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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190401244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040124
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-24
- Monat1904-01
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1904
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vezugS-PrrtS tr> der Hauptexprdltion oder deren Ausgabe, stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Züttellung in« Hau» ^l 3.7k. Durch die Post bezogen für Teulich. land u. Oesterreich vlerteliührlich 4.K0, sür die übrigen Länder laut Zeitungtprei-lisle. Redaktion und Erpedtttou: JohanniSgaffe 8. Fernsprecher 1KS ». L2L Filtalerpedittone«: Alfredtzahn, Buchhandlg.. UniversitätSstr.» lFrrnspr. Nr. 4046), L. Lvsche, Katharinen» straße 14 lFrrnsprecher Nr. 8935« u. Kdnigd» Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7K0K). Haupt-Filiale Dresden r Marienstrabe 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: AarlDuncker, Htrzgl.Bayr.Hofbuchbandlg- Lützowstrab» lO(F»rnjpr»cherAmtV1 Nr.4M3) Anzeiger. Ämtsvkatt -es Hönifflitljen Land- und des Llönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aates und des Vol'izeiamles der Ltadt Leipzig. AnzktgkN.PrkiS die 6gcspaltcne Pctitzcile 25 Reklamen unter dem Redakliontslrich (4 gespalten) 7Ü vor den Fainüieuuach- richten (6 gespalten) KO Tabellarischer nnd Zlffernlatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertrnannahme 8ä Vrtra-Ykilaaen (gefalzt), nnr mit der Morgen.Ausgabe, ohne Poslbesvrderung 60.—, m i t Postbrsördrrung 70.—. Bnnahmeschlnh für Rnzeigen: Abe nd-AuSgabr: vormittag» >0 Uhr. Morgen-Au-gabr: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an dir Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrocheu geöffnet von jrüh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol; In Leipzig (Dr. Victor Klinkhardt L Co.). Nr. 42. Sonntag den 24. Januar 1904. 98. Jahrgang. Var Aicdtlgtlr vsm Lage. * Der Zustand de» Herzog» Friedrich von Anstalt hat sich einem Sonnabend mittag in Ballenstedt veröffentlichten Krankheitsberichte zufolge verschlimmert. Es besteht ein« Lähmung der rechten Seite. Das Be wußtsein ist geschwunden. * Nu» Slldwestafrika wird gemeldet, die Expedition Zuelow sei glücklich in Okahandja angekommen; die Lage sei ernst. 2m Norden der Kolonie, im Ovambo- gebtete, sollen ebensail» Unruhen drohen. In Swakop- mund ist d>« Lage unverändert; der Bahnbetrieb ist infolge starker Negcnfälle häufig unterbrochen. * Der Sieg de» französischen Ministerpräsi ¬ denten Combe» in der letzten Sitzung der Kammer wird von der gesamten Pariser Presse al» ein Schlag für den revanchehitzigen Nationalismus und de« Klerikalismu» charakterisiert. —— * Au» Berliner diplomatischer Quelle wird bestätigt, daß Rußland und Japan sich voraussichtlich ohne jede fremde Hilfe verständigen werden. * Die ganze Stadt Nalesund an der Westküste von Norwegen ist eia Raub der Flammen geworden. Mr »er Aocde. Der Lärm der Waffen hat die gemächlich über die Veste Methode der VolkSbeglückung Debattierenden aus ihrer überlegenen Selbstvcrliebthett aufgeschemlstr mitten in den schier unendlichen Neigen der Interpellationen sind die SchrcckcnSposten au» Sttdwestafrtka hineinge- platzt und haben statt deS Wortreichtums von den Reichs» Voten Daten verlangt. Tas mag manchem von ihnen, denen der zopfige Philister wescnsverwandter ist als der Staatsmann, eine höchst unwillkommene, unerfreuliche Unterbrechung gewesen sein; aber man wird doch, wenn man den Sinn der Vorgänge nicht fälschen will, an erkennen müssen: sie haben sich mit Anstand aus der Affäre gezogen. Sogar mit einem ganz ansehnlichen Matze von Anstand. Was man im einzelnen auch zu er innern haben möge: diese kurze Debatte, die am Diens tag unter dem unscheinbaren Titel „Nachtragsetat für Südwestafrika" gepflogen wurde, gehört zu dem Wür digsten, was wir seit geraumer Weile im Hause WallotS erlebten. Es ging ein Zug von Schlichtheit, von worte sparender Selbstverständlichkeit durch die Erörterung, der leider nicht immer wahrzunehmen war, wenn im deutschen Reichstage über unerläßliche nationale Erfordernisse ver handelt wurde. Und von der Anerkennung soll diesmal auch die Sozialdemokratie nicht ganz ausgenommen werden. Zwar August Bebel, dem man am ehesten gerecht wird, wenn man ihn pathologisch nimmt, hielt auch hier wieder eine jener wildverwcgencn Reden, die eine so unauslöschliche Feindschaft gegen Wahrheit und Sachlich keit atmen. Aber nachdem er sich ausgetobt und die auf sässigen, beutegierigen Kafsern ohne Sachkenntnis und ohne alle Apparate frisch, frei und fromm in hehre Frei- hcitsheldcn umgezaubert hatte, gingen seine Parteigenossen bei der Abstimmung einfach über ihn hinweg. Sie stimmten zwar nicht für die geforderten Kredite — so hoch darf der Revisionismus nach Dresden noch nicht da» Haupt erheben —, aber sie stimmten auch nicht da gegen, und so kann man immerhin sagen, daß in ernster Stunde auch die Vertretung des deutschen Volkes Ernst und Gewissenhaftigkeit gezeigt habe. Bei der hinterher so viel erörterten Interpellation über die russischen P o l iz e i sp i o n c hat sich dann freilich bald darauf ein anderes Bild ergeben; La haben die Sozialdemokraten gelärmt wie in -en tollsten Tagen deS Zollkampfc», und Bebel, der ohne- hin Heuer eine Emsigkeit im Reden entfaltet, die fast auf Eifersucht schließen läßt, hat bei der Gelegenheit selbst die seinem sogenannten „Temperament" herkömmlicher weise gesteckten Grenzen um ein Erhebliches überschritten. Für die Sache selbst war das nur schädlich; denn ganz so günstig, wie e» im ersten Augenblick unter der ver stimmenden, unwillkürlich abstoßenden Entrllstungöfanfare de« Herrn Bebel scheinen mochte, liegen die Dinge in Wirklichkeit nicht sür un». Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser russische Import, der Jahr für Jahr über unsere Ostgrenzc dringt, für unser Vaterland eine höchst unwillkommene Zugabe ist. Da» gilt in gleicher Weise von -en fungcn Leuten, die die Kollegien unserer Universi täten und die Laboratorien unsere technischen Hochschulen bevölkern, wie von den slawischen Wanderarbeitern, die sich -er hohen Gunst -er preutzischen Agrarier zu erfreuen pflegen. Schlössen wir gegenüber dieser Invasion, die, wo sie bauernden Eharakter annimmt, geradezu einer Gefahr gleichkommt, unsere Grenzen ganz, e» wäre kein Wort zu verlieren. Und auch darWer ist gar nicht zu streiten, daß wir un» fremder Anarchisten und politischer Meuchelmörder mit jedem Mittel zu erwehren haben. Aber man vergesse bei all dem nicht, datz wir «» bei Ruß land nicht mit einem civiltsierten Staate zu run haben; Garantien für eine geordnete Rechtspflege gibt e» jen- seit» de» Rjemen nicht. Zu der Bezeichnung „Nihilist" kann man in Rußland sehr leicht kommen, und wenn wir «t den Sentlemen de» Herrn v. Plehw« überlassen «olle«, zu bestimmen, wen sie für „verdächtig" halten, so ist es an sich schon gern möglich, daß unter Umständen sehr ehr liche und harmlose Leute der russischen Acht zum Opfer fallen. In der Beziehung ist Rußland — der VaS schreibt, hat e» am eigenen Leibe erfahren — das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten", und der Sprecher der nationallibcralcn Partei war darum im Rechte, als er zwar nicht in die pathetische Entrüstung der Sozialdemo kratie mit cinstimmle, aber auch nicht, wie der konser vative, vor freudigem Entzücken Lieder sang. Die Sache hat eben ihre zwei Setten, und darum sollte sie zweimal und nachdrücklicher geprüft werden. DaS war aber so ziemlich das einzige Mal, daß Negie rung und Sozialdemokratie hart aneinander gerieten. Sonst haben sie sich in der letzten Woche merkwürdig gut vertragen. Al- man dieser Tage in der Budgetkommission den Etat de» RetchSamt» deS Innern beriet und dabei auf die W u r m k r a n k he i t zu sprechen kam, brückte der „Jubilar" der Sozialdemokratie, Herr Paul Singer, der am letzten Sonnabend sozusagen in Züchten M Jahre alt geworben ist, dem Grafen PosadowSky seine Genugtuung über die von der Regierung zur Bekämpfung der Seuche unternommenen Schritte aus, und bet den Debatten Über die KaufmanpSgerichte, die man am Mittwoch und Donnerstag im Plenum pflog, waren abermals aus der Mitte der Sozialdemokratie Worte gelinder An erkennung für das Mühen -er Negierung zu hören. Das waren überhaupt ganz eigentümliche Debatten: am ersten Tage mußte man glauben, die starke und recht poteuie Okgnerschaft, der der Gedanke der Kaufmanusgerichte iw deutschen öffentlichen Leben begegnet war, hätte am Reichstage selbst keinerlei Hinterhalt; hier wäre alles einig darin, die Erbschaft BasscrmannS zu übernehmen und zu vollstrecken. ES war ein schöner Traum: knappe zwanzig Stunden später war auf ssoan qui rit, qui pleuri gefolgt, und nun zeigte sich, datz eigentlich alle Par- teien noch In zwei Heerlager geschieden sind und daß vor nehmlich über die Kardtnalsrage — Ang ederung an Amtsgerichte oder die Gewerbcgerichte — kein Einvcr- ständniS erzielt ward. Wer den sozialen Fortschritt will, wirb deshalb gut tun, sich zu bescheiden und nicht neue Streitpunkte auf die alten zu türmen. Graf PosadowSky hat es übrigens verdient, daß seinem ehrlichen sozialpolitischen Wollen endlich auch von der Sozialdemokratie Anerkennung gezollt wird. Freilich kann diese Anerkennung dem wackeren Manne, der un- ermüdltch lernend und neues ausnehmend in -en Jahren seines inneren Staatssekretariats sich zu einem Politiker von weitem, das Ganze wie das Besondere erfassenden Blick un- von historischer Auffassung ausgewachsen hat, leicht gefährlich werden. Er hat Feinde, und leider sei's gesagt: recht einflußreiche Feinde. Die Agrarier können nun einmal keinen Staatsmann vertragen, der sich die Freiheit nahm, auch aus anderen Heften als den von ihnen approbierten zu lernen, und seit Graf PosadowSky durch die großen und beztchungsreichen Reden der beiden letzten Jahre gar verraten hat, daß er im Grunde die An schauungen der jüngeren historischen Schule der deutschen Nationalökonomie teilt, gilt er ihnen als ein Weggenosse der unsäglich verachteten „Professoren", und die „Deutsche Tagcsztg." des ungemein feinfühligen ehemaligen Abg. I)r. Oe'-iel vergißt nicht, den Staatssekretär einen Tag nm den andern in wahrhaft chevalcresker Form zu erinnern, daß die Agrarier ihm bet der iganz törichter Weise ausgc- bauschten) 12 00V ^-Affäre unschätzbare Dienste geleistet hätten und er also bi» an sein selige» Ende von Rechts wegen ihre Ketten tragen müßte. Es ist unter solchen Um ständen schlechthin selbstverständlich, daß auch die höflich« und durchaus sachgemäße Antwort, die -er Staatssekretär am letzten Montag dem interpellierenden „Bauer" Kanttz gab, der Rechten auf die Dauer nicht genügt hat. Schon am Tage nach der Interpellation versicherte das agrarische Hauptorgan, „das Land" — ein etwas schwer zu fassender Begriff — würde die Antwort „mit Befremden" ver nehmen; dann kam ein anderer Denker und warf die tief sinnige Frage auf, warum der Kanzler die Interpellation nicht selbst beantwortet habe; Len Einwand aber, Laß wich tige Konferenzen, die mit unserer südwestafrikanischcn Er- pedition zusammenhtngen, den Kanzler abberufen hätten, tat dieser Weise mit der Bemerkung ab: wenigstens eine ganz kurze Erklärung hätte Graf Bülow doch in Person verlesen müssen. Ach, du grundgütiger Himmel, den Zorn hätten wir in der agrarisch«» Presse sehen mögen; bi» an die Sterne, die vom jrostklaren Winterhimmel blinken, wäre di« agrarische Empörung dann empor geloht! Nein, Graf PosadowSky mag anstellcn was er will: die Rechte hat ihn aufgegeben; er ist ihr im höchsten Maße verdächtig; ein Mann de» „juaio wiliou"; ein Sozialpolitiker, ein Anhänger der „von den Professoren auSgebrütcten Theorie vom neuen Mittelstand"; ja viel leicht — man kann nicht wissen — in seine» Herzens tief, stem Schrein gar ein heimlicher Freund der Industrie! Da ist — meint wieder die „Deutsche TageSztg." de» frühe- ren Abg. vr. Oertel — der preußische Finanzminister Frhr. o. Rhetnbaben doch ein ganz anderer Mann. Der hat am Dienstag im preußischen Abgeordnetenhaus? den Etat eingebracht und sich bet der Gelegenheit in alle stramm agrarischen Herzen gestohlen. Im Grunde durch eine nebensächliche Bemerkung. Der Minister hatte zu- erst die wicdcrkchrende günstige Konjunktur begrüßt, die wider Erwarten die Staatskassen von neuem gestillt und das Defizit verscheucht hätte. Dann kam er auf seine amerikanischen Erfahrungen zu sprechen — Herr v. Nhcinbaben war im vorigen Sommer ein paar Wochen „drüben" — und riet, ganz wie Herr Möller das zu tun pflegt, zu Trust- und SyndikatSbildungen, zu einer Zu sammenballung der Kapitalien und der Unternehmungen, um so besser und geschützter den großen Kapitals- und Ge- schäftLassoziativnen des überseeischen Westens gegenüber treten zu können. In diesem Zusammenhänge siel das Wort: die Industrie sollte doch auch die Förderung -es inneren Marktes nicht vergessen. Der sei auf alle Fälle zuverlässiger, als die Märkte des Auslandes; wer durch Zollschutz die Landwirtschaft wieder aufnahmefähig mache, helfe am letzten Ende auch am zuversichtlichsten der In dustrie. Aus diesen Sätzen, die, so wie sie gesprochen wur den, durchaus etnwandsfret sind, haben manche Leute herauSgelesen, Herr v. Rheinbaben stehe agrarischen Pro- grammforderungcn nicht fern, und da er ohnehin vielen als der „kommende Mann" gilt, ertönen ihm schon da und dort feierliche Oden. Wie weit diese Hoffnungen be gründet sind, läßt sich fürs erste noch nicht beurteilen. Daß -er Finanzminister sich für eine Herabsetzung der Totali- satorstcuer ausgesprochen hat, ist zwar auch kein gerade er freuliches Symptom; aber es reicht noch nicht auS, den Mann zu verdammen . . .In Crimmitschau aber ist Friede geworden, und von allen, die nicht unmittelbar selbst in die Erwerbsinteressen verflochten sind, steigt der heiße Segenswunsch auf, daß er bewahrt bleiben möge und daß Zeit und Umstände es bald verstatten, die Leiden schaften, die der Kampf hüben und drüben ausgepeitscht hatte, wieder zu glätten . . . Auch draußen ist — hier muß man sagen: noch — Friede. Aus dem Welttheatcr gibt man noch immer da» alteStück: „Dte o st a s i a t i s ch e Frage"; aber eS macht nicht mehr Sensation. Seit die erfinderischen Köpfe des „Neuterschcn BureauS" angcfangen haben, statt schwarz rosig zu malen, gar nicht mehr. So ungemein friedlich tönt eS jetzt selbst auS Londoner Blättern, daß es nicht ganz leicht ist, dieses plötzliche Vertrauen in die Harm- losigkeit des russisch-japanischen Streits so unbedingt zu teilen. Entscheidende Aendcrungen in Oftasicn selbst geben nicht den Grund zu der jetzt in London beliebten völlig veränderten Auffassung. Was sich wirklich geändert hat, ist nur die englische Berichterstattung. In Ostasien selbst aber hat sich sogar durch die heikle Lage in Söul eine neue Möglichkeit zu allerhand Verwickelungen aufgctan. Immerhin bietet der Umstand, daß dort alle Großmächte vertreten und bis zu einem gewissen Grade interessiert sind, eine Gewähr dafür, daß alles ausgeboten werden wird, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Auf dem ernsten Hintergründe dieses Weltbildes toben sich einigermaßen erheiternd die neuesten Aufregungen der Franzosen ab. Ter „ F a l l D e l s v r " hat eine Reihe der wunderlichsten nationalistischen und klerikalen Inter mezzi auSgclöst. Der „Grenzbischof" Turinaz, der in Nancy mit den Seinen öffentlich um die Errettung Lothringens vom deutschen Joch und Frankreichs vom Ministerium CombeS betete, und Herr Tsroulsde, von dem die Nationalisten die Legende verbreiteten, er werde zum großen Tage deS Abbü Tclsor selbst aus dem E;il nach Paris eilen, -eS nämlichen Delsor, der ihn einst einen Idioten hieß — bas ist das Frankreich der letzten Woche.., Deutsches Reich. * Berlin, 23. Januar. * Die Kriegervercinc und die Sozialdemokratie. In den Krtcgervercinen bricht sich mehr und mehr die Er kenntnis Bahn, daß man aus dem alten Wege der Be kämpfung der Sozialdemokratie nicht weiter komme. Man tst allgemein der Ucbcrzengung, daß man sich zu passiv ver halten und vor allen Dingen sich nicht genügend der Presse bedient habe. Tie KriegervereinSprcsse arbeite nicht befriedigend sür die höchsten vatcrländ'schrn Auf gaben der Vereine, und ihre Organisation habe bei den letzten NeichsiagSwablen, wenn auch nicht versagt, so doch ungenügend gewirkt Allgemein hält man eS sür nötig, die Zaghaftigkeit, mit der bisher in den politischen Kämpfen daS KriegervcreinSprogramm vertreten worden, zu überwinden. In Hessen sei man ohne Scheu bei den letzten Neichstagswahlen in die Oeffentlichkett getreten, habe Flugschriften gegen die Sozialdemokratie verteilt, energische Ausrufe gegen sie erlassen und grobe Erfolge damit erzielt. Die Organi sation der Kriegcrveretne habe, so wird weiter hervor ge hoben, durch dieses Hervortreten in die Oeffentl chkeit nicht im geringsten gelitten, man müsse daher auf diesem Wege weiter Vorgehen. Aus der nächsten Vertrctcrversamm- lung de» Kysshäiiser-Vunbe» der deutschen Lande»- kriegervcrbände wird man diese Angelegenheit weiter ver folgen und speziell der Errichtung eine» PreßbureauS der deutschen LandeS-Äricgerverbände näher treten. * Ueber die Verwendung von Juristen in der Post» Verwaltung verbreitet sich in der Halbmonatsschrift „Deutsche Stimmen" fBerlin, Verlag von Ä. Baensch) ein höherer Postbeamter; er kommt nach einem interessanten historischen Rückblick zu folgenden beachtenswerten Schlußfolgerungen: „Der Jurist ver mag nicht mit dem Postbeamten zu denken und zu fühlen, dessen Stimmung un- Bedürfnisse nicht »u erkennen. Die Juristen haben z. B. die zweite PoswerwaltungSprüfung nie als vollgültiges höheres Examen anerkannt, obwohl sie nach Inhalt und Form vollen Anspruch daraus Hut. Hier stützen sich die Juristen zunächst auf den Mangel einer vollen akademischen Bildung, ein Mangel, der aber die Prüfung um so schwieriger macht und vom einzelnen nicht beseitigt werden kann. Sodann werden die Post sachleistungen, unter denen das positive Wissen keines wegs den Hauptbestandteil bildet, stets unterschätzt. Ter das Bcüürfuis übersteigende Andrang zur höheren Prüfung veranlaßte zeitweise noch deren Verichälsung. TaS Aufrücken von Juristen ohne sachliche Vorbildung in die höchsten Stellen der Postvcrwaltung hat erklär licherweise ihre Schätzung der Postleislungcn nicht gc- steigert. Besonders aber hat das Widerspruchsvolle in der Postlauibahn das Urteil der Juristen beeinflußt. Ein Jurist wird kaum eine Laufbahn als eine höhere an erkennen, die nach bestandener Staatsprüfung durch Subalternstellungen führt und zum Teil in solchen endigt. Wenn ein Jurist seine Leistungen als Direktor und Unterstaatssekretär sür ausreichend erachtet, so er klärt sich dies daraus, daß in der Postverwaltung auch eigentliche Fachmänner nur vereinzelt an der Leitung be teiligt waren. Tie meisten höheren Postbeamten haben selbständige verantwortliche Stellen — Postamt und Oberpostdirektion — nicht geführt, den naturgemäßen Weg von der kleineren zur größeren Sc bständigkcit nicht zurückgelegt und darum die Bedürfnisse des Massen- betriebe« und die beste Art ihrer Befriedigung nicht näher kennen gelernt. Hieraus erklären sich die Miß- stände und die nie verstummenden Klagen. Die ein zelnen Fälle finden vom Schreibtische auS ihre mehr oder weniger geschickte Erledigung, aber die Beherrschung des Ganzen zeigt Lücken. Die Frage, ob durch die Zu lassung von Juristen zur Leitung Vorteile oder Nach, teile erwachsen sind, tst nicht bestimmt zn beantworten, weil der Bergleichungsmaßstab fehlt. Allgemein aber ist anzunchmen, daß ein gründlich au-gebildeter Fachmann in Stellen, we che genaue FachkcnntniS fordern, mehr leisten wird, als ein Nichtsachmann." * Tte »rutschen Kaufleute un» »as Tentschtn« t» AnSlande. Die Hamburger „Börsen-Halle", die sich ja ausschließlich die Förderung der deutschen HandelSmteressen zur Aufgabe gemacht bat, klagte kürzlich da-über, daß unsere Handelskammern, unsere Kaufleute und Industriellen viel zu wenig zur Er haltung des Deutschtum» im Ausland täten, wie sie e» durch tatkräftige Unterstützung der Bestrebungen de» All gemeinen Deutschen SchulvereinS könnten und tollten. Nur in den Hansastävtcn besitze man in den Kreisen de» Handels ein etwas besseres Verständnis dafür, daß gerade unsere Kaulleute mit reger Mitarbeit auf diesem Felde nationaler Arbeit ihre eigensten Interessen förderten. Dazu schreibt nun der „Tgl. Rvsch." ein hanseatischer Kaufmann, daß leider auch dort diese Einsicht noch lange nicht tief und allgemein genug sei. Auch unsere hanseatischen Kaufleute bätten sich noch lange nicht so, wie vor allem die englischen, die Ueberzeuguna zu eigen ge macht, daß die Propaganda für die Sprache eines Volkes die beste Pionierarbeit für seinen Handel sei. Und doch könne gerade der Kaufmann diese Wahrheit auf Schritt und Trüt mit greifbaren Beispielen belegen. So hätten, um nur eines zu nennen, die zahlreichen in Südbrasilien angesiedelten rheinischen und westfälischen Bauern früher in ihrer drutichen Heimat zu ihrer Kleidung einen ganz bestimmten Baumwollstoff benutzt, den sogen. Blaudruck, der in Düsseldorf, Hohenlimburg und teilweise auch im Elsaß hergestellt werde. Diese Leute haben nun, da sie drüben mit ihrer deutschen Sprache auch ihre überkommenen heimischen Gewohn heiten bewahrten, auch ihre alte Kleidung beibehallen. DaS Geschäft, das daher die deutschen Fabrikanten mit der Lieferung de» erwähn ten Blaudrucks nach Südbrasilien machen, ist gar nicht gering. Hätten nun aber die deutschen Bauern in Südbrasilien sich ihr Bolksbcwußtsein nicht erhalten, hätten sie mit ihrer Sprache ihre deutschen Gepflogenheiten aufgegeben und sich dem Lusobrasilianer- tum angeschlossen, so würden ganz sicher wie alle anderen sie beute in Südbrasilien englisch« Fabrikate für ihr« Kleidung verwerten. Aehnliche Zusammenhänge in hundertfacher Variation ließen sich überall da finden, wo Deutsche im Ausland sitzen. * Ueber das russische Spitzelwcsc« lu Deutschland wird der „K. H.-Z." geschrieben: Wer die Rede des Staatssekre tärs Frhrn. v. Richthoscn hörte, mit der er die „neutrale" Haltung der deutschen Regierung zu dem Treiben russischer Spitzel in Deutschland begründete und verteidigte, konnte sich des unbehaglichen Gefühles nicht erwehren, daß der Staatssekretär keinen besonders glücklichen Tag hatte und daß doch noch Reste von Behaup tungen unwiücrlegt blieben, die sich nicht einfach durch sein „Ja" oder „Nein" aus der Welt schassen lassen. Plag man immer zugcben, daß die russischen Anarchisten und .-Revolutionäre", die unsere Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, nicht alle einwandfreie Charaktere sind, eines darf man doch nicht vergessen, nämlich, daß „Revolutionär" in Rußland eine wesentlich andere Bedeutung als jetzt bet uns hat, und daß auch in Preußen Leute wie Fritz Reuter, Gottfried Kinkel u. a. zn schweren Freiheitsstrafen verurteilt wor- -en sind. Genügend aufgeklärt scheint auch die Frage deS Einbruchs deS russischen Polizeiagenten in die Wohnung friedlicher Leute nicht zu sein. Man nimmt deshalb in den Kreisen der Regierungsmehrheit deS Reichs- tage» an, daß diese Angelegenheit für die Re- gterung noch nicht abgetan ist, sondern daß sie die nächste Gelegenheit ergreifen wird, daS wettere Material, da- ihr noch zur Verfügung steht, dem Reichstage zu unterbreiten. * Sehr verständige AnSführunse« ober dl« «er,te. bewcgung finden sich im „Lorrespondemen", dem Ver- bandSorgane der organisierten Buchdrucker und Schrift, gtcßer Deutschlands. Wir entnehmen dem Aussaye folgendes: „Freudig und nicht neidisch sei die Stimmung der Arbeiter, wenn sie die Organisation der Aerzte be trachten, die in ihrer inneren Stärke jedem vorurteils freien Gewerkschaftler Achtung abringt. Die Ueber- hänkuiig der Aerzte mit Arbeit, verbunden mit einer un genügenden Bezahlung ist an vielen Orten vorhanden und die wahrhaftig tief elngerissene oberflächliche vcbandlung durch den Kassenarzt, der „ehrend«" Titel
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