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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040210025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904021002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904021002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-10
- Monat1904-02
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktioneslrich («gespalten) 75 nach den FamiNcaaach- richten (6 gespalten) KO Tabellarischer und Ziffeniiap entsprechend höher. — (öebüdren für NaNiwetsungen und Lsfertenannahme 25 Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ob ne Poslbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Nnnahmeschluh für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« lO Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pal; in Leipzig zJnh. Ur. B., R. L W. Klinlhardtl 88. Jahrgang. Mittwoch den lO. Februar 1904. Sir. 74. Var lvitbügrie vom rage. * Während der Grobherzog von Olden burg, dessen Herzfehler sich gebessert hat, eine Neise nach dem Mittel meere antritt, wird vom Groß herzoge von Naben gemeldet, er leide an all gemeiner Mattigkeit. * Ein Antrag, den Frauen das Wahlrecht für die Kaufmannsgerichte zu verleihen, wurde in der Reichstags kommisston abgelehnt. * General Davoust, Herzog von Auerstäbt, ehemaliger Kanzler des Ordens der französischen Ehren legion, ist gestern abend in Paris gestorben. * In der vor dem Hafen von Port Arthur ge ¬ lieferten Seeschlacht wurden drei russische Schiffe schwer beschädigt, drei auf den Strand gesetzt. Bei Tschemnlpo kapitulierten zwei russische Kreuzer,- außerdem soll noch ein russisches Transportschiff abgefangen worden sein. Der russisch-japanische Arieg. "/i. Die Sensationsmeldung der „Associated Preß", elf japanische Schiffe seien während der Seeschlacht bet Port Arthur gesunken, ist zwar worden. Sie war in echt amerikanischem Stil aufgebauicht. Aber waS den Russen bei Port Arthur geschehen, ist kaum weniger schlimm als das den Japanern angedichtete Unglück. Wir lassen zunächst die ausführlichere, den Eindruck der Glaubwürdigkeit machende Meldung von Augen zeugen über den Verlaus der merlwüroigen Schlacht folgen, die unter den Marinestrategen die Federn lange in eifriger Be wegung halten wird. Man depeschiert un.<: * London, 10. Februar. < Tel.) Dem „Renterscheu Bureau" ging überRew Port folgendes Telegramm aus Tschifu vom 9. Februar zu: Ter Tampser „volumbia", der von Port Arthur in Tschtsu eingetrosfen ist, vrfand sich zur Zeit des japanischen Angriffe« auf der Reede von Port Arthur. Am Montag abend 1t Uhr wurde der erste Knall einer Torpedoexplosion ver spürt. Die Russen brachten sofort die Scheinwerfer in Tätigkeit und eröffneten das Feuer. Ter Angriff dauerte indessen in Zwischenräumen die ganze Rächt fort. Am 9. Februar bei Tagesanbruch sah man, »ast zwei russische Schlachtschikfc und ein russischer Panzer kreuzer ersterUlasfe manövrierunfähig gemacht und an der Hafeneinfahrt auf Strand gefetzt waren. Der Kreuzer lag start auf der Leite, «ein Schiff hatte Beschädigungen oberhalb der Wasserlinie. Tie russischen Forts feuerten morgens auf die etwa 3 Meilen entfernt liegende japa nische Flotte, die das Feuer erwiderte. Darauf lichteten die anderen russischen Schisse die Anter nnd kreuzten um die Reede herum. Tie Japaner tameu bi» auf :t Meilen heran, die Seeschlacht begann. Die Japaner feuerten ans die Schisse und Forts, die das Feuer erwiderten. Die japanischen Geschosse trafen die russische» Schisse nur «nbedeuteud. Da» Feuer der Russen erreichte die aeguerischrn Schiffe nicht. Während der Kampf im Gange war, fuhr die „Columbia" davon, sah aber später noch, wie Vie japautfche Flotte anscheinend unbeschädigt in der Richtung nach Dalny ab fuhr, wenn auch die Offiziere der „Columbia" sagen, die Sahl der angreifenden Schiffe habe 17 betragen und «an habe später nur 1t» gesehen. Der Dampfer „Futschan" am» Dalny, der am v. Februar durch die japanische Flotte hindurchgesahren ist, berichtet, das; sie ans 6 Schlacht schiffen, 4 Kreuzern erster Klasse uud 6 anderen Schiffen bestand und sich 18 Meilen von Port Arthur in südwestlicher Richtung bewegte. Tret japanische Kreuzer fuhren am Dienstag lO Uhr vormittags in Sehweite der russischen Flotte bei Port Arthur vorbei; letztere lichtete die Anker und brach znr Verfolgung auf, kehrte aber eine halbe Stunde später zurück. Rach einem Telegramm an« Tschifu find die anher Gefecht gesetzte» russischen Schiffe die Schlachtschiffe „Poltawa", „Zasarcwttsch und der Kreuzer „Voqartn". Die auf dem Strande sitzenden Schiffe, welche sich noch auf Wasser halten, blockieren die Hafeneinfahrt, machen den Kanonenbooten die Ausfahrt unmöglich und hindern die Schlachtschiffe nnd Kreuzer, zur Kohleneinnahme in den Hafen etnznfahren. Ans russischer Seite wurden 2 Offiziere und 54 Mann verwundet, 10 Mann sind tot. Die Kriegsschiffe „Poltawa", „Diana", „Askold" und „Rowik" erlitten je eine Beschädigung. Wir lassen nun die amtlichen russischen Meldungen folgen: * Petersburg, 10. Februar, 4'/« Uhr vorm. (Tel.) Der Stabs- ches des Admirals Alexejew telegraphiert aus Port Arthur vom 9. Februar: „Gegen 11 Uhr vormittags näherte sich ein aus 15 Panzerschiffen und Kreuzern bestehendes japanisches Ge schwader Port Arthur und eröffnete da« Feuer. Der Feind wurde mit Schüssen der Küstenbatterien und der Festung, sowie dem Feuer unseres Geschwaders, das sich am Kampfe beteiligte, empfangen. Gegen mittag stellten die Japaner das Feuer ein und dampften nach Süden. Auf unserer Seite wurden zwei Marineoffiziere und 41 Marinesoldaten verwundet, sowie 9 getötet. Bei den Küstenbatterien wurde 1 Mann getötet und drei ver wundet. Ta« Panzerschiff „Poltawa" und der Kreuzer „Nowik" erlitten Beschädigungen unter der Wasserlinie. Die Beschädigungen der Festung sind unbedeutend." * Petersburg, 10. Februar. (Tel.) Der Statthalter Alexejew ließ dem Kaiser Nicolaus folgendes Telegramm zugehen: „In Ergänzung meines ersten Telegramms melde ich, daß alle drei bet Port Artyur beschädigten Schiffe sich über Wasser halten. Die Kessel und Maschinen sind nicht beschädigt. Der „Zäsarewitsch" ist am Steuer beschädigt, der „Rrtwisan" in einer Abteilung unter der Wasserlinie, wo sich Pumpen befinden, der Kreuzer,,Pallada"(?) in der Mitte des Schiffes, unweit der Maschine. Nach der Explosion eilten sofort die Lu jour habenden Kreuzer zu Hülfe. Trotz der Dunkelheit der Nacht wurden Maßnahmen getroffen, um die beschädigten Schiffe in die innere Reede zu bringen. Die Schiffe baden keine Offiziere ver loren; zwei Untermtlltär« wurden getötet, fünf sind ertrunken, acht verwundet. Dir feindlichen Torpedo boot« wurden rechtzeitig mit einem starken Feuer von den Schiffen empfangen. Nach Beendigung der Angriffe wurden zwei Torpedos gefunden, die nicht krepiert waren." — Wie aus einem weiteren Telegramm des Statthalter« an den Kaiser hervorgeht, hat das aus fünfzehn Schiffen bestehend« japanische Geschwader die gestern um 11 Uhr vormittags begonnen« Beschießung Port Arthurs nach einstündigem Feuer ein gestellt und ist nach Süden abgcdampft. Außer dem Panzerschiff „Poltawq" und dem Kreuzer „Nowik" erlitten auch die Kreuzer „Diana" und „Askold" Beschädigungen unter der Wasserlinie. Die wunderbare, für die Russen wenig schmeichelhafte Situation ist also die, daß ihre eigenen auf Strand gesetzten Schlachtschiffe ihre übrige Flotte von dem fast einug in Betracht kommenden russischen Hafen hermetisch abspcrren und vielleicht bald ganz lahm legen werden. Die nach gründlich getaner Arbeit eiligst in südlicher Richtung abgeiahrene japa nische Flotte wird voraussichtlich dafür sorgen, daß die Russen ihre übrigen Kohlenstationen im Bereiche des Kampfgebietes be setzt finden. Gebt aber den russischen Schlachtschiffen derKohlen Vorrat aus, so bleibt ihnen nichts übrig, als sich von japa nischen Schiffen inS — Schlepptau nehmen zu lassen und dies vielleicht, ohne einen weiteren Schuß abgegeben zu haben. Sollte der stolzen russischen Schlachtflotte aber nochmals Gelegenheit zum Kampfe gegeben werden, ehe ihr der Dampf versagt, so würde ibre weitere Manövrierfähigkeit in bedenklichstem Maße dadurch leiden, daß ihre lädierten Schiffe sich nickt in die Docks von Port Arthur begeben könnten, um Ausbesserungen vorzunebmen. „Diana", „Askold" und „Nowik" kreuzen ja jetzt schon mit Havarien. — Während wir dies schreiben, erreicht un« noch folgende Meldung: * Rew Vvrk, 10. Februar. (Tel.) Der „New York Herald" meldet auf Tschifu: Die drei von den Japanern kampfunfähig gemachten russischen Schlachtschiffe versperren die Haseneinsahrt nur für tiefgehende Schiffe. Die Russen versuchen die Schiffe durch Pumpen über Wasser zu halten. Die Lecke wurden durch Kollissionsmatten verstopft, um dir Schiffe beim Hochwasser in den inneren Hafen zu bringen. E« ist sehr fraglich, ob der Versuch gelingt. — Auf Strand gesetzt sind gerade die beste» russischen Schiffe. Der „Zäsarewitsch" ist eia Panzer von l3 300 Tonnen Wasserverdrängung mit 19 Knoten Geschwindigkeit. Außer einem obern Panzerdeck hat er ein unteres, das als Wallgangssckott 2 w von der Bordwand heruntergezogen ist bis zum Doppelboden und bis 100 mm stark sein soll. In der Wasserlinie ist die Panzerung 180 b,S 250 mm stark. DaS Schiff führt 4 30,5 cm-, 12 15 cm-, 20 7,5 ,'M-, 20 4,7 em- und 6 3,7 cw- Geschütze und hat 732 Mann Besatzung. Der „Netwisan" hat 12 880 Tonnen Wasserverdrängung, seine Artillerie weicht nur darin ab, daß 24 statt 20 4,7 cm-Geschütze vorhanden sind. Der große Kreuzer „Poltawa" („Pallada?) bat bei 6740 Tonnen Wasserverdrängung 20 Knoten Geschwindig keit und ist in der Wasserlinie nicht gepanzert. Die Be stückung weist 8 15 vw-, 22 7,5 cw-, 6 4,7 cm-, 2 3,7 vm Ge schütze auf. Die Besatzung beträgt 422 Mann. In der Artillerie der russischen Schiffe sind also Geschütze zur Abwehr eine» Torpedobootsangriffs genügend vertreten und die Japaner haben mit au ßerord en tlick er Kühnheit angegriffen. Sie nehmen darin die Ueberlieserung aus, welche ihre Kameraden im chinesischen Krieg geschaffen haben, als sie die Hafensperre von Wei-hai-wei durchbrachen und das chinesische Geschwader im Binnenhafen angrisfen. Das chinesische Flaggschiff „Ting Aueng" erhielt zwei Torpedos, die es zum sofortigen Sinken brachten, der „Tschen Auen" wurde schwer beschädigt. Eia zweiter Angriff in der nächsten Nacht kostete den Chinesen den Kreuzer „Lai Auen", das Schulschiff „Wai Aura" uud ein Torpedoboot. UebrigenS soll die russische Flotte noch einen weitere» Verlust erlitten haben. Es wirb berichtet: * London, 10. Februar. (Tel.) Das „Reuterschr Bureau" meldet aus Shanghai vom 9. Februar, dort verlaute, daß der am Sonntag von Shanghai abgegangenr russische Postdampfer „Mongolia" auf der Höhe der Küste von Schantung durch die Japaner genommen worden sei. Hierzu kommt dann noch der Verlust zweier Kreuzer Feuilleton Erna war sich nicht sofort klar darüber, ob sic schon ihr gewöhnliches Gesicht zeigen durfte, oder ob es nicht passender sei, noch die Niedergeschlagene zu spielen, und deshalb seufzte sie mit verdrehten Augen und hauchte ganz pathetisch: „Ter arme Onkel." „Du bist ein Schaf" — schalt der Vater zornig, ging einige Male durch s Zimmer, setzte sich dann wieder, winkte sie zu sich heran, zog sie auf den Schoß und sagte: „Merke dir eins: sich verstellen ist eine Unwahrheit, und eine Unwahrheit ist eine Lüge, und wer lügt, der betrügt, und wer betrügt, der stiehlt, und wer stiehlt — er unterbrach sich und sah nach seiner Frau hin, die eben wieder eintrat und auf das Nähti'chchen zuschrttt. ES zuckt« ihm um die Mundwinkel, und mit überhöf- ltcher Galanterie fragte er: „Was suchst du den», liebe Eveline, kann ich dir vielleicht behülslich sein?" „Ich danke" — lehnte sie kühl ab, um dann um so ver legener hinzuzusügen — „ich habe nur meine Schlüssel liegen lassen." „Na ja, das konnte ich mir denken" — meinte er mit leichtem Spott, schob Erna sachte vom Knie und vertrat seiner Frau den Weg Sie sah ihn groß an. „Wünschest du etwas?" „Gewiß. Ich will mit dir ein vernünftiges Wort reden." „In Gegenwart -eS Kindes?" „Aber, liebe Mama", playt« Erna unbedacht heraus, „warum soll ich denn nicht auch einmal etwas Ver nünftiges hören dürfen?" Wie vom Schlag gerührt, starrte Frau von Höchstfeld Ne an, und selbst der Vaters der sonst für -le Keckheiten seines Lieblings stets eine Entschuldigung fand, war tm ersten Moment ganz perplex. „Für diese Unart gehst du sofort auf dein Zimmer", befahl er bann, „und l«tzt dich nicht eher sehen, als . . ." „Aber, tteb«r Papa, es war doch gar nicht so ge meint ..." „Nicht so gemeint? Um so schlimmer! Habe ich dir nicht eben erst gesagt, daß man nicht gegen seine Ueber- zeugung spricht?" Erna hätte darauf gern etwas erwidert, indes — weit vom Schuß war jedenfalls sicherer, und so schlüpfte sic achselzuckend zur Tür hinaus. Tie Gatten waren allein, und mit Frau von Höchstfeld ging sofort eine große Veränderung vor. Aus der un- nahbaren Dame war ein», zwei ein besorgte» Hau». Mütterchen geworden, und zwar ohne jedweden Apparat — ganz wie beim Taschenspieler. Obschon er dies Kunststlickchen seit Jahren kannte, mußte er doch immer wieder von neuem die geradezu einzig dastehende Doppelnatur seiner Frau bewundern, denn sie spielte nicht etwa Komödie, sondern gab tatsäch- lich je-esmal ihr ureigenstes Ich. Diem Bkann gegenüber — das heißt, wenn sie mit ihm allein war — kannte sie nur weibliche Hingabe und Unter- ordnung; waren aber die Kinder zugegen, ja, dann än derte sich die Dache, dann hielt sie es im Interesse der Er ziehung für notwendig, auf ihre Rechte zu pochen und kein Tüpfelchen ihrer gleichberechtigten Autorität preiszu- geben. „Erwin, wie konntest du mir da» nur vor dem Kinde antun!" — machte sie ihm nun, da sic allein waren, nach sichtig zum Borwurf. ,^Was habe ich dir denn angetan?" — fragt« er ärgerlich. „Du hast gesagt, daß ich Henle und — Heuchle." Er »wirbelte ungeduldig an seinen Schnurrbartenden, hustete einige Male verlegen und gab dann zögernd »u: „Nun ja, ich hätte mich allerdings etwas parlamen- tarischer ausdrücken dürfen, indes — wahr ist es doch!" „Erwin!" „Jawohl, es ist wahr, und glaub« mir nur, La» mer- ken die Kinder ganz genau." „Meine Kinder wenden nie glauben, daß ihre Mutter heuchelt!" — protestierte sie und wischte sich nun eine wirk- liche und wahrhaftige Träne au» dem Auge. Er »der tat, al» ob er es aar nicht merkte, und fuhr fort: „Du bildest dir soviel auf deine Erziehungsmethode ein, ich aber sag« dir, daß eS mit den guten Vohren allein nicht getan ist. Die Hauptsache bleibt: ein gutes Beispiel zu geben, den Kindern als leuchtende» Vorbild zu dienen und sie durch unsere gleichmäßige und nie wankend« Charakterfestigkeit zu tüchtigen, bestimmten Menschen zu formen." Frau von Hvchstfelb rang verzweifelt die Hände. „Erwin, um Gotte-willen" — lamentierte sie — „du wirst doch ,richt etwa behaupten wollen, daß ich unser« Kindern ein schlechte» Beispiel gebe?" Er schaut« sie nicht ohne «in gewisse» Mitleid an, setzt« sich zu ihr und sprach nun in etwa» freundlicherem Tone: „Sich, lieb« Eveltne, du mutzt dir vor Augen halten, baß Erna sehr aufgeweckt ist, daß sie auch in dem Alter steht, Ij Ein angcnstnnes Erbe. Roman von Viktor von ReiSner. Nachdruck verboten.) Erstes Kapitel. Krau von Höchstfeld trocknete mit dem Taschentuch einige nie geweinte Tränen, und Erna, der holde Back fisch. gab sich gleichfalls die redlichste Mühe, eine möglichst würdige Trauermiene zur Schau zu tragen. Er, der Herr des Hauses, Major a D. Erwin von Hvckstfelb, Ritter des Zipperleins und noch vieler anderer wohlerworbener, wenn auch nicht sehr angenehmer Attribut«, ging unterdes mit sorgenvoll gefurchter Stirn auf und nieder und dachte und dachte — endlich blieb er vor seiner Frau stehen und sagte mit einer Stimme, die zwischen Berger und Lachen schwankte: „Nun möchte ich bloß wissen, weshalb du eigentlich heulst!" Frau von Höchstselb zuckte beleidigt zusammen, fuhr sich m der Erregung anstatt mit dem Taschentuch mit dem Schlüsselbund übers Gesicht und map ihn mit einem niederschmetternden Blick. „Na, was soll denn das heißen?" — fragte er ver- wundert. „Da» soll heißen" — erwiderte sie pikiert — „daß ich mich trotz unserer vlerunbzmanzlgjährtgen Ehe noch nicht an diesen Ton gewöhnt habe " „Das tut mir leid" - meinte er — „Zett dazu haft du gerade genug gehabt. UebrigenS zwingst du mich ja durch dein Benehmen zn solchen Bemerkungen — man heuchelt nicht eine» Lchmer», den man unmöglich em- pfinden kann." Mit einem Ruck schnellte Frau von Höchstselb in die Höhe, mit einem zweiten zwang sie sich zu gemessener Würde, und gewaltsam eine ihm von rechtswegen ge bührende Zurechtweisung unterdrückend, verließ sie stolz erhobenen Hauptes das Zimmer. Kopfschüttelnd sah er ihr nach, brummte etwas, das auf ein Haar wie „verrücktes Frauenzimmsr" klang, und postierte sich dann vor Erna. „Na, KnirpS" — fragte «r — „willst du mir auch solche Klausen vormachen?" wo »ran scharf zu beobachten anfängt und Uber Tinge grübelt, die — na, das gehört ja nicht hierher, und ich will nur sagen, daß wir uns vor ihr jetzt doppelt i» acht nehmen müssen. Wenn sie btck nun über den Tod meines Vetters Karl außer Rand und Band geraten sieht, muß sie sich da nicht fragen, wie das möglich ist?" „ES ist aber doch so schrecklich .. ,MaS? Daß er mich zum Erben einsetzte?" „Nein, das gerade nickt, aber . . ." „Aber, aber, aber — hier gibt eS gar kein Aber und gar keine allgemeinen Erwägungen, sondern hier handelt es sich ausschließlich um Karl. Und das weih das Kind ganz gut, daß er uns durch sein unoermandtsckmftliches Be nehmen ferner al» irgend ein Fremder ftand — ich wüßte also wirklich nicht, woher da der Schmerz kommen sollte!" „Freilich, freilich, er hat ja nicht recht an unS geban delt" — gab sie »u. „Und als ich damals meinen letzten Kredit ausnutzte, um zu ihm nach Kroatien hinabfahren zu können, und ihm unsere Verhältnisse darlegte, da mußte ich mich wie ein Bettler demütigen, um nicht mit leeren Händen zurückzu kommen!" „Er hat e» ja durch da» Erbe g-ut zu machen gesucht" — bemühte sie sich, ihn zu beschwichtigen. „Ein nettes Erbel" — höhnte Herr von Hvchftfeld in grimmig und sich mit den Fingern durch die borstcngcrade hinaufstehenden Haare fährend, fügte er ärgerlich hinzu: „ich fürchte, daß wir damit eine harte Nuß zu knacken bekamen." Aengstlich besorgt sah ihn seine Frau an, dann glaubte sie ihn zu verstehen und sagte seufzend: „Ja, ja, eS wird sich wohl schwer ein tüchtiger Oekonom für da unten finden." „Du ratest doch immer daneben" — polterte er — „alS ob ich dazu einen Oekonomen brauche — sch werde mein eigener Oekonom sein." „Aber, lieber Erwin" — wogte sie schüchtern einzu wenden — „das muß doch wohl auch erst gelernt sein." „Unsinn! Ein paar Ochsenwagen werden sich wohl leichter al» ein ganzes Bataillon kommandieren lassen. UebrigenS liegen die einschlägigen Bücher, die ich mit Erich durchnehmen werde, schon da. Der Junge ist ein Heller Kopf, er wird die Geschichte auch schnell heraus haben." „»» handelt sich aber doch nm eia« Herrschast von viertausend Morgen!"
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