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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040209014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-09
- Monat1904-02
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Anzeigen-PvoiZ die 6gespaltene Peülzeuc 2.'» Rrkkanieu »nicr dcm ^!>dnkr h (4gespalten) 7ü v^r den Fainccce-nach. richten (6 gespalten) KO TabeNarischrr «ad Zisfernlatz »ntfprechend höher. — Gebühren für Nachweisung», >md Lsfertenaonahme 2K 0rtra-Vetla,e« (gefalzt), n«r mit der Morgen.Au-aabe, ohne Postbeförderung «0.—, mit Postbefördernug 70.—. Annahmeschluß für A«zei«e«: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» sind stet« an die Expedition zu richt«. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pal« in Leipzig (Inh. De. V., R. L W. Klinthardt). Nr. 71. Var wichtigste vom Lage. * Im Reichstage wird der Antrag des Präsi denten Graf Ballestrem, die Beratung aller zum Titel ReichSamt des Innern gestellten Resolutionen sozialpolitischer Art erst nach Beendigung des Reichs- haushaltSetats zur Debatte zu stellen, einstimmig angenommen. * Der Präsident der sächsischen Zweiten Kammer, Geh. Hofrat vr. Mehnert nimmt an den Verhandlungen des deutschen LandwirtschaftSrateS in Berlin teil. * Auf dem Auswärtigen Amt in Berlin hat man nur noch geringe Hoffnung auf eine friedliche Bei legung des russisch-japanischen Konflikts. * Ein Riesendrand ist in Baltimore in Amerika auSgebrochen. Die Bevölkerung flüchtet. Ztsslrgewalt und Suggestion. In Hamburg ist eine Versammlung verboten worden, weil di« Behörde in vorhergehenden Versammlungen derselben Veranstalterin — eilte Dame hatte sie abge- halten — deu Eindruck gewonnen hatte, datz als Zuhörer viele minderjährige Personen erschienen waren, die nur der Wunsch hcrbeigelockt hatte, einen möglichst kräftigen Piß ttl die verbotene Frucht des „pikanten" Themas zu tun. Das zweckmäßigste scheint dem Fernstehenden natür lich, in Zukunft lüsterne Burschen und allzu neugierige Mägdlein von solchen Versammlungen auSzuschließcn, allein der Hamburger Syndikus Dr. Schäfer hat den Reichstag darüber belehrt, daß das dort bestehende Ver- einS- und Berfammlungsrecht der Polizei diese Befugnis nicht gewährt. Diesem Sachverhalt gegenüber drängt sich die Frage auf: Tat die Hamburger Behörde bester, die Versammlung zu verbieten, der Rednerin das Wort, den Zuhörern vielleicht nützliche Aufklärung zu entziehen, um die Jugend vor Infektion zu schützen oder hätte sie die Freiheit berechtigter Propaganda wahren sollen, auf die Gefahr hin, Unsittlichkeit zu verbreiten? Wir meinen, da die Rednerin die Bekämpfung der Unsittlichkeit zu ihrem Beruf macht, so dürste gerade sie sich über die Entscheidung der Hamburger Behörde nicht allzu bitter beklagen. Nur eine Aenderung des Versamm lungsrechts. wäre nötig, die der Behörde wie bei uns in Lachsen daS Recht beilegte, MinderiLüriacn den Zutritt zu verwehren, um so, indem sie den Machtbereich der Polizei in gewissem Sinne erweiterte, ihr anderseits den bequemen Vorwand zu willkürlichen Verboten benähme. Dringen wir aber tiefer ein, so tritt uns der alte Zwie- spalt zwischen den Staatsausfassungen entgegen, deren eine ihren historischen Ausgangspunkt in Potsdam, deren andere ihn in Manchester hat. Indessen können wir nicht leugnen, baß gerade die neuesten Erweiterungen unseres Wissens, zumal auf psychologischem Gebiete, der „veralteten" Anschauung von der Allmacht des Staates insofern entgegenkommen, als sie ihm immer neue Verpflichtungen nahe legen. Ein altes Konversationslexikon von 1854 z. B. enthielt das Wort „Suggestion" noch gar nicht- Heute hantiert selbst der Halbgebildete — und gerade dieser oft mit Vorliebe — mit dem Begriff, der unseren Großvätern fremd war, auch wenn sie auf der Höhe der Zeitbildung standen. Wir misten setzt, datz die Suggestion wie eine seelische An steckung wirkt, daß sie Laster erzeugt, Verbrechen zeitigt und angesichts dieser Tatsachen muß der Staat Stellung nehmen und hier nicht minder wie auf wirtschaftlichem Gebiete gilt es, sich zwischen der Doktrin, die den lieben Gott einen guten Mann sein läßt, und der Anschauung, die das Eingreifen des Staates fordert, zu entscheiden. Es ist heutzutage fast ein Wagnis, dem Staate ein Recht zur Einschränkung individualistischer Freiheit zuzu sprechen. Nur zu leicht mißverstehen die Ewiggestrigen, die sich -er Einsicht, daß „alles fließt", töricht widersetze», geflissentlich eine solche Aeußerung und beuten sie gegen die persönliche Initiative aus, die unS so not tut und die der Staat, wo er nur kann, fördern sollte. Und es ist ge wiß falsch, dem Staat immer neue Aufgaben aufzubürdcn, das Beamtenheer immer mehr zu verstärken und die be queme Neigung des Deutschen, der so gern die Hände in den Schoß legt und vertrauensvoll nach oben blickt, noch zu begünstigen. Anderseits aber kann ein Staat sich schweren Uebeln gegenüber nicht auf Las ..lnissor. kairo, Inisskm psssc-r et taut s'srrnngera" zurückzichcn. Der Philtzjoph, der von der Harmonie des Weltgeschehens noch io fest überzeugt ist, wird sich, wenn er nicht nebenbei noch ein kompletter Narr ist, im praktischen Leben, wenn seine Interessen gefährdet sind, nicht mit dem Hinweis auf LaS io überaus wohltätige freie Spiel der Kräfte absinben lasten. Er wird feste um sich hauen und was dem Privat- mann recht ist, ist dem Staat, dem ja ein ethische? Mandat zu Seite steht, sicher billig. Wie verheerend die Suggestion wirkt, zeigt uns, nm einige Beispiele herauszugreifcn, das Laster desDPiel». Jeder weiß, wie die Umgebung hier ihren Einfluß übt, und wer eS nicht weiß, der braucht nur nach Lektüre dieses Artikels ein Billet nach Monte Earlo zu lösen und in neun Fällen »on zehn, sehen wir in einigen Lagen einer Dienstag den 9. Februar 1904. von gemischten Gefühlen diktierten Zustimmungserklärung — natürlich per Ansichtspostkarte — entgegen Sonderbar wirkt es daher, wenn bas preußische StaatSministerium dem wirklich groß angelegten Gimpelfang, den Herr Scherl insccnieren wollte, wohlwollend entgegenkam. Gewiß ist die Lotterie eine relativ harmlose Aeußerung des Spiel triebes, aber auch diese seine Abart sollte nie ermutigt werden, solange mau Fleiß und Sparsamkeit als die Grundlage individueller und nationaler Wohlfahrt preist. Wie furchtar das Laster des Spiels in Deutschland heute grassiert, ist vielleicht nicht allgemein bekannt; aber freilich, in gewissen Kreisen findet man diesen germanischen Erb- fehler höchst chevaleresk und die ihrerHerkunst nach minder germanische Lebewelt fühlt sich daher auch zu einem standesgemäßen „Jeuchen" verpflichtet. Das Spiel auf den Rennplätzen erfährt nur lauen Tadel und, wenn man den Ausführungen der RegterungSvertreter und der kon servativen Abgeordneten glauben darf, so müssen sich unsere Friseure und Kellner durch Rennwetten zu Grunde richten, denn die Pferdezucht fordert es. DaS Vaterland braucht Remonten. Das Vaterland! rief Herr v. Pod- bielski mit erhobener Stimme. Solchen Argumenten läßt sich schwer widersprechen, denn wer möchte sein Vater land schädigen? Es ist ein abscheulicher Unfug, das Wort Vaterland „unnützltch zu führen". Worte, die eine Feiertagsstimmung in unS wecken, sollten am Alltag ver boten sein. Ist LaS Recht zu wetten daS höchste Menschen recht? Ist der ein Ncichsfeind, der den Totalisator schilt? Die Suggestion der Unsittlichkcit führt unS zu unserem Ausgangspunkt zurück. Ja, eS ist ein Unter schied zwischen Coreggios Jo ober Lcda und der Nacktheit, die wir in den Schaufenstern gewisser Läden sehen. Mau braucht nicht dunkelmännisch prüde zu sein, um die Nütz- lichkett einer Grenzlinie anzuerkennen. Eine Zensur könnte nützlich wirken, und nur eins läßt sich gegen sie einwenden: daß es noch nie eine einsichtige Zensur ge geben hat. Eine andere Erscheinungsform der Suggestion ist der Alkoholismus. Wieviele. Versuchungen wir auf diesem Gebiete zu bekämpfen habcw, wie ost der Willens schwäche, erblich Disponierte ihnen unterliegt, wißen wir alle- Der Staat hat unter den Wirkungen des Alkoho lismus schwer zu leiden; die Symptome dieser Volkskrankhcit, die Verbrechen, verfolgt er mit Feuer und Schwert, dem Ucbel selbst wagt er nicht entgegenzutretcn. Man könnte uns cntgcgenhalten, daß wir Waffen schmieden, die uns selbst verwunden. Weitaus die stärkste Suggestion übt ja die Presse aus, und doch fordern wir Freiheit für die Darlegung unserer Ueberzeugungeu. Nun, wir glauben, kein verständiger Journalist wird das Bekenntnis scheuen, daß die Presse unserer Tage auch — neben unendlich vielem Guten — viel Schädliches wirkt. Dazu rechnen wir die eingehende Schilderung von Selbst- morden, Hinrichtungen und die mannigfaltigen Formen moderner Vergiftung der Phantasie durch Pflege des „Sensationellen" um jeden Preis. Eins aber wird aus unseren Betrachtungen hervor gehen. Dem Staat erwachsen aus der heutigen Bewertung der Suggestion als sozialer Macht Ausgaben, denen er sich nicht entziehen kann. Freilich erfordert ihre Lösung eben so viel Takt wie Energie und setzt die Achtung vor dem Recht des Individuums voraus, die unsere Regierenden bisweilen noch vermissen lassen. Ohne diese Achtung wird jede derartige Aktion nur zur erbitternden und unwirk samen Polizeichicane. Es ist etwas Herrliches um die Freiheit und wenn es dies Wort nicht gäbe, so müßte eS erfunden werden. Aber die Freiheit muß kosmisch, nicht anarchisch sein und wenn sie nur Licenz und Schlendrian ist, so gilt das Wort eines geistreichen Franzosen: Die Lust der Freiheit benimmt mir den Atem. 6. Der russisch-japanische Konflikt. azä. Es ist selbstverständlich, daß ein Duell zwischen Ruß land und Japan die Interessen aller seefahrenden Großmächte berührt. Was die Haltung Deutschland« betrifft, so wird dieselbe, da wir nie auf große territoriale Erwerbungen ans gewesen sind und schwerlich jemand daran denken wird, uns unseren Platz an der Sonne zu nehmen, eine sehr zurückhaltende sein können. DaS ist auch die Auf fassung der leitenden Kreise in Berlin, die in einem Artikel der „Köln. Ztg." zum Ausdruck kommt, an dessen Schluffe eS heißt: Man hatte hier bis zum letzten Augenblicke gehofft, daß der Zwist trotz aller von Tag zu Tag mehr hrrvortretrnden Per- schürfuagen doch noch eine friedlich« Lösung erfahre« würde. Die offenkundige und unbestreitbare Friedensliebe des Kaiser» von Ruß- land und ebenso der Widerstand, den Wochen hindurch die japanische Regierung dem Drängen der leidenschaftlich erregten Bevölkerung entgegensetzte, konnten al« machtvolle Faktoren bewachtet werden, die für die Erhaltung de« Frieden« in Betracht kamen. Wenn heute di« Ereignisse stärker gewesen sind und zu einem Schritte geführt haben, der, Venn er auch «och nicht «ine Kriegs erklärung bedeutet, dieser doch fast gleichkommt, so können Deutschland und auch seine Presse sich da« Zeugnis ausstelle», daß von unserer Seit« nicht« gescheh«« ist, um de« d«st«h«»b«a Konflikt g« schärf»», sond«ru daß wir durch ruhige, leidenschaftslose Behandlung der Streit frage dieienigen Elemente in Rußland sowohl al- in Japan zu stärken versucht haben, die eiuen friedlichen Ausgang anstrebten. Wir konnten eine solche Politik befolgen, weil wir sowohl in der Mandschurei als in Korea nicht in vorderer Linie stehen, weder wirtschaftlich noch politisch, vor allem aber deshalb, weil die allgemeine Richtung unserer Politik eine ausgesprochen und aufrichtig friedliche ist und wir den festen Willen haben, uns in die Angelegenheiten anderer Mächte nicht einzumi scheu, soweit man nicht unsere eigenen miß achtet und schädigt. Und wie wir bisher streng und auf. richtig neutral geblieben sind, so werden wir eS auch in Zu kunft bleiben ... Die Aufgabe der deutschen Politik ist unter deu obwaltenden Umstanden sehr einfach: wie wir früher den dringenden Wunsch hatten, daß die Leiden des Krieges den Russen und Japanern erspart bleiben möchten, so werden wir j«tzt unsere Aus- merkamkeit darauf zu richten haben, daß au« dem Zwist in Ostasien nicht weitere Perwickelungen entstehen und daß nicht die dem Kriegsschauplätze benachbarten chine sischen Gebiete in die Störungen hineingezogen werden. Diesem Zwecke aber werden wir am besten dienen durch eine Politik, die keinen Zweifel an unserer loyalen Neutralität aufkommen läßt. Die Haltung Englands. Die Meldung vom Abbruch der Berhandlnngen ist in London durch Extrablätter verbreitet worden, verursachte aber nach den beunruhigenden Berichten der letzten Tage nirgends große Ueberrasctmng. Die Moraenblätter machen in russenselnd lichem Tone zumeist Rußland für den traurigen Ausgang der laugwieri^en Krisis verantwortlich. „Daily Mail" sagt, mit tiefer Teilnahme werde England die Operationen seines Bundes gossen beobachten, deren Er folg es erhofft. Japan kämpse nicht nur für sich selber, sondern auch für die Sache der offenen Tür und der Ver- tragSrechte Englands und Amerikas. Wie „Daily News" vernimmt, werde Japan seine Stellung in der Meerenge von Kore« sichern und Masampho oder Fusan oder beide Orte besetzen. Die Fctnvseligkcitcu haben noch nicht begonnen. Tie Gerüchte, daß dies schon geschehen sei, werden von den Petersburger „Birschewija Wjedemosti" als verfrüht bezeichnet. Das Ministerium des Aeußeren habe keinerlei Bestätigung derselben erhalten. Auch -st eS nach dem genannten Blatte noch unentschieden, welchem Staate die Vertretung der russischen Interessen in Japan übertragen wird. Ein eigener Drahtbericht meldet uns aus Berlin, 8. Februar: Die Berliner japanische Gesandtschaft betrachtet die Lage als kritisch, doch muffe man den Ausbruch des Krieges nicht für unabwendbar erklären. Aus der russischen Botschaft ist man der Meinung, daß der Krieg unvermeidlich sei. Eine Intervention von dritter Seite halte die russische Botschaft für völlig aussichtslos, da Japan schwerlich zurückkönne. Auf unserem auswärtigen Amt ist nur noch wenig Hoffnung aus friedliche Beilegung vorhanden. Nachdem Rußland den Japanern mit Fug die Rolle de« Angreifers zugeschoben bat, scheint es auch weiterhin bemüht zu bleiben, in der Defensive zu verharren. Es wäre mitkin an Japan, die Russen aufzusuchen und anzugreifen. Denn Rußland besitzt bereits alles, worauf es Anspruch erbebt, kann also den Angriff der Japaner ruhig abwarten, einen Angriff, der bei den hoben Kältegraden, die gegenwärtig in der Mandschurei herrschen — man spricht von — 40 Grad Fahrenheit —, auch für die japanische Armee nicht viel ver lockendes haben kann. Es ist schon angeführt worden, in Petersburg werde man selbst einen bewaffneten Einfall der Japaner in Korea, die Besetzung der Hauptstadt Söul mit einbegriffen, nicht als Kriegserklärung betrachten und so die kampflustigen Japaner gewissermaßen zwingen, die Russen in der Mandschurei direkt auszusuchen. Das schließt natürlich nicht aus, daß zur See trotzdem «in Zusammenstoß erfolgt, dessen Ausgang-unberechenbar bleibt. Alle Nachrichten stimmen, so schreibt ein militärischer Mitarbeiter des „Bert. Tagebl.", darin überein, daß eine lebhafte militärisch-maritime Tätigkeit auf russischer sowohl als auch auf japanischer Seite zu verzeichnen ist, aber die Züge der eventuellen Gegner geben noch den Eindruck des Ungewissen und Unentschlossenen. Die russische Flotte, die am Donnerstag Port Arthur verließ,undzwarmitversicgeltcn Befehlen, ist wieder dorthin zurückgekehrt und lagert außer halb des Hafens. Sie kann demnach nicht den Auftrag gehabt haben, einen größeren russischen Lanvungsversuch beiTschemulpo zu decken. Andererseits dürfte auch vie Annayme kaum stich haltig sein, daß es den Russen daraus angekommen wäre, vie japanische Flotte zu dem ersten Schuß zu reizen. Wäre Vies wirklich der Fall gewesen, so hätte die Flotte nur in die Straße von Korea einzudringen brauchen, und sie würde ihren Wunsch erfüllt gesehen haben. Daß die russischen Schiffe während der ganzen Kreuzfahrt klar zum Gefecht waren, ist weiter nicht verwunderlich, denn sic mußten selbst dann, wenn es ihnen darum zu tun war, die Japaner so wenig wie möglich zu reizen, unter den obwaltenden Umständen jeden- salls auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Es will uns erscheinen, als wenn die Ausfahrt der russischen Flotte ledig lich ein Seemanöver gewesen wäre, wie es für einen Admiral vor Ausbruch «ine» Krieges abzuhaltcn dringend wünschens wert erscheint, umsomehr, wenn sich seine Flotte aus Schiffen »usammensetzt, die innerhalb der einzelnen SchiffSllassen an Typ und Geschwindigkeit so verschieden sind, wie die Schiffe der Hort Arthur-Flotte. Selbst wenn es sich aber nicht lediglich nm em unter den augenblicklichen Umständen freilich recht ernstes Manöver ge bandelt hätte, brauchte man doch nicht nach dem Grunde der Rückkehr der Flotte nach Port Arthur zu weit ru suchen. Die Nachricht, daß da» Gros der japanischen Kriegs flotte bei Wei-Hai-Wei liegt, erklärt alle«. Wenn auch Port Arthur einem Flottenbandstreich ge wachsen sein dürfte, wird ma« es doch russischerseit« einem überraschenden Angriff von angeblich 60 japanischen Kriegsschiffen aller Art nicht auSzusetzeu wünschen, »ha« auch zur S«e «ja«» derartig«» Massen »«griff in eu«rgischer S8. Jahrgang. * Weise entgegenzutreten. Die Kriegsgeschichte ist reich an Ueberraschungen. Sie lehrt, daß oft für uneinnehmbar ge haltene Festungen in lächerlich kurzer Zeit erliegen, während einfache Landstävtchen, von einem schwachen Gegner durch verstreute Schützengräben befestigt, sich in kürzester Frist unter dem Feuer des Feindes zu formidabel» Festungen entwickelten. Mit der Uneinnehmbarkeit einer Festung, und sei es selbst eine Festung wie Port Arthur, wird daher ein vorsichtiger Kriegslenker niemals rechnen, sondern diese Uneinnehmbarkeit durch alle zur Verfügung stehenden Kampfmittel zu erhöhen bemüht sein. Jedenfalls dürfte eine russische Demonstration vor dem koreanischen Hafen Tschemulpo, die der russische Gesandte in Söul angedroht haben soll, solange nicht in Frage kommen, als sich eine japanische Flotte von der angegebenen Stärke in Wei-hai-wei befindet. Freilich ist keineswegs ausgeschlossen, daß diese Meldung von der Sammlung der japanischen Kriegsschiffe bei Wei-hai-wei eine von Japan verbreitete Nachricht ist, die vielleicht lediglich den Zweck batte, die ruisische Flotte wieder nach Port Arthur zuruckzuleukea. Die Zukunft kann natürlich erst darüber Aufschluß geben, welch« der beiden Annahmen die zutreffende war. * Part«, 8. Februar. Der koreanische Gesandte Jongtschangmin erklärte: „Meine Regierung tst fest entschlösse«, die Russen als Freunde zu empfangen; daS ganze Boll wird dem russischen Heere die beste Aufnahme bereiten; die nächste« Ereignisse denke ich mir so: Dir russische und japanische Flotte werden einen Wettlauf nach den südchinesischen Gewässern unter- nehmen; die ersten Seegefechte werden in der Nah« von Lonkt» stattfinden; der russische Admiral Starck hat nämlich das größte Interesse, zu verhindern, daß die beiden genuesischen Schneükrenzer zur japanischen Flotte stoßen; die Japaner andererseits werden sich zwischen die Flott« Starcks und die au« dem Mittelmeer h«rbei- eilende russische Verstärkung werfen wollen. Interessant ist ferner, daß Rußland beabsichtigt, über die Eisdecke des Baikalsees in Mittelsibirien einen Schienenftraug zu legen, der deu An schluß an die Bahn jenseit des Sees herstellt. Der Bau der Bahn nm den See berum ist mit allen Kräften gefördert worden, tonnte jedoch bisher nicht völlig fertiggestellt werden. Zur Zeit existiert nur ein Trajektschiff zwischen Baikal und Myssowaja, da« eine Entfernung von 70 Werst zu durchfahren bat; durch den neuen Schienenstrang wird der Weg auf 38 Werst (vie Werst beträgt rund ein Kilometer) abgekürzt. Derartige Schienenlegangen über Eisdecken sind in Rußland nicht neu, die hier geplante ist allerdings nicht gar zu leicht durchführbar oder betriebs sicher. Die örtlichen Verhältnisse bringen es mit sich, daß sich in den kleinen und größeren Ausbuchtungen EiSmaffeo austürmen, die nicht so ohne weiteres zu über- oder zu durch- sckienen sind, außerdem bringen diese Formationen Riffe und offene Stellen mit sich, die für Truppentransporte nicht ungefährlich sind. Da inan trotz dieser Fährnisse daS Projekt wagen will, wird auf eine sehr energische und eilige Durchführung des Aufmarsches im Oste« geschloffen werden müssen. Die Integrität Chinas war bekanntlich der Punkt, an welchem die Verhandlungen scheiterten. Japan drang mit aller Energie darauf, daß sie von Rußland vertragsmäßig anerkannt würde. Aber wie bat sich Japan selbst an dieses Dogma gehalten? ES hat in seinem Kriege mit China ohne Skrupel diese Maxime verletzt, indem es die große Insel Formosa annektierte, und wenn ihm nicht die europäischen Großmächte in die Arme gefallen wären, hätte es auch noch Korea eingesteckt. Ferner befinden sich einige Teile chinesischer Besitzungen unter verschiedenartigstem juridischen Regime, Einfluß sphären kreuzen sich mit Interessensphären, Settlements mit gepachteten Landstücken, als uncnteigbar erklärte Landstücke mit privilegiertem Hinterlande, erteilte Konzessionen mit ver sprochenen und sogar mit abaelehnten. Bon der Integrität Chinas kann man ja sprechen, doch muß man dann'die letzten 65 Jahre europäisch chinesischer Geschichte, beginnend mtt der Einnahme von Hongkong, streichen. Deutsches Deich. * Leipzig, 8. Februar. * Ter 20 sächsische NeickStagSwahlkreis Zschapa» Marienberg, dessen Vertreter Ro sen ow ptötzlich gestorben ist, gehörte in früheren Jahrzehnten zum Besitzstände der national liberalen und der Reichspartei, und erst bei den Wahlen des Jahres 1898 fiel er den Sozialdemokraten zu. Bon 1871 bis 1878 wurde er durch »r BrockbauS (nationallibcral) vertreten. Im letztgenannten Iakre gelang eS überraschender Weise dem sozialdemokratischen Kandidaten Wiemer, bei der Stichwahl seinen konservativen Gegner zu schlagen. Aber schon bei der nächsten Wahl im Jahre 1881 wurde Wiemer durch den der Liberalen Bereinigung angehörenden Handelskammer sekretär Kutschbach verdrängt. Bon 1881 bis 1893 war der Wahlkreis im Besitze der Reichspartci und wurde durch den Fabrikanlen Gehlert vertreten. Im Jab re 1893 wurde die ReichSpartti von den Konservativen abgelöst, deren Kandidat, Rittergutsbesitzer v. Herder, mit einer Mehrheit von 1900 Stimmen gegen den Sozialdemokraten siegte. Fünf Iabre später (1898) errangen jedoch die letzteren in der Stichwahl den »Lieg. ES war daS ans die Zersplitterung der bürgerlichen Parteien und ans die Sonder-iufstellung eines Kandidaten der deutsch sozialen Reformparkei zurückzufübren. Bei jener Wahl erhielten der Sozialdemokrat 8999, der Konservative 6066 und der Deutschsoziale 1336 Stimmen. Die Stichwahl ergab die Wahl Rosenows mit 10262 Stimmen gegen 10 162, die der konservative Gegner erhielt. Bet den Wahlen im Jahre 19o3 wurden 23 506 gültige Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf Rosenow 13 616, und auf den von der Reichspartei ausgestellten Geb. Finanzrat Or. Jencke 9876 Stimmen. Der Erste» batte also diese« Mal mit einem Borsprung von 3740 Ltimmen gesiegt. Diese Ziffern beweisen, daß e« der größten Aastreaguaa «ad d«r Eiuwütigk«it aller bür-«rttchea <H«»«»t«
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