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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040121018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-21
- Monat1904-01
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Xet la men unter deuc Rebaltwussuich (4 gespalten) 7Ü ^L, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) bO ^L. Tabellarischer und Zifsernsag entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Össerttuaunahm» ljö Extra-Vetlage« (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gab«, odn« Postbeförderuag 60.—, mit Püstbesördrrullg .A 70.—. Annahmefchkutz sie Anzeigen: Abend-Autgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E- Polz in Leipzig (l-r. Victor Kltnkhardt » So.). Nr. 38. Donnerstag den 21. Januar 1904. 98. Jahrgang. Bart (so sagte er in seiner drastischen Weise) kann ich so gut malen, wie ein anderer. Aber einen Christus zu malen, dazu muß man ein anderer Mensch sein als ich." Beide besitzen jenen köstlichen Zug herzlicher Traulichkeit und Gemütlichkeit, der eS uns in ihrer Kunst warm macht, wie in einem lieben Hause; und wie „Gemütlichkeit" ein deutsches Wort und eine deutsche Empfindung ist, so sind beide bis ins Mark hinein deutsch. Und Loch ist ihr Wesen und Schaffen in Wurzel und Stamm, in Blüte und Frucht von ganz verschiedener Art. Richter war eine kleinbürgerliche Natur. Klein bürgerlich war sein Leben, darin nur einmal, bei seiner Reise nach Italien, sich ein Ausblick in die große Ferne der Welt öffnete; kleinbürgerlich war auch sein Schaffen, dessen Gegenstand die Familie, das HauS und der Hof bildete. Gegen ihn war Schwind ein weitgereister Mann; er ist nicht nur in Italien gewesen, er hat auch London gesehen, er entstammte der Groß- und Kaiserstadt Wien; er wirkte in München, in Karlsruhe, in Frankfurt, in Thüringen, und sein Gedächtnis war reich gesättigt mit den Bildern des deutschen AlpenlandeS. Und so war er auch geistig eine größere Persönlichkeit. Seine Phantasie war beweglicher, mannigfaltiger; sie umspannte einen viel weiteren Kreis, sic wagte sich in die hohen Hallen der Ge schichte, tauchte in das heimliche Dämmer deutscher Märchenplmntasiik, erfüllte sich mit dem Zauber deutscher Musik und glänzte in allen Regenbogenfarben des Humors. In der Natur hatte Richter vor allem liebe vollen Sinn für das unerschöpfliche Kleinlcben — Schwind erfaßte ihre Erscheinung, ihren Charakter, ihre Stiannung in großem Sinne und verstand e», ihre Poesie kraftvoll zu verdichten. Dafür war Richter seiner sicherer als Schwind; er kannte ganz bejcheidentlich seine Grenzen und ging nicht üoer sie hinaus, wählend Schwind bei dem Versuche, Bilder monumentalen Stils zu malen, sich manchnral ganz tüchtig verhauen hat. Denn beide waren nur in bestimmten Grenzen groß— dies auch in räumlichem Sinne genommen. Richter ist allgemach im Kleinen aufgegangen, ja man kann fast sagen: er hat sich zuletzt darin verloren. Aber auch Schwind hat sein Bestes immer in bescheidenen Formate» geliefert. Kleine Bilder vermochte er mit einem großen Geiste zu erfüllen; versuchte er sich aber an großen Bildern monumentalen Stils, dann ward er an sich irr«, dann forcierte er sich und geriet zuweilen au die Grenze der Ausdruckolosigkeit. Beide gehörten eben einem Deutschland an, das selbst nichts weniger als monumen- taleu Stils, sondern ein Konglomerat aus so und so vielen Staaten und Stätchen war.^ Hält man beide zu sammen, so hat man den getreuen Spiegel der Interessen der Deutschen in jenen Tagen. Cs gab kaum ein poli tische», ein soziales, es gab nur ein enge» wirtschaft- liche» Leben; aber geistig und gemütlich hatte es reichen Inhalt. Das Gem-ütsleben im Kreise der Familie hat unS Richter ausbewahrt; da» geistige Leben der Nation, ihr Interesse für Vergangenheit und Sage, für Dichtung und Musik, erkennen wir an Schwind. Darf ich von meinen persönlichen Srfahrunaen reden, so hält bei längerem Umgänge Schwind doch länger Stich al» Richter. Richters liebe Seele liegt sehr bald bi» in die letzte Falte hell vor uns: er »ietet keine lieber- raschungen; der enge Sret», tu dem er sich bewegt, wirkt doch allmählich ermüdend, und ich mutz zuweilen bei ihm an jenes köstliche Kindermädchen in Dickens „6riel<et oo tbs Ilvarth" denken, das nur in Diminutiven spricht: „Kindchen Zuckerchen ins Mündchen nehmclchen!" Ta muß man sagen, daß Schwind als der Reichere erscheint. Man trifft bei ihm in der Tat immer wieder auf Ueöer- raschungen, auf eine Tiefe des Naturempfindcns, eine Poesie der Empfindung, eine Feinheit des Geschmackes, die entzücken. Und mitten zwischen seinen Werken finden sich Arbeiten, wie der „Sonntagsmvrgen" oder die „Die Schifferin", die auch koloristisch ausgezeichnet sind. So ist auch seine Persönlichkeit die energischere, beweglichere und elementarere; und sie wird ganz besonders anziehend durch den urdeutschen kernigen Humor, der sie kenn zeichnet. Er hatte die seltene Fähigkeit, stch über sich selbst zu stellen. Er stand vor seinen Tafeln voll zartester Poesie und murrte: „Was tue ich mit der Pietschen, wenn sie mir niemand abkauftk" Und dabei mar er ein Mann, der um des Mammons willen auch nicht um Haaresbreite von dem Wege der Kunst abwich; „so alt ich bin", schrieb er einmal, „kann ich die Säuret nicht gewöhnen, Kunst- fachen als Gegenstand deS Mäkelns und Schachern» be handelt zu sehen." . , Die bedeutenden Momente seines L^benS sind mit wenigen Worten zu kennzeichnen. Da» bedeutendste war «s vielleicht, daß er während feiner Jugend tn Wien erst als Schüler und Student, dann, als er sich endgültig für die Malerei entschieden batte, al» angehender Künstler in die Gesellschaft ungewöhn lich bedeutender Menschen kam. Lenau und Bauern feld waren seine Schulkameraden, Schnorr von Carol»« Var Wichtigste vom läge. * Der Reichstag hat die Nachtragsforde rungen, betreffend Deutsch - Südwestafrika, definitiv angenommen. * In der Budgetkommisfion des Reichs tages ließ die Negierung die Erklärung abgeben, sie sei nichtin der Lage, einen Ausgleich in derBe 1 eili - gung der Cezessionisten und der übrigen Künstler an der Ausstellung in St. Louis hcr- beizustihren. * Bet der Berliner Eisenbahn-Brigade haben sichviermalmehr Leute, als gebraucht wurden, freiwillig nach Deutsch-Südwestafrika ge meldet. Ebenso haben sich von dem württembergi- schen Armeekorps mehrere Unteroffiziere und 70 Mann als Freiwillige gemeldet. * Nach Washingtoner Meldungen lautet die rus sische Antwor^t an Japan versöhnlich; Rußland verzichte auf die Schaffung einer neutralen Zone in Korea. Vie Interpellationen. <D Die Hochflut der Interpellationen hat sich ver laufen, bevor sie erheblichen Schaden angertchtct. Mit dem theatralischen Aufwande von Donner und Blitz, der nun einmal zu den unvermeidlichen Requisiten einer sozialdemokratischen ,Haupt- und Staatsaktion" gehört, ist am Dienstag die letzte Interpellation, die das angeb. liche russische „ S p i y e l w es e n " in Deutschland behandelt, vor einer ungemein dankbaren Zuhörerschar erörtert worden, die auf den Tribünen oben mit sichtlich intensiver Teilnahme den leidenschaftlichen Anklagen Bebels folgte, als er im Dienste der russischen Anarchisten und Nihilisten sich buchstäblich heiser schrie. Freilich, schon das Aeutzere eines groben Teiles dieser andächtigen Hörerschaft bekundete, daß dieser Teil jenem Milieu nicht allzu ferne steht, aus dem ein Dostojewski und ein Gorki ihre düsteren Typen gel-oct, und unwillkürlich mußte es den deutschen Zuschauer seltsam anmuten, an diesen ärmlich gekleideten, zum Teil uniformierten Sarmaten die aufgeregte Freude zu beobachten, im deutschen Reichstage einen so leidensckmftlichcn An walt ihrer Interessen zu finden. Natürlich, Interpellationen sind ei» dankbarerer Stoff, Reden zum Fenster hinaus zu halten, als Initiativ antrag«, die mit kühler Gelassenheit in den unergründ lichen Archiven des Bundesrates begraben werden können, wenn die verbündeten Regierungen cs nicht vor ziehen, st« ganz und gar zu ignorieren. Bei Inter pellationen muß ein Vertreter des Kanzlers anwesend sein, er muß selbst peinliche Fragen kunstgerecht beant worten, denn — anders als bei Initiativanträgen — die Ablehnung einer Interpellation gehört zu den seltenen Ausnahmen. Und es ist klar, daß die Rede des Regierungs vertreters reichlichen Anlaß gibt, den Mannesmut des freigewählten Bolkstribunen in den schönsten Farben aufleuchten zu lassen — dem deutschen Volke zu Dank, dem Erwählten seines Vertrauens zur Ehr! . . . Und so geschah es, daß die neugewählten Mannen, nachdem sie ihre erste Pflicht erfüllt und des Haushalts erste Lesung vollbracht, gleich in einem halben Dutzend Inter- pellationen den heiligen Drang bekundeten, allen Nöten des Leibes und der Seele ein schleuniges Ende zu bereiten. So gering naturgemäß der absolute Wert eines solchen Jnterpellationogefechtes ist, das im besten Falle Aufklärungsdienste für etwaige Absichten der Negierung bietet, durften doch zwei Interpellationen ein größeres Feuilletsn. allgemeines Interesse beanspruchen: die konservative Interpellation über die Handelsverträge, weil sie blitz artig aufleuchtend erkennen läßt, daß die verbündeten Negierungen auf Grund der neuen Minimal- tarife Verträge abzuschließen hoffen, und die oben er wähnte Interpellation Auer und Genossen als wertvoller Beitrag zur Psychologie der Sozialdemokratie, die, es mag sich um welche Frage immer handeln, ihr Tem perament und ihre Kraft in den Dienst des Auslandes stellt. Es ist ja klar, daß die konservativ-agrarische Neu gier, die sich mit so unangenehmer Zärtlichkeit um die Kündigung der Handelsverträge bekümmert, ein tak tisches Manöver ist, das den agrarischen Heersäulen aus dem Lande die Gewißheit geben soll, wie unverdrossen und unermüdlich ihre Feldherren und Offiziere auf der Wacht stehen. Aber man würde fehl gehen, wenn man sie nur als das ansühe, nur als einen Vorstoß, darauf berechnet, dem Kanzler und seinem Spiritus reotor in Kragen der Handelsverträge, dem vielgcwandten Grafen Posadowsky, Schwierigkeiten zu bereiten. Gerade ein Vertreter der r.ationallibera en Partei, Herr Paasche, der die verantwortungsreiche Würde deS Vizepräsidenten bekleidet, war ein klassischer Zeuge dafür, daß die Interpellation — ob gewollt oder nicht — auch den Effekt hatte, dem Sturme der allzu sreihändlerischcn Linken ein Paroli zu bieten und die magnetische Kraft ihrer politischen Haltung dem Auslände gegenüber auf das gebotene Matz zu reduzieren. Und im Munde eines Staatsmannes vom Range des Grafen Posadowsky' kann es nicht bloß leerer Schall sein, wenn er sagt, daß wir an gewissen elementaren Forderungen festhalten und festhaltcn werben und bei Erfüllung dieser For derungen neue Verträge abschließen können; seine ganze bisherige Haltung, der mau gewiß nicht den Vorwurf der Inkonsequenz oder gar der Unlauterkeit machen kann, sein harter und zäher Kampf um den Zolltarif er gänzt diese „elementaren Forderungen" sinngemäß aus der Grundlage jenes Instrumentes, bas die schutz- zvllnerische Mehrheit des vorigen Winters ihm in die Hand gegeven. Daß Graf Pa-adowsky nicht aus der Schule plaudert, baß er zur Vollendung seines Werkes, Zeit braucht, daß Kompromisse notwendig sind — das afles berührt die verheißenen „elementaren For derungen" nicht im geringsten. Und es ist schließlich nur die notwendige Vorsicht des klugen Geschäftsmannes, wenn er dem Kündigungsdrängen der Rechten die feste Absicht entgegensetzt, die alten Handelsverträge in die neue« hinüberzulciten. Dieser Weg dürste schon deshalb empfehlenswert sein, weil ja die Verhandlungen nicht gleichzeitig abgeschlossen sein werden, sondern je nach Zähigkeit mit dem einen oder dem anderen Staate sich noch erheblich in die Länge ziehen können, von inner politischen Schwierigkeiten wie bei Oesterreich-Ungarn ganz abgesehen. Aus all diesen Erwägungen heraus wird man, wenn man nicht gerade extremer Agrarier oder himmelstnrmender Freihändler ist, von dem Er gebnisse der konservativen Interpellation nicht un befriedigt sein können. Ein possierlich Schauspiel bot Herr Bebel in der Rolle des Mcntvrs deutscher Ehre. Er fühlt sich in seiner Würde als deutscher Staatsbürger, als Träger deutscher Kultur und Civiltation tief gekränkt, weil die deutsche Staatsgewalt ein paar verdächtige Individuen, russische Untertanen, an Rußland auSgclicserl, weil sie es zulaßt, daß ein russischer Beamter tu Berlin russische Anarchisten und Propagandisten überwacht, und mit dem dröhnenden Pathos, der diesem seltsamen Pächter unserer nationalen Würde eigen, rief, nein, schrie er es hinaus in alle Winde, wie wir Polizeidcutschen eine Schande und eine Schmach der Kultur sind — der Kultur natürlich, die Herr Bebel versieht. WaS uns überrascht hat, tvar nicht die zum Ucberdruß gewohnt« maßlose Nebertreibung des sozia listischen roi soloil, als vielmehr die, wenn auch bedingte Zustimmung eine- Zentrumsführers und des Freisinn-, der das Atylrccht, den Anspruch auf den Schutz deS Reiches, auch hergelaufenen Anarchisten zn gewähren ge willt ist. Sind denn die Cm'erio, Obcrdauk, Navachol, Safsulitsch und wie die Melden" des Dolches und des Dynamits alle heißen, so schnell schon vergessen? Ist jede Spur der Bewegung verwischt, die nach der ruch losen Ermordung der Kaiserin Elisabeth und des Königs Humbert die ganze Welt dnrchzitterte und zum Zu sammenschluß, zu einer internationalen Vereinbarung gegen die Anarchisten drängte? Was hat der cwilisierte deutsche Staat für Veranlassung, in übel angebrachter Humanitätsduselci zum Unterschlupf fremden nihilistischen und revolutionären Gesindels zu werden? Die Hoheit des Staates soll dem Bürger des Staates zugutekommen,, nicht aber demjenigen, der auf die Zerstörung des eigenen oder eines fremden Gemeinwesens hinzielt. Wir be dauern, daß vcruttnftige Leute in dieser Frage sich ins soziaüstijche Bockshorn haben jagen lassen. Deutsches Reich. * Vertin, 20. Januar. * Das Ergebnis der Ersatzwahl in Osnabrück. Die Reichstagserjatzwahl in Osnabrück hat einen für die Nativ naltiberalen unerwartet günstigen Aus gang gehabt. Wohl steht der nationalliberale Bewerber an Stimmenztfser hinter dem welfischen Kandidaten zurück, aber diese. Differenz beträgt noch nicht 1000 Stimmen, wahrend sie bei den allgemeinen Wahlen vom 10. Juni v. I. über 8500 betrug. Ueberhaupt hat der nationalliberale Bewerber so viel Stimmen erhalten, wie der Kandidat dieser Partei noch niemals bei einer Wahl in Osnabrück bekommen hat, selbst nicht bet den Seplennatswahlen vom Jahre 1887. Das Ergebnis ist um so ehrenvoller für die nationalliberale Partei, als der welsische Kandidat oiesmal von vornherein die viel günstigeren Chancen hatte. Der Bund der Landwirte, der bei den Wahlen von 1808 und 1808 eigene Bewerber ausgestellt hatte, verzichtete auf einen eigenen Kandidaten und forderte seine Anhänger aus drücklich auf, für den welfischen Bewerber, der ein „christ lich.konservatives" Mänte.chen umgenommen hatte, «in- zutreten. Ebenso agitierte das Zentrum mit dem größten Nachdruck für den welfischen Kandidaten, der sich verpflichtet hatte, der Zentrumspartei als Hospitant bei zutreten, und da die katholische Bevölkerung des Wahl kreises 47 Prozent ansmacht, so war natürlich das ge schlossene Eintreten des Zentrums für den welfischen Be werber von großer Bedeutung. Und nun vermochte diese fest geschlossene Phalanv von Welfen, Christlich-Konser vativen, Klerikalen und Bündlern kaum 1000 Stimmen mehr aufzubrinqen, als die NativnaUiberalen, die ganz auf sich angewieien waren. Die welfischen Wahlmacher im Kreise Osnabrück glaubten es offenbar sehr klug anzu stellen, als sie Herrn v. Bar, ihren Kandidaten, unrer verdeckter Flagge fahren ließen, und als sie, um die Bünbler und die konservativen Elemente des Wah.kreiscs für sich zu gewinnen, ihren Kandidaten mit besonderer Schärfe den agrarischen Standpunkt vertreten ließen. ES mag sein, daß sie bei der H a u p t w a h l relativ noch ungünstiger gegenüber Len Nattonalliberalen ab geschnitten hätten, wenn sie anders verfahren wären, für die Stichwahl aber dürste ihnen dieses Verfahren zum Unheil ausschlagen. Die Sozialdemokraten haben die Entscheidung bei der Stichwahl in der Han-, denn wenn sie auch gegenüber den letzten allgsmetnen Wahlen mehr a's IWO Stimmen verloren haben, so geben ihre ',000 Stimmen auch jetzt noch in der Stichwahl den Ausschlag. Nun haben die Sozialdemokraten bisher bet den im Wahlkreise Osnabrück regelmäßig notwendig gewordenen Stichwahlen ihre Stimmen ungefähr je zur Hälfte zwischen dem nationalliberalen und dem wel- fischen Kandidaten verteilt. Daß aber diesmal der wel- fische Bewerber sich als christlich.konservativ bezeichnet und in der agrarischen Frage einen Standpunkt betont hat, der von dem bündlerischen nur um Millimeterbreite entfernt ist, das kann die Sozialdemokraten selbstver ständlich nicht zu seinen Gunsten einnehmen. Es ist des halb sehr wahrscheinlich, daß die sozialdemokratischen Stimmen zum wett überwiegenden Teile Herrn Wam- hoff zufallen, und damit wäre der Steg des national liberalen Kandidaten al» gesichert anzuiehen. Aber auch wenn die Sozialdemokraten sür die Stichwahl die Parole der Wahlenthaltung auogeben sollten, wäre der Lieg Wamhoffs nicht ausgeschlossen, wofern die national liberale Wäh erschaft in der Stichwahl bis zum letzten Mann ihre Schuldigkeit tut. Gerade die Art und Wene, in der die vereinigten Welfen, Klerikalen und Bündler diesmal den Wahlkampf geführt haben, muß es nicht nur jedem Nationalliberalen, sondern jedem den freien und ehrlichen Kampf liebenden Manne im Wahlkreise zur Ehrenpflicht machen, dafür zu sorgen, daß der welfische Kandidat nicht in den Reichstag einzieht. * Tas Reichsamt de» Innern und die Zwangsversiche- rnng der selbständigen Handwerker. Die „Norbd. Allg. Zlg." schreibt: In einem Artikel der „Berliner Börsenzeitung" vom 16. Januar ist bei der Besprechung der im Reichstage verbandelten Interpellation betreffend Einführung der ob li gatorisch en Invalid en Versicherung für di «selb stän digen Handwerker behauptet worben, daß die auf dem dies« jäbriqen deutschen HandwerkS-undGew erbe kämm er tage in München anwesenden V er t re ter des ReichSamtS deS Innern geradezu ausdrücklich angcraten haben, sich durch aus im Sinne der Vorschläge des Referenten Parschke- BreSlau auszufprechen. Der Artikel bemerkt, daß da wohl die Voraussetzung berechtigt war, von der Reichsregierung eine ganz andere Antwort zu erhalten, als sie Gras Posadowsky in der betr. ReichStagsfitzung gab. Jene Mit teilung ist ganz unzutreffend. Bei dem betreffenden Gegenstände ergriff der Vertreter des Staatssekretärs nur einmal das Wort, um die nebensächliche Bemerkung eines Delegierten über die Verwendung der Gelder in der Ver sicherungsanstalten richtig zu stellen. Er erklärte dabe aus drücklich, daher nicht beabsichtige, zu diesem Gegenstände das Wort zu ergreifen, vielmehr nur Meinungen für und wider hören wolle. * Die Sammlungen der deutschen Kriegervereine für Sic notleidenden Kameraden in den UeberfchwcmmuugS« gebieten de» vorigen Jahre» sind nunmehr abge- s chl osse n ; sie haben im ganzen 108 834 ergeben. Hiervon sind aus den Kassen des Deutschen Kriegerbundeö und der einzelnen Landes-Kriegerverdände 85 000 ge geben worden, während 78 884 durch Sammlungen innerhalb -er einzelnen Kriegervereine auf gebracht worden sind. Besonders hervorzuheben ist, daß die Gaben in S ü d d e u t s ch l a n d nicht minder reichlich geflossen sind, als in Norddeutschland. Die nationale und die soziale Bedeutung des deutschen KrtegervereinswesenS, das zur Zeit etwa 25 000 Vereine mit 2,1 Millionen Mit glieder umfaßt, hat sich bei dieser Gelegenheit in schönstem Lichte gezeigt. * Jur Erbauung eines köntgl. Nesidenzschlosse» iu Ser LtaSt Posen ist im Etat eine erste Rate von 1 Million Mark ausgeworfen. Die Baukosten insgesamt berechnen sich auf 3 650 000 -L Hierzu trete» die Kosten der inneren Einrichtung des Schlosses mit 850 000 .4, die Kosten eines Maritallgebäudes mit 400 000 und die Kosten für die Herstellung der Garlenanlagen, Umwehrungen, Pflaste rungen usw. mit 250 OOO Die Gesamlkostensumme von L 150 000 soll der Krone, welche den Bau als Bauherr sür eigene Rechnung ausführt, als fester, nicht überschreitbarer Kostenbeitrag gewährt werden. Außerdem gibt der Staat den erforderlichen Bauplatz her und wird der Krone nach Fertigstellung des Baues für die Koste» der Unterhaltung eine jährliche, nach den sür die Unterhaltung der Staatsgebäuvc geltenden ErsahruugSsätzen zu bemessende Rente zahlen. * Beim Kaiser war zur gestrigen Krühstückstafel Ad miral Frhr. o. Lenden-Bibran geladen. Nachmittags de- ychtigte der Kaiser die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffsbau an den Schleusen im Tiergarten, ging dann zu Kuß nach dem Palais des Reichskanzlers zu einer Besprechung mit dem Grafen v. Bülow und fuhr auf dem Rückwege nach dem Kgl. Schlosse bei dem Chef des Sivil- kabinetts v. Lucanus vor. Um 7 Uhr nahm dann -er Kaiser, wie mitgeteilt, an einem Diner beim Kultus minister vr. Studt teil. — Heute machte -er Kaiser den gewohnten Spaziergang im Tiergarten, nahm bei dieser Gelegenheit verschiedene Meldungen entgegen, von denen die schon bekannt gegebene des Führers des Expedi tionskorps nach Afrika, -es Obersten Dürr, Moritz von Schwind. Zu seinem IW. Geburtstage (21. Januar). Bon Theodor Lamprecht. -ta.vkruck »crbotkn. Al» man jüngst den IW. Geburtstag Ludwig Richters feierte, da wurde auch Schwinds Nam« häufig genannt; und wenn mir heule den IW. Geburtstag Schwinds be gehen, so können wir nicht umhin, auch Richters zu ge denken. Denn beide Meister gehören zusammen; in ihnen beiden dürfen wir wohl das eigentümlichste un köstlichste erblicken, was die deutsche Kunst um und nach 1850 erzeugt hat. Beide ergänzen einander, erklären einander und fetzen einander tn Stärken und Schwächen in» volle Licht. Künstlerisch hatten beide ihre Stärke in der Zeichnung und waren als Koloristen schwächer. Sitt- lilb waren beide von jenem herrlichen Ernste mr Kunst beseelt, der Sc-winds Biographen Holland zu dem Au»- rwfe begeisterte: „Sein Bild von seiner Hand wird ihn vor Gott verklagen." Beide waren voll echter und tiefer Frömmigkeit; während aber Richter demütig und voller Liebe die heiligen Gestalten zeichnete, wie sie ihm eben vor seiner schlichten Seele standen, ermaß Schwind mit schärferem kritischen Auge den Abstand sehr wohl, der ihn, -en lebensfrohen und gefunden Wiener, von religiöser Kunst im tiefsten Sinne trennte: „Einen zckeigetetlten
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