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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040211017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904021101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904021101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-11
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„sülntfche volksztg." mit auffallender Entschieden, heil auf die Seite Japans Das rheinische Zentrums blati behandelt die bekannte erste Note Rublands über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen als Komödie und wirft dem Petersburger Kabinett vor, durch die Miß- achtung deS Räumungsvertrages bezüglich der Mand schurei das Völkerrecht mit Füßen getreten zu haben. Eine so erregte Sprache erscheint vom deutschen Stand punkte aus um so zweckloser, als Japans Forderung be. treffs der Mandschurei nicht im Interesse des Völkerrechts, sondern lediglich im japanischen Interesse erhoben morden ist. Mutet es schon seltsam an, daß der ,„Köln. Volksztg." jeder Gedanke hieran offenbar sernliegt, so ist es noch er staunlicher, wenn von'dem leitenden Zentrumsorgan der russisch-japanische Krieg ausschließlich als im deutschen Interesse liegend angesehen wird. Der Kriegsausbruch stärkt nach der Ansicht der ,Föln. Volksztg." unsere inter nationale Stellung deshalb „ganz erheblich, weil wir da durch aus dem russisch-französischen Schraubstock heraus kommen,' jetzt ist Rublands Arm wenigstens insoweit ge lähmt, als es nicht mehr in Europa zuschlagen kann und die nächste Folge wird sein, daß die Franzosen fortan viel bescheidener gegen uns austreten werden; aber noch mehr: die erste Geige im europäischen Konzert, welche bisher unbestritten in Rußlands Händen lag, wird nunmehr vom Deutschen Reiche gespielt." — Selbstverständlich ist die Lage Deutschlands nach Osten wie nach Westen durch den Kriegsausbruch vorteilhaft beeinflußt. Aber zu einer derartig überschwänglichen Beurteilung unserer augenblicklichen Position ist für uns um so weniger Anlaß, als der Zweibund unseres Wissens zu keiner Zeit Frank reich „unbescheiden" Deutschland gegenüber gemacht hat. Was aber die „erste Geige" im europäischen Konzert anbe- langk, so vergißt die ,„Köln. Volksztg.", daß England nach der Gestalt seines Kolonialbesitzes es ungleich leichter hat, gegenwärtig jenes Instrument zu spielen. — Auch die „deutsche" Sozialdemokratie nimmt mit großer Leidenscl-aftltchkeit für Japan Partei. „Endlich ist Japan die Galle übergelausen; mit einem Schlage hat es die Netze, in die Rußland es mit seiner Politik des Hinauszögerns verstricken wollte, zerrissen" — so jubelt die „Sächsische A r b e i t e r z t g.". Der „Vorwärt s" aber gibt ausführlich die Gründe an, aus denen daS „internationale Proletariat" auf eine schwere Niederlage Rußlands hofft. Nur durch seine Weltpolitik friste der zarische Despotismus seine „fluchwürdige" Existenz; eine Niederlage durch Japan würde das russische Prestige vernichten und Rußlands unheilvollen Einkluß auf die europäische Politik brechen. „Vielleicht auch", fährt der „Vorwärts" fort, „käme dann endlich i n Rußland selb st die innere Krise zum Aus bruche, eine Krise, die das Selbstherrschcrtum und die verfaulte Beamtenhierarchie hinwegfegte." — Mancher wird cs bezeichnend finden, daß das sozialdemokratische Zcntralorgan Hoffnungen betreffs des Ausbruches einer inneren russischen Krisis in einem Augenblicke bekundet, da Rußland in auswärtige Verwickelungen hinein- schreitet. Die Frage, ob ähnliche Hoffnungen für die Er » richt »ng desZukunftsstaates in Deutsch land beim Eintritt kriegerischer Verhält nisse laut werden würden, liegt nahe genug. * Erleichterung für »alUtsche Gefangene. Zum Etat des ReickSjustiram tes brachten die Freisinnig en einen Antrag ein, den Reichskanzler zu ersuchen, bebufs einheit licher Regelung für das gesamte Reichsgebiet einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen den wegen poli tischer Vergeben oder Preßvergehen in Unter suchung«- oder Strafhaft befindlichen Personen gestattet werde, sich auch während der Dauer der Halt selbst zu beköstigen und Tageszeitungen zu halten; ferner sollen solche Personen nur mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, die ihrem bisherigen Berufe und Bildungs grade angemessen sind. * Sozialpolitisches. Mit der Arbeitszeit erwach sener Arbeiterinnen hat sich der Bundesrat in seiner letzten Sitzung beschäftigt. Vor endgültiger Beschlußfassung wurde den Einzelstaalen die Vornahme von Erhebungen anbeimgestellt. Darauf hat, wie der „Fränk. Kur." mitteilt, daS bayerische Ministerium unterm 27. Januar die KreiSregierunzen mit der Vornahme von Erhebungen und der Einholung von Gutachten wirtschaftlicher Korporationen beauftragt. Als Grundzüge für eine reichsgesetzliche Regelung der Arbeits zeit erwachsener Arbeiterinnen ist hierbei angenommen worden die Herabsetzung der zulässigen täglichen Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden und am Vorabend der Sonn- und Festtage auf 9 Stunden. Bei Bewilligung von Ueber arbeit soll die tägliche Arbeitszeit an Wochentagen 12 Stunden und an Sonnabenden bei Arbeitsschluß spätestens um 7'/, Uhr 9 Stunden nicht über schreiten. In Fabriken, für die bisher die Grenze der Arbeits zeit mit 65 Stunden wöchentlich angesetzt war, soll künftig die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit 59 Stunden nicht überschreiten. * Zum Prozctz Delbrück. Wie berichtet, wurde Professor Delbrück, der in feinen „Preußischen Jahrbüchern" in einem Artikel „Der Fall Löbning" behauptet batte, daß von den „Hakatislen" ein Spionage- und Denunzierfystem aroßgezogen sei, von der Beleidigung der Führer deS Deutschen Ostmarken-Vereins in vierter Instanz freigesprochen, — weil das Gericht ihm Verfolgung berechtigter Interessen, nämlich der höheren Staatsbeamten, zusprach. Gegen dieses Urteil ist seitens der Privatkläger Revision eingelegt worden. * Ter Kaiser verblieb nach der Teilnahme an dem gestrigen Fest bei dem Offizierkorps deS 1. Garde-RegimentS z. F. im Potsdamer Stadtschloß und kehrte im Laufe des Nachmittags nach Berlin zurück. Heute Abend nahm der Kaiser an einem Diner beim Staatssekretär vr. Grafen v. Posadowskyteil. — Prinz und Prinzessin Heinrich haben sich heute Mittag wegen eines leichten Unwohlseins des jüngsten Prinzen nach Kiel begeben und gedenken am Freitag m Berlin wieder einzutreffen. — In der katholischen Garnisonkirche fand heute vor mittag die bischöfliche Konsekration des FeldpropsteS der Armee Bollmar statt. Anwesend waren der Erbprinz von Hohen- zollern, Vertreter der Militärbehörden und des Kultusministeriums. Die Konsekration vollzog Kardinal-Fürstbischof Kopp, assistiert von den Bischö'en von Paderborn und Culm und der Militär geistlichkeit. Nach der von dein Kardinal-Fürstbischof und dem Bilchof Bollmar gemeinsam celebrierten Messe und dem Tedeum, erteilte Bischof Bollmar zum ersten Male den bischöflichen Segen. Tie Feier schloß mit einer Ansprache des Bischofs Bollmar und dem Segen deS Kardinal-Fürstbischoss Kopp. — Im preußischen Abgeordnetenhaus« dürfte man demnächst, um die Etatsarbeilen besser als bisher zu fördern, zu dem AuShüliemittel der Abendsitzungen greifen. Ob aber selbst damit bas Ziel der Fertigstellung des Etats vor den Osterferien erreicht werben wird, ist noch zweifelhaft. — Der Stabsarzt vr. Han« Kaelbling von der südwest- afritanischen Schutztruppe, der nach einem fünfjährigen Aufenthalt in den Kolonien vor einigen Wochen mit einem mer- monatigen Urlaub nach Berlin kam, hat sich am Montag Abend durch Oeffnen der Halsschlagader das Leben genommen. Ein Grund zu der Tat ist vorläufig nicht zu entdecken. — Ter geplante erste allgemeine deutsche Wohnungskongrest ist nunmehr endgültig auf den 18. bis 19. Oktober d. I. festgesetzt worden. Der Kongreß wird in Frankfurt a. M. lSaalball) stattfinden. Ter Mit gliedsbeitrag für den Kongreß beträgt 6 .ck. * Vremerhaven, lO. Februar. (Tel.) Der Großherzog und die Großherzogin von Oldenburg sind heute nachmittag mit Gefolge aus dem Lloyddampfer „Königin Luise" nach dem Mittelmeer abgereist. * Köln, 10. Februar. Zum Kölner Aerztcstreik wird gemeldet, daß augenscheinlich im Verfolg des KaisertclegrammS erneut höheren OrteS Ermittelungen angestellt sind und Berichte eingesordert wurden. Behördlicherseits wurden die Vorstände aller Krankenkassen aus heute zum Rat haus beschicken, zwecks Durchsicht und Acußerung zu den seitens der Regierung mit den Kaffen abgeichlossenen Ver trägen. Sämtliche Vorstände haben indessen soeben beschlossen, der Aufforderung keine Folge zu leisten. Die Kassen halten an ihren kontraktlichen Verpflichtungen fest und be trachten dieRegierungsverfügung als nicht geschehen. * Rudolstadt, 9. Februar. Bei der demnächst stattfindendeu Landlagsstichwahl zwischen dem Kandidaten des Bundes der Landwirte und dem der national-liberalen Partei soll die sozialdemokratische Partei gesonnen sein, für den ersteren einzutrelen. Wie der „Deutschen Tagesztg." berichtet wird, ist „im Wahlkreise selbst von einem solchen Beschlüsse nichts bekannt". <5 Halle a. S., 9. Februar. Im Vereine der Libe ralen in Halle — SaalkreiS lFreisiunige Volkspartei) wurde bei Besprechung der politischen Lage der Wunsch aus gesprochen, tunlich Fühlung mit der nationalliberalen Partei zu halten, die ihren liberalen Charakter jetzt mehr hervor kehre. Jede der liberalen Gruppen möge im einzelnen ihre Eigenart wahren, aber bei großen entscheidenden Fragen möge man gemeinsam schlagen. Der anwesende Abgeordnete des Wahlkreises, Schmidt, wurde gebeten, in diesem Sinne in der Fraktion zu wirken. Abg. Schmidt erklärte sich vollständig mit dieser Anregung einverstanden, er wisse sich dabei auch eins mit seinen politischen Freunden. * Breslau, 10. Februar. Russische Studenten sollten dieser Tage hier von russischen Geheimpolizisten auf offener Straße angehalten und vor revolutionären Gesinnungen gewarnt worden sein. Die „Schief. Ztg." dementirt die Meldung mit dem Bemerken, es gebe über haupt in Breslau keine „rujsijchen Spitzel." * Karlsruhe, 10. Februar. Die Klerikalisie- rung des badischen M i t t e l s ch u l w e s e n s be handelt eine Eingabe, die Professor Bvethlingk im Verein mit einer Anzahl Karlsruher Männer an den Landtag gerichtet hat. Die Unterzeichner der Eingabe, welche in allen größeren Städten zur weiteren Unterschriften, sammlung aufgelegt werden soll, gehören der liberalen, freisinnigen und demokratischen Partei an und sind meist Professoren der Technischen Hochschule und der Mittel schulen. * Aus Bayern. Eine Rede des Reichstags- und bayerischen Landtagsabgeordneten vr. Schädler, die dieser kürzlich auf der Generalversammlung des Vereins zur Gründung einer reinkatholischen Universität in Salzburg hielt und die von Beleidigungen und unerhörten Ausfällen gegen die deutschen und österreichischen Hochschullehrer strotzte, bat den bayerischen Kultusminister vr. v. Wehner in arge Verlegenheit gebracht. Dem allgewaltigen Zentrumsführer Schäcler gegenüber hat man jedoch nicht den Mut, einzu schreiten. Der Kultusminister dürfte sich der Hoffnung hin- geben, daß bis Ende Mai, wenn der Ku ltuse tat voraussichtlich zur Beratung kommt, Gras über die heikle Geschickte gewachsen sein wird. Er täuscht sich jedoch. Das Salzburger Auftreten des Kammerpräsidenten vr. v. Orterer und des Bamberger Domdechanten vr. Schädler wird zu einer Interpellation von der liberalen Kammerfraktion führen, wobei der Kultusminister wohl oder übel Farbe bekennen muß. In Universitätskreisen herrscht hockgradige Erregung über das Vorgehen SckädlerS. Die „Münchn. N. N." verlangen, daß den Universitäten derselbe Schutz zu teil werde, wie ibn der Untero sfizierstand, wenn er beleidigt werde, vom Kriegs ministerium erhalte. Das Schlimmste an der Sache sei, daß vr. Schädler der Kammerreferent über denKultuS- etat, also auch über die Universitäten, ist. Ein solcher „Referent" sei wohl nur in Bayern möglich! Der Aufstand in Südwestafrika. * Ueber die Ankunst des Dampfers „Darmstadt" in Lwakopmund wird dem „B. L.-A." berichtet: Swakopmund, 9. Februar. „In den letzten drei Tagen war das Wetter stürmisch, sonst hatten wir bei kühler Witterung brillante Fahrt. Am 3. Februar passierte zum allerersten Male eine deutsche Truppensahrt den Aequator. An Bord ist alles wohl, auch die Pferde und die in Madeira angekauften Zugochsen für die Kanonen. Die Seereise wurde von allen gut über standen. Vor Swakopmund wurde um ' .1 Uhr nach ¬ mittags geankert. Auf der Reede lag nur der „Habicht" und zwei Wörmann-Dampfer. Ter Kapitän des „Habicht" Gudewill mit zwei Offizieren erschien gleich darauf an Bord und brachte uns die in Europa bereits bekannten Nachrichten über den Herero- Aufstand. Nachmittags, sowie nachts werden die Truppen ans- geschifst werden. Morgen früh gehen bereits zwei Kom pagnien und Geschütze mit der Eisenbahn nach Windhoek ab. Von dort soll der Marsch zu Fuß weiter gehen. Diese Truppen werden nur das notwendigste Gepäck mit sich führen. Andere Abteilungen sollen möglichst schnell nach den bedrohtesten Punkten folgen. Ich beabsichtige, morgen mitzufahren." * vr. Paul Rohrbach, der Kaiser!. Ansiedelungs- Kommissar für Deulsch-Südwestafrika, welcher erst seit September vorigen Jahres im Auftrage der Regierung im Verein mit Oberst Leutwein in der Kolonie tätig ist, soll gutem Vernehmen nach, sich unter den Vermi ß te n befinden. Seit Anfang Januar fehlen alle Nachrichten über ihn. Seine Angehörigen, besonders seine junge Gattin, die im Begriff stand, ihm mit ihren beiden Kindern nach Deutsch-Südwest- afrika zu folgen, sind in schwerer Sorge. * Bon den verwuubeten Offizieren. In der letzten Mel dung über die bei Omaruru verwundeten Offiziere war auch ein Offizier Nathusius genannt und dazu bemerkt worden, eS liege wahrscheinlich eine Verwechslung mit dem Ober leutnant BanSzus vor. Nun schreibt unS aber Herr v. Nathusius aus Erfurt, eS handle sich wahrscheinlich um seinen Bruder, der seit einem Jahre in Deutsch-Süd westafrika lebte und als Reserveoffizier der Posener Jäger zu Pferde den Feldzug wahricheinlich mitgemacht habe, da sein letztes Telegramm aus Caribib gekommen sei und er eine Farm bei GobabiS besitze. Ausland. Niederlande. * Bo« Schiedsgericht. Haag, 10. Februar. Der russisch-japanische Krieg wird dre schiedsgerichtliche Ent scheidung der zwischen Japan und den europäischen Mächten schwebenden Frage über die Zölle, deren Beratung im Mai stattfindet, nicht verzögern. Orient. * Die neue serbische Regierung. Belgrad, t0. Februar. DaS neue Kabinet stellte sich heute der Skupschtina vor. Der Ministerpräsident erklärt in einer Ansprache, Serbien trage als Freund des Friedens auf dem Balkan zur Erhaltung desselben sein Möglichstes bei. * Valkantvirren. Konstantinopel, 10. Februar. (Tel.) Die Psorte scheint durch Schemel Pascha ein energisches Vorgehen gegen die Albanesen einzuleiten, auch von Kumanova ist ein Nizam-Bataillon nach Djakova abgeganaen. — Heute wurde in der österreichisch-ungarischen Botschaft die zweite Sitzung der Kommission für die Reorgani- salion der Gendarmerie unter dem Vorsitze di GiorgiS abgehallen. Die Botschaften der Ententemächte waren durch die Militärattache« Oesterreich-UngarnS und Rußlands ver treten. Die Militärattaches der übrigen Botschaften, der russiiche Oberleutnant Sw ir s ky und der italienische Kapitän Caprini, waren zu den Verhandlungen zugelassen, aber ohne Stimmrecht. Deutscher Kelchstag. 34. Sitzung. O Berlin, 10. Februar. (Telegram m.) Der neue Reichstag zählt eine Menge Neulinge. Nach und nach drängen sie alle hin zur Tribüne. Heute gleich zuerst wieder drei. Ein Freisinniger von etivas verwun derlichem Standpunkt machte den Anfang, der Pfälzer Gutsbesitzer Sartorius. Er lobte die Wirkungen des Weingesetzes, wofür Direktor Köhler sofort dankend quittierte, und fortkcrtc einen höheren Traubenzoll. Noch süßere idyllischere Dinge berührte der nationalliberale Landrat Bärwinkel, der einen nachdrücklichen Schutz für die deutsche Bienenwirtschaft und Verfolgung der Honigfälscher verlangte. Der dritte Neue, der Königlich Bayerische Kammerherr und Gutsbesitzer Frhr. v. Pfet ten (Zentr.), warf uns plötzlich wieder zurück in eine sehr reale Wirklichkeit: er schloß sich dem Reigen der agrarisch denkenden Redner von gestern und vorgestern an und er öffnete damit die Schwcinedebatte von neuem. Der Sozialdemokrat Scheidemann, dem uran gewiß nicht verdenken konnte, wenn er so vielseitige Angriffe nicht unerwidert ließ, sprach die ganze Materie nochmals durch, verwahrte sich gegen den Vorwurf der Oberflächlichkeit, den er seinerseits besonders den Herren Dröscher und dem Grafen Reventlow zurückgab, und betonte, daß er vor allem gern gutes Schweinefleisch äße, ob es deutsches oder ausländisches sei, und daß es darum unrecht wäre, uns das fremde Schwein so verekeln zu wollen, als ob es eine Sau im wahren Sinne des Wortes wäre. Hülfe kam dem Redner durch -en Abg. Goth ein, der feststellte, daß Sachverständige von der Marine bei der Prämiierung kein deutsches Erzeugnis hätten finden können, daß dem ameri kanischen Oorneä dset gleichkäme. Zwei Männer der Volkspartei folgten: Hermes sprach über die Malaria, nachdem er zunächst seinen schutzzöllncrischen Partei genossen Sartorius desavouiert hatte, Leonyard sprach über die Pest, Apotheken, das ärztliche Probejahr und die Feuerbestattung, — er sprach sehr schnell, so konnte er in kurzer Zeit manches erledigen. Der sozialdemokratische Abg. Horn- Sachsen kam heute noch einmal auf sein Spezialthema, die Lage der Glashüttenarbeiter, zurück. Staatssekretär Graf Posadowsky vermochte in der Beantwortung verschiedener Bemerkungen der Vorredner über alle möglichen Gegenstände Auskunft zu geben, über die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, die Tätig keit der biologischen Abteilung in der Honigfrage und in der Frage der Faulkrankheit der Bienen, ferner über das Fleischbeschaugesetz und über das Problem der fakultativen Feuerbestattung. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Lucas, Frhr. v. Heyl zu HernSheim, Schweickhardt, Wolff, Hus und Gamp wurde die Diskussion über Kapitel 12 (Reichsgesundheitsamt) ge schloffen. Es folgten persönliche Bemerkungen, die zu einem nicht uninteressanten Renkontre -wischen den Abgg. Graf Reventlow und Scheidemann führten. Als der erstere erklärte, er würde die Aeußerungen Schelde manns außerhalb des Hauses als unehrliche Handlungs weise bezeichnen, zog er sich einen Ordnungsruf des Präsi. denten zu. Auf die etwas schwache Erwiderung Scheide- mannS, daß er außerhalb des Hauses verzichten würde, mit Reventlow zu diskutieren, antwortete dieser sehr ge schickt mit der Bemerkung, er wolle sich keinen zweiten Ordnungsruf zuziehen. Darauf vertagte sich das Haus, um morgen die erste und -weite Beratung der Reichs- schuldenordnung vorzunehmen, sowie die Etatsbcratung fortzusetzen. (7) Berlin, 10. Februar. (Telegramm.) Am Bundesratstische: Staatssekretär Graf ». Posadowsky. Bor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Abg. Frohnre (Soz.), daß die von ihm an dem Stenogramm seiner Rede über die Entschädigung unschuldig Ver hafteter vorgenommene Korrektur sich nur auf die Ver besserung eines etwas ungenauen Ausdrucks beschränkte. In der Fortsetzung der zweiten Beratung des Etats des Neichsamts des Innern beim AuSgabe- kapitel Reichsgesundheitsamt führt Abg. Satarius (freis. Bp.) aus, das neue Weingesetz habe sich im großen und ganzen bewährt, es komme nur auf die richtige Handhabung an. Dazu sei vor allem eine einheitliche, gleichmäßige Anwendung in allen Bundes staaten notwendig. In dieser Beziehung sei noch nicht alles erreicht. Die Erfahrungen des verflossenen Jahres hätten gewisse Mißstände in der Kontrolle ergeben, welche schon heute beseitigt werden könnten, wenn das not wendige, geschulte Personal vorhanden wäre. Brenn weine und Kunstweine für Brennzwecke sollten nach dem Gesetz nur von Brennereien erzeugt werden Dennoch seien Nichtbrenner, welche solche Weine Herstellen, freige sprochen worden. Diese Umgehung deS Gesetzes dürfe nicht geduldet werben. Auch die Kontrolle durch Steuer beamten stehe nicht zum besten, da die Kontrolle erst ein setze, wenn der Wein gebrannt werde, während auf dem Wege dahin Unterschleife vorkämen. Redner verkennt die große Schwierigkeit dieser Kontrolle nicht. Der baye rischen Regierung sei jedoch eine gute Organisation dieser Kontrolle gelungen, indem sie den Kontrollbeamten einen kaufmännisch und fachmännisch gebildeten Beirat gab. Auch bei der Fabrikation des sogenannten extraktreichen Weines müsse eine strenge Kontrolle geübt werden. Die sogenannte Verschnittllausel sei unkontrollierbar und sollte ganz Wegfällen. Weder der Weinhandel, noch der Wein bauer würde darunter leiden. In ungünstigen Wein jahren würben die Verschnitte überall gemacht. Wo wäre Frankreich ohne dieselben mit seinem Weinban geblieben?! Sollte -er deutsche Weinhänbler solchen Verschnitt auf der Etikette anqeben, so wäre der Wein unverkäuflich; hierdurch würde der deutsche Konkurrent auf dem Welt- markte brachgelegt. Wettere Klagen anzuführen, unter läßt Redner mit Rücksicht auf die Geschäftslage, da ja jeder zu Ostern als frisch gelegtes Osterei den Etat mit nach Hause bringen solle. Der Präsident deS ReichsgesundhettSamtes Koehler dankt dem Vorredner für die Anerkennung der Wohl taten, die das Weingesetz den Winzern und dem Wein- handel gebracht habe. Alljährlich fänden Konferenzen von hervorragenden Kennern auf diesem Gebiete statt, die daraus htnzieltcn, daS Wesen des Weines mehr zu stu dieren, um eine bessere Untersuchung und Bewertung deS fertigen Produktes zu erreichen. Der Schwerpunkt deS Weingescbcs liege auf dem Gebiete der Jnlandsfabri- kation. Die Kunstweinfabrikation sei erfreu licherweise erheblich zurückgegangen. Gegen Fälschungen werde scharf vorgegangeu. Die deutschen Weine erfreuten sich unter dem neuen Weingeseh einer sehr sorgsamen Ueberwachung. Abg. BLrwiukel (natl.) tritt für einen nachdrücklicheren Schutz der deutschen Bienenwirtschaft ein und für wirksamere Maßnahmen gegen die Fälschung des Honigs. Die Hebung der Bienenzucht fördere die Land wirtschaft. Abg. Frhr. ». Pfetten (Zentr.) wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Scheidcmann über das Kleischbeschaugesetz und die obligatorische Beschau der Hausschlachtung. Der einzige Nutzen deS Gesetzes sei, daß jetzt daS ausländische Fleisch nicht besser gestellt sei, als das inländische. Eine Dache, die für Bayern von großer Wichtigkeit sei, sei die Belastung der zum großen Teil sehr wenig leistungsfähigen Gemeinden. ES müsse Wandel geschaffen werden insofern, als die Gebühren von den Landesregierungen übernommen würden. Daß die deutsche Landwirtschaft Len inländischen Bedarf an Fleisch nicht -ecken könne, sei unrichtig. Redner bittet zum Schluß um Auskunft, wie es mit der Ausführung der Münch- Ferberschen Resolution über den Verkehr mit Essigessenz stehe. (Beifall im Zentrum.) Abg. Scheide««»» (Soz.j: Alle Erwiderungen von geg nerischer Seite auf die neulichen Ausführungen des Red ners hätten die Richtigkeit derselben bestätigt, -aß nämlich eine zuerst rein hygienische Vorlage iKleischbeschaugesetz« von den Agrariern dazu benutzt sei, sich die ausländische Konkurrenz vom Halse zu halten. „Kein Engel sei so rein, wie ein ausländisches Schwein" solle Las undseiner Rede gewesen sein. Die Sache liege aber umgekehrt. Red ner habe nachgewiesen, daß die Gegner aus Schwärmerei für das nationale Schwein bemüht seien, den Sozialdemo kraten das ausländische Schwein als wirkliche Sau zu ver ekeln. (Heiterkeit.) Redner bleibt bei seinen neulichen Behauptungen, wehrt sich gegen die Unterstellungen, die die gegnerische Presse an dieselben geknüpft hat und pole- misiert besonders gegen den Abg. Dröscher, der sich viel- fach Ungenauigkeiten habe zu Schulden kommen lassen, so- dann in ähnlichem Sinne gegen den Abg. Graf Revent low. Der Umstand, daß im mecklenburgischen Wappen ein Ochsenkopf sei, sei für Dröscher noch lange kein Grund, sich hier als Autorität auszugeben. Die Sozialdemokraten seien bereit, alle Maßnahmen zu unterstützen, -le darauf hinauslaufen, gutes Fleisch zu schaffen, aber gegen ein Gesetz, welches -em Großgrundbesitz den Beutel fülle und das Volk schröpfe. Abg. Gothei« (freis. Dg.) erklärt, seine Freunde waren stets bereit, und würden auch ferner bereit sein, im Inter esse der heimischen Viehzucht die Grenzen gegen die Ein fuhr ausländischen Viehs zu sperren, wenn dasselbe ver seucht sei. Man dürfe aber die Vieheinfuhr nicht für immer kontingentieren ohne Rücksicht darauf, ob im Auslände Viehseuchen herrschten oder nicht. Das verbiete schon das Interesse der Konsumenten. Sei denn das amerikanische Büchsenfleisch (Oorneci boekj wirklich so gefährlich für die Gesundheit? Die Marinoverwaltung brauche Oorueci beek von der Güte des amerikanischen. Dies müsse also -och sehr gut sein. Wolle man den kleinen Landwirten helfen, so verbillige man ihnen die Produktion dadurch, daß man die Futtermittel nicht verzolle. Abg. Hermes (freis. Vp.) erklärt namens seiner Partei, daß Abgeordneter Sartorius bezüglich des Weingesetzes nicht überall die Anschauungen seiner Partei, sondern nur persönliche Anschauungen vertreten habe. ES sei er wünscht, daß die Gelehrten der einzelnen Länder ihre Erfahrungen über die Malartaforschung und Dysenterie austauschen. Abg. Leonhardt (freis. Vp.) wendet sich gegen die Ver staatlichung der Apotheken. Unsere Männer sollen freie Männer bleiben. Der enormen Preissteigerung der Apotheken müsse auf andere Weise entgegengetreten werden. Das praktische Jahr für Mediziner nach dem Staatsexamen begrüße er mit Freuden, wünsche aber, daß die betreffenden Vorschriften auf diejenigen Kan didaten keine Anwendung finden, welche ihr medi zinisches Studium vor dem 28. Juni 1901 begonnen und die ärztliche Prüfung vor dem 1. April 1906 vollständig bestanden hätten. Den jüngeren Aerzten solle Gelegen heit gegeben werden, praktische Studien bei einem prak tischen Arzte zu machen. Das wäre besser, als das Studium in den vorgeschlagenen Akademien. Im Zu sammenhang mit dem Vorkommen von Pestfällen durch eingeschleppte Ratten kommt Redner auf die Vorzüge der Feuerbestattung. Leiber könnten sich Unbemittelte nur begraben lassen. lHeiterkeit.) Im deutschen Vaterlande sollte jeder nach seiner Fasson bestattet werden. (Zu stimmung links.) Abg. Horn-Sachsen (Soz.) tritt den neulichen Aus führungen des Grafen Kanitz bezüglich der sozialdemo kratischen Gesetzgebung entgegen. Wenn die Gesetz gebung wirklich auf den Geldbeutel der Unternehmer keine Rücksicht nehme, so müßte es mit dem Schutze der Arbeiter viel besser stehen, als es tatsächlich der Fall sei. Staatssekretär Graf v. Posadowsky: Die Tätigkeil der preußischen Regierung in der Frage der Seuchen verhütung habe sich durchaus bewährt. Ende 1903 gab eS in der ganzen preußischen Monarchie nur einen einzigen Fall von Maul- und Klauen seuche. Solle das Vieh vor der verheerenden Seuche bewahrt werden, so müsse eingegriffen werden und jeder müsse sich der Polizeioerordnung fügen. Der Honig frage werde die biologische Abteilung des Reichsgesund heitsamtes fortgesetzt die ernsteste Prüfung angedeihen lassen. Auch die Frage der Essigsäure habe die Negie rung keineswegs vernachlässigt. Der Minister glaubt, daß man in nächster Zett zu Maßregeln gelangen werde, um eine Verwechselung von Essigsäure und anderen Flüssigkeiten soweit wie möglich zu verhindern. Daß daS Fleischbeschaugesetz auf die Menge der Einfuhr fremden Fleisches Einfluß geübt habe, könne man nach der kurzen Geltungsdauer des Gesetzes nicht behaupten. Aus den vorgekommenen Fällen von Pesteinschleppung die Berechtigung herzuleiten, nun die Feuerbestattung fakultativ überall zuzulassen, würde nach Ansicht des Ministers auf großen Widerstand bei der Bevölkerung stoßen. Abg. Lvcas lnatl.) wendet sich gegen den Schauzwang bei der Hausschlachtung in der Provinz Hessen-Nassau, wodurch die Bevölkerung schwer belästigt und belastet würde; sei der Schauzwang notwendig, so solle man ihn doch allgemein einführen. Staatssekretär Graf v. Posadowsky erwidert: Den Landesregierungen sei durch das Schaugesetz nicht ein Recht gegeben, sondern nur die Befugnis, die sie bisher schon hatten, belassen worben. Im Regierungsbezirk Wiesbaden bestehe der Schauzwang seit 1809. DaS Reichsgesetz sei nicht die Ursacke der Einführung des Be- schauzwangeS. Die vom Abgeordneten Horn-Sachsen erwähnte Beschäftigung von Kindern in Glasfabriken könne sich wohl nur auf die Tätigkeit beim Einsacken der Waren beziehen. Die jugendlichen Arbeiter ständen dort unter besonderen Schutzbestimmungen. Abg. Freiherr v. Heyl zu Herrnsheim lnatl.) wendet sich gegen die Ausführungen des Abgeordneten Scheide mann hinsichtlich der Verunreinigung der s lußläuse durch die Abwässer der Industrie, bleibt aber im ein zelnen unverständlich, da er der Journalistentribüne den Rüeken zu:v«nbet. (Die von sozialdemokratischer Seite laut werdenden Zurufe geben dem Präsidenten Grafen Ballestrem Veranlassung, um Unterlassung derselben zu ersuchen, und bei Wiederholung derselben zu einer Rüge an den Abgeordneten Singer.) Redner plaidiert im Interesse der Reinhaltung des Rheines für eine gründliche Kontrolle der Reinigung der Fäkalien in den größeren Städten. Staatssekretär Graf ». Posadowsky führt auS: Das Reichsgesundheitsamt habe über die Verhältnisse in Mannheim ein Gutachten abgegeben. Die Abwässer von Mannheim in den Rhein hätten zu Bedenken keinen An laß gegeben. Abg. Schweickhardt (d. Vp.) betont die Notwendigkeit einer Bundesratsvervrdnung über den Verkehr mit Essigsäure und Essigessenz. Abg. Wolff tB d. L.) führt auS, die Ausführung des Fleischbeschaugesetzes durch die unteren Organe lasse zn wünschen übrig. Bei der Hausschlachtung handle es fick
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