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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040129023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012902
- Sammlungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-29
- Monat1904-01
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BezuqS-Preis in der Hanptexpedition oder deren Ausgabe stellen abgeh vlt: vierteljährlich 8.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus .si 3.7V. Durch die Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, sür die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Expedition: Johannt-gassr 8. Fernsprecher 153 u. 228. Ftlialexpedittonen: ÄlfrrdHahn, Buchhandlg., Universitätsstr.8 iFrrnspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen- srratz« 14 (Fernsprecher Nr. 2035 > u. Küntgs- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718). Haupt-Filiale verlt«: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuckbandla., Lützowstraße W^FerniprecherAintVI Nr. 4603.) Abend-Ausgabe. WpMer TliMalt Anzeiger. Amtskkalt des königlichen Land- und -es königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Aolizciamtes der Ztadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Rcdaktionestrich (4 gespalten) 75 vor den FamiUennach- richten (ü gesvalten) 50 Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend Hüber. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsrrlenannahme 25 Extra-Betlagrn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E Polj in Leipzig (Inh. vr. R. <L W. Kltnkhardt). Nr. 52. Freitag den 29. Januar 1904. 88. Iadrqansi. Var Mcdtigrte vom lagt. * Der Schriftsteller Karl Enril Franzosist in Berlin gestorben. — * Die Aerztekammer Berlin-Branden burg sprach sich gegen das Borgehen des Vorstandes deS Vereins Berliner Kassenärzte und für die freie Arztwahl aus. Den gleichen Standpunkt ver trat eine allgemeine Aerzteversammlung, die gestern abend unter dem Vorsitze des Prof. v. Berg männin Berlin tagte. * Der Kampf zwischen Äerzten und Kranken- kassenin Köln ist von der Regierung noch nicht end gültig geschlichtet worden; die Entscheidung liegt beim preußischen Handelsminister. * In F r e i b u r g ist der langjährige Führer der ba dischen Nationalliberalen, Landgerichtsdirektor Fieser, gestorben. * Zwischen König Oskar von Schweden und Kaiser Wilhelm fand anläßlich der Verleihung des Löwenordens an den Kaiser ein herzlicher Depeschen wechsel statt. * In Nikolaistadt (Ftnland) wurde eine anti russische Verschwörung entdeckt. * Die russische Antwort ist gestern endgültig festgestellt worden; sie wird voraussichtlich nicht vor Sonnabend nach Tokio abgehen. — Die japanische Re gierung nimmt eine fünlsprozentige Anleihe von 100 Mill. Uen aus. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Januar. Norwegen und Deutschland Das tatkräftige Eingreifen unseres Kaisers zu Gunsten der Abgebrannten von Aalesund und das lebhafte Echo, welches das kaiserliche Vorgehen in Norwegen gesunden hat, haben die Aufmerksamkeit auf dieses Land und seine aus wärtigen Beziehungen, insonderheit auch zu Deutschland, gelenkt. Es sind drei Mächte, für die man sich in Nor wegen besonders interessiert: Rußland, England und Deutschland. Eine Zeitlang herrschte in Norwegen eine sehr eigenartige Begeisterung für Rußland; eigenartig deshalb, weil das absolutistische Regierungssyslem Rußlands und die sehr demokratische Denkart der Norweger recht schlecht zusammenpassen. Die Begeisterung für das Zaren reich bat sich auch sehr schnell abgeküblt, besonders seit man zu fürchten begann, Rußland könnte sich eines schönen Tages eines eisfreien Hafens an der norwegischen Nordküste bemächtigen. Auch das Verhalten der russischen Regie rung gegen die Finen hat in Norwegen starke Ver stimmung erregt, weil man hier, wie in den beiden anderen skandinavischen Ländern, die finnische Frage gewissermaßen als eine Familiensackc betrachtet. Haben die Sympathien zu Rußland eine starke Abkühlung erfahren, so ist die Hinneigung zu England noch immer groß. Selbst während des Boerenkrieges blieben die norwegischen Sym pathien für England bestehen; Norwegen war vielleicht das einzige Land in Europa, in dem man Englands Vorgehen mit großer Milde beurteilte. Diese Sympathien für Eng land erklären sich einerseits aus den alten und lebhaften Handelsbeziehungen zwischen beiden Staaten, zweitens aber aus dem starken englischen Touristenstrome, der seit Jahrzehnten Norwegen alljährlich durchflutet und viel Geld im Lande zurückläßt. Deutichland gegenüber war man in Norwegen, obwohl sehr viele norwegische Familien, vor allem in den Hafenstädten, deutscher (hanseatischer) Ahstammung sind, und trotz der allgemeinen germa nischen Stammesverwandtschatt, lange von Mißtrauen erfüllt. Man hegte, ebenso wie einst in Holland, eine törichte Furcht vor deutschen Annexionsabsichten. Diese Furcht wurde durch die ersten Besuche des deutschen Kaisers in den norwegischen Gewässern keineswegs gemildert, man besorgte vielmehr, daß der Kaiser und seine Kriegsschiffe gewissermaßen die Stellen aussuchen wollten, an denen der deutsche Adler dereinst seine Fänge einsetzen würde. Dem persönlichen Wesen des Kaisers und seiner stets bekundeten Sympathie sür Norwegen und die Bevölkernng des Landes gelang es erst nach und nach, das Mißtrauen zu überwinden; allmählich aber trat an die Stelle der ursprünglichen Abneigung eine Hinneigung zu Deutschland. Dazu trug nicht wenig bei, daß das Beispiel des Kaisers auf die deutsche Touristenwelt einen starken Einfluß ausübte, so daß in den letzten zehn Jabren sicherlich mehr Deutsche Norwegen besucht haben, als in dem dreifachen Zeiträume vorher. Dazu kam ferner ein sich immer steigernder Respekt vor den wirtschaftlichen Leistungen Deutschlands, insonder heit auf dem Gebiete des Schiffbaues, für den ja die Norweger von Natur Interesse und Verständnis haben. So siel also die praktische und tatkräftige Hülfe des Kaisers für Aalesund auf wohlvorbereiteten Boden. Die warmherzigen Worte des Präsidenten der norwegischen Kammer und der Beschluß norwegischer Städte, am Geburtstage des Kaisers zu flaggen, wollen sehr viel besagen, denn einmal g>.hen die Norweger sehr schwer aus sich heraus und zweitens ist es bei ihrer demokratischen Gesinnung ein Zeichen ganz besonderer Sympathie, wenn sie ihr Interesse an dem Geburtstage eines Monarchen sinnfällig bekunden. Man hat auch berechtigten Grund zu der Annahme, daß diese Sym pathien für Deutschland dauernd sein werben; so schwer ihr Mißtrauen gegen Deutschland sich überwinden ließ, so fest werben ihre Sympathien für Deutschland bleiben. Die Freude Deutschlands über die Zuneigung entspringt keinerlei egoistischen Motiven, sondern der auf deutscher Seite vorhandenen Zu neigung für ein kleines und armes, aber tatkräftiges und tüchtiges Volk. Die Reklame für die „Zukunft". Bekanntlich wurde unlängst berichtet, die „Zukunft" Maximilian Hardens sei aus den Leseräumen der königl. Bibliothek in Berlin entfernt worben. Als Grund dieser angeblichen Maßregel wurde ein Artikel angegeben, der das Verhalten der maßgebenden amtlichen Kreise zu der Be schwerde des deutschen Künstlerbundes über die ausschließliche Heranziehung, der Kuiistgenoffenschaft zur Beschickung der Aus stellung in «t. LouiS bespricht. Wir bemerkten zu dieser Meldung, die Maßregel wurde sich rechtfertigen lassen, wenn sie mit dem Hinweise auf die wissenschaftlichen Zwecke ber Biblio thekräume und auf den häufigen Mißbrauch durch sensations lüsterne Leser begründet wäre; der Hinweis auf einen be stimmten Artikel aber mache nur eine zweckwidrige Reklame für Herrn Harden, seine Zeitschrift und den betreffenden Artikel. Jetzt stellt sich heraus, daß die Bibliotheksverwaltung schon seit Jahren in der Weise verfährt, die wir als be rechtigt bezeichneten, und daß eine neue Verfügung wegen der „Zukunft" gar nicht erlassen worden ist. Die Bibliotheks verwaltung läßt nämlich dem „Kleinen Journal", von dem jene Meldung ausgegangen war, folgende Berichtigung zugehen: „Die in Nr. 23 des „Kleinen Journals" gebrachte Mitteilung, daß die „Zukunft" wegen eines Artikels über St. Louis vom Zeitschriftenzimmer der Königlichen Bibliothek ausgeschlossen sei, beruht auf freier Erfindung. Die „Zukunft" wird dort, wie andere Zeitschriften allgemeinen Inhalts, seit Jahren nicht in den Zeitschriftenschränken ausgelegt, weil häufig Nummern davon entwendet wurden, steht aber Benutzern, die sie zu anderen als Unterhaltungszwecken einzusehen wünschen, am Platze des Beamten jederzeit zur Verfügung." Der Urheber der Meldung behauptet nun zwar, die ihm bisher anstandslos ausgelieferte „Zukunft" sei ihm erst neuerdings, und zwar nach Erscheinen des Artikels über St. Louis, nicht mehr ausgeliefert worden; er fügt aber selbst hinzu, dies sei mit der Motivierung geschehen: „Es wird hier zu viel zum Vergnügen geleien." Damit gesteht der Herr ein, daß er sehr willkürlich kombiniert habe. Bei ibm also bat fick Herr Harden für die ihm und seiner Zeit schrift bereitete Reklame zu bedanken, nicht bei der Verwaltung der königlichen Bibliothek in Berlin. Das Tentschtum km Elsaß. Die Ausweisungen des Abbs Delsor und die daran sich knüpfenden Debatten in der französischen Deputierteiikammer haben die Frage, wie weit das ursprünglich deutsche Elsaß dem Deutschtum wiedergewonnen sei, aufs neue in den Vordergrund des Jntereises gestellt. Wie diese Angelegen heit von den deutschen Behörden, speziell der Verwaltung der Reichslande, beurteilt wird, zeigt allein schon die Aufhebung des Diktaturparagraphen, der bestimmt war, etwaigen deutschfeindlichen Bestrebungen cntgegenzuwirken. In Frankreich dagegen hat man sich von dem ununter brochenen Rückgang der p r o t e st l e r i s ch e n Bewegung nicht überzeugen wollen, man hat nicht glauben wollen, daß es der deutschen Verwaltung gelingen werbe, innerhalb eines Menschenalters die Bevölkerung der Reichslande nickt nur mit den neuen Verhält nissen auszusöhncn, sondern sie auch auf immer für die Interessen und Aufgaben Gesamtdeutschlands zurückzugewinnen. Ein großer Teil der französischen Presse hat diese Täuschung eifrig genährt, indem sie es an beweglichen Schilderungen der Sehnsucht und Trauer der elläsjischen Bevölkerung nickt fehlen ließ, die angeblich noch heute genau so wie vor 30 Jahren unter dem Joche der Fremdherrschaft seufzen und sich durchaus nicht an die deut schen Zustände gewöhnen sollte. Noch heutigen Tages könnte kein französisches Blatt wahrheitsgemäß über die Fortschritte des Deutschtums inElsaß berichten, ohne den Unwillen der öffentlichen Meinung auf sich zu laden. Und doch muß jetzt auch von solcher Seite, der man gewiß besondere Sympathien für Deutschland nicht nachsagen kann, zugestanden werden, daß die Verhältnisse tatsächlich ganz andere sind, als sie noch immer von der französischen Presse dargestellt werden. So enthält der Brief eines langjährigen Kenners der reichs- ländischen Verhältnisse, den die „Jndep. Beige" ver öffentlicht, folgende beachtenswerte Schilderung: „Als ich nach Mülhausen kam, welches der letzte starke Platz der protestlerischen Bewegung war und noch bleibt, konnte ich nicht umhin, an die heißen Gefühle und Wünsche zu denken, die vor zwanzig Jahren meine dortigen Freunde erfüllten. Damals war man v->ll Hoffnung, Vertrauen, Begeisterung und Energie, und man wollte nichts wissen von Resignation. Seitdem ist es das siebente Mal, daß ich bald in geschäftlichen Angelegenheiten, bald besuchsweise hierher gekommen bin, und jedesmal habe ich gefunden, daß all diese Gefühle an Stärke ver loren haben: das Vertrauen auf eine Wiederkehr der früheren Verhältnisse ist dahin, die Begeisterung Hal sich gelegt, die Eneraie hat aufgehört, und Resignation hat sich aller derer bemächtigt, die sie früher mit Heftigkeit von sich gewiesen haben. Diese schmerzliche Erkenntnis, die ich schon vor 6 Jahren gewann und vor 3 Jabren bestätigt fand, hat mich auch diesmal mit voller Wucht getroffen, denn meine Freunde, die mich freundlich wie immer aufnahmen, konnten mir nicht verhehlen, daß es jetzt andere Gedanken und Gefühle sind, die mehr und mehr auf sie cinslürmen und di« sich von Jahr zu Jahr stärker ibrer be mächtigen, ohne daß sie sich Rechenschaft geben könnten, wie es geschieht . . ." Mülhausen — Franzosen und Belgier schreiben und sprechen noch immer Mulhouse — war, was auch von dem Autor des Briefes hervorgehoben wird, der Mittelpunkt der antideutschen Bestrebungen und gewissermaßen das Mekka aller französischen Chauvinisten jenseits der Vogesen, auf das sich ihre Hoffnungen richteten. Es ist heute das letzte Refugium des elsässischen Protestlertums. Um so größere Bedeutung hat die Tatsache, daß auch in diese Kreise bas Deutschtum siegreich seinen Einzug hält. Ruhlaup und Japan. Ein Privatkorrespondent des Reulerschen Bureaus meldet aus Petersburg unterm 28. Januar: Die Sitzung des M i n i st e r r a t e s (welche sich mit der endgültigen Fest setzung der Anwortnote an Japan befaßte) dauerte 1 >/„ Stunde. Die Beschlüsse desselben werden in Form eines Berichtes von dem Großfürsten Alexis Alexandrowitsch abgefaßt und morgen dem Kaiser überreicht Werken. DieAnlwort wird voraussichtlich nicht vor Sonnabend Abend nach Tokio abgesanbt werden. Dem Ministerrate wohnten bei Graf Lambsdorff, Kriegsminister Kuragatkin, der mit der Führung des Marineamtes beauftragte Vizeadmiral Apellan und der Chef des Generalstabes Ssacharow. * Tokio, 28. Januar. („Reuter".) Die „Alten Staats männer" traten in Gegenwart des Kaisers heute vormittag zu sammen. Die erhöhte militärische Tätigkeit der Russen an der koreanischen Grenze ruft eine lebhafte Erörterung hervor. * Petersburg, 28. Januar. Ter Agent der Russischen Telegr.- Agentur in Port Arthur meldet, daß die dem Reuterschen Bureau am 22. d. Mts. übermittelten Nachrichten von dem Vorankergehrn der russischen Flotte an der äußeren Seite der Einfahrt zum Hafen von Port Artbur und die sich daran knüpfenden Schluß folgerungen erfunden seien. * New-Vork, 28. Januar. („Reuter".) Ein Telegramm aus Tokio besagt: Die Milglieder des Kabinetts speisten heute abend mit hervorragenden Bankiers des Reiches, die in der Haupt sladt versammelt sind, um die finanzielle Lage zu beraten. Morgen speist der Premierminister mit einigen Finanzleuten. Marquis Ito und einige andere hervorragende Staatsmänner batten deute eine Audienz beim Kaiser. * Victoria (Britisch Columbien), 28. Januar. („Reuter".) Etwa 20 Dampfer der Nippon Jusen Kaijha Tampfcrlinie werden von der japanischen Regierung requiriert. * Colombo, 28. Januar. Die japanischen Kriegs schiffe „Nisshin" und „Kasuga" sind von bier abgegangen Feuilleton. In -er Lranduny. 4j Roman von Wilhelm Fischer. «Nachdruck verboten.' Als Dr. Werner in sein Bureau zurnckkvhrtc, fiel sein erster Blick auf die Brieftasche. Er b.ickte nach der Uhr; es war die Zeit, in der er das Bureau zu verlassen pflegte. Dr. Werner barg also das Portefeuille in seiner Brieftasche und wies den Bureauvorstsyer an, den Grafen, falls er zurückkehre, in seine Prrvatwohnung zu geleiten, dann eilte er die Treppe hinauf. Als er oben angelangt war, stürmte ihm von unten Rechtsanwalt Dr. Römer mit dem Ruf nach: „Herr Kollege, nicht so schnell. Nehmen Tie mich mit! Meine Frau ist bei Ihrer Frau Gemahlin; ich komme, sie abzuholcn." Die beiden Herren schüttelten sich die Hand und schritten zu sammen in die Wohnung, wo sie die kleine Gesellschaft am Kaffeetisch fanden. Dr. Römer war das gerade Gegenteil von vr. Wer ner, dessen offenes Wesen ansprach; listig und verschlagen war Dr. Römer wohl der skrupelloseste, ehrgeizigste Rechtsanwalt der Barrcans, dem der Zweck, reich, ge sucht und berühmt zu werden, manchmal das Mittel heiligte. Von ihm hatte die biedere gute Frau Ju-stizrat Mohr nicht mit Unrecht in ihrer ehrlichen Weise gesagt, daß er der boshafteste und spöttischste Mensch sei, der ihr je vorgekommcn wäre. „von jour, meine Damen!" begrüßte Dr. Römer die Damen; dann meinte er zn Dr. Werner: „Wir kommen gerade recht zum brannen Trank, Herr Kollege, der die Zunge löst und den Kopf klar hält." Den Baron begrüßte er mit einem Händedruck: „Servus, Herr Baron!" „Grülß Gott, Herr Doktor", begrüßte Frau Wally den Kollegen ihres Mannes, letzterem selbst reichte sie freudig die Hand. „Baron Briefen erwartet dich in Ge schäften!" ,Hn Geschäften. Ein Mecrwunder bei ihm!" lachte er. Dann wandte er sich an den Baron. „Du kommst also heute spanisch, alter Freund." „-Spanisch! Doch nicht ganz, wohl aber in spanischen Geschäften. Sie verzeihen, meine Herrschaften, baß ich sie gleich abwickele!" sagte der Baron und zog den Freund in eine Fensternische. „Vielleicht ist dir bekannt, Werner, daß ich mit dem Grafen Trenberg verwandt bin?" „Gewiß, wenn auch nicht gerade sehr lange." „Der Graf wohnt wieder hier, seit einigen Monaten. Ich selbst verkehre nicht mit ihm. Meine Familie will nun den verschwenderischen Herrn unter Kuratel stellen und gab mir den mir keineswegs angenehmen Auftrag, ihr zu diesem Zwecke einen tüchtigen Rechts anwalt zu besorgen. Ich dachte natürlich sofort an dich!" „Sehr ehrenvoll, aber du kommst zu spät, lieber Freund", entgegnete Dr. Werner und zuckte bedauernd die Achsel. „Der Graf hat sich bereits meiner Dienste ver sichert." „Der Graf! Woher wußte er?" „Der Gras schien mir über die Absichten deiner Fa milie sehr gut informiert." „Aergcrlich! Und du hast zugesagt?" „Gewiß! Der Graf ist seit wenigen Minuten mein Klient." „Fatal! An wen soll ich mich nun wenden? Was meinst du zu vr. Römer?" „Ich bedauere, dir jeden Rat in dieser Sache ver weigern zu müssen; ich biu hier dein Gegner " Der Baron machte eine ärgerliche Geste, dann ging er mit Dr. Werner zur Gesellschaft zurück. „Sagen Sie, Herr Baron", rief ihm Doktor Römer zu: „Wie ich vorhin in einem Tportsblatt gelesen habe, haben Tie ein Gestüt angelegt. Wollen Sie denn ein Rennpferd werden." „WaS? Und davon sagten Sie mir nichts, Baron, ob wohl Sie wissen, wie sehr ick für den Turf schwärme", fragte Frau Wally mit gut gespieltem Beleidigtsein. „Werden Tie auch mitrennen, Herr Baron?" fragte die Justizrätin und als der Gefragte mit einer Verbeugung bejahte, hob sie warnend den Finger: „Nehmen Tie sich in Acht. Dieser Tport ist Glücks- und Gen'cksfache." „Tie wissen dock, Frau Justizrat, Unkraut verdirbt nicht", lachte der Baron selbstgefällig. „Ja, ja, ich weiß und bei Ihnen hat das Sprückwort bisher immer Recht behalten." „Danke schön!" sagte der Baron mit einer leichten, ironischen Verbeugung gegen die alte Dame. „Einen guten Rat kann ich Ihnen in dieser Sacke ohne Gebühr geben", lackte Doktor Römer. „Halten Tic ihre Nippen, Arme und Beine bei einer Steeple-Chase immer in der Nähe deS Totalisator-. Dort find sie am sichersten." „Welche Farben führen Sie, Herr Baron", fragte Frau Grete. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht, gnädige Frau " „Wähle sehr blasse, lieber Freund", lachte Doktor Werner; „denn ich habe eine blasse Ahnung, daß für dein Portemonnaie bet der ganzen Geschichte nicht viel her auskommen wird." „Ja, ja, das sind sehr kostspielige Passionen", bekräftigte die alte Jnstizrätin. „Aus denen oftmals ein Passionsspiel mit allen Leiden und Stationen wird", witzelte Doktor Römer mit selbst gefälligem Lächeln. „Meine Pferde sind gnt und rassenrein", wehrte sich der so in die Enge getriebene TportSmann. „Ich gab, da ich das Geld ja habe, dem Drängen meiner Freunde nach. Ich habe eben nicht das Zeug in mir, Staatsbeamter zu wer den, oder Landwirt, wie meine Vettern." „Die diplomatische Karriere ist doch sehr interessant", meinte Wally. „An Ihrer Stelle wäre ich Offizier geblieben; von den früheren Triumphen der Leutnants bet den Damen nimmt auch der Rittmeister noch viel inS Altenteil her- über", fiel Frau Grete kokett ein. „Das ist nickt mehr ganz modern, Frau Grete", rvitzelte Doktor Römer sarkastisch. „Da heutzutage nicht die Leutnants Glück bei den Frauen, sondern umgekehrt, die Frauen Glück bei den Leutnants hoben." „Das mag eher stimmen", lachte der Baron auf. „So mancher zwängt sich in den bunten Rock, weil er mit der Reitpeitsche zu den Frauen gehen will. Ich habe darauf verzichtet." „Auf die Reitpeitsche ober die Frauen", scherzte Doktor Werner. „Nur auf den bunten Rock Die Gesellschaft findet mich auch ohne Patent ganz patent", erwiderte der Baron mit gutem Humor. „Die Gesellschaft!" sagte Frau Wally und zuckte weg- werfend die Schulter. „Nach der Gesellschaft würde ich an ihrer Stelle herzlich wenig fragen." „Wer sich zur Gesellschaft zählt, muß sie auch ertragen, denn sie ist uns die berufene Hüterin der Moral. Wir haben unS nach ihr zn richten, und ihren Ansichten, ihren Ge setzen uns nnterzuordnen, rna oftöre", meinte Frau Grete in ihrer obstinaten Weise, „deshalb g'anbe auch ich, nm wieder auf die heutige Premiere zurückzukommen, nicht, wie Tic, Herr Baron, an einen Erfolg des Stückes, der Dichter verhöhnt ja in der Manier sozialdemokratischer Schriftsteller die elementarsten Grundsätze der guten Ge sellschaft." „Ick glaube auch nicht, baß sie goutieren wird, waS der Dichter will", meinte Doktor Römer. „Die Forderung ist ja haarsträubend. Denken Tie nur, der Kavalier soll, um den Fehltritt der Frau eines anderen zu verhei ulichen, sein Ehrenwort verpfänden und einen Meineid schwören. Ter Meineid wird geschworen. Der betrogene Mann aber verzeiht zum Schluß den ihm gebeichteten Tnndensall. Ganz unmöglich!" „Weshalb soll denn das so ganz unmöglich sein, Herr Doktor?" fragte Frau Wally nervös. „Die Gesellschaft verzeiht weder das eine, noch das andere", erwiderte Doktor Römer, nicht ohne einige Schärfe im Ton. „Man wird zwar die Frau für interessant, die beiden Helden für Narren der Liebe halten, die wahr haft elementare Gewalt einer besseren Moral aber ver- missen. Die Gesellschaft hat ihre fundamentalen Grund sätze; was ist ihr aber und der Welt die Liebe einer Ein zelnen? Nichts!" „Was ist dem Liebenden die Welt!?" versetzte Wally wirklich erregt. „Fragen Sie einmal so, Herr Doktor Wahre Liebe geht über bas Urteil dieser Welt. Ich meinerseits finde es für edel und groß, daß der G-ttte seiner Fran verzeiht und an Größe der Gesinnung dem andern nicht nachstcht." „Und die Fra»? Ist sie uns ein Tngendmustcr? Nie und nimmer! Sie ist uns nur als büßende Magdalene interessant", entgegnete Doktor Römer, der in Gegen wart seiner Frau immer die härtesten Urteile über sünd hafte Frauen fällte. „Sie büßte, weil sie nur zu gut weiß, daß sie früher va dangue gespielt bat. Die Gesellschaft.. „Diese Gesellschaft!" höhnte Wally. „Ihr Ehrenkodex schreibt nun einmal vor", zuckte Doktor Römer mit den Ack/eln, „daß ein Mann von Ehre eine Frau nicht heiraten darf, die einen Fehltritt begangen hat. Sie verzeiht wohl dem Manne, aber niemals der Frau." „Das sieht ihr gleich", kam eS höhnisch über die Lippen der in ihrem Eifer doppelt schönen Frau. „Glau ben Tie wirklich an die Unfehlbarkeit der Gesellschaft?" „Ich glaube an ihre Moral!" „Was ist Moral? Der gute Ton etwa oder die Prüderie? Ist das Forum der Gesellschaft, vor daS jeder Fehltritt gezerrt wird, vollkommen einwandsfrei? Tas glaube ich nicht! Zöllner und Pharisäer sind harte Ankläger, doch keine gerechten Richter." „Das sind humane Ansichten, gnädige Frau", ent- gsgnete Vr. Römer achselzuckend, „aber es sind auch ge- sellschaftltche Hypothesen. In der Gesellschaft heiratet
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