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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040125016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-25
- Monat1904-01
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aoS, welcher tausend Obdachlose aufnehmen wollte, er mußte aber zurückkehren, da er in Aalesund nicht anlegen konnte, weil der ganze Hasen in Flammen stand. Ter Orkan wütet noch immer, und da die Lee sehr erregt ist, müssen Proviant, Kleider und Verbandstoffe über Land transportiert werden. Die vorhandenen Lebensmittel sind sehr gering. — Auf dem hiesigen deutschen Generalkonsulat ist gestern abend von dem deutschen Kaiser ein Telegramm eingegangcn, welches etwa folgendermaßen lautet: „Ich bin tief er schüttert durch die Nachricht von dem Unglück, welches Aalesund betroffen hat. Hülfe ist organisiert. Generaldirektor Bqllin wird morgen einen Dampfer von Hamburg abgehen lassen mit Krankenpflegerinnen, Proviant, Kleidern, Verband stoffen usw. Ich bitte Tie, Mich davon zu unterrichten, was man am meisten bedarf." Ferner ist dort heute ein Telegramm des deutschen Kaisers eingelaufen, in welchem mitgctcilt wird, daß der Kreuzer „Prinz Heinrich" heute morgen nach Aalesund abgegangen ist und daß heute nach mittag der Dampfer „Phönicia" von Hamburg abgchen wird mit dem Flügeladjutanten des Kaisers Kapitän zur Lee v. Grumme an Bord. * ishristtansunS, 24. Januar. Drei Dampfer sind beule morgen 8 Uk>r nach Aalesund mit Lebensmitteln und Kleidern abgegangen. In der Nacht war der Sturm noch heftig, erst morgens schwächte er sich etwas ab. Eine HiilfS- erpedition ist über Battenfforden glücklich angelangt. Der Weg über die Fielle mußte teils zu Wagen, teils zu Schlitten zurück- gelegt werden. Die Landbevölkerung ist überaus hülfsbereit. * Aalesund, 24. Januar, vormittag 10 Uhr Wie schon gemeldet, sind alle ösfentlichenGedäude dem Brande zum Opfer gefallen, so zwei Kirchen, ein Bethaus, ein Missionsbaus, die Gebäude der Temperenzlervereinigung, das vlünglingSvereinshauS, alle Banken, das Amtmannsbaus, die Bürgermeisterei, das Polizeigebäude, das Gefängnis, beide Apotheken, das Zollamt, die große Volksschule und das Feuerwehrgebäude. Nicht zerstört sind das ZollwachthauS, die ExpetitionSpackbäuser, sowie die kleinste Volksschule, einige Privathäufer und ein Teil der von Arbeitern und Fischern bewoknten Häuser. Aus der Insel Buholmen stehen noch lv Privathäuser, 4 Fabriken und einige Packhäuser. * Aalesund, 24. Januar, nachmittag 3>/z Uhr. DaS Feuer hatte sich mit rasender Sckmelligkeit verbreitet. Feuerfunken, groß wie eine Männerfauft, flogen umher und zündeten gleichzeitig an vielen Stellen der Stadt. Die Dampfspritze, welche auf einem Dampfer ausgestellt war, wurde vom Feuer vernichtet. Das Telegraphenamt mußte zweimal an einem anderen Ort errichtet werden. Man weiß auch jetzt noch nicht sicher, ob Menschen umgekommen sind, vermutet aber, daß drei Personen das Leben einbüßten. Hier und da stehen noch einzelne Häuser, u. a. einige ganz kleine Geschäfte und eine Bäckerei. Von Molde und Bergen ist jetzt Hilfe eingetroffen; Brot, Butter und Konserven werden ausgetcilt, auch ist eine Hilfsapotheke errichtet worden. Die meisten Einwohner haben alles verloren. * Christian««, 23. Januar. Das furchtbare Unglück, das die Stadt Aalesund und ihre Einwohner heimsuchte, hat im ganzen Lande das tiefste Mitgefühl erweckt. Ueberall werden Vorbereitungen getroffen, die Not zu lindern. Die Brigade in Drontheim bat Befehl erhalten, so bald wie möglich Mannschaftszelte, Betten und Proviant zur Ver fügung zu stellen; wenn noch mehr erforderlich ist, soll die Brigade in Bergen das Nötige schaffen. Bon Bergen ist die Marine anfgefordert worden, das Schulschiff „Nord- stjernen" nach Aalesund schleppen zu lasten, damit es zu Wohnungen benutzt werden kann. Eine Ent scheidung hierüber ist noch nicht getroffen. Der Finanz minister Ha gerup machte dem Störthing Mitteilung über den Brand und erklärte, die Regierung gehe von der Ansicht aus, daß die Gelder »ur Abbülfe der Not aus dem für unvorhergesehene Ausgaben bewilligten Posten ohne weitere» entnommen werden können. Hiermit war der Präsident des Stortbings einverstanden. Der Zeitung „Dagesposten" wird aus Drontheim gemeldet, daß zwei Personen bei dem Brande in Aalesund umgekommen seien und daß ein Dampfer, möglicherweise auch noch mehrere Schiffe ver brannt seien. Die Stadtverwaltung von Drontheim hat beschlossen, ein Schiff mit Proviant, Kleidern rc. und, wenn notwendig, ein anderes mit Holzmaterial abzusenden. In Bergen wird eine große Hülfsaktion in die Wege geleitet. Aus Privatinitiative wurde ein Schiff mit Geldmitteln, Kleidern rc. abgesandt. In den Kirchen in Bergen wird morgen eine Kollekte für die durch den Brand Betroffenen veranstaltet. Von Cbristiansund wurde ein Schiff mit Eßwaren und Kleidern geschickt. Ferner hat die Stadt verwaltung ein HülfScomitö errichtet. * Christianta, 24. Januar. Vier in Stockholm an sässige Norweger haben dem Staatsminister Hagerup je 5000 Kronen zur Abhülse der dringendsten Not in Aale sund zugestellt. Der König und die Königin haben je 6000 Kronen, der Kronprinz und die Kronprinzessin je 1000 Kronen, die Prinzen Gustav, Karl und Eugen zusammen 1000 Kronen gespendet. Aus die Aufforderung der Königin hat die Oberhosmeisterin Lövenskjold die Bildung eines Damencomites in Angriff genommen, welches Beiträge für die Notleidenden ein sammeln soll. Ferner ist hier ein Hülfscomitö zusammen getreten, welche» direkt Dampfer mit Lebensmitteln und Gelt» nach Aalesund schicken wirb. Die norwegischen Eisen bahnen übernehmen die Beförderung von Unterstützungen nach Aalesund frachtfrei. * Lhristiansund, 24. Januar. Wie jetzt aus Aalesund mitgeteilt wird, hat eine große Menschenmenge^ die letzten 24 Stunden auf offenem Felde, in Regen und Sturm ohne Nahrung zugebracht. Viele haben auf nahegelegenen Bauern höfen, andere aus Schiffen Unterkunft gefunden. Dampfer und andere Schiffe beginnen jetzt Leute in großer Zahl von Aalemnd fortzufübren. Kerner trafen Dampfer mit Nahrungs mitteln und Kleidern ein. Die Leichenkapelle des neuen Kirchhofe», der eine viertel Meile von Aalesund entfernt liegt, wirb als Krankenbaus benutzt. Die Gewölbe der Kreditbank sind eingestürzt. Die Bevölkerung ist über den -vchherzigen Entschluß des Deutschen Kaiser» tief gerührt. * Christtania, 24. Januar. Von Florö, Stavanger, Bergen und Cbristiansund sind noch gestern abend Dampfer mit Lebensmitteln, Kleidern usw. nach Aalesund ab gegangen. In Molde waren umfassende Vorbereitungen ge troffen, um etwa tausend der Abgebrannten aufnehmen zu önnen, welche mit dem regelmäßig verkehrenden Dampfer einlreffen sollten. Die Abgebrannten waren aber durch das Feuer vom Dampfschlffskai abgeschnitten gewesen und hatten den Dampfer nicht erreichen tonnen. Der Dampfer soll nun aufs neue versuchen, sie abzuholen. * Christtanta, 24. Januar. Nach einem aus Aalesund Iber Molde eingegangemn Telegramm stehen außer dem Zollpackhaus nur noch die ExpeditionSlager am Kai und 20 bis 30 kleine Häuser. Zwei Fischdampfer und ein großer Teil kleinerer Fahrzeuge sind verbrannt. Die Lage der Obdach- losen ist infolge schweren Unwetters äußerst traurig. * Hamburg, 23. Januar. Infolge einer von Kaiser Wilhelm an den Generaldirektor Ballin telephonisch ge richteten Aufforderung ist heute abend unter Mitwirkung des Roten Kreuzes ein Hü l fsko mi tee zusammengetreten, welches über die zur Linderung der Not in Aalesund erforderlichen dringenden Maßnahmen sofort beraten hat. Es ist beschlossen worden, den großen Dampfer „Phönicia" der Hamburg- Amerika-Linie nach Aalesund zu entsenden. Dieser wird bereits morgen mittag den Hamburger Hafen ver lassen. Der Dampfer wird mit vollständiger Ver pflegung, für 4000 Personen ausreichend, ferner nnt Medikamenten, Verbandszeug und Kleidungs stücken aller Art, besonders auch mit großen Vorräten an Bettzeug, wollenen Decken usw., sowie mit Baracken aus gerüstet sein. Drei Aerzte und eine größere Anzahl von Krankenpflegern und Krankenschwestern, sowie einige andere Abgesandte des Roten Kreuzes werden den Transport be gleiten. Von der Hamburg-Amerika-Linie werden sich der Chef des Ausrüstungswesens von Holtzendorff, ferner die Inspektoren Kapitän Kirchheim und von Lön dem Transporte anschließen. Zur Führung der „Phönicia" ist der Inspektor Kapitän Bruhn bestimmt. * Hamburg, 24. Januar. Der Dampfer „Phö nicia" ist um 3 Uhr 50 Minuten von hier nach Aalesund abgedampst. Der hier eingetroffene Flügeladjutant des Kaisers Kapitän z. S. v. Grumme wurde vom General direktor Ballin an Bord der „Phönicia" geleitet. Hauptversammlung des nationalliberalen Landesvereins für das Königreich Lachsen. 2. Dresden, 24. Januar. Im Hotel Bristol trat heute mittag die Hauptversamm lung des nationalliberalen Landcsvcreins zusammen, um über die Wahlrechtsreform und über Organi sationsfragen zu verhandeln. Die Versammlung war zahlreich besucht. Aus Leipzig waren unter anderen Kommerzienrat Habe nicht, der Vorsitzende des Landesvereins, Geh. Justizrat Gensel, Fabrikb^ sitzer Gontard, Rechtsanwalt vr. Zöphel unv Generalsekretär vr. Gehrke erschienen. Tie Abgeord neten vr. Schill und Ehret hatten nur der LandesauS- schußsitznng, welche der Hauptversammlung voranging, beigewohnt. Bon Landtagsabgeordnetcn waren die Herren Schulze und vr. Bogel anwesend. ' Nachdem Kvmmerzienrat Habenicht hie Vcrsamm- lung eröffnet und begrüßt hatte, gab Generalsekretär vr. Gehrke einen Ueberblick über den Stand der bis herigen Verhandlungen. Die Erwartung, daß die Regie rung eine fertige Gesetzesvorlage über die Wahlreform bringen werde, so führte er aus, hat sich nicht erfüllt. Der Landesausschuß der nationalliberalen Partei Sachsens hat am 14. d. Mts. eine Sitzung abgehalten, in der nur von einer ganz geringen Minorität die Denkschrift als geeignet zu einer günstigen Lösung der Wahlrechtsfrage bezeichnet wurde, während die Majorität für eine strikte Ablehnung der Negierungövorschläge enttrat. Schließlich einigte man sich auf die Annahme folgender Resolution: „Obgleich die Denkschrift der Regierung dadurch, oab sie die indirekte Wahl und den Unterschied zwischen Stadt und Land beseitigt, gegenüber dem bisherigen Wahlrecht gewisse Vorteile bietet, entspricht sie doch, indem sie Standeswahlen empfiehlt und eine Reform der Ersten Kammer überhaupt nicht vorsieht, den Forderungen, die an eine Wahlrechtsreform zu stellen sind, so wenig, daß die nationalliberale Partei keine geeignete Grundlage für eine günstige Lösung der Wahlrechtsreform darin erblickt." In der heutigen Sitzung des Landesausschusses, welche der Hauptversammlung voranging, wurde vom Dres dener Reichsverein folgender Zusatz zu der Reso- lntion vom 14. Januar er. vorgeschlagen: „Die nationalliberale Partei glaubt eine solche Lösung auch nicht durch den Ausschluß von jetzt Wahl berechtigten vermittels eines Zensus ober durch Ein führung getrennter Wahlen der einzelnen Klaffen, wohl aber am ehesten durch ein Wahlsystem erreichen zu können bei dem zwar alle Steuerzahler ge meinsam wählen, alle diejenigen aber Zusatz stimmen erhalten, welche durch Erfahrung (Alter) oder Leistung für den Staat von besonderer Be deutung sind." Geh. Justizrat Gensel hatte eine besondere Reso lution eingebracht, welche besagt: „Der Nationalliberale Landesverein begrüßt mit Genugtuung, daß die Regierung in der dem Landtage vorgelegten Denkschrift die indirekten Wahlen und die Scheidung zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen als unyaltbar und die völlige Erneue, rung der Zweiten Kammer nach Erlaß des neuen Wahlgesetzes als unerläßlich anerkannt hat Da gegen kann sich der Landesverein mit der in der Denkschrift vorgeschlagenen Htneintraaung der Ber- trctung einzelner Stände in der Zweiten Kammer keinesfalls einverstanden erklären, er hält vielmehr daran fest, daß eine angemessene Vertretung der Stände in der Ersten Kammer unter Berücksichtigung der völlig veränderten tatsächlichen Verhältnisse an- znstreben sei." Der Nattonalliberale Verein Frankenberg hatte ebenfalls einen Antrag gestellt, in dem er sich für das Pluralsystem erklärt. Die Debatte eröffnet Amtsrichter Hettner- Dresden mit einer gründlichen Kritik der Regierungsvor lage. Er kommt zu dem Schluffe, daß diese für eine liberale Partei unannehmbar sei, daß man nicht an Stelle des Wahlunrechts von 1896 ein neues, womöglich noch größeres Wahlunrecht setzen dürfe. DaS Reichstags wahlrecht für Sachsen einzufllhren, würde nicht den Forderungen der Gerechtigkeit entsprechen, weil dadurch nur ein einziger Stand, nämlich der der Lohnarbeiter, im Landesparlamcnt maßgebend werden würde. Der Redner schlägt schließlich ein reines Pluralsystem vor, auf Grund dessen je nach Steuerleistung und Lebens erfahrung Mehrstimmen erteilt werden. Daneben soll aber unbedingt daran festgehalten werden, daß auch die Erste Kammer einer Reform unterzogen werden muß. Rechtsanwalt vr. Z ö p h e l - Leipzig ist der Ansicht, daß man über die Vorschläge der Regierung nicht einfach zur Tagesordnung übergehen dürfe. Wir müssen, sagt er, unserem Liberalismus Zügel anlegen. «Lebhafter Wider spruch.) Unsere Vertretung im Landtage ist nicht eine derartige, daß sie sich durchsetzen kann- (Lauter Wider spruch: oho!) Ich schlage deshalb vor, daß wir den vom Dresdener Reichsverein gestellten Zusatzantrag ab lehnen. Ter Redner äußert sich dann anerkennend über Einzelheiten der Denkschrift, verwirft aber un bedingt die berufsständischen Wahlen. Die Vorschläge des Dresdener Reichsvereins seien durchaus noch nicht geprüft. Der Redner plaidiert zum Schluß für die An- nähme der Resolution Gensel mit einem von ihm vor geschlagenen Zusatze. Rechtsanwalt vr. Fischer- Riesa empfiehlt eine knappere positive Fassung der Resolution. Abg. Schulze-Dresden: Als Abgeordneter kann ich mich natürlich jetzt noch nicht festlegen, sondern muß erst abwartcn, welche Gründe im Landtage vorgebracht werden. Die Rückkehr zum 68er Wahlgesetze ist durch das jetzige leider unmöglich gemacht. Gegen das Berufs system bin ich unbedingt, dieses ist 1868 von der Regierung als ein „unlösbares Problem" bezeichnet worden. Das direkte Dreiklassenwahlsystem verhilft immer noch einem großen Teile der nichtsozialdemokratifchen Wähler nicht dazu, sich irgendwie zur Geltung zu bringen. Die Ein teilung nach dem Alter hat viele und große Vorzüge für sich. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen, welchen Ein druck das, was wir hier beschließen, im Lande macht und dürfen die Gelegenheit, unserer liberalen Ueberzeugung entschiedenen Ausdruck zu geben, nicht vorübergehen lassen. (Lebhafter Beifall.) vr. Ritter-Dresden: Die nattonalliberale Partei in Dachsen hat ihre Politik in der Kammer, aber nicht mit dem Volke gemacht; deshalb ist uns die Fühlung mit der liberalen Volksseele fast ganz verloren gegangen. Wir müssen zurück zu echt freiheit lichen Grundsätzen, ohne Rücksicht auf die etwaigen Wir kungen in der Kammer zu nehmen. Justizrat Ge nse l- Leipzig: In der Versammlung im September in Leipzig haben wir beschlossen, daß die indirekten Wahlen jedenfalls verschwinden müssen, daß der Unterschied -wischen Stadt und Land zu beseitigen, «daß esne berussständische Vertretung in der Zweiten Kammer zu verwerfen und eine Reform der Ersten Kammer anzustreben ist. Durch die Dresdener Vor schläge wird verhindert, daß wir einen möglichst ein mütigen Beschluß fassen. Erklären wir die Vor lage einfach für unannehmbar, so wird das den Kon servativen sehr erwünscht sein, und die Regierung wird die Vorlage einfach zurückziehen. Wir sollten doch wenigstens das anerkennen, worin die Regierung uns entgegengekommen ist, das ständische Prinzip aber ent schieden verwerfen. Gegen daS Pluralsystem bestehen sehr gewichtige Bedenken. Wir müssen das Erreichbare erstreben und die Bewegung im Landtage fördern. Schul direktor Becker-Zwickau: Wir müssen vor dem Lande endlich einmal Farbe bekennen, müssen mit der Leise treterei aufräumen. (Lebhafter Beifall.) Das Band, das uns mit den Konservativen verband, müssen wir zer schneiden. (Beifall.) Amtsrichter Hettner formuliert dann den Dres dener Antrag auf Grund der in der Debatte hervor getretenen Momente als Bermittelungsvor- schlag. Abg. vr. Bogel-Dresden: Für die Ver treter im Parlamente ist die Politik des Erreichbaren zweifellos geboten. Eine Parteiversammlung aber hat die Aufgabe, nicht gar zu ängstlich abzuwägen, sondern ihrem Willen energischen Ausdruck zu geben. Bei einer Dreiklassemvahl muß die Fühlung mit der breiten Masse des Volkes vollständig verloren gehen. Diese Versamm lung muß etwas Bestimmtes als das Erstrebens werte bezeichnen. Das Pluralsystem ist durchaus nicht in höherem Maße ein Sprung ins Dunkle, als das System der drei gesonderten Klassen. Das vielfach an gezogene belgische System, das sich nicht bewährt haben soll, kennt bei uns kaum irgend jemand, nicht einmal die Regierung. Die Verhältnisse in Belgien sind außerdem ganz eigenartige, vr. S t r e s e m a n n - Dresden: ES hat selten eine politische Rebe auf mich einen so depri mierenden Eindruck gemacht, wie die deS Herrn vr. Züpfel. Das Dreiklaflenwablrecht ist für unS durchaus nicht mehr diskutabel, auch nicht in der jetzt von der Re- gierung vorgeschlagenen Form. Ich bitte Sie, den ersten Dresdener Vorschlag anzunehmen. Lehrer Pflug Zittau äußert sich in demselben Ginne. Reichstags abgeordneter Patzig: Die Situation hat sich soweit zu gespitzt, daß es die Frage ist: Soll man das Dreiklaflen- system unter Desavouierung der Septemberbeschlüsse schroff ablehnen oder soll man eine Brücke schlagen zwischen -en lebhaft emporstrebenden liberalen Ele- menten, die ich hier zu sehen mich freue, und denjenigen älteren Parteifreunden, welche sich in dieses System ein gelebt haben? In Preußen denken unsere Partei genossen noch nicht daran, das Dreiklaflen- system zu beseitigen. (Rufe: Leider.) Wir haben Pflichten gegen den Staat, die uns zwingen, den rohen MehrheitSstandpunkt zu verlassen. Man darf doch diejenigen, welche bisher für das Drei- klaflenwahlrecht glaubten eintreten zu sollen, nicht gar so schroff vor den Kopf stoßen. Wir werden im Reichstage bei der bevorstehenden Debatte über Crimmitschau nicht viel günstiges über Ihre Regierung zu sagen haben. Durch den Antrag Hettner wird der sehr erheblichen Minorität, die noch für die Dreiklaflenwahl eintritt, eine goldene Brücke geschlagen. Deshalb nehmen Sie, wenn Sie eine befriedigende Lösung der Frage anstreben, den vermitteln, den Antrag Hettner an. (Beifall.) vr. Krüger-Dresden erklärt sich für Wiederher stellung des 68cr Wahlrechts. Rechtsanwalt Klöckner » Dresden wendet sich entschieden gegen das Dreiklaffen- system, das im Lande grunüoerhaßt sei, und erklärt sich für das Pluralsystem und schlägt für den zweiten Teil des Vermittelungsantrages Hettner ein ent schiedener gehaltenes Amendement vor. vr. Ku n tz e. Dresden legt Verwahrung dagegen ein, daß etwa die Ver besserung des Wahlrechts etappenweise angestrebt werde. Man müsse vollständig reinen Tisch machen, vr. Ritter mahnt im Interesse der Einheit der Partei zur Versöhn lichkeit und empfiehlt die Annahme des Hettnerscheu An trages. Nechtsanw. vr. Zöphel führt in seinem Schluß- wort für den Antrag Gensel aus, daß ein Ziel nicht zu er reichen sei, wenn man die Hemmnisse und Schwierigkeiten aus dem Auge verliere. Mit Schlagworten komme man nicht weiter. Man müsse auf dem alten Boden weiter bauen. Wir haben, schloß er, ein Quentchen Vernunft in unsere Erwägungen getan. (Oho! Widerspruch.) Ich trete für das Dreiklasiensystem ein. Amtsrichter vr. Hettner: In meinem Anträge ist ausgedrückt, daß wir einem anderen als dem Dreiklassenwahlsystem den Vorzug geben, obwohl eine große Minorität unserer Partei für dieses System ist. Wir müssen die Ueber- zeugnng dieser Minorität ehren. Das Milieu ist hier ein anderes, als es in Leipzig wäre. In Leipzig würde wahr scheinlich der Antrag, der hier angenommen wird, abge lehnt werden. Man ist uns im September in Leipzig ent gegengekommen, tun wir es auch heute hier. Bei der nun folgenden Abstimmung wird der Antrag Gensel gegen eine Stimme abgelehnt. Von dem Vermittelungsantrag Hettner wird der e r st e Absatz mit bedeutender Majorität an. genommen. Dieser lautet: „Die nattonalliberale Partei bedauert lebhaft, bei der R e g i e r u n g in der Vorbereitung der von allen Seiten dringend verlangten Wahlrechtsreform die jenige sichere Hand vermissen zu müssen, die unter den schwierigen Verhältnissen besonders ge boten wäre. Ihre Vorschläge in der Denkschrift vom 31. Dezember 1903 bieten zwar einige Vorteile gegen über dem jetzigen Zustande, bringen aber keine an nehmbare Lösung der Wahlrechtsfrage." Anstatt des zweiten Teile» des Antrages Hettner wurde mit 31 gegen 26 Stimmen das Amendement Klöckner angenommen. Dieses unterscheidet s i ch von der Hettnerschcn Fassung nur dadurch, daß es das Dreiklassenwahlrecht in schärferer Form ablehnt. Das Amendement lautet: „Die nattonalliberale Partei verlangt eine Re- form der I. Kammer in dem Sinne, daß in ihr neben der Landwirtschaft auch die anderen Berufs stände nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ihre Ver tretung finden. Für die v. Kammer verwirft sie jede berufS ständische Vertretung, jede Vollziehung getrennter Wahlen in einzelnen Klassen, jede Scheidung zwischen Stadt und Land. Sie kann unter den gegenwärtigen Verhält nissen nur ein solches Wahlrecht für annehmbar hal ten, bei dem zwar alle Steuerzahler ge meinsam wählen, alle die aber Zusatz, stimmen erhalten, die durch Erfahrung (Alter) oder Leistung von besonderer Bedeutung für den Ltaat sind." Durch die Annahme dieses Antrages erledigte sich natürlich auch die Resolution des Dresdener Reichs vereins. Die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung, Kassen bericht und Organisationsfragen, werden von der Tagesordnung abgesetzt, weil, wie der Vorsitzende mitteilt, im Landesausschuß formelle Bedenken gegen die Verhandlung dieser Punkte geäußert worden sind. Ueber die eventuelle Neugestaltung des Vorstandes soll eine neue, in etwa vier Wochen wahrscheinlich nach Leipzig ein zuberufende Versammlung beschließen. Als der Antrag gestellt wurde, die Versammlung in Dresden oder wenig stens in Ostsachsen abzuhalten, stellte der Vorsitzende fest, daß die Einberufung der Hauptversammlung Sache des Vorstandes, nicht der Hauptversammlung sei. Schließlich wurde noch über einen Antrag des nativ- nalliberalen Zwe'igoereins zm Flöha und Um gegend verhandelt, welcher OrganisattonSvorschläge ent hält. Der Vorsitzende erklärt, daß der Parteivorstand nicht abgeneigt sei, die Wünsche dieses Zweigvereins zu berücksichtigen; vorläufig seien aber nicht die pekuniären Mittel dazu da. An die Verhandlungen schloß sich ein gemeinsames Mahl an. Mn känlmiM - Verkauf dlotot beim Laut von Ispplvksn, IitI8ksI»ßoߧ«n, ponßiLnsn, Küssen, t-LuIvnn, Hsvk- un<! llivanelsvlkvn, keilen, Voi»Isgsn unel I-ainki'vquin». durch dauerhaftes Fabrikat bevorzugt, unter Einkaufspreis. II- ^(Illinil«!, sskMgrlrl 31-33.
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