Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040130027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-30
- Monat1904-01
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausnabe Nr. A. Sonnabend den 30. Januar 1904. NWM T agMü Anzeiger. Amtsblatt des königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeiamles der Ltadt Leipzig. Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen avg eh olt: vierteljährlich 8.-^ bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau« S.7K. Durch di« Post bezogen für Deulich- land u. Oesterreich vierteljährlich ^ti 4.20, für die übrigen Länder laut ZritungSpreiSliste. Redaktion und Erpesitisn: JohanniSgasse 8. Fernsprecher IdS u. 22L. KtlialerpeSttionen: Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. 3 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen» straße 14 (Fernsprecher Nr. L93ÜI «. König«- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7502). Haupt-Filiale Trespen: Marienstraßr 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDunckrr, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernjprrcherAmtVI Nr.46O3.) Anzeigen-Preis die ^gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dein Rcdaktionsstrich («gespalten, 7ü vor den Fainilienuach- richten (6 gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Extra-Beilagen (gesalzt", nur mit der Morgen-Ansgabe, ohne Postbefvrderung X 60.—, mit Postbesörderung 70.—. «nnahmeschluh für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgrn-AuSgabe: nachmütag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. Dr. V.,R. <L W. Klinkhardt). 98. Jahrgang. Var lvicküigrie vom läge. * Das Gebiet von Neutral-Moresnet wird in nicht allzuferner Zeit zwischen Preußen und Belgien aufgeteilt werden. * Der Verein Berliner Kassenärzte hat seinen Frieden mit der übrigen Berliner Aerzteschast gemacht und seine Vertrüge mit verschiedenen Ortskranken kaffen zurückgezogen. * Der badische Finauzminister Dr. Buchenberger hat sich einer neuen, angeblich gut verlaufenen Ope- ration unterziehen müssen. * Nach Meldungen von verschiedenen Seiten soll die Antwort Rußlands an Japan sehr entgegen kommend und befriedigend lauten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Januar. Der Gesetzentwurf zur Entschätztgung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft- Die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs haft, die sehr wohl gleichzeitig mit der im Gesetze von 1808 festgestellten Entschädigung für im Wiederaufnahme verfahren freigesprochene Personen hätte Gesetz werden können, soll jetzt endlich zur Tatsache werden. Nun, wir wollen mit der Verzögerung nicht rechten und uns darüber freuen, daß wenigsten« jetzt die Unbill, die den unschuldig in Untersuchungshaft befindlich gewesenen Personen zugefügt wird, durch eine materielle Entschädigung einigermaßen wieder gut gemacht werden soll. Wir sind auch damit einverstanden, daß die Entschädigung nicht ohne weitere« schon bei der bloßen Freisprechung eines An geklagten, der sich in Untersuchungshaft befunden hat, soll beansprucht werden können. Das Gesetz trifft nack unserer Ueberzeugung das Rechte, denn es verlangt, daß im Verfahren entweder die positive Unschuld sich ergeben hat, oder wenigstens, daß ein begründeter Verdacht nicht vorliegt. Zn den Fällen eines bloßen „uou liquet" würde die Gewährung der Entschädigung sehr oft dem Volksempsinden direkt wider sprechen. Man wird sich aus den letzten Jahren manche« Falles erinnern, in dem jeder sich sagte: „Der Angeklagte ist ja freigesprochen, aber wenn er doch schuldig ist, so rst es ganz gut, daß er wenigstens die Unter suchungshaft verbüßt hat. In solchen Fällen also, wo der Angeilagte nur freigesprochcn wurde, weil ein lückenloser Indizienbeweis sich nicht führen ließ, wäre die Gewährung einer Entschädigung verfehlt. Hingegen enthält der Gesetzentwurf in H 2 Absatz 3 eine Beschränkung, gegen die wir uns wenden müssen und die hoffentlich durch Verständigung von Regierung und Reichstag beseitigt werben wird. Da heißt eS nämlich, daß der Anspruch auf Entschädigung auch dann soll ausgeschlossen werden können, wenn der Verhaftete bereits einmal wegen Ver brechens oder wiederholt wegen Vergehens vorbestraft ist. Gewiß ist cs begreiflich, wenn die Polizeibehörde oder die Staats anwaltschaft gegen einen schon bestraften Mann, besonders wenn es sich wieder um ein verwandtes Delikt bandelt, leichter einen Verdacht faßt und ihn dann auf Gründe hi» verhaftet, wegen deren eine noch nicht bestrafte Person nicht verhaftet worden wäre; aber ebenso ungerecht ist es auch, diesem Manne, wenn seine Unschuld sich herausstellt, die Entschädigung zu versagen und ihn also nochmals für eine früher begangene Tat zu strafen, für die er doch bereits seine Strafe verbüßt hat. Eine Ermunterung, ehrlich zu bleiben, liegt in einer derartigen Behandlung jeden falls nicht. Wir hoffen also, daß der Absatz 3 des tz 2 vom Reichstage gestrichen wird und daß die Regierungen daran nicht etwa den ganzen Entwurf scheitern läßt. Die Stellung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zu den Forderungen für Südwestafrika scheint zu weiteren Auseinandersetzungen in der Partei führen zu sollen. Bekanntlich hat der Abg. Zubeil in Chariotten- burg mitgeteilt, daß ein Teil der Fraktion sogar für die Mittel zur Unterdrückung des Aufstande« habe stimmen wollen. Er und seine „unentwegten" Freunde tadelten aber sogar die vorläufige Stimmenthaltung der Fraktion und forderten von dieser bei der dritten Lesung Ablehnung. Dazu bemerkt nun die „Münchner Post" de« Abg. v. Volkmar: „DaS Nach maul en ist in der Politik eine üble Sache. Zubeil und die übrigen, die angeblich in der Fraktion Gegner der kritisierten Haltung waren, hätten eben dafür sorgen müssen, daß bei einer so wichtigen Angelegenheit die Fraktion zahlreich genug vertreten gewesen wäre. Die Sache war ja nicht so plötzlich ge kommen, daß nicht die nötigen Vorbereitungen hätten getroffen werden können. Mit Resolutionen nach Zubeilschem Muster bringt man sich höchstens in eine komische Situation. Was die Sache selbst anbetrifft, so kann man allerdings der Auffassung sein, daß das Verhalten der Fraktion nicht übermäßig logisch war. Der vorliegende Anlaß wenigstens scheint uns keinen ge nügenden Grund abzugeben, von der bisherigen prinzipiellen Haltung in Kolonialfragen abzuweichen. Den „Unentwegten" um Zubeil aber sollte es immerhin bekannt sein, daß Genosse Bebel, der „Schvpfmeister des Dresdener Jungbrunnens", die Haltung der Fraktion motiviert hat." Und der „Schöpfmeister des Dresdener Jungbrunnens" teilt im „Vorwärts" über die Vorgeschichte der Reichstags abstimmung Folgendes mit: „Als am Montag, den 18. d. M„ der Reichskanzler den Nach trags- und Ergänzungsetat im Reichstag ankündigte und dieser noch im Lause der Sitzung an die anwesenden Mitglieder verteilt wurde, um am nächsten Tage sofort beraten zu werden, tauchten innerhalb der anwesenden Fraktionsmitglieder Mei nungsverschiedenheiten auf über unsere Haltung zu dieser Angelegenheit. Darauf hielt ich es als meine selbst verständliche Pflicht — Ginger war oerblndert, auwesend zu sein — unmittelbar nach der Plenarsitzung eine FraktionSsitzung anzu- bcranmen, damit die Meinung der Fraktion festgestellt werden konnte. Wie notwendig diese Sitzung war, ergab sich daraus, daß die Ver handlungen lebhaft waren und ziemlich lange wäbrten, weil sich drei Meinungen gegenüberstanden. Schließlich wurde mit zwei Dritteln gegen ein Drittel der Stimmen beschlossen, aus den von mir im „Vorwärts" auszugsweise mitgeteilten Gründen sich der Abstimmung zu enthalten, und wurde ich mit der Abgabe der Erklärung betraut. Ob die Abstimmung der Fraktion eine andere geworden wäre, wie Genosse Zubeil glaubt, wenn die Sitzung wesentlich stärker besucht worden wäre, ist eine müßige Frage. Es fehlten nicht nur solche, die gefordert hätten, gegen den Etat zu stimmen, sondern eß fehlte auch ein ganz Teil solcher, die sich der vorhandenen Mehrheit angeschlossen hätten. Ob die Fraktion bei der dritten Lesung desNachtrags- und Ergänzungs etats ihre Abstimmung ändert, ist Sache besonderer Beratung, die sich die Fraktion ausdrücklich Vorbehalten hat." Herr Bebel sagt nicht ausdrücklich, daß ein Teil der Fraktion für die Forderungen stimmen wollte. Aber da er eS nicht bestreitet und von drei verschiedenen Meinungen spricht, wird cs richtig sein. Er verrät auch nicht, welche Haltung er selbst in der Fraktion eingenommen hat. Da er aber die Möglichkeit einer Aenderung der Haltung der Fraktion für die drille Lesung in Aussicht stellt, ist es nicht unwahrscheinlich, baß auch er auf dem ablehnenden Stand punkt des Herrn Zubeil stand und überstimmt wurde. Wir warten ab, ob die Fraktion wirklich die bedrohten Deutschen und Weißen wehrlos den HereroS überliefern will. In jedem Falle scheinen die Zustände in der sozialdemokratischen Fraktion sich einigermaßen kritisch zu gestalten. Die zweijährige Dienstzeit in Frankreich. Eine der Hauptaufgaben, deren Lösung dem Parla ment obliegt, ist die Einführung der zweijährigen Dienst zeit, die Deutschland hat und die man darum ebenfalls haben will. Ihre Vorkämpfer fordern sie auch deshalb, weil sie den demokratischen Grundsätzen mehr entspricht, als eine verschieden lange währende Dienstpflicht, die nach ihnen -em Begriff der „allgemeinen" Wehrpflicht entgegen ist, und endlich deshalb, weil sie die einheitliche Ausbildung der Mannschaften erleichtern soll. Tie zweijährige Dienstzeit soll dagegen im Geiste ihrer An- Hänger durchaus nicht dem Zweck dienen, die Volkskraft noch mehr anzuspannen. Diese wurde bereits in dem Maße überspannt, daß die Jahresaushebung von 230 000 Mann auf 106 000 herabgesetzt werden mußte. Hatte man doch, um mit dem viel volkreicheren Deutsch land fernerhin in Wettbewerb treten zu können, so viele halb oder ganz Dienstuntaugliche ausgehoben, daß die Sterblichkeitöziffer in den Rethen der Armee kn be ängstigender Weise gestiegen war. Kurzum, man gibt auf militärischem Gebiete den Wettkampf mit Deutschland auf, und die Einführung der zweijährigen Dienstzeit besiegelt, im Grunde genommen, nur den Verzicht auf die Hoffnung, Elsaß-Lothringer, durch Gewalt, d. h. auS eigener Kraft und ohne Mithülfe eines Bundesgenossen, zurückgewinncn zu können. Die zweijährige Dienstpflicht hat denn auch zweierlei Arten von Gegnern. Tic einen wollen sie überhaupt nicht, weil sie die Kriegstüchtigkeit der Armee herabseye, die anderen, weil sie sie zur Zeit nicht für opportun halten und ihre Einsührung bis nach der Verwirklichung der Revancheidee vertagt wissen möchten. Daß die Zahl dieser opportunistischen Chau vinisten, wie man sie nennen könnte, nicht gering ist, bas hat die jüngste Kmmnerdebatte über die Ausweisung des AbbL Dclsor von neuen, gezeigt. Im Prinzip ist (so schreibt man der „Schles. Ztg." der wir hier folgen, aus Paris) die Einführung der zweijährigen Dienstzeit frei lich schon beschlossen, im Grunde genommen handelt es sich nur noch um die Art der Durchführung. Hier spielt die Bürgschaft dafür, daß die infolge kürzerer Aus bildung herabgemindcrte Kriegstüchtigkeit der Mann schaften durch die Beschaffung zahlreicherer Cadres aus geglichen wird, die Hauptrolle. Da liegt in der Tat die größte Schwierigkeit. Frankreich braucht 20 000 Kapitu lanten. Wird es die — selbst durch die größten Ver günstigungen — anlockcn können? Es erscheint sehr zweifelhaft. Jedenfalls wird es über nicht annähernd so viele Unteroffiziere und Snbalternoffiziere zu ver fügen haben wie die deutsche Armee, und das bedeutet für die französische also, abgesehen von der numerischen Inferiorität, auch eine qualitative. Zwischen Krieg und -rieben. Dem „Reuterschen Bureau" wird von seinem Privat korrespondenten aus Peters bury unterm 29. Januar ge meldet. Von maßgebender Seite verlautet, daß die russische Antwort an Japan wegen der bei der Ab fassung dieses Schriftstückes erforderlichen Sorgkalt nicht vor der nächsten Woche übermittelt werde. Ein hoher Beamter äußerte in einer Unterredung: „Natürlich können wir den Krieg nicht verhindern. Rußland wird sein Acußerstes tun, um Iavan die Grundlage für einen dauernden Frieden zu bieten, es givt aber eine Grenze, über die wir nicht hinauögeben können. Wir gewähren in Korea tatsächlich alles und haben bereits die Bertragsrechte sowohl Japans als anderer Mächte in der Mandschurei anerkannt." Es verlautet, innerhalb der letzten 14 Tage hätten sowohl Rußland als Japan den Regie rungen in Amerika und Europa ihre Stellungnahme bezüg lich einiger strittiger Punkte amtlich mitgeteilt. Die „Asso ciated Preß" meldet unterm 30. Januar auS Washington: Dem Auswärtigen Amt ist von dem amerikanischen Gesandten in Tokio gemeldet worden, daß die englische Gesandtschaft in Tokio von der englischen Botschaft in Peters burg eine Nachricht erhalten habe, welche besagt, daß die russische Antwortnote, die, wie er wartet wird, morgen überreicht werde, für Japan be friedigenden Charakters sein soll. Es wird angenommen, daß Rußland, wenn diese Nachricht auf Wahrheit beruhe, gewisse Konzessionen gemacht habe, und daß England Japan überreden werde, dieselben als befriedigend anzunehmen. — Man meldet uns aus Paris: Persönlichkeiten, die mit unterrichteten russischen Kreisen Fühlung unterhalten, er klären cS als zweifelhaft, daß die bevorstehende Aniwort der russischen Regierung auf die letzte japanische Note den Geist ausgesprochener Friedensliebe alhmen und in ihrem Inhalte den aufrichtigsten Willen zu einer gütlichen Verständigung be kunden werde. Die gegenwärtige Politik Rußlands m bezug auf die ostasiatische Frage sei in keiner Weise mebrdcr Schauplatz eines Ringens zwischen friedlichen und kriegerischen Tendenzen, sondern da« Streben nach Verhütung eines bewaffneten Konfliktes in Ostasien dominiere mit einer Kraft, die durch keinerlei Gegenströmungen Abschwächungen erfahren könne. Auf Seiten der russischen Regierung bestehe — dies dürfe mit aller Bestimmtheit verkündet werden — die Bereitwillig keit, mit den an den Standpunkt Japan« zu machenden Zugeständnissen geradezu bis an die äußerste Grenze des Möglichen zu geben. Diese Grenzlinien würden jedoch insbesondere durch das etwaige Festhalten Japans an solchen Forderungen überschritten werden, welche Rußland Einräumungen zumuten, die eine Verzichlleistung auf die von dieser Mackt in Ostasien erworbene Stellung bedeuten und ihrem Prestige in diesem Gebiete einen schweren Schlag versetze» würden. Die weitere Entwicklung der Frage werde somit davon abbängen, ob die Konzessionen des Petersburger Kabinetts'bei der japanischen Diplomatie eine Würdigung auf Grund des bezeichneten Maßstabes finden werden. * Port Arthur, 29. Januar. (Ruff. Telegr.-Agcntur.) Die aus englischer Quelle stammende Nachricht, »ach der sämtliche bei den Agenturen der russischen Freiwilligcnslotte in Port Arthur und Nagasaki beschäftigten japanischen Arbeiter plötzlich ent lassen worden feien, ist aus der Luft gegriffen. Weder bei der Agentur in Port Arthur, noch in Nagasaki sind japanische Ar beiter beschäftigt worden. * Petersburg, 29. Januar. Der Dampfer der Freiwilligen flotte „Jekaterinoslaw" ist am 27. Januar in Wladiwostok eingetroffen, der Dampfer „Kasan" ist am 27. Januar von Hongkong nach Port Arthur abgegangen. * Toulon, LS. Januar. Der Kreuzer „Sully" ist beute abend nach dem fernen Osten abgegangen. * Rom, 29. Januar. Gegenüber einer Meldung des Londoner „Daily Telegraph", daß Italien darauf besiehe, ein Konzession für Goldminen in Korea zu erhalten, erklärt die „Tribuna", Feuilleton. Zn der Brandung. 5j Roman von Wilhelm Fischer. «Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. Die Herrschaften brachen mit Rücksicht auf den Be ginn der Premiere etwas früher ans. Man verabschie dete sich fröhlich mit einem „Auf baldiges Wiedersehen"; die alte Frau Justizrätin ließ sich im letzten Augenblick noch durch den Baron bestimmen, die Vorstellung zu be suchen. Es war erst 5 Uhr. Dr. Werner und seine Frau waren allein. Sie hatten ihren Freunden das Geleit bis zur Haustür gegeben und kamen Arm in Arm in bas behagliche Wohnzimmer zurück, das für Besuchszwecke eleganter ausgcstattet war, als es sonst Üblich ist. Das Dienstmädchen räumte gerade ab: „Gott, wie zärtlich!" dachte sie, als sie ihre Herr schaft so glückstrahlend zurückkommen sah, dann entfernt« sie sich mit dem Kaffeeservice, um, wie ihr noch auf getragen wurde, nach den Kindern zu sehen. Als sie sich entfernt hatte, lieh sich der Rechtsanwalt in einen Sessel nieder und zog sein schönes Weib auf seinen Schoß. „Du siehst heute wieder zum anbeißen schön aus, Walln", sagte er, sie innig an sich pressend. „Nur nicht sentimental werden, Ernst", sträubte sie sich. „Du weißt, mein Lieber, ich kann es nicht leiden. Tas Mädchen könnte es sehen und nach seiner Art glos sieren? „Ich habe dir lange keinen Schmuck gekauft." „Tu bist wohl in der Gebelaune?" „Wie du sagst! Sprich, was willst du?" Sie entwand sich ihm: „Nur keinen Schmuck! Ich kann Perlen und Bril- lanten, wie du weißt, nicht leiben. Wozu auch! Eine alte, verheiratete Frau, wie ich, kann sie missen." „Na, na! alt!" ries er aufspringend au» und schlang den Arm um sie, die schöne Frau vor den Trumeau führend. „Da schau dich einmal im Spiegel an, ob der '»ir recht gibt." Er drückte einen Kuß aus ihren kleinen Mund. In diesem Augenblick erschien Anna in der Türe. „Herr gott, sic küssen sich sogar am Hellen lichten Tag; wenn das unsereiner mit seinem Schatz tun täte, dann wäre der Deubel los", dachte sie und machte ihre Anmesenl-eü durch einen Hustenanfall, den sie geschickt fingierte, be merkbar. Der Rechtsanwalt fuhr herum. „Sic Anna, was wollen Sie!" herrschte er das Mäd chen an. „Dieser Herr wünscht den Herrn Rechtsanwalt zu sprechen", antwortete Anna gekränkt und überreichte dem Doktor die Karte des Grafen, der, unterwegs seinen Verlust bemerkend, dem Kutscher umzukehren befahl und vor wenigen Augenblicken vor dem Hause des Rechtsau- waltes angesahren war. IK. Werner eilte, nachdem er seine Frau durch cinige hastige Worte verständigt hatte, ohne jedoch den Namen der Besucher genannt zu haben, dem Grafen ent- gegen und geleitete ihn in das Zimmer, unterdessen ging seine Frau in die Kinderstube, um sich selbst über das Befinden der Kinder, eines reizenden Knaben von 8 Jahren und eines, der Mutter gleichenden Mädchens von 4 Jahren, Gewißheit zu verschaffen. Sie verweilte dort wenige Augenblicke und, nach dem sie sich überzeugt hatte, daß die Kinder unter der Hut ihrer Bonne, eines verständigen jungen Mädchens, ruhig spielten, begab sie sich, um für den Abend Toilette zu machen, in da» anstoßende Schlafzimmer, das ihr auch als Ankleidezimmer diente. Dasselbe stieß wieder an das Wohnzimmer. Frau Wally war durchaus nicht neugierig, aber die laute Stimme des Grafen schien ihr bekannt, so daß sie unwillkürlich ihr Ohr an die Tür lehnte und lauschte. „Wenn er eS wäre", sagte sie mühsam atmend und so erschrocken, daß sie an allen Gliedern zitterte. Sie hörte vor Aufregung und innerer Angst nur noch das stürmische Klopsen ihres Herzens. Sie mußte, das war ihr klar, Gewißheit haben, und so entschloß sie sich nach langem, innerem Kampfe mit sich selbst, die Türe zu öffnen und in das Zimmer zu treten. Sie erkannte in der Ruine den stolzen Kavalier von einst wieder. Der einigermaßen überraschte RechtSamvalt stellte seine Frau dem Grafen vor. „Gnädige Krau, ein maroder Kavalier ist zu jeg licher Huldigung ein ungeschicktes Möbel", sagte Graf Treuberg und versuchte sich zu erheben, woran ihn in dessen Dr. Werner hindert«. „Tie Absicht, Herr Graf, verschönt jede Huldigung", meinte Frau Wally nur, um etwas zu sagen. Nur das leichte Beben ihrer Stimme verriet den furchtbaren Kampf in ihrem Innern, sonst beherrschte sie sich wun derbar und schic» ruhig und gelassen, wie immer. Der Graf horchte beim Klange ihrer Stimme, die ihm be kannt schien, überrascht auf. „Diese Stimme! Wie sie mich labt! Waldvöglein singt mir wieder sein Lied!" flüsterte er halblaut vor sich hin. Dann erhob er sich mühsam, wobei ihm Dr. Werner behülflich war. „Bor sieben Jahren noch war ich ein anderer Mensch, gnädige Frau", sagte er laut und mit kurzem Lachen. „Jetzt bin ich ein jammervoller Krüppel, den die Welt hetzt, wie ich einst Roß und Troß. Da Hal man den Fluch der bösen Tat bald am Bein!" „Sie versündigen sich, Herr Graf", entgegnete Wally und erwiderte die Verbeugung, mit -er er sich von ihr verabschiedete. Dr. Werner gab dem Grafen daö Geleite, Wally wt.rf sich mit einem tiefen, schmerzlichen Aufstöhnen in einen Sessel; sie starrte mit großen Blicken, während das Herz ihr an der Kehle schlug, auf den Boden. ,/Lr, er! Und wie sah er aus!" flüsterte sie atemsuchend. „Eine Ruine von einst! Entsetzlich! Er, im Hause meines Gatten, in der Nähe meiner Kinder! Ich glaube, ich werde wahnsinnig! Ihn Hetzen die Menschen und mich die Ge- danken! Werner muß den Prozeß abgeben, er kann und darf ihn nicht führen. Das darf nicht sein. Noch einmal will ich denn Komödie spielen! Gott gebe ein gutes Endel" Sie erhob sich und schritt an den Spiegel, bann eilte sie in das Schlafzimmer, um sich für den Abend »mzu- kleiden. Sic legte diesmal mehr Sorgfalt, als gewöhn- ich, auf ihre Toilette, und als sie nachher im Wohnzimmer erschien, sah sie an den bewundernden Blicken ihres Gatten, daß er ihre Toilettekunst vollauf würdigte. „Du siehst, mein Lieber, daß es auch ohne Schmuck geht." Er verbeugte sich und küßte ihr galant die schöne, zarte Hand, an deren Goldfinger nur ein einfacher Reis, der Trauring, prangte. Tann sagte er ganz L propos: „Wie konntest du vorhin dem Dr. Römer, den du doch als Spötter und personifizierte verneinende Bosheit kennst, so erregt widersprechen?" „Wie ich bas konnte! Und du fragst noch? Ist da» Elend einer Verirrten und ihre Buße denn nicht» in dieser W«lt der Phrasen? Soll sie immer büßen, Zeit ihre» Lebens? Nein, das ist ungerecht, das will der Gerechte nicht!" Dr. Werner legte den rechten Arm um die schlanke Taille seiner schönen Frau und zog sie leicht an sich. „Ich verstehe dein gutes Herz, mein Schatz, aber ist die Phrase nicht alles in der Gesellschaft. Und der ist stet« betrogen, der seine wahre Meinung nicht in sich bergen kann. Aus den Schelmen muß mau heute anderthaldrn setzen und die Phrase mit der Phrase umgeben." „Das ist nicht deine wahre und innerste Ueberzeugung, lieber Ernst, da kenne ich dich doch besser", sagte sie und blickte liebend zu ihm hinauf. ,/D« hast ja recht, Lieb! Aber wäre es nicht vorteilhafter, ich wäre so, wie mein ehrenwerter Kollege Dr. Römer zum Beispiel. Du mußt doch die malitivse Art dieses Mannes kennen und wissen, daß er hinter allein etwas sucht. AuS diesem Grunde war mir euer Tlwma unlieb; deshalb schwieg ich auch!" ,;Du hättest mir beistchen sollen", sagte sie jetzt ge ärgert, da sie ihm hinsichtlich seiner Dr. Römer geltenden Bemerkung recht geben mußte, und versuchte, sich ihm zu entwinden; er aber hielt sie fest. ,>Oho, mein Kind", meinte er erstaunt. ,-Jch glaube gar, du spielst die Beleidigte. Dein bizarres Wesen heute; ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll." Er ließ sie jetzt geärgert und verwundert frei. Sie strich sich erregt die Locken aus der Stirn. ,Hch war eben etwas zu eifrig! Ich gebe eS gern zu. Sei nicht böse, Ernst. Du kennst ja mein Temperament und weißt, daß e» öfters mit mir durchgeht", schmeichelte sie und küßte die bösen Falten auf der Stirn weg Er ivar wieder versöhnt. „Damit bis du woyl beruhigt?" Er nickte. Sic brach das unerquickliche Thema ad „WaS ist denn daS für ein Prozeß, der den Grasen zu dir ge- führt hat?" „Seine Familie will ihn entmündiaen. Wie gefällt dir übrigens der Graf?" Mn beklagenswerter Mann." „Eine Ruine und doch ein Kavalier!" „Du schwärmst ja für ihn!?" „Daö wohl nicht, aber sein Vertrauen ehrt mich und gewinnt mir feine Kreis,. Er ist. wa» dich interessieren wird, fatalerweise ein Onkel unsere» Freundes Briesen." Sie fuhr zurück. „De» Baron»! Hängst du so sehr an dem Prozeß? Ich kann mich dafür nicht begeistern.".
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite