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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-04
- Monat1904-02
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Reklamen unta dem Redaktionrstrich (4gespalten) 75 vor den Fainllcrnnach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zisserniay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung»» und Ossertenannahme 25 Ertra-Vetlaqen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Pvstbeivrderung 60.—, mit Postbefvrderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-AuSgabr: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Palz in Leipzig (Inh. Vr. V., R. L W. Ktiulhardt). stein hat in der Debatte im Abgeordnetenhaus« gesagt, er werde für die Aenderung der Grundlagen des preußischen Dreiklassenwahlrechts nie zu haben sein; er hat das große Wort gelassen au-gesprochen: „Unter den Wahlsystemen, die bestehen, gibt e-, glaube ich, keine-, da- so genau und richtig -en Ausdruck der öffentlichen Meinung wiedergtbt, wie Laö Dreiklassenwahlsystcm in Preußen". Zu dieser Aeußerung, die der Unerschrockenheit -e- Minister- alle Ehre macht, aber auch nur dieser, kontrastiert es höchst eigenartig, baß Graf PosadowSky im Reichstage die Sicherung -eS Wahlgeheimnisses eine ethische Pflicht ge nannt hat. Wir brauchen die Ansicht des Herrn von Hammerstein nicht mehr zu -i-kutieren, sie ist längst wider* legt, in der Vergangenheit durch da- Zeugnis de- Fürsten BiSmarck, dessen vernichtende Kritik diese- Wahlsystems ja hinlänglich bekannt ist, in der Gegenwart durch die Tat sache, daß tn den fünf größten Bundesstaaten die Wahl reform auf der Tagesordnung steht. Wir konstatieren nur mit Bedauern, daß die Vertrauensmänner des Kanzler in Bezug auf die allerwichtigsten Kragen der Politik ganz entgegengesetzter Ansicht sind und die- mit schönem Frei mut an den Tag legen, der uns noch schöner erscheinen würde, wenn beide Herren Rentiers in Nixdorf, nicht aber Chefs hoher Siaatsressorts wären. Daß der Kanzler im Reichstage durch bas Medium de- Grafen PosadowSky modern, im Abgeordnetenhause durch -en beredten Mund de- Freiherrn von Hammerstein rückständig erscheint, da würde die Beurteilung dieses Staatsmannes erschweren, sein Wesen in ein schillerndes Zwielicht rücken, wenn wir nicht hoffen dürften, daß Graf PosadowSky die Ueber- zeugungen des Kanzlers richtiger interpretiert und baß die Auffassung, die wir in den Worten „Hammerstein oontr» Bülow" zum Ausdruck brachten, eine berechtigte ist. Ganz sicher dürfen wir auf eine bündige Aufklärung hoffen, denn wenn der Kanzler zu den Aeußerungen des Herrn von Hammerstein schweigen sollte, so würde un wirklich nicht allein um seine Gottähnlichkeit, sondern auch um das Mindestmaß von Autorität bange, das Graf Bülow für sich in Anspruch nehmen kann und muß. Dieselbe Unstimmigkeit, die hier so kraß zu Tage trat, zeigte sich ans dem nicht minder wichtigen Gebiete der Ost- markpoltttk. Der Kanzler, der sich mit anerkennens wertem Bemühen in diese spröde Materie eingearbeitet hat, legte stets den Nachdruck auf eine positive Politik der wirtschaftlichen und kulturellen Förderung jener Pro vinzen. Die polizeiliche Chikane gilt ihm als eine längst vermoderte Staatsunklugheit, Repression schlechthin als unsittlich und, was nach Taleyrand wichtiger ist, als un wirksam. Und nun donnert plötzlich der grimme Herr von Hammerstein: .Mir haben zu befehlen, ihr habt zu ge horchen!" Nicht lange, nachdem Graf PosadowSky ge äußert hat, auf wirtschaftlichem Gebiete fei es nicht mehr möglich, den Grundsatz, „ich will Herr im Hause sein" strikt und ohne Konzessionen durchzuführen. Sollte es aus po litischem Gebiete noch möglich sein, obwohl doch die poli tische Emanzipation der Völker der wirtschaftlichen Mün digsprechung der Individuen solange vorausgegangen ist? Graf Bülow, der konstitutionell und modern empfindende Mann, muß erblaßt sein, al- er die Fanfaronade des Herrn v. Hammerstein vernahm. Denn mehr — seien wir doch ganz aufrichtig! — mehr ist es ja doch nicht. Die absolute Politik der starken Hand hat allenthalben abgewirtschaftet, darüber kann uns ein Blick nach Ungarn hin belehren. Die rein mechanische Auffassung des Staatslebcns, wie Herr von Hammerstein sie vertritt, ist eingesargt. Sie hatte einst ihre Berechtigung, aber nun ist sie dahin, un wiederbringlich dahin und keine polternde Excellenz wird sie wieder zum Leben erwecken. Graf Bülow aber wird hoffentlich ein Wort der Klärung zu sprechen wissen, daS dem Minister des Innern den Mut zu weiterer Initiative dauernd benimmt. Wir möchten diesmal kein Zitat von ihm hören, sondern ein Wort von eigenemWuchs, einWort, aus dem ein ganzer Mann spricht, hinter dem ein ganzer Mann steht, ein Bülowwort, das seines großen Vorgängers würdig und doch nicht von ihm entlehnt wäre. 6. Deutsche» Hkich. * Berlin» 3. Februar. * „Ein Nachklang" überschreibt die kanzlerosfiziöse „Siidd. ReichSkorresp." folgende Auslastung: „Ohne zu politischen Abmachungen zu führen, die ja nirgends geplant waren, hat der Besuch des Königs der Helgier auf deutscher wie auf belgischer Seite ungetrübte Eindrücke zurückaelafsen. Dieses EraebniS ist anscheinend nicht nach dem Geschmack einzelner französischer Blätter, die sich gern ein vormundschaftliches Aussicht-recht über Belgiens auswärtige Beziebungen, namentlich über sein Ver hältnis zu Deutschland beilegen. Da nun schlechter dings nichts zu finden war, weil eben der freundlich offene und gar nicht geheimnisvolle Empfang König Leopold« durch Kaiser Wilhelm keine Handhabe für Verdächtigungen bot, sollte eine Art „Zwischenfall" dadurch zurecht ge macht werden, daß man Ihrer Majestät der Kaiserin eine geflissentliche Reserve gegen den Königlichen Gast andichtete. Auch in deutschen Blättern — bei uns ist eS sonder barer Weise meist die demokratische Presse, di« in Dingen de« Hofzeremoniell- eine überfeine Empfindlichkeit an den Tag legt, — wurde e« „auffällig" gefunden, daß bei dem Gottesdienst in der Schloßkapell« am 27. Januar die Kaiserin nicht von König Leopold geführt worden sei. Die Tatsache ist an sich richtig; sie erklärt sich aber einfach daraus, daß unsere Kaiserin durch ihr an fencm Tage noch nicht ganz gehobenes Fußleiden überhaupt verhindert war, an dem Zuge, der sich durch viele Säle deS Schlosses zur Kapelle binausbewegte, teilzunrbmen. Sie begab sich deshalb unmittelbar aus ihren Gemächern dorthin und kekrte nach Beendigung des Gottesdienstes auf demselben Wege wieder zurück, von Ihrem Kaiserlichen Gemahl bis zum Ausgang der Kapelle geleitet. Schon am 26. Januar hatte aber die Kaiserin den König der Belgier persönlich be grüßt, am 28. erschien sie, inzwischen völlig wieder her gestellt, bei dem zu Ehren des Hohen Gastes veranstalteten Mahle und — zur Beruhigung demokratischer Blätter in Deutschland, wie republikanischer in Frankreich, sei eS aus drücklich festgestellt — wurde von König Leopold zu Tisch geführt." * Deutsch-russische HaudclSbezlehungen uud frau« Msche Neoauchehoffuunge«. Dem „Echo de Parts" hat eS beliebt, dem Grafen Bülow in der Voraussetzung, daß der Stand der deutsch-russischenHandels- vertragS Verhandlungen sehr ungünstig sei, folgende Alternative zu stellen: „Zwei Mittel bleiben zu seiner Verfügung: mutig den Kampf mit den deutschen Agrariern aufzunehmen, indem er an erkennt, daß er sich in seinen Berechnungen getäuscht hat und daß die Minimalzölle auf Roggen und Weizen, Gerste und Hafer nicht al» Grundlage für ernsthafte Verhandlungen dienen können, oder Rußland den Zollkrieg erklären, indem er die bestehenden Handelsverträge kündigt, bevor er weiß, ob er sie durch andere ersetzen kann. Es wäre in jedem Falle ein Schlosses musikalische Vorträge. — Heute abend gedachte der Kaiser an einem Diner bei dem Präsidenten deS Reichstage- Grafen v. Bal le st rem zur Einweihung der neuen Räume im ReichStagSpräsidialgebäude teilzunehmen. — „Der preußische Landwirtschaflsminister hatte gestern die Mitglieder der Budgetkommtfsion de» Abgeordneten- Hauses zu einer Weinprobe ins Landwirtschaftsministertuin ein geladen, wobei elf verschiedene Weins orten, sämtlich aus den dominial-fiskalischen Weingütern flammend, vorgesetzt wurden." So lautet eine Meldung des offiziösen Wolfis Bureau, das von dem Aue-gange der „Sitzung" leider nichts berichtet. — Der 23. ordentliche Adelstag findet am 25. Februar in der Kriegsakademie zu Berlin statt. Zwei Tage vorher, am 23. Februar, wird eine Generalversammlung de» ZeiuralhülfsoereiuS der Deutschen Adelsgenossenschaft veranstaltet. D Königsberg, 3. Februar. (Tel.) Die „Königsberger Hartungiche Zeitung" meldet: Stadtrat Michelly, Senior de» Magigratskollegiums und Vorsitzender des AufsichtSrat» der „Hartungschen Zeitung", ist heute früh gestorben. * Tanzt-, 3. Februar. Graf Bruenneck-Bellschweitz, der bis herige Vorsitzende des Vereins der Konservativen der Provinz West preußen, hat aus Gesundheitsrücksichten sein Amt niedergeiegt. Au seine Stelle wurde Graf Dohna-Fincken st ein zum Vorptzendeu gewählt. * vromberg, 2. Februar. Das hiesige Grenadier- Regiment zu Pferde Freiherr von Derfflmger (Neu- märlischeS, Nr. 3, dessen Chef der Kronprinz von Schweden und Norwegen ist, begeht in den Tagen vom 14. bis 17 Dezember d. I. sein 200jährigeS Jubiläum. Zu der Feier hat dem Vernehmen nach auch der Kaiser scia Erscheinen zugesagt. schwerer Fehler seinerseits, wenn er den Rnischlägcn Gehör schenkte, welche die deutschen Agrarier ihm ins Ohr flüstern, und wenn er russische Verlegenheit benützte, um Rußland gegen über diplomatisch im Trüben zu fischen. Deutschland hat jedes Interesse daran, im Osten seiner Grenzen sich keinen unver söhnlichen Feind zu schaffen. Das weiß Graf Bülow sehr gut, und er wird nicht den groben Irrtum begehen, den einige seiner Freunde ihm suggerieren und den wirFranzosen als die Morgendämmerung naher Genugtuung (comme l'aube ckes rSpsrations prockaines) begrüßen könnten.' Die Berechtigung einer so ausschweifenden Kombi nation bleibe hier ebenso unerörtert, wie die Frage, ob die eingangs erwähnte Voraussetzung stichhaltig sei. Worauf es im Augenblicke ankvnimt, das ist der Hinweis auf die Hoffnungen, die ein dem französischen General stabe nahestehendes Blatt, wie das „Echo de Paris", aus einer ungünstigen Ge staltung der deutsch-russischen Handelsbeziehungen schöpfen zu sollen meint. * «egen den Flaschcnbterhan-el. Die preußischen Minister deS Innern, für Handel und Gewerbe, unv der geistlichen usw. Angelegenheiten haben sich in einem ein gehenden Erlaß an den Oberpräsidcnten mit demFlaschen- oierhandel beschäftigt. Es ist zur Sprache gebracht worden, daß der Flaschenbierhandel und zwar sowohl der von festen Verkaufsstätten aus, wie auch der mittels Wagen betriebene, einen bedenklichen Umfang angenommen habe und dazu diene, weite Kreise, namentlich der arbeitenden Be völkerung, zur Trunksucht zu verleiten. Es ist Hervor geboden worden, daß von den Flaschenbierwagen aus der Be- völkerungdaS Bi ergeradezuaufgedrängk werde,daß man nament lich in industriellen Bezirken, vielfach Gelegenheit habe, ganze Familien mit Weib und Kind und den Kostgängern betrunken in den Straßen zu sehen und daß in den Arbeiterhäusern das auf den Tischen ständig berumstebende Flaschenbier auffalle. Von den Besitzern der Flaschenbier wagen würden ganz besonders die Lohn- und Abschiags- zahlungstage benutzt, um möglichst viel Bier zu ver kaufen. Die Oberpräsidenten sollen sich nun darüber äußern, 1) ob bezüglich des Flaschenbierhandels in der dortigen Provinz ähnliche, wie die oben erwähnten Mißstände hervorgetreten seien; 2) ob und mit welcher Wirkung die durch die jetzige Gesetzgebung schon gebotenen Maßregeln zur Bekämpfung der Mißstände zur Anwendung gebracht feien; 3) ob die zur Bekämpfung vorgeschlagene Maßregel der Einführung einer, von dem Bedürfnisse ab hängigen Erlaubnis zum Flalchenbierhandel zweckmäßig und durchführbar erscheine, oder welche anderen Vorschläge bort- seitS zu machen feie». * Arbeiter find die schlechtesten Arbeitgeber, so hat wörtlich ein Magdeburger „Genosse" gesagt. Der in Magdeburg von Buchdruckern gebildete Graphische Gesangsverein wird von den sozialdemokratijchen „Genossen" längst mit bösen Blicken betrachtet, obwohl die Mehrzahl seiner Mitglieder seiber zur sozialdemokratischen Organisation gehört. Man macht eS z. B. dem Verein zum Vorwurf, daß er einmal da» Lied „DaS ist der Tag des Herrn" gesungen habe, und be merkt höhnisch: „Ihr singt noch Halleluja!" Die Mitglieder dieses Verein- sollen überhaupt eine gewisse Antipathie gegen die bekannten sozialdemokratischen Chorliederan den Tag gelegthaben. Mansiehtaiso, daß auch dir von den Arbeitern gebildeten Gesangsvereine in erster Linie sozialdemoftatifche Agitationsverrine sein sollen, zur Pfleg« sozialdemokratischer Tendenzen. Dieses Verlangen hat sich nun in so schroffer Weise geltend gemacht, daß man zwei Mitglieder de» Graphischen Gesangvereins, die in der sozialdemokratischen Druckerei beschäftigt stad, mit der Drohung zum Austritt gezwungen hat, sie würden sonst ihr« Arbeitsstellen verlieren. DaS veranlaßte einen „Genossen" namens Hesselbarth zu der Erklärung: „Die Angelegen heit zeige, daß die Arbeiter die schlechtesten Arbeitgeber sind." WaS übrigens schon ziemlich allgemein bekannt war, aber nicht oft genug wieder betont werden kann. * Ter Kaiser hatte gestern abend zur Teestunde die Ober hofprediger v. Dryander und V. Faber geladen. — Heute vormittag empfing der Kaiser im Beisein des Chef» des Civil- kabinetts die Professoren Hecker, Hellmann, Freiherr v. Richthofen, Güßfelv und nahm von Professor Hell mann einen Bortrag entgegen. Spater hörte er den Vortrag von Minister v. Lucanu» und empfing den Generaladjutanten v. Mischke. — Heute nachmittag hielt der Berliner Lehrer-Gesaugverei» ü» Elisabeths«»! de« Königlichen Ausland. Oesterreich - Ungar«. Der Thronfolger und die Klerikalen. Wien, 3. Februar. (Tel.) Die in mehreren in- unv ausländischen Blätter» kürzlich veröffentlichten Mitteilungen über das Gespräch deS Erzherzogs Franz Ferdinand mit dem Vorstände deS katholischen Schulvereins beruhen vollkommen auf Er findung, da der Erzherzog weder mit dem Obmann de- Bereins gesprochen, noch die in den Zeitungen erwähnte» Worte überhaupt gebraucht hat. Orient. Sorbische Mintstcrkrise. Belgrad, 3. Februar. (Tel.) DaS KabinettGcuitsch stellte gestern abend im radikale» Klub die Vertrauenssrage, worauf der Ministerpräsident dem Könige Bericht erstattete. Der radikale Klub wird erst heute nachmittag Beichluß fassen. Die Umbildung de« Kabinetts durch Ausnahme einiger Radikalen aus der Pafitsch- Gruppe gilt als wahrscheinlich. Japan und Rußland. * London, 3. Februar. (Tel.) „Daily Mail" will au« angeblich ausgezeichneter Quelle wissen, Rußlands Ant wort werde zwar die Oberhoheit Chinas in der Mandschurei zugestehen, aber es ablehnen, diesem Zu geständnisse die Form eines Vertrages mit Japan zu geben. Japan werde in der Note ausgefordert werden, sich damit zu begnügen, daß Rußland in einem Rundschreiben an die Mächte ober auf andere indirekte Weise die Ober hoheit Chinas anerkenne. Japan werde sich entschließen müssen, ob es eine solche indirekte Zusicherung annehmen oder auf dem Verlangen nach einer bindenden Erklärung Rußlands ihm gegenüber beharren wolle. Davon hänge alles Weitere ab. „Morning Poft" erfährt, Japan sei ent schlossen, keine andere Grundlage eines Abkommens anzu nehmen, als eine Verbürgung der Unversehrtheit chinesischen Gebietes. (Voss. Ztg.) Amerika. Revolution in Urngnay. Buenos Aires, 3. Februar. (Tel.) Nach Meldungen aus Montevideo herrscht in der Hauptstadt Ruhe. Die Regierung hält es nicht für erfor derlich, die Stadt zu befestigen. Die Bataillone der Nationalgarde wünschen den Feld mg; Schießübungen werden angestellt, die ausgezeichnete Erfolge baden. Die beun ruhigenden Gerüchte finden in den RegierungSkreiseu keine Bestätigung. Deutsche Schnlcn tn Brasilien. Die Mitteilungen, welche neuerer Zeit aus Südbrasilien über die Lage der dortigen deutschen Schulgemeinden an die in Deutschland bestehende „Blumenau-stistung" gelangt sind, haben letztere ver anlaßt, zwanzig gute Schulbiblivtheken nebst Wandkarten und anderen Lehrmitteln sowohl nach Santa Catharina wie auch nach Rio Grande do Sul, wo zur Zeit 400 000 Personen deutscher Abstammung leben, zu senden. Des weiteren bat die gedachte Stiftung sich entschlossen, den besten Lehrplan für eine einklassige Pikabenschule mit 200 .4! zu prämiiren. Die Stiftung bat kürzlich eine ausführliche ^cdrisl über „Die deutschen Schulen und Schulgemeinden in Südbrastlien" herausgegeben, die von der Verwaltung der Stiftung, Berlin UV., Lutherstraße 5, bezogen werden kann. Diese Schrift liefert ein sehr eingehendes und charakteristische» Bild über den vielfach vernachlässigten Zustand der deutschen Schulen in Südbrasilien. Da für dieselben von den ein heimischen Behörden durchaus unzulängliche Mittel aufge- wandt werden, ist die Tätigkeit der gedachten Stiftung sehr am Platze und ihr tatkräftiges Vorgehen verdient alle An erkennung und Förderung. Der Ausstand in Südwestafrika. Erfreuliche Nachricht«». * Die Unterwerfung der BondelzwartS. Die vom Gouverneur Leutwein am Ookiep abgesandte Depesche bestätigt nun definitiv die Unterwerfung der Wilde» mit dem schwer aussprechlichen Namen, sodaß also dieser Teil des Aufstandes rascher, al« man biS vor kurzem noch hoffen durste, zur Ehre de« deutsche» Namen« und Ansehen« beeudet Word« ist. Da« Teiegram» ist Nr. «2. Var Maligne vom lagt. * Der Besuch de« König« der Belgier in Berlin hat nach offiziöser Versicherung auf deutscher und belgischer Seite ungetrübte Eindrücke hinterlassen. Gerüchte von einer ausfälligen Reserve der Kaiserin gegenüber dem Könige seien nnbrgründet; die Kaiserin habe an ihrem alten Fußübel gelitten. * Die Nachrichten über die Niederwerfung des Auf stande- der Bondelzwart« und die Aufgabe der Be lagerung von Otjimbingws lassen die Lage m Tüdwest- asrika ia erfreulicherem Lichte erscheinen. * Die Wahl de« Reich-tag-abaeordneten Iaaeck«(natlib ), 16. Hannover, wurde voa der WahlprüfungSkommission für ungültig erklärt. ssammerrteia coittta vülov. Als Fürst Hohenlohe, der tn der letzten Zett seiner Amtsführung LieZügel nur noch lose in den welkenHänden zu halten vermochte, aus dem historischen Palais schied, da vernahmen wir mit willigem Ohr und frohem Herzen, nun werde der neue, noch jugendlich« Mann, der dem greisen Diplomaten folgte, uns herrlichen Tagen entgegensühren. Er werde mehr sein al- nur ein Diplomat, mehr sein als nur ein „Bremser", dem seine Verehrer und Verteidiger schließlich nichts Bessere» mehr nachzurühmen wußten, als daß er Sa- Prestisfimo de- dahin sausenden Staatswagens wie ein Hemmschuh vor allzu gefährlichem Tempo be wahre. Graf Bülow werde zwar ein treuer, deutscher Diener, aber auch eine Persönlichkeit, nicht nur der Schatten seines Herrn sein. Bon ihm, der, höfisch ge schmeidiger Formen ungeachtet, das höchste Gut der Menschenkinder, eine ausgeprägte Individualität sein nenne, könne man erwarten, baß er dem StaatSmtntste- rtum tn Wollen und Handeln jene großzügige Einheitlich keit geben werde, die wir seit dem Entschlafen des markt- schenTitannen schmerzlichvermiflen mußten. Bisher hatte sich der RefiortpartikulariSmus, den Fürst BiSmarck bisweilen schalt, nach Herzenslust gütlich getan, manche der Hoch gebietenden Kollegen hatten gegen einander einenGnerilla- Krieg mit Druckerschwärze geführt, die Minister strebten auseinander, wie die Nationen der im österreichischen ReichSrate vereinigten Königreiche und Länder. DaS würde nun anders, würde nun besser werden. Wir ver nahmen die Botschaft, glaubten ihr und harrten der Er füllung. Es wurde auch in der Tat manches anders, nur wurde es nicht besser. Wie kam das nur? Die politisch Denkenden erstaunten. Graf Bülow hatte sich in seiner diplomatischen Tätigkeit seit langem den Ruf eines tat kräftigen und gewandten Politiker- erworben. Wie war es möglich, daß er in einem Staat, in dem auch der höchste Beamte an Disziplin gewöhnt ist, in dem zu Bismarcks Zeiten die Botschafter einschwenken mußten, wie die Unter offiziere, vor der Aufgabe versagte, die zentrifugalen Neigungen diese- oder jenes NtintsterS etnzudämmen? Er brauchte -och nur klare Richtlinien zu normieren, weit hin sichtbare Ziele anzngeben. Die Erklärung blieb nicht lange aus. Miquel, hieß e-, dieser verschmitzte Proteu», der in seiner Jugend Bauernaufstände, in seinem Alter die Fronde der Kanalrebellen organisierte, Miquel, der selbst den Mantel vom Schwarzen Adler noch nach dem Winde trägt, er ist der Vater aller Hindernisse. Es soll hier nicht untersucht werden, inwiefern diese abträgliche Schätzung des trotz aller Bedenken gegen seinen Oportu- niömus hochverdienten Manne- zutreffend war. Wir ge währten dem Grafen Bülow die Schonzeit, die seine An hänger forderten. Wieder hieß es, erst müsse Miquel nach dem Worte „8s soumvttrv ou s« ckLmettre" gebeugt oder gebrochen werden, erst müsse der Zweikampf zwischen diesen beiden Vertretern zweier ander- gearteter Staats- und Weltanschauungen auSgefvchten sein, dann werde Gras Bülow das Ministerium zu einem homogenen gestalten, man werde wieder wissen, was die Regierung wolle, und vor allem werde die Regierung selbst wissen, was sie wolle. Nun kam -er Tag, an dem Miquel die Kanalgrube grub, in die er selbst hineinfiel. Graf Bülow siegte. Die Bahn war frei. Der Kanzler hat, wie kein anderer, das Ohr des Königs. Es mußte ihm nun ein Leichtes sein, unS in jeder Maßnahme der Regierung einen Hauch seine- Geistes verspüren zu lassen. Heute erlauben wir uns die Frage an den leitenden Staats mann: „Ist eS erreicht?" Zu dieser Frage nötigen uns Aeußerungen, die der Minister des Innern, Freiherr von Hammerstein, im preußischen Abgeordnetenhause getan hat. ES ist zwar in neuerer Zeit üblich geworden, rednerische Entgleisungen der Minister mit einer Nachsicht zu behandeln, für die wir leider eine schmeichelhafte Erklärung nicht zu finden ver- mögen. Wir aber glauben, daß ein Minister, von seiner persönlichen Bedeutung abgesehen, Anspruch auf ernste Kritik hat, baß seine Stellung ihm die Pflicht auferlegt, seine Worte, besonders wenn sie prinzipielle Erklärungen enthalte», auf da- sorgsamste abzuwägen; wir glauben, daß wir ihm zu nahe treten würden, wenn wir Aeuße- rungcn von programmatischer Bedeutung lächelnd al- «ine» Laps»- ignoriere» wollte». Freiherr vo» Hammer Donnerstag den 4. Februar 1904. 88. Jahrgang.
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