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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-20
- Monat1904-01
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Ämtsvlatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Vol'izeiamles der Ltadt Leipzig. vnzklgkn.PretS die 6 gespaltene Pctitzcile 25 Reklamen unter dem RedaktionSflrich s4gespalten! 75 vor den Fainiliennach- richten (ttgcsvalten) 50 Tabellarischer und Zisiernsatz entsprechend Hüber. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfrrtenannahme 25 Extta-Veilagea (grsalztt, nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, m i t Postbeförderung .ck 70.—. Annahmrschlnh sür Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabr: nachiuitlag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Di» Ezpkditlon ist Wochentag« ununterbrochen geössuel von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Pali in Leipzig (Or. Victor «liolhardt » So.). Mittwoch den 20. Januar 1904. 98. Jahrgang. Var Aicßtigrlr vom Lage. * Der Reichstag genehmigte mit erheblicher Mehrheit in erster und zweiter Lesung die zur Niederwerfung des Herero-AufstaadeS von den Negierungen geforderten Mittel. * Da« Kanonenboot „Habicht" ist in Swakopmund eingetroffen. * Im preußischen Abgeordnetenhaus« wurde das bisherige Präsidium wiedergewäblt, also auch der Lbg. vr. Kraus« als zweiter Vizepräsident. Der Lar «n<l Ole ortarialircbe frage. V. 8. Der diesjährige Reujahrsempfang MN russischen Hofe hat einen ungewöhnlichen Verlauf genommen. Die Ansprache des Zaren ans diplomatische Korps, seine KriedenSoersicherung gegenüber den Gesandten von Japan und Amerika und seine ausdrückliche Erklärung, daß Rußland gegen den Handelsvertrag der Union und China keinen Widerspruch erhebe, sind Momente, die bei der gegenwärtigen Lage Beachtung verdienen. Es gehört sonst nicht zu den Gepflogenheiten des Zaren, persönlich in -er Politik hervorzutreten. Kaiser Nikolaus hat das äußerst selten getan—nur einige Male gelegentlich der Bitte der Twerschen Landschaft um Vermehrung der Rechte der Selbstvcrwaltungsorgane, in den Tagen der Krönung und beim Empfange einer Bauerndeputation im Gouvernement KurSk. Da waren es wichtige und brennende Kragen der inneren Politik, die ihn veran laßten, -aS Wort zu ergreifen und seine Stellung kund zu geben. Hier nun haben wir es mit dem Streit um die Mandschurei zu tun, der sich allmählich immer weiter entwickelt und bereits einen bedenklichen Charakter an genommen hat. Die Ariedenswvrte des Kaisers von Rußland werden deshalb nicht verfehlen, das Vertrauen in die Zukunft neu zu beleben und die Hoffnung auf Er haltung der Ruhe im Oriente zu stärken. In London be- müht man sich zwar, die Ansprache des Zaren als eine leere Form htnzustellen, welche unmöglich die Gestaltung der Dinge beeinflussen könne, aber England hat in dieser wichtigen Krage von Anfang an eine zweideutige Nolle gespielt. Es hat im Geheimen für den Krieg gearbeitet, allerdings ohne greifbaren Erfolg. Rußland und Japan stehen einander drohend gegenüber, Loch ist der Ausbruch derFeindseligkeiten nicht erfolgt und er wird voraussichtlich noch längere Zett auf sich warten lasten. Den Aeuße- rungen der Londoner Blätter ist daher in diesem Kalle gar kein Wert beizulegcn. Die Rede des Zaren ist um so bedeutsamer, als sie nicht der Ausdruck persönlicher Empfindung, sondern ein Akt der russischen Regierung ist, der mit -er Zustimmung und nach erfolgter Be- ratung mit den Ministern vorgenommen wurde. Es sollte der Welt in nachdrücklicher Weise oorgeführt werden, daß Rußland durchaus -en Frieden will und daß der Herrscher, soweit er es kann, den Zusammenstoß mit Japan vermeiden wird. Dieser Zweck ist trotz der Lon doner Erörterungen im allgemeinen erreicht worden. Der Kaiser NiVolauS hat sich übrigens nicht mit der bestimmten Friedenserklärung begnügt, sondern er machte ein wichtiges, weitreichendes Zuge st and- niS den Bereinigten Staaten und da mit indirekt allen in Ostasien beteiligten Ländern. Der amerikanisch - chinesische Handels vertrag stößt bei ihm nicht auf Widerpruch und die Rechte der Union in der Mandschurei werden nicht beeinträchtigt werden. Das hat auch Bezug auf das ge samte Europa. Die Zusicherung des Herrschers ist um so auffallender, als Sic Vereinbarung Amerikas und Chinas in Petersburg ansang« starkes Unbehagen verursachte. Die Presse sprach sich abfällig aus und knüpfte daran heftige Drohungen an China, das die „Rechte Ruß lands verletzt" und über ein Gebiet verfügt hab«, das ihm nicht allein gehöre. Man forderte die Negierung auf, dem Handelsvertrag« die Anerkennung zu versagen und nötigenfalls die Mandschurei zu annektieren. Dann sei die Sache klargelcgt und Rußlands Stellung im Osten Asiens gesichert. In dieser Weise erging sich die Presse noch vor kurzem und bewies dadurch, daß einflußreiche Kreise die alleinige Ausbeutung der Mandschurei durch Rußland als feststehendes Recht betrachten. Aber die Negierung hat sich anders entschieden und durch Len Mund des Herrschers selbst ist der Welt die Anerkennung des Grundsatzes der offenen Tür in der Mandschurei verkündet worden. Wir haben schon erwähnt, baß, wenn die Amerikaner das Recht haben, dem Handelsbetriebe in der Mandschurei nachzugehen, solches auch den anderen Staaten nicht verwehrt werden kann. Frankreich, Tug- land, Deutschland undJtalten und alle, die sonst Interessen in Ostasien besitzt, werben gleiche Rechte wie Amerika beanspruchen, und man wird sie ihnen nicht versagen tönne». Es ist die Frag«, ob die Rusten die Mono, ooüsierun- überhaupt wollen und ob sie sich im Stand« fü-K», -i« »«ich«» Naturschätze -er Mandschuret «uO eigener Kraft auSzubeuten. Alles, was bisher in dieser Richtung begonnen wurde, hat gezeigt, daß das Zaren reich der „Fremden" nicht entraten kann, daß nament- lich das ausländische Kapital unter allen Umstünden sür wirtschaftliche Unternehmungen unentbehrlich ist. Diese Verhältnisse sind der Negierung genau bekannt, und es wäre deshalb außerordentlich kurzsichtig, wenn man plötzlich die Mandschurei zollpolitisch mit dem Reiche ver einigen und jeden Fremden von dort ausschließen wollte. Man wird in Europa über die klare Stellungnahme des Kaisers von Rußland zur wirtschaftlichen Seite der mandschurischen Frage Genugtuung empfinden. Ruß land hat allerdings im vorigen Jahre, als die Ver einigten Staaten gegen die neuen von China gestellten Forderungen Protest erhoben, eine ähnliche Zusicherung gegeben. Aber sic war nicht so bestimmt und war vor allem nicht von der Autorität des Zaren getragen. Jetzt ist eine Aendcrung dieses bedeutsamen Zugeständnisses ganz undenkbar, die freie Konkurrenz aller Staaten kann nicht mehr gehindert werden. Gegenüber dieser Errungenschaft ist es im Grunde gleichgültig, was die Rusten zu ihrem Schritt« bewogen hat. Die Abneigung gegen den Krieg, der wegen der auf geregten öffentlichen Meinung Japans gegenwärtig allerdings näher gerückt war, ist erklärlich, wenn man bedenkt, was alles auf dem Spiele steht. Rußland hat jetzt durch die feierliche Kundgebung und sein Zu geständnis auf wirtschaftlichem Gebiete deutlickres Ent gegenkommen offenbart. Es hat dadurch Amerika ent waffnet und sich neue Sympathien in Europa erworben. Nun ist es an Japan, auch seinerseits zu zeigen, daß es den Frieden ernstlich will. Vermutlich wird das bald geschehen. Auf diese Weise dürste die Kundgebung des Kaisers von Rußland zur Beruhigung der Gemüter wesentlich beitragen. Und je länger der Ausbruch ver zögert wird, Leito größer werden hie Aussichten zur Friedenserhaltung und zur gleichmäßigen Entwickelung der Dinge in Ostasien. Deutsches Reich. * Leipzig, 19. Januar. * Kaplan Dasbach und Prof. Felix Dahn. Der Abg. Dasbach hat Professor Felix Dahn in Breslau auf gefordert, einer der drei protestantischen Schieds richter in seinem Streite mit Gras Hoens- broech zu werden über die Frage, ob Jesuiten ge lehrt haben, daß der Zweck die Mittel heilige. Professor Dahn hatabgelehnt in einem Schreiben, das er der „Tgl. Rdsch." sum Abdruck zur Verfügung stellt und in seinem wesentlichen Teile lautet: Geehrter Herr! Besten Dank für da« ehrende Vertrauen, das Ihre Aufforderung mir bekundet. Leider kann ich ihr wegen Mangels an Zeit nicht entsprechen; vor Vollendung meiireS Werke« über das germanische Königtum kann ich neuer Arbeit Last nicht auf mich nehmen. — klebrigen« ist meine Enthaltung günstig für Sie; denn ich müßte mich gegenSie aussprechen. Zwar hab' ich die Jesuiten!tteratur in bezug auf jenen Lehrsatz in ad<tr»cto nie durchstudiert — und müßte das also jetzt tun—: Wohl aber hab' ich schon vor 47 Jahren, im Jahre 1857, als ich in München zuerst meine Vorlesung über Geschichte der Rechts philosophie ausarbeitete und seither stets die Literatur ver folgend, eine einzelne bestimmte Anwendung des Prinzips erschöpfend verfolgt: nämlich die Frage, ob Jesuiten (natürlich nicht alle, aber hervorragende!) die Ermordung ketzerischer, die Kirche verfolgender Herrscher als erlaubt ge lehrt haben. Diese Frage ist zweifellos zu be jahen. Und das ist doch gewiß eine Anwendung jenes Prin zip«: der Zweck, die Äirckie, den rechten Glauben gegen ketzerisch Tyrannei zu schützen, heiligt das Mittel des Mordes. ES hieße, Ihre Gelehrsamkeit zu gering schätzen, wollte man bezweifeln, daß Sie das wissen. Also nicht, um Sic Neues zu lehren, nur um Tie an Bekannte« zu gcinahnen, führe ich einige Beispiele an, dir sich leicht mehren ließen. Fernando Vasquez, Jesuit, gestorben A. 156»), lehrt in seinen controverzioc: Ver letzt der Fürst die lex neturrli, (oder die I«x ckivinr), so darf jedermann ihn unbedingt töten, nicht nur die Ge samtheit. Nämlich schon viel früher war in der Scholastik die Frage de« Tyrannenmordes erörtert worden, aber nur schul mäßig, wie schon in der Antike, al« Gegenstand rhetorischer Uebung, ohne jede bösartige, gefährliche Spitze für das Leben. Praktisch wird die Sache erst bei den Jesuiten in der Siedhitze der religiös-politischen Leidenschaften des 13. und 17. Jahr hundert« (Bartholomäusnacht A. 1578). Zu den geistvollsten und gefährlichsten Lehrern solcher Grundsätze zählt der Jesuit Robert Bellarmin (A. 1642—1621), besten Buch: ve mem- kri« eeclesise militenti» sogar auf den Index gesetzt wurde. Er sagt: „Verlangt es das Heil der Kirche und die Abwehr der mißbrauchten lex temporxli«, so ist quslibet r»tione »gencium in jeder beliebigen Weise zu handeln.- Und di« Schrift des bös artigen Jesuiten Lominiku« d« Soto (A. 1543—1817): „cke- kt-nrio kickei contra errorir »n^licanjcae rectivnis" wurde zu Pari« von Henkershand verbrannt, weil sie lehrte: Jeder darf einen ketzerischen König ermorden, einen Tyrannu«, der die Rechte der Kirche verletzt. Diese Beispiele genügen, denk' ich, zu zeigen, daß der Schutz der Kirche, de« reinen Glauben«, den Königümord „heiligt*, d. h. rechtfertigt. Daß dies« Lehren zahlreiche blutige Ergebnisse gezogen haben, ist Ihnen bekannt. Uebrigen«: ist det Orden so ungefährlich, worum hat ein Papst j ihn aufgehoben? Leider nicht „ex cxtbeärxl* Hochachtungsvoll Professor Felix Dahn. I Br « »lau, am Lag« -ck» h»ilig«n Felix von »ola Itzos. * Die bayerische Armee und das Moltke-Denkmal. Als vor längerer Zeit unter den Offizieren der preußischen Armee die Beiträge sür das in 'Berlin zu errichtende Mottkc-Dcnkmal in einer Weise gesammelt wurden, die die „Freiwilligkeit" der Beiträge recht fragwürdig er scheinen lieh, gab fast die gesamte Presse ohne Unterschied der Parteistellung ihrem Mihmute, Mittel sür Denkmäler in Lieser Weise zusammen zu bringen, Ausdruck. Leider hat diese Kundgebung der öffentlichen Meinung nicht das mindeste genützt, denn jetzt wird in der bayerischen A r m c e in derselben Weise für das Moltke-Denkmal ge sammelt. In dem von den bayerischen Kriegsministcr unterzeichneten Erlasse heißt es u. a.: „Es sind daher die Offiziere und die Sanitätsoffiziere des aktiven Standes, der Reserve und der Landwehr . . . . zu B e i t r ä g c n au fz u f o rde r n". An anderer Stelle wird gesagt: „Ueber die Art derEinziehungderBeiträge. . . wird Mitteilung noch erfolgen." Ja, ähnlich wie in Preußen, werden die Offiziere nicht nur zu den Beiträgen ,^ufgesordert", sondern cs wird ihnen zugleich gesagt, wie weit sic ihren Beutel aufzumachcn haben. Demgegenüber besagt es gar nichts, wenn der Erlaß die Bemerkung ent hält: „Tic Beiträge können nur freiwillige sein." — Tenn wenn ein Offizier, der viel abhängiger ist, als jeder Civilbeamte, ausgefordert wird, und wenn er Mitteilungen über die Höhe des von ihm erwarteten Beitrages und über die Art der Einziehung erhält, so m u ß er zahlen, er mag wollen oder nicht. War nun diese Art der Einsammlung schon in Preußen unerfreulich, so ist sic es in Bayern doppelt. Tas führende bayerische Zcntrumsorgan bringt den Erlaß unter der bezeichnenden Ueberschrift „Wie s gemacht wird". Eines weiteren Kommentars enthält cs sich vorläufig, aber es wird sich einen solchen nickst entgehen lassen, und andere bayerische partikularistische Blätter werden es ihm wohl noch zuvvrtun. Der bayerische Kriegs minister hat gewiß recht, wenn er in seinem Ertaste sagt, daß Moltkcs Feldherrnkunst auch den bayerischen Waffen zum unvergänglichen Ruhme ver halfen habe. Gewiß, und deshalb war urro ist gerade die Erinnerung an Moltke ein starkes Bindeglied zwischen Nord und Süd. Gerade darum aber dürfte man mit Namen nicht eine Handlung verknüpfen, die be- reckuigre Mißstimmung erregen muß und die deshalb den bayerischen Partikularisten und den Gegnern der engen militärischen Beziehungen zwischen Bayern und Preußen Wasser auf die Mühle liefert. * Der „Standpunkt -cs Rechts". Der welfische Kandidat für Osnabrück hat es bis zum Tage der Wahl vermieden, seine welfische Gesinnung zu bekennen. Er hat aber zwei Tage vor der Wahl eine Erklärung ab gegeben, die nach dem Worte des Herrn Sabor „tief blicken läßt". Er betonte nämlich, er stünde auf dem Standpunkte, daß das Recht die oberste Richt schnur unseres Lebens und Handelns sein müßte. Wenn ein Kandidat in Berlin oder Königsberg diesen Satz ausspricht, so würde er bedeutungslos sein, denn an sich wird natürlich jeder Kandidat jeder Partei erklären, auf dem Rcchtsstanüpunkte zu stehen. Wenn aber ein Kandidat in der Provinz Hannover diese Er- klärung äbgibt und wenn man sich erinnert, wie die Welfen Tag für Tag mit dem Ausdrucke „Standpunkt deS Rechts" krebsen, dann wird jeder, der Ohren hat zu hören, und der hören will, misten, was der betreffende Kandidat damit sagen will. Die Bündler im Wahlkreise Osnabrück haben es freilich vorzüglich verstanden, sich die Ohren zuzuhalten. * Ter Kaiser begab sich gestern nachmittag zu Herrn JameS Simon (Berlin, Dhiergartenstraße), um besten Sammlungen zu besichtigen. Abends um 8 Ubr nahm der Kaiser an einem Familiendiner beim Prinzen Albrecht teil. — Heute morgen unternahm der Kaiser den gewohnten Spaziergang im Tiergarten, machte einen Besuch beim Reichskanzler Grafen v. Bülow und hörte im königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts und deS CyefS de« Admiralstabes der Marine. Schwerin i. M, 10. Januar. (Telegramm.) Der Großherzog ist hier heute Mittag von Cannes wieder eingetroffen. Er wurde am Bahubofe von der verwitweten Großherzogin Marie, dem Herzoge Johann Albrecht, den Spitzen der Behörden und dem Hofstaate empfangen. In den Straßen batte sich eine zahlreiche Menschenmenge an gesammelt, die dem Großherzogc auf der Fahrt nacy dem Schlosse lebhafte Huldigungen darbrachte. Die Stadt ist festlich geschmückt. * Au» -er Ostmark. Ueber da» Verhalten der Polen zu den Gchützengilden wird aus Posen geschrieben: Durch die polnisch« Presse wird jetzt bestätigt, daß alle Schüyengilden der Provinz Posen nach und nach in polnische Vereine umgestaltet werden sollen, und daß dort, wo die Polen e« verstanden haben, sich «Ine polnische Mehrheit zu verschaffen, nur so viel Deutsche ausgenommen werden, daß die polnische Mehrheit erhalten bleibt. Au« der Tatsache, daß selbst in dem überwiegend deutschen Krotoschin die Schiiyengild» mehr Polen als Deutsche zählt, kann man auf den Eifer der ersteren schließen, die Schützengildrn und deren oft nicht unerhebliche- Vermögen in den Dienst der polnischen Sach« zu stellen. * Darmstadt, 18. Januar. Da« Organn der hessischen Kriegerverrine, „Der hessische Kamerad-, hatte in seiner letzten Nummer mitgeteilt, daß von der Staatsanwaltschaft in Mainz dir öffentliche Anklage gegen die sozialdemo kratische „Mainzer Volkszeitung" erhoben sei wegen der in diesem Blatte seiner Zeit erfolgten Veröffent lichung der hinterlassenen Briefe deS Generals Kreisch- man, in denen dieser von angeblichen Plünderungen ge sprochen, die hessische Truppen im Kriege 1870/71 in Frankreich verübt haben sollten. Die „M. BolkSztg." bat auf Erkundigungen an zuständiger Stelle erfakren, die Staatsanwaltschaft werde tatsächlich aller Voraussicht nach im „öffentlichen Jntereste* Anklage erbeben. Beantragt sei die Einleitung de« Strafverfahrens vom Oberstleutnant a. D. Baffe und dem Major a D. Mickel, jetzt GesängniSdirektor in Metz. Da« Blatt möchte nunmehr beweisen, daß iene Briefe de« General« Kretschman der Wahrheit entsprechen, und ersucht alle diejenigen, di« ihm Angaben über di« Bor- gänae mach«« können, die sich vom 13 bi« lsi. November 1870 in und um Gen« ereignet«», sich schriftlich »der münd lich mit der Redaktion in Lerbisduog zu setzen. IV. Heilbronn, 18. Januar. Al- Bewerber um die erledigte Stelle des hiesigen Stadlvorstandes werden Lberbllrgermeiuer Mül berg er von Eßlingen und di« beiden Stuttgarter Stadt sekretäre ttr. Mattes und vr Göbel genannt. IV. Stuttgart, 18. Januar. Zu der Streitfrage in betreff der Beschlagnahme des „Simplizissimus" äußert sich nun auch die württembergische Regierung, die im heutigen „StaatSauzeiger" eine Darlegung, die inhaltlich mit den in der bayerischen Kammer der Abgeordneten vom Miuistertische aus abgegebenen Auseinandersetzungen genau übereiustimmt. Im besonderen wird gesagt: Zu einem eigenen Einschreiten wär« die Stadtdirektion gar nicht in der Lage gewesen, da wegen eines Vergehens gegen 8 166 des Stt.-G. Bs. die polizeiliche Beschlagnahme einer Druckschrift nach 8 23 des Preßgesetzes überhaupt nicht zulässig ist. Wenn aber die Stadtdireklion, nachdem sie von ihrem Standpunkte aus Grund zu einem polizeilichen Einschreiten nicht gefunden halte, das ibr zuge. kvlnmene Exeurplar des „Simplizissimus" der kgl. Polizeidirekrion München ohne Begleitschreiben genau in der gleichen Weise über- sandk Hal, wie sie es fest geraumer Zeit mit jener Nummer dieser in Stuttgart nicht redigierten und verlegten, sondern nur gedruckten und zur Versendung gelangenden Zeitschrift ohne Rücksicht aus ibreu Inhalt getan hat, so geschah dies auf Grund eines eia für allemal gestellten Ersuchens der kgl. Polizeidirellion München. * München, 18. Januar. Der Antrag deS Grafen Moy in der Kammer der Reichsräte, die Geistlichen im Jntereste des religiösen und politischen Friedens von der Wählbarkeit in den Landtag auszuschließrn oder sie zu beschränken, Hal einen Sturm der Entrüstung in der kleri taten Presse entfacht, die ibn als eine Beleidigung der Geistlichen behandelt und mit der Negierung der Existenz berechtigung der Kammer der Neichsräle durch die kochende Volksseele droht. Da Graf Moy eine Rolle bei Hofe spielt, die Moys stets in einflußreicher Stellung bei Hofe waren und sind — der jetzige Antragsteller ist jener Graf Moy, der vor 1'/« Jahren dem Regenten die vom Zentrum für Kunslzwecke verweigerten lOOOOO auS Eigenem zur Verfügung stellte — fragt die Zentrums presse in erster Linie, wer hinter dem Grasen siebe. Volle Aufklärung hierüber bezeichnet sie als das Wichtigste in der Sache. Daß autoritative Stellen hinter dem Grafen stehen, ist wohl nicht anzunchmen, aber in der Kritik, die in dem Antrag liegt, wird Graf Moy in seinen Gesell schaftskreisen Gesinnungsgenossen haben. In der liberalen Presse hat man sichtlich Freude über den Antrag, zählt die auswärtigen Staaten auf, in denen die Geistlichen in der Wählbarkeit beschränkt sind, hat aber Bedenken gegen die Verwirklichung des Antrags und erhofft von der nachdrück lichen Darlegung der bestehenden Mißstände in der Kammer der Reichüräte eine Besserung. Das Letztere ist eine sehr oplimistilche Hoffnung. Daß der Antrag in beiden Kammern abgelehnt wird, ist selbstverständlich. In der Abgeordneten kammer sitzen übrigens 17 katholische und ein protestautischer Geistlicher. Oesterreich- Ungarn. Eine neue Hofastärc. 'Wien, 19. Januar. (Telegramm.) Nach Meldungen mehrerer Wiener Blätter macht ,n Hofkreisen der HerzenS- roman eine« Errherzogs viel von fick reden. ES bandelt sich um den jüngsten Bruder des Tdronfolgers, den gegen wärtig in Prag stationierten Erzherzog Ferdinand Karl, der dort vor kurzem die 23jährige Tochter eine« Wiener Hochschulprofessors kennen gelernt hat und sie zu ehelichen beabsichtigt. Seit einigen Tagen werden sowohl seitens der Angehörigen der jungen Dame, als auch seitens des Hofes alle Anstrengungen gemacht, den im 36. Lebensjahre stehenden Erzherzog, der ein sehr tüchtiger und strebsamer Offizier ist, von seinem Vorhaben abzubringen Sollte dies nicht gelingen, so wird angenommen, daß ber Erzherzog, gleich seinem Vetter Leopold Wölfling, auf seine Titel und Würden verzichten und den Titel eines BaronS mit dem Namen einer seiner tiroler Besitzungen an nehmen würde. (Voss. Ztg.) Rationale Kriegführung i» Mähre«. Die seit dem Vorjahre in ihrer Majorität tschechische Gemeindevertretung von M ä h r is ch - W e i ß k i r ch e n ist eifrig an der Arbeit, jede Spur des früheren deutschen Charakters dieser Stadt zu verwischen. Rach einer Mel dung der „Deutschen Rundschau" in Mährisch-Weiß- kirchen hat der dortige Gemeindeausjchuß in seiner letzten Sitzung beschlossen, alle bisher den deutschen Wohltätigkeit-» und Unter st liyungSvereinen gewährten Unter stützungen zu st reichen und sie in doppelter Höhe tschechischen Vereinen z u z u w c n d e n. Dafür hat in dem benachbarten Leipnik, das auch schon sehr stark bedroht ist und wo sich die deutsche Majorität des Ge- meindeausschusses nur mit Mühe noch der Obstruktion der tschechischen Minorität erwehrt, der Ausschuß die den Tschechen bisher gewährte Subvention von 3000 Kronen für die Landesvberrealschule gestrichen und eine Parallel klasse an der tschechischen Volksschule abgelehnt. Ter nationale Kampf Hal gerade in Mähren Formen an genommen, die La« Zusammenleben der feindlichen Volksstämme saft unerträglich machen, kkcbrigens wäre es durchaus unrichtig, anzunehmen, -aß die Deutschen in diesem Kampfe überall im Nachteil seien. Gerade tn Mähren ist ihre Stellung eine weit gesichertere als in Böhmen, und es gibt Gebiete, in denen sie entschieden im Vordringen sind. So klagte erst neuerdings das führende Tschechenbiatt Mährens, der Olmüver „Pozor", über die Germanisier«»«, die durch die Großindustriellen von Brünn bis hinauf nach Zwittau und daridbcr hinau» betrieben werde: Tansende von tschechischen Kindern würden durch die Geldmittel der Deutschen und durch die Furcht der Eltern, ihren Erwerb zu verlieren, in deutsche Schulen getrieben, die itberall wir Pilze auS dem Boden schössen. Ist da» selbstverständlich arg übertrieben, ko zeigt e» -vch wenigsten» so viel, daß da» Deutschtum in Mähr«« keineswegs am Boßen liegt, sondern vielmehr Gegenstand der Furcht uvch Besorgnis seiner Gegner ist. Eben daher die nmßkof« Erbitterung, mit -er -te Tscheche» kämpfe-.
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