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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040201026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-01
- Monat1904-02
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Anzeigm-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich <4gespatteu> 7K -L, vor den FamiUennock- richtea (»gespalten) KO Tabellarischer und gtssernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachwetsnugr« und Osferteoannahule 2K Gxlra-Brilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgab«, ohne Postbesörderung ^4 SO.—, mit Postbesörderuug 70.—. Anvatzmefchlntz für Av»ei,ev: Ab end« Ausgabe: vormittag» 10 Ubr. viorgrn.Ausgabe: uachmtttag» 4 Upr. Anzeigen sind stet» an di« Lzpeditio» zn richten. Die Lrpedttion ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pol» tu Leipzig (Inh. vr. R. L W. «linkhardt). Nr. 57. Var Airdtigrie vom Lagr. * Die WahlrecktSreformvorschläg« der sächsischen Regierung werden von maßgebender konservativer Seite al» unannehmbar bezeichnet, womit da» Schicksal des ganzen Wahlreformplanes besiegelt sein dürfte. * Der Kommandant S. M. S. „Habicht" meldet: Bei Ausfallgefechten bei Okahandja bis 21. Januar ge fallen: Eisenbahnsekretär Rock, Kux, Spockkamp. Omaruru ist am 27. mit großer Macht angegriffen, Angriff abgeschlagen. Von Otjimbingwe keme Nach richt, wahrscheinlich belagert. Bahnbau hinter Karibik wieder in Angriff genommen, da Regen nachläßt. * Man nimmt in Berliner unterrichteten Kreisen an, daß die Anwesenheit König Leopold» in Berlin in bezug auf die deutsche Grenzregulierung mit dem Kongostaate keinerlei Veränderungen herbeigefuhrt hat, damit würben die Befürchtungen wegen einer Benachteiligung Deutschlands in der Kiwu frage vorläufig hinfällig geworden sein. * Der Kaiser soll bezüglich der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens im Bilse-Prozesse doch eine KabinettSordre an die Offizierskorps erlassen haben. * Die russische Antwortnote an Japan wird kaum vor Mitte dieser Woche abgesandt werden. Anderslautende Meldungen waren verfrüht. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Februar. «in Urteil über Kaiser Wilhelm. Ein sonst garnicht deutschfreundliches Kopenhagener Blatt bringt nachstehende« Urteil über Kaiser Wilhelm, welche« zeigt, wie tiefen Eindruck im ganzen Norden da« Vorgeben de» Kaisers anläßlich der Aalesunder Katastrophe gemacht hat. Da» Blatt schreibt: „EL gibt Handlungen, welche mit Meteoren verglichen werden können, die plötzlich an der dunklen Kuppel des Himmelsraume« oufflammen. Ihr seltenes Erscheinen weckt selbst die gleichgültigsten Menschen — selbst der Bergmann verläßt die dunklen Gänge seiner Arbeit und blickt eine Zeit lang himmelwärts. Die Erinnerung an ein solches Meteor erhält sich lange Zeiten, sie Pflanzt sich fort vom Bater aus den Sohn und auf den Enkel. Wenn auch Kaiser Wilhelms vielfache Worte vergessen sein werden, wenn die Adler seiner Legionen und ihre funkelnden Kürasse im Schoße der Erde verrostet und zu Staub geworden sind, wenn da« Geschlecht der Hohenzollern nur noch in Stein in einer Siegesallec steht, so wird doch die Erinnerung daran lebendig bleiben, daß der Kaiser der erste war, welcher der unglücklichen norwegische» Fischerstadt seine Hand reichte. Europa steht einer Handlung gegenüber, welche in des Wortes vollster Bedeutung königlich ist. Der Fürst unsere« Erbfeindes hat gezeigt, wie ein bedeutender Mensch zu geben hat. Nicht die Größe der Gabe, sondern die unmittelbare Klarheit des Herzens, die unantastbare Reinheit des Gedanken», mit welcher er handelte, ist das, was wir bewundern und hochachtrn, und da», woran wir uns in diesen Tagen ein Beispiel zu nehmen suchen." Erweiterung her Krankenversicherung. Wer immer die Nützlichkeit der Krankenversicherung würdigt, wird mit Befriedigung Akt nehmen von der Er klärung des Staatssekretärs dcS Ännern; er persönlich sei für Montag den 1. Februar 1904. 98. Jahrgang. Die Kommission für internationales Privatrecht hielt letzter Tage im Haag unter hem Vorsitze des Staatsrates vr. Asser eine Sitzung ab. Mitgcteilt wurde, daß die Ratifikation des am 12. Juni 1002 von zwölf Staaten unterzeichneten Vertrages über internationales F a in i l i e n r e ch t binnen kurzem zu erwarten ist. Tie Niederlande haben den Vertrag bereits durch Gesetz an genommen. Hieraus bezügliche Gesetzentwürfe liegen den Parlamenten vor in: Frankreich, Belgien und Portugal! ein ähnliches wird demnächst in Italien und in Deutsch land der Fall sein, mährend der schnellsten Bekräftigung durch Spanien und Luxemburg cntgcgengesehen werden kann, vittsichtlich der übrigen Staaten fehlen bestimmte Mitteilungen. Sobald jedoch sieben Staaten dazu bereit sind, kann die Ratifikationsakte vor sich gehen. Sechzig Tage darauf tritt der Vertrag in Kraft. Nach der Rati fikation ist der Zutritt der weiteren bei der Konferenz vertretenen Mächte, die noch nicht unterzeichnet haben, zu lässig (Rußland, Norwegen und Dänemark). Der Zutritt Norwegens zu den Verträgen über Eherecht ist wahr scheinlich. Rußland zieht gegenwärtig seinen Beitritt zu den Bormundichastsverträgcn in Erwägung. Die vierte Konferenz beginnt am 16. Mai 1904 (die vorhergel-endcu fanden statt: 1898, 1804 und 19001. Noten über die Ver- handlungsgegcnstände sind bereits eingegangcn von Frankreich, Schweden, Rumänien und milch'" """ Ungarn Von Belgien wird eine Note erwartet. Die Kommission hat diese Noten ein geordnet und kommentiert: die Uebersicht wird, ebenso wie lm Jahre IE, rechtzeitig den Mächten übermittelt Hauptsächlich beschäftigte ans hem Inhalt der einae gangcnen Noten die Kommission: 1) die internatio a'c Regelung des Erbrechts und 2) die Verträge über intev nationales Prozeßrecht. Für letztere ist eine Probezeit ?u!ge"gcsaßt^o" alsdann stattfinüender Revision ins Russland und Japan. Au« Petersburg, 31. Januar, wirb uns berichtet: Die am 2«,. Jam.ar sei unter dem -.wisttz des Kaisers em Mmgterrat abgehalten worden, in »er Antwortnote an b-scküoff n worden se., „t cbeuso falsch, wie die Nachricht des „Reuterschen BurcauS" aus Petersburg daß die Antwortnote am Sonnabend abend nach Tokio ab'aesandt werden sollte. Außer der Beratung unter dem Vorsitze des 0)^1"Alexandrvwitsch hat m den russisch-japa nischen Angelegenheiten keinerlei Beratung siattgefundcn. Die Antwortnote dürfte kaum vor Mitte dieser Woche zur Absendung gelangen. Die „Times" melden aus Tokio vom 3V. Januar: Das in London in Umlauf gesetzte Gerücht cs s« durch den sapanischen Gesandten in Petersburg, Kurino eine feindselige Antwort Rußlands nach Tokio über> mittelt worden, entbehrt der Begründung.— Wir ver zeichnen noch folgende aktuelle Nachrichten: * Petersburg, 1. Februar. (Telegramm.) Die „Russische Telegraphrn-Agentur" erklärt: Tie hier umlaufenden Gerüchte, der Statthalter Alexejew sei an Vergiftung gestorben, er weisen sich nach Erkundigungen, die e» alsbald in Port Arthur telegraphisch eingezogen hat, als unwahr. Alexejew war unwohl, hielt aber gestern wieder die gewöhnlichen Empfänge ab. * London, 1. Februar. (Telegramm.! Dem „Standard" wird aus Lissabon vom 3l. Januar gemeldet: In Beantwortung einer Interpellation bezüglich des Gerüchts von dem Berkaus portu giesischer Kriegsschiffe anAgcnten der russischen Regierung erklärte der Premierminister in der Kammer, es sei kein Kauf. Vorschlag ringrgangrn. * London, 1. Februar. (Telegramms Der „Dailv Mail" wird aus Tschisu vom 31. Januar berichte!: Die japanische Flottrnreservr ist in der vergangenen Woche mobilisiert, auch die erste Arm« ereserve ist zum Teil mobilisiert und zwar mit großer Heimlichkeit. Die Mannschaften treffen als Kulis verkleidet in ihren Bestimmungsorten ein. Ter übrige Teil der ersten Armeerelerve erhielt Befehl, sich zur Einberufung bereit zu halten. 40 Transportschiffe mit einer Division von Kumamoto liegen im Hafen von Takeshiki zur Invasion bereit. * London, 1. Februar. (Telegramm.! Der „Taily Telegr." berichtet aus Tokio vom 31. Januar: In der Wohnung des Ministerpräsidenten wurde am Sonnabend ein achtstündiger Ministerrat abgehalten. - Dem Blatte „Jijishimpo" wird vom 30. Januar gemeldet: DerBizekönigJuanschikai gab die Liefe rung von LO000 Gewehr«» in Auftrag. Ferner wird die Meldung bestätigt, daß sieben russische Regimenter ans dem Marsche nach dem Jalu-Flusse seien, um Antung und andere Punkte, einschließlich mehrerer am Lühuser des Flusses, zu besetzen; einige Abteilungen seien bereits dort. — Eine Depesche des „Jijishimpo" aus Peking besagt, der Chef der chinesischen Zollverwaltung, Robert Hart, ernannte zum Kontrolleur des Zollamts in Niutschwang, Gilchrist, an Stelle des Russen Baloff. auch die russische Regierung zu einer au-giebig«« mehrung ihrer Streitkräfte in Oftasien schlossen. Die „ Nowofe Wremja" hat bereit» meldet, daß der russische Kriegsminister unter * Petersburg, 31. Januar. Gegenüber der Meldung der eng. lischen Presse, daß in Lbarbi und anderen Ortender Mandschurei infolge von KrikgSbefürchtnngen große Beunruhigung h«rsch«, telegraphiert der Agent der Russischen Telegraphen-Agentur in Charbin: Hier herrscht vollkommene Ruhe und durchaus zuversicht liche Stimmung. Angesichts der militärischen und finanziellen Mobili- lierung Japans, über welche zahlreiche Londoner Tele gramme in den letzten Tagen berichteten, hat sich nun auch die russische Regierung zu einer au«giebigen Ber ent- ge- ... . „ dem 2l. Januar die Umwandlung von 28 Reserve-Bataillonen, welche im Frieden die KadreS für 7 Reseroebrigaden (Nr. 51 bis 571 bilden, in Regimenter zu 2 Bataillonen angeordnet hat. Das russische Heer besitzt in den Reservebrigaden eine ihm eigentümliche Kadresinslitution für den Kriegsfall. 12 Reserve bngaden (Nr. 51 bis 62), zu denen die 7 mobilisierten Brigaden gehören, bestehen un Frieden aus je 4 Bataillone« zu 5 Com pagnien. Die 48 Bataillone der Brigaden Nr. 51 bi» 82 sollen sich nach der Organisation im Mobilisierungsfalle in 12 Infanterie-Divisionen zu 4 Regimentern ä 4 Bataillonen, also (6 Bataillonen, erweitern. Wie es scheint, wurde aber jetzt noch nicht die ganze StcmdeSerhohung durch geführt, sondern nur eine partielle Mobilisierung an geordnet, indem nur 28 Reserve-Bataillone irr ebenso viel Reserve-Regimenter zu 2 Bataillonen umformiert wurden. Diese 56 Infanterie-Bataillone würden die Ausstellung von 3 bis 4 Reserve-Divisionen gestatten, di« nach den Andeutungen der „Nowoje Wremja" zum Ersätze jener Linicntruppen in Europa bestimmt sein dürften, die zur Verstärkung der Armee nach Oftasien abgefchickt wurden. ES sind die» eine Brigade der 3j. (Charkow, und eine Brigade der 35. (Tela) Infanterie truppen - Division, die bereits im Frühjahr nach Ostasicn transportiert worden sind, angeblich um die Leistungsfähigkeit der sibirischen Bahn zu erproben, was insofern kaum notwendig war, al« in Petersburg genau bekannt ist, daß ein Schnellzug zwei Wochen und ein Militärzug vier Wvchen benötigt, um von Moskau aack Port Arthur zu gelangen. Iw Jahr« 1900 hat di« russische Kriegsverwaltung innerhalb zweier Monat« 40 000 Mann »nd 10 000 Pferde mit den dazu gehörigen Fahrzeugen von Europa nach Oftasien befördert. DreS gibt einen Maßstab, wie viel Truppen Rußland im geheimen seit Ausbruch des Konfliktes mit Japan bereits au» Europa an die Küsten des Gelben Meeres geworfen haben kann. Es ist übrigens bekannt, daß von 40 europäischen Divi sionen je eine Kompagnie nach Oftasien befördert wurde Auo diesen 40 Kompagnien und 0 in Wladiwostok und Port Arthur gestandenen KeslungS-Infanterie-Bataillonen wurden sodann die 7. und 8. ostsibirische Schützenbriaadc mit zusammen 20 Bataillonen formiert. Außerdem besteht die Vermutung, daß auch die Schwcfterbrigaden der 31. und 35. Infanterie-Division nach Ostasicn geschickt wurden, sodaß nun außer dem ersten und zweiten sibiriichen Armeekorps auch noch ein l'ouwlctteö europäisches Armeekorps dort ver sammelt ist. Alle diese Truppen, sowie auch die dazu ge hörige Kavallerie, Artillerie und technischen Truppen befinden sich auf dem KriegSstande. Möglicherweise sind übrigen« auch die eben mobilisierten sieben Reserve-Divisionen (5t. bi» 57.) nach Oftasien dirigiert worden. die Einbeziehung der Dienstboten und der Landarbeiter in die ZwangSkrankenversichernng. Je nötiger es aber ist, auf die großen Verschiedenheiten der territorialen Ver hältnisse in den weiten Gebieten des deutschen Vaterlandes Rücksicht zu nehmen, um so größeres Gewicht ist auch dem Zusatze der Erklärung des Grafen PosadowSky beizu messen; was sich im Westen und in den Provinzen mit dichter Bevölkerung verhältnismäßig leicht durchführen lasse, stoße auf große Schwierigkeiten, beispielsweise in Ostpreußen mit seinen großen Ortsentsernungen. Eine gewisse Bestätigung dieser Prognose wird darin zu erkennen sein, daß schon jetzt die Krankenversicherung landwirtschaftlicher Ar beiter wie des Gesindes in einem Teil Mittel- nnd Südwest - Deutschlands in die Wirklichkeit übergcsübrt ist. Sollten die verbündeten Regierungen, wa« als nicht un wahrscheinlich gelten kann, vorläufig Bedeuten tragen, die Einbeziehung der landwirtschaftlichen Arbeiter und des Ge sindes in die Rcichsversicherung früher vornehmen, als die Vereinfachung der BerstcherungSgesetzgebung erreicht ist, so würde doch kein Hindernis sich bieten, auf dem Wege der einzelstaatlichen und provinzweisen Inangriffnahme der in Frage stehenden Aufgabe weitere Versuche zu machen und Erfahrungen zu sammeln; diese würden ohne Frage nicht verloren sein und neuen Antrieb bieten, das was jetzt schon in einem Teile deS Vaterlandes in den öffentlichen Brauch übergegangen ist, eine gemeinsame vaterländische Institution werden zu lassen. Ter Revisionist«»«» erhebt sein Haupt. Die Stimmenthaltung der sozialdemokratischen NcichstagSfraktion bei der Abstimmung über die Herero-Vorlage hat bekanntlich den „Genossen" von Teltow-Beeskow unter Fübrung deS Abgeordneten Zubeil Anlaß zu lebhafter Kritik gegeben. Sie verlangten unentwegt die schroffe Ablehnung solcher Forderungen. Demgegenüber sei hier angeführt, daß der sozialdemokratische „Volksjrcunv" in Karlsruhe die entgegengesetzte Stellung einnimmt. Er schreibt, die Fraktion möchte ihr« Stellung einer nochmaligen Prüfung unterziehen. Die Fraktion werde sich in ihren Be ratungen der Tatsache nicht entschiagen können, daß es sich nicht lediglich um die Niederwerfung des Aufstandes, sondern auch um den Schutz des Leben» von Reichsangehörigen handele. Feuilleton. In der Brandung. sj Roman von Wilhelm Fischer. .Nachdruck verdaten.» Viertes Kapitel. Baron von Briesen hatte, dem Drängen seiner Ver wandten folgend, die EntmündigimgSklage gegen den Grasen Fritz Trenberg durch Rechtsanwalt Vr. Walther Römer eingeleitet. Da der Graf in früheren Jahren sowohl in den Hof kreisen, als in der Lebewelt der Hauptstadt eine führende Rolle spielte, und sich noch so gar mancher der Tursbe- sucher dcS schneidigen Herrenreiters erinnerte, der seine Farben so häufig zum Siege geführt hat, bemächtigte sich sofort die Presse deS pikanten Stoffe-. Eines jener be kannten Sensationsblätter brachte sogar das Bild des Grafen und der beiden Verteidiger, was indes Doktor Werner nicht hinderte, den verantwortlichen Redakteur wegen einiger geistvollen, aber beleidigenden Ausdrücke vor den Kadi -u zitieren. Wie der Graf richtig geahnt hatte, war er der Held eines Sensationsprozesses, den Doktor Römer für sich auS- zubeuten beschlossen hatte. Das mußte der Neid Doktor Römer lassen, er verstand cs vorzüglich, sich zu inszenieren. Zu diesem Zwecke stand er sich mii sämtlichen Gerichts reportern vortrefflich; «nd so lanzierte er denn von Zeit zu Zeit Mitteilungen über diesen, wie schon früher über andere Prozesse in die Presse Für die oft wertvollen Informationen revanchierten sich die dankbaren Reporter dadurch, daß sie Doktor Römer in ihren Berichten den eminenten, bewährten und bekannten Verteidiger nannten und ihn über den Schellenkönig feierten. Auf Veranlassung Werners, der sich über die schamlose Ausbeutung des Prozesses gewaltig ärgerte, hatte Baron Briesen wiederholt im Namen seiner Familie, der eine derartige Ausdehnung des Skandals keineswegs erwünscht war, Doktor Römer dringend ersucht, seinen Einfluß auf die Journalisten im beruhigenden Sinne zu benützen. Das wirkte umsomehr, als der Anwalt des Grasen per- fönliche Vorstellungen gegen diese, anS Frivole grenzende Ausschlachtung des Stoffes bet den Leitern der Haupt» statisch« Press» erhob. Die Affäre wurde ruhiger be handelt, allein hin und wieder sickerte eine Nachricht durch, die Doktor Werner nicht mit Unrecht auf seinen intriganten Kollegen als Quelle zurückführte. Baron von Briesen verkehrte nach wie vor sehr rege im Hause des Freundes, während Doktor Römer den Privatverkehr mit Doktor Werner abbrach. Frau Grete dagegen suchte, trotz der Vorhaltungen ihres Gatten, häufigerWally auf, zumal sie bemerkt hatte, daß dieselbe sich in einer sehr eigentümlichen und sehr nervösen Weste für den Prozeß und, seltsam genug, für den Ausgleich und die Beilegung desselben engagierte. Außerdem hatte die intrigante Frau noch andere Gründe, den Verkehr mit Wally reger zu gestalten. Es verletzte ihre Eitelkeit nicht wenig, daß der Baron, obwohl er gegenwärtig in einem sehr eifrigen Geschäftsverkehr mit ihrem Manne stand, sie, wie sie wütend bemerkte, förmlich schnitt, im Hause ihrer Rivalin regelmäßig erschien, trotzoem sie ihm Avancen ge macht hatte, die ein Blinder verstehen mußte Sie tam I>ar cispit, denn sie wollte ergründen, welch« Ursache der Baron hatte, einen Verkehr »och reger zn gestalten, der, ihrer Ansicht nach, keineswegs im Interesse seiner Familie liegen konnte. ES ist ein eigen Ding um beleidigte Liebe, denn, daß sie den Baron liebte, war sich die gewissenlose Fran klar; fie sprach bei jeder Gelegenheit von dem Baron, forschte nach ihm, rühmte ihn, allerdings in der denkbar vorsich tigsten Weise und jenem gelangweilten Ton, welcher der „unverstandenen Fran" über so manche Klippen Hinweg hilft. Auch heute sprach sie von ihm. Sie war immer «n gekommen, und hatte deshalb ihr kokettes Hütchen, von dem sie wußte, -aß es ihr gut stehe, aufbe» halten. „Baron Briesen ist sehr unterhaltend; er gewinnt, wenn man ihn näher kennen gelernt hat", sagte sie gelang, weilt. „So, haben Sie das gefunden, meine Liebe", lachte Frau Wally. „Die Männer sind eben verschieden, und jeder will anders verstanden sein Ich bin jetzt vier Jahre ver» heiratet. Ich gestehe. eS war eine Veruunftsehc, die ich schloß. Ich habe mir also den Vergleich gesichert und man lernt, indem man vergleicht, die Männer am besten kennen." „Da- sind für den Frieden «in«r Ehe bedenkliche An» fichten", sagte Frau Wally kopfschüttelnd und mit leisem Vorwurf im Ton. allerdings, wie Sie sich ausdruckten, cm blutiger JSeLlist. Mein Mann meinte das gewiß nur im Interesse der Handlung. Ucbrigcns war auch meiner Ansicht nach zur Sicherung des dramatischen Effektes der Novität die Steigerung bis zum Selbstmord oder sonst eine ähn liche Katastrophe, sagen wir, wie in „Nora" z. B. die Flucht, die Entsagung der Krau notwendig." „Daran habe ich allerdings bei seiner Antwort nicht gedacht. Ich gestehe es. Aber ist seine Antwort keine naive? Idealist bleibt er also doch, denn er kennt uns Frauen keineswegs von ihrer wahren Seite." „Wie jo'? Wie meinen Sie das?" fragte Wally er staunt und unangenehm übci-rascht. „Nun, ich denke, wir Krauen kennen doch die Krauen und ihre wahren Motive", lachte Krau Grete aus. Ihre schnippische Bewegung von vorhin unterstützte den sar kastischen Hohn, den sie in ihren Ton legte. „Ein Mann, der eine Frau erschießt, ist dumm, ein Mann aber, der fich wegen einer Frau ins Jenseits befördert, ist noch dümmer, denn er besorgt unS, pour In kann« bouc-in-, die Reklame und eine Frau, die unier solchen Umständen entsagt, ist am dümmsten, denn sie beweist nur, daß sie es nicht verstanden bat, ibren Mann so unterzukriegen, daß er auch im Ernstfall „Piep" sagt!" Nach dieser großen, so charakterisierenden Rede leerte Frau Grete ihr Glas Wein. Wally schenkte ihr non neuem das GlaS voll, wobei ihr der Gedanke kam, Frau Gretcn, die nun schon das dritte GlaS Wein aus einen Sitz geleert hatte, etwas über den Pivzeß auSzuhorchen. ,„Jhr Mann ist gegenwärtig mobl sehr stark beschaf ft?" Krau Grete lachte und nippte wieder an dem vollen GlaS: „Ja, ja, sehr sogar. Sie wissen, der Prozeß Treu berg!" — Sie nippte wieder, es war guter Vacrimac Christi! „Der Rein ist aber gut, und so süß! Den könnte ich den ganzen Tag schlürfen." „Ach ja, der Prozeß! Bald hätte ich ihn vergcffen; aber trinken Sie nur, verehrte Freundin, wenn der Wein Ihnen mundet!" „Sic flimmern sich wohl gar nicht um die Geschäfte Ihres Mannes, liebste Kran Kollegin?" fragt« Frau Grete höchlich überrascht. „Osten gestanden, nein! meine Veste!" „Ach io, Ihre Eh« ist ja ein« Neigungsehe! Dafür habe ich kein Verständnis, «Ler die Gelchäft« «eines Mannes kenn« ich aus tza« ff,". Daun setzt« fi« l«tztg Frau Grete machte eine schnippische Bewegung. „Mein Gott!" sagte sie dann und schlenkerte kokett mit den Küßen. „Man will sich doch unterhalten, und ich amü siere mich, indem ich Vergleiche und die Charaktere der Männer studiere. Mein Mann z. B. ist Epikuräer." „Sie urteilen streng und, wie ich fürchte auch gerecht", lachte Wally. „Aber ich habe ihn in der Fuchtel, wenn ich will, kriecht er in ein Mauiettch. Das versöhnt mit seiner Bosheit und seinen Gelüsten", plauderte Frau Grete selbstzufrieden. „Der Baron ist, wie der Franzose sagt, UN zsuu« komm«- frnist, aber Svbarit, der sich in die Toga der Wettweisen hüllt und den Geist zu spielen sucht, der mit Recht stets verneint." „Ist Ihr Urteil nicht ungerecht'? Ich halte den Baron für harmlos." „Das ist er nicht! Verlassen Sic sich daran?. ES ist so, wie ich sage. Er ist Sybarit, auch der Gesinnung. Und Ihr Mann, meine Veste, ist blutiger Idealist." „Unmöglich!" lachte Wally hell auf. „Ich habe Beweise!" „Da bin ich doch neugierig!" „Bei der letzten Premiere z. B. fragte ich die Herren um ihr Urteil und ihre Ansichten." „Und?" fragte Wally wirklich interessiert. „Der Baron zuckte die Achseln, lächelte eigentümlich und meinte: ,ZScnn ich einer von den beiden sein möchte, würde ich cs vorzichcn, nicht der Herr Gemahl zu sein/ Wally zuckte wcgwerfeud die Achseln. „Mein Mann äußerte", fuhr Kran Grete fort, wobei ein mokantes Lächeln um ihre Mundwinkel spielte: „Die Versöhnung des Helden mit seiner schuldigen Frau sei für ihn unvorteilhaft. Hm! Sonst ein glatter El>c- fcheidungSgrund. Denken Sic nur, wie frivol! Ein glatter Ehescheidungsgrund!" „Der Epikuräer ist eben Rechtsgelehrter, meine Beste!" meinte Wally mit feinem Lächeln, und ernster werdend, fragte sie: „Und was meinte mein Mann'?" „Ernst, wie immer, antwortete er mir, ohne daß ich an ihm äußerlich irgend welche Motion bemerkt hätte: „Der Mann müßte flch oder fie erschießen." Und al» ich erstaunt seinen Blick suchte, erschrak ich, so seltsam fanatisch war er. Denken Sie nur, erschießen!" Wally erschrak bis in« Innerste ihrer Seele, aber als fie die forschenden Blick« erkannte, auf denen sie von Frau Grete beobachtet wurde, beherrschte sie sich und lachend erwidert« fie: „Erschießen! Mein Mann ist dann
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