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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040126024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-26
- Monat1904-01
- Jahr1904
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BezugS-PreiS in der HaupterpedÜion oder deren Au-gabe- stellen aogeholt: viettrliährlich 3.—bei zweimaliger täglicher Zuuelluna in» Hau« 3.7b. Durch dir Post bezogen für Deuiich. land u. Oesterreich vtertestayrlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZritungSprriSliste. NeSakttou »nd Expedition: Johanni-gassr 8. Fernsprecher 153 u. 222. Ftlialerpedittanen: AlfredHahn, Buchhandlg., Universttät-str. S (Ferospr. Nr. 4046), L. Lösche, Kathannea- straß« 14 (Fernsprecher Nr 293Ü- u. König»- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7502). Haupt-Filiale Dresden: Marienftraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: EarlDunck e r, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandla., Lützowstraße lO^FrrnjprecherÄintVI Str.46o8.) Abend-Ausgabe. U'chugcrTagtblalt Anzeiger. Amtsblatt -es ÄSniqlichcn Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Aolizeiamics der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Rebaklionsstrich (4gespalten» 7ü vor den Fomiliennach» richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ztsserniatz entsprechend höder. — webüörrn für Nachweisungen und Lsfertenannahmr 25 Ertra-Veilagen (gesalzt», nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesvrderung 60.—, m i t Pvstbesörderung 70.—. Auuahmeschluß für Anzeigen: Abe ad-Ausgabe: vormittags lO Uhr. Morgen«Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Ezpebttion zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. l-r. L., R. L W. Klialhardt». Sir. 46. Dienstag den 26. Januar 1904. 98. Jahrgang. Var lvichtigrte vom Lage. * Der bisherige Erbprinz Friedrich hat als Herzog Friedrich die Regierung de» Herzogtum» Anhalt an getreten. * Der koburgische Landtag hat die Errichtung einer staatlichen Auskunftei beschlossen, welche die erste ihrer Art im Reiche sein würde. * Die kürzlich von der Presse veröffentlichten Berichte über die Unruhen in der koreanischen Provinz Schung- tschöngdo werden in Tokio al» üvertrieben bezeichnet; eS wird aber nicht in Abrede gestellt, daß das Land noch lange nicht beruhigt sei. Da» neue koreanische Kabinett sei Japan freundlich gesinnt. * In PittSburg wurden in einer Grube 125 Berg leute verschüttet. Man glaubt, daß sie sämtlich ge tötet seien. Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. Januar. Kritische Lage de» Reichstag». Die Verhandlungen de» Reich-tag- sind gestern in ein kritische» Stadium getreten; weniger deSbalb, weil weit tragende Befchlüffe zu fassen wären, alt weil e« von der Ausdehnung der sozialpolitischen Debatten abbängt, ob da- Hau» wenigsten« zur rechtzeitigen Fertigstellung des Etat« in der Lage sein wird. Die Möglichkeit ist kaum abzuieben. So lange die verbündeten Regierungen die Anwesenheitsgelder nicht bewilligen und auch nicht einmal angeben, um welchen Preis denn überhaupt dies Zugeständnis zu erreichen wäre, so lange ist die Mehrzahl der Reichs boten nicht zu regelmäßigem Besuche der Sitzungen zu bringen. Da« fällt bei dem Etat des ReichSamtS de- Innern, dessen Beratung gestern begonnen hat, besonder« schwer inS Gewicht. Das Ressort de« Grafen PosadowSky ist derart ausgedehnt, daß schließlich feder Gegenstand mit ihm in Be ziehung gebracht werden kann; zudem begreift e» da« unab- »ehdar« Gebiet der Sozialpolitik in sich. Nach dem Grund sätze, daß di« längsten Reden immer die besten sind und dag die dreistesten Argumente durch ständige Wiederholung an Glaubwürdigkeit gewinnen, bat bier die Sozialdemokratie von jeher agitatorische Feste gefeiert. Sie allein zahlt ihren Abgeordneten Diäten, weil andernfalls vielleicht auch den sozialdemokratischen Mit gliedern die Geduld zur Anhörung der Lamentationen Stadt hagen», Wurm«, Kunerts usw. ausgeben würde. Die bürger lichen Fraktionen bestehen ganz überwiegend aus berufs tätigen Männern, von denen ein großer Teil mangels jeder Entschädigung für den Zeitaufwand Wichtigeres zu tun bat, als Ausblicke in den Zukunstsstaat zu tun. So ist das Reichsamt des Innern wehrlos dem sozialistischen Wortschwalle preisgegebrn; im beschlußunfähigen Hause besteht keine Handhabe, einen Antrag aus Schluß der Debatte durchzubringen, d. h. die Erörterung auf die notwendigen sachlichen Ausführungen zu beschränken. So leidet die posi tive Arbeit auf da» fchwerste unter dem Propagandabedürfnis der Genossen. Nun bat aber vollend- da- Zentrum, um der Sozialdemokratie den RanH abzulaufen, seine in das Ressort des ReichSaml« fallenden Anträge zu unaufschieblichen Resolutionen zum Etat diese« Amtes umgcsormt und die übrigen Fraktionen gezwungen, das Gleiche zu tun. E« steht also eine schier endlose aber sicherlich keine in den Augen charattervoller glänzende Rolle! Die jüngste deutsche Auswanderung. liegt der Geschäftsbericht der Zentralauskunftsstelle Außer der Zcntral- der seit Jahr und TaH den ZentnimSblättern gütige Pfeile gegen alles Protestantifche liefert. Ein „voraussctzungsloser" protestantischer Gelehrter, von einem fozialdemokramchen Redakteur einem ullramontanen Blatte als Kronzeuge gegen den Protestantismus zugewiesen und zugesübrt — das ist zwar ein starkes Zeugnis wissenschaftstcher VorauSsetzungs- toss^keit, Männer < Vie angesekeime cagesreinmg Leipzigs eines äer an Tett umfangreichsten unä reichhaltigsten Organe ganz Sachsens ist nach äer amtlichen Feststellung im Kaiser!. Hauptzeitungsantt clas ------------ Leipziger Tageblatt 6s ist clie einzige Teilung Leipzigs, äie täglich Ltvrt Mal erscheint. Vas „Leipziger Tageblatt" bietet mit seinen kervorragenden Mitarbeitern unä wegen äer Zu verlässigkeit unä Schnelligkeit seiner Kerichterstattung äem Leser mekr als irgend «in anderes Klatt Sachsen». Cs Kat sich von jeder durch einen vornchmen TvN vor anderen Organen ausgezeichnet. 6in wahrhaft gcüicqcnes Feuilleton, wie es kein anderes sächsisches Klatt besitzt, zeichnet das „Leipziger Tageblatt" aus. Cin guter Koni an ist in den Augen jedes gebildeten Lesers der MaVstab kür die Süte eines Klattes. Vas „Leipziger Tageblatt" Kat keine Opfer gescheut, sein» Leser in diesem Punkte völlig zufriedenzustellen. Demnächst wird u. a. lvilbelm Jensens koman „Lamms Karlen" zum Albdruck gelangen, ein gsnr hcrvorragcnücr Werk, das den kuf des ausgezeichneten Schriftstellers von neuem glänzend rechtfertigen wird. Vas „Leipziger Tageblatt" hat sich den des koman» gesicherl. ' Ol'iglNäl-AVÜI'ULV Vas „Leipziger Tageblatt" wird in allernächster Teit Umwandlungen ertakren, die der Lequemlichkeit und dem vutzen der Leser dienen rollen. Wan abonniere «las kockrngesekene „Leipziger Tageblatt". Vas Abonnement kostet für die Monate Februar und März nur W. A. — , frei Haus llü. L.SV. vle kxpeHMoii Her Lrlprigrr Lagrblaner, k. ?slr (Inhaber: Oe. V., K. u. kll. Rllnükarät). Dauer der Debatten zum Etat de» Ressorts des Grafen Posa- dowSky in Aussicht. Beschlußunsäbigkeit wird gar bald die Folge sein — und waS dann? Daß wenigstens der Beichlutz- unfähigkeit durch Gewährung von Anwesenbeil-geldern we.de vorgebeugt werden, ist nach den gestrigen lakonischen Er klärungen des Staatssekretärs des Innern nicht zu erwarten, und so eröffnen sich für den weiteren Verlauf der Tagung geradezu trostlose Aussichten — wenn nickt der Senioren konvent ein Einsehen hat und die gründlich verfahrene Situation durch ein energisches Dazwischensahren ändert. «ne 7N»on«mr»« UN»«» St»«e Stn»»ncli»n- <l,r po»e- Klcrikale und sozialdemokratische Intimitäten. Bekanntlich besteht in Bayern brüderliche Eintracht zwischen Ultramontanismus nnd Sozialdemokratie, eine Erscheinung, die man angelegentlichst der „Kremz^-" und anderen Verehrern der Zentrumspartei als einer Stütze der Autoritäten zur Beachtung empfehlen möchte. Das Bündnis zwischen Schwarz und Rot, das in einer Münchner Domsakristei abgeschlossen wurde, ist ja allgemein bekannt. Merk würdig ist die wunderbare Uebereinstimmung beiderParleicn in den verschiedensten Fragen. Am allermerlwürdigsten trat sie hervor in der^ Debatte der bayerischen Kammer über Preß freiheit bezw. Sittlichkeits-Gesetz. Denn trotz der prinzipiellen Gegensätze herrschte eine Zuvorkommenheit der einen Richtung gegen die andere, wie sie nur aus einer hochgradigen «vtsnte cordialo, und dem Bestreben, eine solche ausrecht zu erhalten, erklärlich ist. Der sozialistische Führer Müller halte das Denisie-Werk al- anstößig und unanständig bezeichnet, glaubte aber alsbald die Wunden, die er dem KlerikaliSmus damit ge schlagen, mit Oel und Wein waichen zu müssen. Er erinnerte das Zentrum daran, daß er die Graßmann-Angriffe aus Liguori zurückgewiesen habe, sowie gegen den „Hoensbrocch- rummel" aufgetreten sei. Dabei entschlüpfte ihm das inter» essante Geständnis: „Außerdem werden Sie mir zuerkennen müssen, daß ich bis zu einem gewissen Grade der intellek tuelle Urheber der der Kirche zweifellos sehr nütz lichen Pilatusbriefe bin." Er habe den ihm befreundeten „Pilatus" auf den HoenSbroech Folianten aufmerksam gemacht und ihn, da er selbst in seinem sozialdemokratischen Blatte für längere religiös-politische Auseinandersetzungen keinen Raum habe, an «ne andere Vtelle (die ultramontane „Post- zeitung") verwiesen. Damit fällt aus die Verbindungen zwischen sozialdemokratischer und ultramontaner Presse ein bezeichnendes Licht, das die Erklärung des sozialdemokratischen Redakteurs glaubhaft macht, er könne bezüglich seiner Freundschaft für den Katholizismus schriftliche „Be weise von katholischen bayerischen Geistlichen dafür bringen, daß er äußerst loyal sei in seiner Redaktion." Es fallt aber auch zugleich ein interessantes Streiflicht auf die mysteriöse Persönlichkeit des „PilatuS", jenes „Protestanten", Uns liegt der Geschäftsbericht der Zentralauskunftsstelle für Auswanderer über ihre Tätigkeit vom 1. Oktober 1902 bis zum 30. September 1903 vor. Außer der Zcntral- auskunftsslelle selbst erteilen seil Ende vorigen Jahres 55 von ihr errichtete Zweig - Auskunstsstellen Auskunft auf mündliche Anfragen. Die Zentral - Auskunslostelle bat während des Berichtsjahres 2906 schriftliche und 470 mündliche, im ganzen also 3376 Auskünfte erteilt. Wenige der Anfragenden waren jünger als 18, wenige älter als 45 Jahre. Die Auskunftserteilung war auch diesmal dadurch erschwert, daß viele Anfragen keine Angaben über Alter, Beruf, Vermögen und sonstige persön liche Verhältnisse enthielten. Auch diesmal fragten wie schon früher viele Auswanderungslustige zugleich für eine ganz« Reibe von Genossen an. In manchen Fällen bandelte es sich um Gruppen von 30 bis 50 Personen. Die Zahl derer, die von den Auskünften Nutzen ziehen, ist also weit größer als die Zahl der Anfragenden. Der Bericht glaubt nicht zu hoch zu greifen, wenn er die Zahl der ersteren auf etwa 17 000 schätzt. Weit über die Hälfte der Anfragen, nämlich 2315 bezog sich auf die deutschen Schutzgebiete. Die weitaus meisten der Anfragenden eigneten sich nicht für dieses Aus- wanverungSziel, da sie meist nicht einmal daS erforderliche Reise geld belaßen. In der Verteilung der übrigen Anfragen zeigt sich eine Verschiebung zu Gunsten Süd-Brasilien- auf Kosten der Vereinigten Staaten. Aus Süd-Brasilien bezogen sich 237 Anfragen. Viele davon mußten abmabnend be- schieden werben. Dagegen konnte, namentlich bei mündlichen Besprechungen, Süd-Brasilien einer ganzen Anzahl von Au»- wanderungslustigen gegenüber dem von ihnen inS Auge ge faßten Land als das geeignetere Auswanderungsziel bezeichnet werden. Auf die Vereinigten Staaten bezogen sich 215 Anfragen. Die Mehrzahl der in Betracht kommenden Auswanderer war auch diesmal von bereits drüben woh nenden Verwandten und Freunden zur Nachwanderung auf gefordert. Auf Britisck-Südasrrka bezogen sich 130, auf Argentinien 76, auf Eanada 62 und auf Australien 61 Anfragen. Doch waren auch fast sämtliche übrige Länder vertreten. Nach Berussarten verteilten sich die Anfragen also: Von Handlungsgehilfen kamen deren 713, von Hand werkern 509, von Landwirten 501, von Ingenieuren und Technikern 255, von Arbeitern 107, von AuowanderungS- luitigen weiblichen Geschlechts, meist Dienstboten, 93, von Lehrern 54, von früheren Offizieren 19, von Bergleuten 14 und von Architekten 6. Viele von diesen hat die erhaltene Aufklärung von oft kaum glaublichen, abenteuerlichen Plänen abgehalten und vor Not und Elend bewahrt. Wieder holt ist man bei der Auskunföarbeit auf unlautere Elemente gestoßen, welche die Leute in gewissenloser Weise zu verderblicher Auswanderung zu verleiten suchten. So konnte ein unredlicher Auswanderungsagent seiner Strafe zugesübrt werden. Während der Gesamtrauer ihrer Tätig keit bis zum Tage der Berichterstattung, zum 1. Oktober 1903, d. h. in einer Zeit von 18 Monaten, bat die Auskunftsstelle über 6000 schriftliche und mündliche Anfragen beantwortet und so wohl mehr al- 30 000 Personen geuützt. Feuilleton. In der S anduny. ij Roman von Wilhelm Fischer. «Naa,druck verboten.» Erstes Kapitel. Rechtsanwalt vr. Ernst Werner hatte, wie sie sagten, nur aus Liebe geheiratet. Diese „sie", die sich praktisch nennen und sich überall, auch in ber guten Gesellschaft zu Häuf' finden und die bekannten, ungeschriebenen Gesetze geben, nach denen man sein Betragen einrtchtet, falls man „korrekt" sein will, pflegen eine „Liebesheirat" ohne besondere Mitgift mit einem gewifsen Achselzucken eine Dummheit zu nennen. DaS Volk selbst spricht kaum anders. Für manchen ist es ja ein Glück, da- er nicht wei-, was die Leut« sagen. Zu ihnen gehörte vr. Werner, und auch Wally, seine Frau, war in ihrer Sh« viel zu glücklich, um an die niederrtngende Macht und Kraft der verleumderischen Bosheit neidischer, mißgünstiger Men» sdien zu glauben. Frau Wally war tatsächlich so glücklich, da- sie nicht darnach fragte, was andere über sie urteilten; sie erfüllte ihre Pflicht als Hausfrau, alles andere aber war ihr eitel. Schlicht und herzlich trug und gab sie sich. Gesell» schaftlich hielt sie sich mit dem Takt einer gesinnungs vornehmen Frau im Hintergrund« und war alles andere, als eine sogenannte Salonlöwin, die nach ber vertrauens seligen Einfalt ihres Mannes und nach der Zahl ihrer Verehrer tariert werden will. Nichts destoweniger war Frau vr. Werner sieghaft schön. Ihre Schönheit war eine so aparte, da- ihr einmal gelegentlich eine» Hof. balleS der immer witzig sein wollende hohe Gastgeber zurief: „Ah, unser Modell zur „Bettlerin von ?ont de, ^rt, , ein Bonmot, daS ihre Schönheit, aber auch ihre bescheidenen elterlichen Verhältnisse charakterisierte. Ihre einzige Leidenschaft galt dem Theater; auch er schien sie reaelmätzig auf dem „grünen Rasen"; sie war Theater» und Sportenthusiastin. Al» sie, wenige Wochen nach dem Hofball, wieder in ihrer LieblingStracht, einem eleganten, einfachen schwarzen Kleid, an der Sette ihres Gemahls in der Theaterloge erschien, flüsterte ein bos hafter Kollege deö letztere» seiner Nachbarin zu: „Die Bettlerin von ?out des ^rts" kommt wieder in Schwarz." So hatte sie ihren gesellschaftlichen „uom do guorro" weg, und als sie davon erfuhr, war sie viel zu gutmütig, um die boshafte Spitze, die in diesem Ausdruck lag, zu verstehen. Rechtsanwalt vr. Werner, den seine Kollegen den „blonden Germanen" nannten, gehörte nicht zu den forensischen Virtuosen, denen die „braunen Lappen" nur so zuflattern. „Ltvssieurs los assussius" und alle anderen Größen aus der verehrlichen Zunft der Verbrecher er blicken tu ihm nicht den unfehlbaren Befreier, den großen Zauberer, dessen TaliSinan jedes Gefängnis öffnete. Dazu fehlten ihm noch die reißenden Schlager und die Plattheiten eines skrupellosen Geschäftssinnes; er war, wie der Amerikaner sagt, noch nicht „gemenaget"; aber er galt mit Recht als tüchtiger Jurist und lauterer Cha rakter. Es waren mehr die soliden Elemente unter den „Parteien", die sich seinen Rat und seinen Beistand sicherten. Werner führte nur sogenannte Alltagsprozesse; daß er sie nach bestem Wissen «nd Gewissen führte, kam mehr dem Renommee seiner „Praxis", als ihren klingenden Erfolgen zu gute. DaS war eS auch, wa» ihn im Inter esse seiner Familie veranlaßte, neben seiner Praxis als Rechtsanwalt noch die Stellung al» Syndikus einer grösseren Bankgcfellschast sich aufzubürden. Er gehörte keineswegs zu jenen „Narren des Glücks", die nichts Heiligere» kennen, al» der Teufelin Re präsentation Vermögen und Gesundheit zu opfern; er kam den gesellschaftlichen Verpflichtungen, die ihm fein Beruf ausnötigte, mit vornehmem Takt nach, aber er brachte ihnen nur die allernötigsten Opfer. Zu den Intimen seine» Hauses zählten neben einem Regiment-freund, dem Baron Emmerich von Briesen, Rechtsanwalt vr. Römer, dessen Krau Grete und die alte verwitwete Fustizrätin Mohr. DaS war sein und Wally» ganzer Verkehr. Mit dem Baron duzte er sich schon seit Jahren; AnquesitS Weisheitswort, „daß die Gegensätze sich an- ziehen", traf auch hier wieder zu. Er, der ernste, ideal denkende Mann, dessen ganze» Leben der anstrengenden Berufsarbeit gewidmet war, fand in einem regen FrcundschaftSverkehr mit einem Manne Erholung, der sich damit brüstete, den Stamm- bäum jedes Rennpferdes zu kennen, der damit kokettierte, im Zargon des Turfs den Pessimisten Schopenhauer und Nietzsche Borspanndicnste zu tun. Man konnte den Baron selbst mit dem besten Willen nicht ernst nehmen, und niemand nahm ihn denn auch ernst, er ^selbst nicht. Der Baron ging in Werners Hau» ein und aus. War vr. Werner gerade beschäftigt, dann schickte er ihn seiner Frau, wie man ein spielendes Kind in eine andere Laube schickt, wenn eS stört. Wally machte eS gerade so. Wenn er ihr unbequem kam, dann schickte sie ihn kurzer Hand ihrem Manne. Sie hielt ihn für ungefährlich, obwohl eS ihr nicht entging, daß er sie verehrte. Mit feinem Takte wußte sie seine Huldigungen inS Lächerliche zu ziehen und sich so zu geben, daß der Baron, wie er sich selbst einmal ärgerlich sagte, schon zurück geschlagen war, ehe er zum Sturm sich augcschickt hatte. Werner fand in dem kleinen „Flirt" seiner Frau mit dem Baron nichts, er wußte, daß er ihr vertrauen durfte, und von dem Freunde war er überzeugt, daß er, obwohl er mit Sentenzen der Pessimisten um sich warf, «in edler Eharaktcr war. Auch heute hatte Werner, da er sehr beschäftigt war, den Baron feiner Frau geschickt. Frau Wally war ge- rabe mit einer Handarbeit beschäftigt, al» der Baron eintrat. „Ich soll Ihnen wieder einmal Gesellschaft leisten! Darf ich, meine Gnädige?" fragte er, und, ohne ihre Ant wort zu erwarten, rollte er einen Sessel in ihre Nähe. Sie lächelte fein. „Ich -achte gerade an Sie, Baron." „Also komme ich wieder wie Wolf in der Fabel. Darf ich wissen, was Gnädige von mir dachten?" „Ich dachte daran, daß Sie wirklich wenig Respekt vor der Ehe haben müssenI" entgegnet« sir und blickte von ihrer Arbeit aus. ,Habe ich! Und sogar sehr, nur heirate ich nicht!" Wally lachte hell auf. „In der Tat, Baron. Sie sind unverbesserlich. Heiraten Li« nur. Die Ehe gibt den besten Halt." „Die Ehe! Ah, Sie meinen doch nicht, bass ich ohne Halt sei. Parbleu, meine Gnädigste, auch wir Jung gesellen haben Grundsätze." „Die kennen mir!" sagte Wally fröhlich und legte ihre Arbeit bei Seite. „Politisch bin ich Aristokrat, persönlich Demokrat. Ich iiebe die Freiheit an mir, die Ehe als Liurichtung ist mir zu konservativ", witzelte der Baron und lehnte sich bequem in den Sessel. ,Li)te denken Sie eigentlich über die Ehe als konser vative Einrichtung selbst'?" forschte sie und blickte ihr Gegenüber belustigt an. „Stelle mir die Ehe als eine Art Parlament vor, in dem zwei Majoritäten lebenslänglich um die Herrschaft ringen", warf der Baron nachlässig hin und spielte nut seinem Monocle. „Man wird auch so alt", fuhr er dann nach einer kleinen Pause fort, „und löscht dann das Lämpchen aus, hinterläßt man weder Witwe noch Waisen. Meine Gnädigste, wenn Sie mir garantiere», da- in meiner Ehe kein Todesfall vorkommt, heirate ich auf der Stelle, wen und was Gnädigste wollen." Wieder lachte Wally herzlich auf. „Also Junggeselle au» übergroßem Zartgefühl! Ich hielt Sic bisher, Ihrer Grundsätze wegen, für einen Nihilisten im Frack; ich sehe", sagte sie mit spöttischem Tone, „ich Hobe mich geirrt; ich muß Sie für einen Gemütsmenschen halten?" „Gnädigste irren! Ich bin kein Gemütsmensch", sagte er und klemmte sein Monocle ein. „Man kann, denke ich, die Frauen ehren und glühend lieben, ohne sic gleich zu heiraten. Die Frau aber, die man heiratet, lernt man erst in der Ehe kennen. Man kauft da ge wöhnlich die Katze im Sack." Wally amüsierte sich innerlich gottvoll, äußerlich aber bewahrte sie ihre Fassung, als sie trockenen Tone» er widerte: „Ich habe mich daran gewöhnt, Baron, Ihnen nicht» Übel zu nehmen/ ,Meiss ich", bekräftigte er kaltblütig und verbeugte sich leicht, während er da» Monocle vom Auge schnellte. „Trotzdem bin ich in meinem Recht; man kault die Katz« im Sack." . „Sie denken von un» Frauen, scheint e», doch schlimmer, al» e» für Sie selbst gut wäre, Baron." Er zuckte mit den Achseln: „Für mich! Mein Gott, wa» kann ich dafür, da ch Recht habe, wenn ich die Frauen im Verdacht habe, da- sie ein holde», manchmal sieghaft schöne» Gemisch
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