön cS draußen ist mitten in meiner Ein- samkeit, wie wunderschön. Denn wenn sie kamen, unS zu besuchen, ist es eben nicht einsam mehr, dann ladet Papa die Nachbarn zusammen, cS wird getanzt, gescherzt, ge- lacht, im Garten glühen die bunten Laternen; aber waS mein Marionhonse so lieb, so schön, so eigenartig macht, die vornehme Stille, der Garten mit seiner Blumen pracht, der schweigende Wald ringsum, das sieht und merkt keiner, das ist, als sei eS nicht da und niemand vermißt cs, »nd darum bin ich auch so gern in Marion- House allein." (Fortsetzung folgt.)
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