Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040204020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-04
- Monat1904-02
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS tn der Hauptexpeditioa oder deren Ausgabe stellen abgrholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 3.75. Durch dir Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreick vierteljährlich 4.bO, für die übrigen Länder laut ZeitungSpreiSlistr. Redakttvu uat Expedition: JohanniSgasse 8. Fernsprecher 153 u. 222. Ftlialexpedilioueu: Alfred Hahn,Buchhandlg.,UniverfitätSstr.S «Fernspr. Nr. 4046), L. Lüsche, Katharinen- sttaße 14 (Fernsprecher Nr. 2935) u. KüniaS- platz 7 (Fernsprecher Stt. 7LOS). Haupt-Filiale Dresden: Mariensrrahe 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: TarlDnncker, Herzgl-BayrHofbuchbandlg., Lützowstraßr 10(FernfvrecherAmtVl Nr.4603.) Abend-Ausgabe. ripziger TagchlM Anzeiger. Amtsblatt des Aöniglichen Land- und des Hönigtichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Aolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 »f. Net la men unter den» Nedattwnsstrich <4gespalten) 75 >^>, vor den Familiennach- richten ch gespalten) 50 Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend Häher. lsclunnc» für Nachweisungen und Ossertenannahme 25r H. Extra-Be»tagen gesalzt, nur mü der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung 60.—, m i t Postbrsörderung 70.—. Aunahmeschlutz für Anreisen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Berlaa von 1k. Polz in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Klinlhardt). Nr. 83. Donnerstag den 4. Februar 1904. 98. Jahrgang. Var lvicbligrte vom läge. * Die Entsetzung von Windhoek und Okahandja erfolgte durch die Kompagnie Franke der Schntztruppe. Okahandja wurde an Kaisers Geburtstag ohne Verluste ge stürmt- Die Truppe trat -en Vormarsch auf Omaruru an; die Herero flohen in die Otjosonjata- Berge. * Das Gendarmerie--Kommando verließ heute Crimmitschau, ein Zeichen dafür, daß die Be hörden die Drohung mit einer Erneuerung deS Aus standes nicht ernst nehmen. * Die „Kreuzztg." bestätigt die von der „Köln. Dolksztg." gebrachte Nachricht über die geplante Wie- dergulassung der Marianischen Kongre gationen für katholische Schüler an den höheren Schulen Preußens. * In Toki o hat eine nur siebenstündige Sitzung des KriegSrateS unter dem Vorsitze des Kaisers statt, gefunden, über deren Ergebnis aber noch nichts verlautet. Die sächsische Gemeindesteuer Reform. Bon allen Mitteilungen, die den gegenwärtig in Drestcn tagenden Ständen bis jetzt zugegangen sind, und selbst von denen, die ihnen noch zugehen werden, dürfte die Denischrist über die Gemeindesteuerreform die weitaus bedeutendste und wichtigste sein, nachdem die Wahlreformpläne der Negierung als vorläufig gescheitert anzusehen sind. Wie scbon aus unserem Artikel in heutiger Morgennummer zu erseben ist, plant die Regierung eine vollständige Neugestaltung des Ge meindesteuerwesens. Hierbei ist in erster Linie darauf Bedacht genommen, eine Herabminderung der von den Gemeinden erbobenen Cin- kommensreuer zu erzielen. Zur Erreichung dieses Zweckes soll den Gemeinden die obligatorische Einführung verschiedener neuer Steuern aufgegcben werden. Um das zu erläutern, seien die hier in Betracht kommen den Steuern etwas näher besprochen. Obligatorisch soll zunächst die Grundsteuer sein und zwar soll, das ist von wesentlichster Bedeutung, durch die Grundsteuer mindestens ein Viertel des durch direkte Steuern aufzubringenden Betrages gedeckt wer den. Als direkte Steuern im Sinne dieser Bestimmung lollen gelten Einkommen-, Grund-, Gewerbe, Betriebs-, Kopf- und Mietsteuer. Eine geringere Heranziehung der Grundsteuer soll nur bei besonderen örtlichen Ver hältnissen nachgelassen sein, insbesondere bei erheblichem und nicht bloS vorübergehendem Rückgänge der Einwohnerzahl. Hierzu würde in allen Fällen die Genehmigung des kvnigl. Ministeriums deS Innern einzuholen sein. Wie ersichtlich, würde eine Abweichung von der Bierteldcckung durch die Grundsteuer nur vereinzelt eintreten; im allgemeinen würde dieselbe die Regel sein. Wie einschneidend diese Vorschrift wäre, möge daraus hervorgehen, daß in Leipzig, welches >m ganzen Lande nahezu den höchsten Betrag an städtischer Grundsteuer erhob, im Jahre 1002 doch nur 2,05 Mill. Mark durch die Grundsteuer aufgebracht wurden, gegenüber rund lO,5 Millionen Mark Ertrag der Einkommensteuer. Es ilanden also 16^ Proz. Grundsteuer gegenüber 83»/, Proz. Einkommensteuer. Nun würde zwar der Bedarf an der Summe der direkten Steuern (um diese Summe handelt es sich bei Berechnung deS Grundsteueranteils) etwa« berab- gemindert werben durch die (für Leipzig) neue Betriebssteuer der Gastwirtschaften, Biersteuer und Zuwachssteuer von der Werk- erhöhung deS Grundbesitzes, aber auf keinen Fall derart, das; eine Erhöhung der Nähtischen Grundsteuer vermieden werden könnte. Mit einer solchen würde also auf alle Fälle gerechnet werken müssen. Weiter soll obligatorisch werden die Erhebung einer Gemeinde-Gewerbesteuer, lieber diese, als die wichtigste der in Vorschlag gebrachten neuen Steuern, haben wir schon die näheren Bestimmungen, wie auch den Steuertarif, mit geteilt. Wir wollen nur noch ergänzend hinzufügen, daß die Steuer, wenn sie nach der Zahl der beschäftigten HülfS- personen erhoben wird, 2 -L pro Kopf betragen soll. Unter besonderen örtlichen Verhältnissen soll übrigens die Gewerbesteuer mit ministerieller Genehmigung von den Ge meinden nach einem eigenen Tarif erhoben werken können, „doch sollen die hiernach zu erwartenden Erträgnisse nicht erheblich hinter denen Zurückbleiben, die nach rem gesetzlichen Taris zu erwarten find". Eine Herabminderung der Ge werbesteuer soll nur dann eintreten können, wenn der Ertrag derselben denjenigen der Grnndsteuer übersteigt. Von besonderer Wichtigkeit sind die gleich hierbei zu er wähnenden „Bestimmungen über den BezirtsauS- g le ick". Dadurch sind vom Ertrage der Gewerbesteuer von den Gemeinde» 25 Pro;., von Städten mit über 50 000 Einwohnern 15 Proz. an den Bezirks verband zu entrichten. In gleicher Weise soll künftig jede Gemeindesparkasse oder Gcmeindeverbandcspar- kasse von den Iahresüberscküssen — abzüglich der Zu weisungen an den Reservefonds — 10 Pro;, an den Bezirks verband entrichten. Die so zu erwartenden Beträge sollen vom Bezirksausschuß als außerordentliche Zuschüsse an Gemeinden mit starker Arbeiterbevölkerung, sowie als Wegebauhülfrn verteilt werden. Was die Steuer für den Betrieb von Gastj- und Schankwirtsckaften betrifft, die ebenfalls obligatorisch gekackt ist, so soll sie betragen bei einem Miet werte der Sckank-, Gast oder Verkaufsräume bis zu 1000 . 10 über 1000 bis 2000 . 25 - 2000 - 3000 - . 4o - 3000 - 4000 - . 60 - - 4000 - 5000 - . 80 - 5000 - lOOOO - . 100 - - 10000 - 2O000 - . 200 - - 20000 . ... . 300 - Bei vorübergehenden oder außergewöhnlichen Gelegen heiten (Kesten, Truppenzusammenziebungen rc.) kann die Steuer ans 5 herabgesetzt werden. Eine Biersteuer soll erhoben werden in allen Ge meinden, welcke mehr als 1000 Einwohner zählen. Vom Hektoliter sind 60 oder 65 I zu erheben, doch kann einfaches Bier garnicht oder geringer besteuert werden. Auch kann, wieder „unter besonderen örtlichen Verhältnissen", eine Ge meinde von der Erhebung der Biersleuer ganz absehen oder nur eine geringere Biersteuer erheben. Hierzu ist die Ge nehmigung deS Ministeriums deS Innern einzuholen. Die Tanzsteuer, welche bei allen Tanzlustbarkeiten zu erheben ist, gleichviel ob sie von einzelnen Personen oder von Vereinen veranstaltet werden, soll 5 oder 10 ,.s für jeden Besucher betragen. Tanzlustbarkeiten, die in Privatwohnungen abgehalten werden, sind steuerfrei. Endlich ist von den obligatorischen Steuern noch zu er wähnen die Besiywechselabgabe und die Zuwachssteuer. Die Besiywechselabgabe soll '/« Prozent des KaufwerteS dann betragen, wenn durch die Grundsteuer mehr als 30 Prozent des Bedarfs an direkten Steuern gedeckt werden; wo das nicht der Fall kst, ist die Steuer auf '/-Prozent des Kaufwertes zu bemessen. Die Zuwachssl euer ist in allen Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern einzuführen, in den anderen Gemeinden kann die Einführung dieser Sleuervon der Aufsichtsbehörde aufgegeben worden. Der Steuer soll alles unbebaute Areal bei einlretender Veräußerung unterliegen und zwar nach folger» den Sätzen: Erhöhung des Erwerbswertes Steuerbrtrag 5—20 Proz. ü Proz. der Werlerhöhung 20-30 - 10 - - - 30-40 - 1b - - - 4«)—50 - 20 - - über 50 - 25 » - - Werterhöhungen unter 5 Prozent sollen von der Steuer befreit bleiben. DaS ist in der Hauptsache ter Inhalt deS neuen Gemeinde steuergesetz-Entwurfes, den die Regierung ren Ständen vor gelegt bat. Wir glauben schon beute sagen zu können, daß der Entwurf kaum Gesetz werde» dürfte. Im Interesse ihrer Selbstverwaltung werden wohl die meisten der größeren Gemeinden des Landes Einspruch erheben. Der Ausstand in ^üdwestasrika. * Wmdlwck und Okahandja entsetzt Die Sieges botschaft, die der Kommandant des „Habickt" ausSwa- kopmund gedrahtet bat, liegt nun im Wortlaut vor. Sie bringt, abgesehen von der Bestätigung der Ermordungen und Verwüstungen durch die Herero, recht erfreuliche Nachrichten. Die Hauptorte Windhoek und Okahandja sind durch die unter Führung des Oberleutnants Franke siebente Kompagnie der Sckutzlruppe, die zwei Geschütze mit sich führt, entsetzt worden, Okahandja an Kaisers Geburts tag ohne jede Verluste. Oestlich von Okabandfa ziehen sich die Kaiser WillielmSberge hin, deren höchster Gipfel 1875 Meter hoch ist. Dort war das Haupt lag er deS Feindes, das am 28. nach heißem sechsstündigen Gefecht mit einem Verluste von 4 Verwundeten gestürmt wurde. Der Feind Kat sich dann in die Otjosonjali-Berge zurückgezogen, die süd westlich liegen und von der 1543 Meter hohen König Albertshöhc gekrönt werden. Diese Berge sind in einem gen Süden zu offenen Halbkreis von zwei Flüssen umgeben und bilde» so eia ziemlich schwer zugängliches Hochplateau, so daß die Heroro dort eine strategisch nicht übel gewählte Zuslucktsstätte gefunden haben. Weiter meldet die Depesche den Antritt des Marsches nach dem im Nettesten gelegenen Omaruru und das Eintreffen deS Oberleutnants Winkler, des TransportführerS deS ersten Schutztruppentransports, der mit dem Dampfer Ernst Woer- mann in Swalopmunk angelangt ist. Freilich wird die Freudenbotschaft getrübt durch die gleichzeitige Meldung von den Verwüstungen bei Windhoek, Okahandja und Karibik» und von den Verluste», die sich auf etwa 120 Tote, einschließlich der Ansiedler, Frauen und Kinder, belaufen. Alles in allem aber lauten doch auch diese Nackwichten besser, als alle die von der englischen Presse in die Welt gesetzten Schauerberichte, und ganz Deutschland wird ob der frohen Botschaft befreit ausatmen DaS wichtige Telegramm lautet wörtlich: Berlin, 3. Februar. Der Kommancant S. M. S. „Habicht" meldet aus Swatopmund: Windhoek und Oka handja sind durch die Kompagnie Franke mit 2 Ge schützen entsetzt. Letzterer Ott an Kaisers Geburtstage ohne Verluste. Ain 28. nach sechsstündigem Gefecht Hauptlager des Feuilleton. In -er Brandung. 9j Roman von Wilhelm Fischer. (Nachdruck verboten.» „Die ganze Sta-t spricht jetzt von dem Grasen und seinem Prozeß!" sagte sie entrüstet zu Frau Wally ge legentlich eines Besuches, den sie dieser in ihrer Wohnung abstattete. „Die Welt will sich ergötzen", antwortete Wally mit einer Geste der Verachtung. „Der Klatsch ist überall zu Hause. In einer kleinen Stadt sind cs alte Tanten und alte sonstige Stammtischgäste, die dies Geschäft besorgen; in einer großen ist es die Gesellschaft. ,/Daß auch die modernen Menschen ohne den pikanten klatsch nicht leben können?" seufzte die würdige, alte Dame. „Auch vr. Römer scheint davon zu leben. Wissen Sie nicht, was er plant, Frau Rat?" fragte Frau Wally ner vös. „Seine Frau ist doch sonst so mitteilsam." „Ich habe sie seit einigen Tagen nicht mehr gesprochen." „Mich macht die ganze Affäre noch krank. Was würde ich darum geben, wenn mein Mann von diesem Prozeß verschont geblieben wäre. Er ist ganz nervös geworden." „Er ärgert sich wohl über die tendenziösen Ein wendungen Römers?" fragte die Justizrätin besorgt. „Das ist doch der Helle Skandal", rief Frau Wally er regt aus und ging ruhelos im Zimmer hin und her. „Ich habe mir das auch schon gesagt. Vr. Römer hascht in theatralischer Manier. ES scheint fast, als ob er Reklame für sich macht." Die Justizrätin schüttelte miß billigen- mit dem Kopf. ,Man sollte ihm daS Handwerk legen." „Er hat eine dicke Haut. Durch seine Anträge will er ia nur den Skandal vergrößern." „Er will sich einen Namen machen. Ich wundere mich nur, daß der Gerichtshof ihn nicht noch energischer in leine Schranken weist. Der Richter ist fast machtlos gegen ihn. Er steckt alle Nasen ruhig ein. Immer und immer wieder kommt er mit sensationellen Einwendungen, fri volen, indiskreten Fragen und schonnngslosen Ent hüllungen." »Wie hat er die Damen nicht blamiert, die er, aller dings unter Protest des Richters, als Zeugen verschlug?! Er muß gar keine Rücksicht kennen. Daß die Familie des Grafen und insbesondere unser Freund Baron Briefen mit seiner skandalösen Verteidigung aber auch einver standen sein kann." ,^Familie! Was ist heutzutage Familie!" wiederholte Kran Wally erregt. „Ja, ja, die Zeiten sind ernst", nickte die gute Justiz rätin. „Wohin das noch führt!" „Die Macht des Geldes, dieser Geißel der Menschheit, wütet auch hier. Die Familie des Grafen ist reich, und dennoch reizt sie sein Geld." ,^Ja, ja, daö Geld! Ich habe nicht geglaubt, daß cs so weit einmal kommen könne. Zn meiner Zeit war das Geld nicht so mächtig, aber dafür ivar der Zusammenhalt in der Familie fester. Und doch, meine Liebste", setzte die alte Justizrätin lächelnd hinzu, „um eö ehrlich zu sagen, ich bin ganz froh, daß mein seliger Mann in seinem Leben so viel Geld verdient hat. Denken Sie, fast drciviertel Million. Wer weiß, wozu das gut ist. Aber ich würde dazu nichts mehr scharren wollen." „Der Durst nach Reichtum, das ist die heilige Wahrheit von der Entstehung des Leidens", meinte Wally nach denklich. ,/Da haben Sie rech«, und wenn ich darüber nachdenke, könnte ich in meinen alten Tagen noch Sozialistin werden. ES klopfte in diesem Augenblick an der Türe. Wally rief „Herein". Die Tür wurde vorsichtig geöffnet, und der Baron streckte den Kopf ins Zimmer. „Ah, der Baron!" rief die Justizrätin erfreut. „Heute kommen Sie einmal wie gerufen." „Komme ich immer, Fran Rat", lachte der Barvn, den Damen zunickend. „Bin beladen wie ein Pfingstochse"; — er schob sich seitwärts zur Tür herein, die er mit dem Fuße zudrückte. „Ich habe den Kleinen etwas mtt- gcbracht." — In jedem Arm trug er ein mächtiges Paket, die er sorgfältig auf den Tisch legte, wobei ihm Wally lachend behülflich war. „Wenn Sie mir gestatten, meine Gnädigste, werde ich den Kindern -ic Kleinigkeiten selbst verteilen." — Er wandte sich zu der alten Justizrätin, die ihm belustigt -„schaute. — „Es macht mir das riesigen Spaß, Frau Rat. Und wie drollig die kleinen Menschen bitten können." „Sie verwöhnen mir die Kinder noch, Baron', sagte Wally mißbilligend, und doch über diese Aufmerksamkeit erfreut „Sie wißen doch, meine Gnädigste, bin ein großer Kindernarr!" verteidigte sich der Baron. „Ei, ei! Baron, das ist ein gutes Zeichen", drohte die Justizrätin scherzend mit dem Kinger. „Ein gutes Zeichen! Wieso, Krau Rat?" ,Ha, ja; ein gutes Zeichen", wiederholte diese lächelnd. »Zur Besserung nämlich! Ein Junggeselle, der die Kinder liebt, ist nicht mehr weit vom Standesamt entfernt. Ich lese noch Ihre Verlobungsanzeigc." „Glauben Sie das wirklich, Frau Justizrat?" lachte der Baron. „Leider bin ich lreute mehr denn je der Ueber- zeugung, daß ich in diesem Glauben nicht selig werde." „Sind Sie wirklich so .... so unsolid!" fragte die Justizrätin. „Da hören Sie es, Baron!" lachte Krau Wally. „Sv urteilt man über alle, die heiraten können und nicht heiraten wollen " „Und dennoch habe ich ein Ideal, Krau Justizrat", sagte der Baron, Wally einen Blick zuwerfcnd. „So, so! Ist sie lstibsch!" fragte die alte Rätin neu gierig. „Nur manchmal! Eine Abendschönheit." „So, so! Sie lieben sie doch?" „Leider hoffnungslos, Frau Rat." „Wollen denn die Eltern nicht?" fragte die Rätin interessiert. „Sie hat keine Eltern mehr!" antwortete der Baron und zuckte bedauernd die Schulter. „Deshalb wahrschein lich ist sie auch so sentimental und rührselig." „Mein Gott, daö dürfen Sie ihr doch nicht so übel nehmen", legte sich die Justizrätin für die Unbekannte ins Zeug. „Eine Waise ist immer etwas sentimental. Was ist sie für eine geborene, Baron?" „Eine Geborene von Lowood, als Waise von Lowood nicht unbekannt", antwortete der Baron mit unerschütter lichem Ernst. Willi» platzte laut heraus; die Jnstizrätin lachte gutmütig mit. „Was soll man dazu sagen! Dieser garstige Mensch!" sagte sie zu Wall». „Aber diesen Streich muß er mir büßen. Ich werde ihn strafen " In diesem Augenblick klopfte cs wieder an der Türe. Wann eilte, sie zu öffnen. Fra« Grete, die in der letzten Zeit sich seltener gemacht hatte, stand vor Wally, wie immer, in großer Toilette, und begrüßte sie und die übrigen Anwesenden in ihrer überschwenglichen Weise. Feindes am Kaiser WilhelinSberg bei Okahandja gestürmt, 4 Verwundete. Allgemeiner Rückzug des Feindes mit allem erbeuteten Vieh in die Otjosonjati-Berge. Feind hat sämtliche Farmen und Bahnhöfe in den Distrikten Windhoek, Okahandja, teilweise auch Karibik verwüstet, desgleichen die Kaserne der GebirgSbalterie in Iobann AlbrechtShöhe. Bisher bestätigte Verluste: Ermordet und meist verstümmelt 44 Ansiedler, Krauen und Kinder. Ge fallen 26. Außerdem voraussichtlich 50 tot. Gobabis seit 16. belagert. Marsch auf Omaruru wird morgen angetreten. Leutwein in 2 Tagen mit Dampfer bier zu erwarten. Oberleutnant Winkler ist eingetroffen. (Ober leutnant Winkler ist TranSporlführer des ersten Schutz- truppentranspories mit Dampfer Ernst Woermann., * Wermutstropfen im Freudenbecher. Von Herrn vr. Vor- berg-Friedenau gehr der „Deutschen Zeitung" folgendes Schreiben zu: „Die ausgedrückteil Zweifel über das Schicksal der beiden Frauen aus der Piletschen Farm bin ich zu meinem Bedauern in der Lacze, zn bebeben. Der Name Verberg war in Südwestafrika nur durch meinen Bruder ohne Angehörige vertreten, dessen Farm Lgeama an die Piler» sche grenzte. In der Depesche mar, wie eine Nachftage beim Admiralstab uno eine dort ani 20. Januar angelangte Bestätigung von S. M. S. „Habicht" ergab, zn lesen: „Pilet und zwei Frauen, Vorberg uiw. ermordet." Das Komma ist erst bei der Weitergabe der Meldung an die Zeitungen verloren gegangen. Ich füge dmzu, daß mein Bruder vor zwei Jahren, sehr befriedigt von der gekauften Farm, doch schrieb: Wenn die Herero einmal wieder aufftehrn, bin ich hier der Erste, der ihnen zum Opfer fällt." politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Februar. Die Bundes-Blamage in VSnabruck. Mit Wie tiefer Trauer die Berliner Leitung de« Bundes der Landwirte durch die Niederlage des ultramontanenWelfenbarons in Osnabrüa erfüllt worben ist, geht aus der Beurteilung hervor, welche die „Deutsche Tageszeitung" dem Osnabrücker Stichwahl- ergebnis zu teil werden läßt. DaS bündlerische Organ findet einigen Trost in der Entdeckung, daß das lLin- treten sozialdemokratischer Wähler für den national liberalen Kandidaten das Vorbanden sein von Berührungspunkten zwischen Nationalliberalen und Sozialdemokratie erwiesen habe. Da Fastnacht nahe ist, ist eS eigentlich wnnderbar, wenn die „Deutsche TageSztg." die Osnabrücker Nationalliberalen nicht schlechthin als maskierte Sozialdemokraten bezeichnet. Die bündlerische Niedergeschlagenheit wegen des nationalliberalen Sieges über einen ultramontanen Welfenbaron dürfte übrigens durch die welsische „Deutsche Volksztg." noch vertieft worden sein. Schreibt doch das genannte Welfenorgan wörtlich: „Die Beziehungen zu den Bündlern, die ja im Osna brücker Wahlkreise nur wenige Anhänger haben, sind für die Kandi datur v. Bar wohl eher nachteilig wie vorteilhaft gewesen, zumal das Gros der bündlerischen Wähler der Parole der Führer aus Unterstützung dieser Kandidatur offenbar nicht Folge geleistet, sondern Wamhosf gewählt hat." Vom Standpunkte der „Deutschen TageSztg." aus muffen die bündlerischen Wähler, die Wamboff gewählt haben, sozialdemokratisch angekränkelt — um nicht zu sagen: durch seucht! — sein. Und das ist der Humor dabei. ——————ssssssssSSSWS ,Zch wollte ins Kouzert", sagte sie, platznehmend. „Aber es ist noch zu früh. Und da ich gerade in der Nähe war, kam ich herauf. — Leicht gähnend, setzte sie hinzu — „Man wagt sich kaum mehr über die Straße." „Wieso, meine Beste?" fragte Krau Wally. „Diese Zeitungen", antwortete Frau Grete gelang weilt. „Ich war gestern in einem Prozeß, in dem mein Mann plädierte. Heute morgen steht er in der Zeitung. Man wird förmlich berühmt" „DaS macht die Sensation, mit der sich Ihr Mann im Prozeß Treuberg in Scene zu setzen versteht", be merkte Wally, spöttisch auslachend. „Nächstens wird man Ihnen die Pferde ausspannen, Krau Doktor!" stichelte die alte Justizrätin in ihrer gut mütigen Art. „Und Sie, Barvn! Was sagen Sie dazu?" wandte sich Krau Grete an den Baron. „Habe den unangenehmen Prozeß schon hundertmal zum Henker gewünscht. Würde einen Korb Sekt schmeißen, wenn der Prozeß erledigt wäre!" antwortete der Baron mit einer ärgerlichen Geste. „Die ganze Geschichte wird mir zum Ekel, bäh!" er schnippte nnt den Fingern. „Aber, Herr Baron, das können Sic doch ander». Wenn Sie nur ernstlich wollen", sagte Frau Wally lustig, als ginge sie der Prozeß gar nichts an. „Da irren gnädige Frau!" verteidigte sich der Baron, der wohl wußte, daß es Frau Wally sehr ernst mit ihrer Bemerkung war. „Komme da kaum in Betracht, obgleich mich alle als Ursache dieses Prozesses lästern." „Wenigstens sind Sie nicht schuld, daß dieser Prozeß sich in schonungslose Details verliert, lieber Baron", sagte die Justizrätin beschwichtigend; dann meinte sic in ihrer bemutternden Art zu I)r. Römers Frau: „Ick kann wirklich Ihren Mann nicht begreifen, meine Beite, daß er so weit gebt." „Ich auch nicht!" lachte Kran Grete leicht ans und zuckte mit den Schultern „Ich zerbreche mir nicht meinen Kopf. Er hat es zu verantworten Erst wenn er sich bla miert, mische ich mich ein. So behauptet er, der Traf lmbc einer seiner Freundin einen Schmuck im Werte von 10 000 Gulden geschenkt. Es so» in Wien geschehen sein" „Der Graf hat das bestritten, allerdings nicht unter Eid", sagte der Baron. „SS soll in Wien gewesen lein! So sagt mein Mann; ich glaube ihm nickt, nnicre Lebemänner sind nickt so dumm, wie Zola die Pariser in seinem Roman „Nana" schildert. Er will es aber beweisen, daß der Graf einen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite