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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040305022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-05
- Monat1904-03
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (-gespalten) 75 nach den Famiüeuoach- richten (kgejvaUen) 50 -H. Tabellarischer und Ziffernsotz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 -H. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSaabe, ohne Postbeförderong ./L 60—, mlt Postbeförderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeige«: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Erpeditiou ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B-, R. L W. Kliulhardt). Nr. 118. Sonnabend den 5. März 1904. 98. Jahrgang. Var Wchligrte vsm Lage. * vr. Mr. Gentsch, der frühere zweite Direktor der Leipriger Bank, wurde begnadigt und wird am 23. März entlassen werden. * Der Zustand des Grafen Waldersee ist immer noch f,ehr ernst. * Als Ergebnis der im vergangenen Herbst in Paris ab gehaltenen internationalen Sanitätskonferenz ist die Zulässigkeit einer größeren Milde bezüglich der Ab sperrungen beim Ausbruch von Seuchen. * Die russischen Truppen, welche südlich deS Jalu standen, haben sich hinter denselben zurückgezogen. Vie venenballr-ZMgfeimeae 4er Seneraiobemen 6rak karreler. * Berlin, 4. März. „Gottlieb spricht!" Mit der bekannten Windeseile verbreitete sich heute nach 1 Uhr die Kunde auf der Jour- nalistentribüne des Abgeordnetenhauses. „Gottlieb Haeseler spricht drüben im Herrenhause!" Und alles, was nicht durch Stenographistenpflicht an seinem Platze festgehalten wurde, stürmte durch die einstweilen noch etwas komplizierte Flucht der verbindenden Korridore und Treppen hinüber nach dem neu bezogenen Nachbar- bau. In der Tat, da stand er vor der Barre, auf der die „fälligen" Referenten rechts neben der Estrade des Prä- sidiums ihren Platz haben. Im langen Ueberrock mit dem gelben Kragen seiner 11. märkischen Ulanen, auf der Brust das Eiserne Kreuz erster Klasse. Und hell und durch dringend, mit dem diskreten leisen Anstoß der Zunge, wie er in der Armee lange Zeit Mode war, Honte seine Stimme durch das Haus. Keine Spur von Befangenheit oder Ungelenkigkeit; Graf Haeseler präsentierte sich gleich bei seinen! Debüt als Redner im preußischen Oberhaus, dem ihn „allerhöchstes Vertrauen" eingcreiht, als durch aus sattelfester Meister des Wortes. Weniger als solcher des hier üblichen Komments, was zu einer Halbwegs komischen Situation führte. Denn das Herrenhaus hat seine Besonderheiten, und es legt Wert darauf, daß sie respektiert werden. Daran hatte es der Generaloberst fehlen lassen. Mit Eifer und Elan war er an die Erfüllung seiner neuen Pflicht der Beteiligung an der Gesetzgebung herangegangen; und als passioniertem Nimrod mochte ihm die Materie, die zur Beratung stand, ganz vorzugsweise ain Herzen liegen. So hatte er zum Entwurf des Wildschongesetzes, das zur Beratung stand, gleich ein ganzes Bündel von Anträgen eingebracht: für die Schonzeit des Rehs, des Rebhuhns, des Dachses, für sie alle hatte er besondere, auf Person- liche Erfahrung gegründete Vorschläge. Leider aber hatte er es versäumt, sich mit seinen neuen Spezialgefährten von der preußischen Legislative über das, was er wollte, ins Benehmen zu setzen, und das war „sbolüng". Das hohe Haus liebt es nicht, überrascht zu werden, und was die in der Debatte von ihm bevorzugten Spezialgebiete — Jagd- und Forstgesetze gehören ganz besonders zu ihnen — anlangt, so faßt es seine Beschlüsse nach vor- heriger Verständigung nach Möglichkeit geschlossen. Man merkt an der Fragestellung des Präsidenten bei der Abstimmung, wie in solchen Fällen entschieden werden soll: bittet der Herr Präsident die Herren, die „dagegen" sind, sich zu erheben, so bleibt alles sitzen und der Bor- schlag bezw. die Vorlage ist angenommen; bittet er da- gegen die Herren, die „dafür" sind, dies kund zu tun, so bleibt wieder alles sitzen, die Vorlage aber ist abgelehnt. Höchst spaßig war es nun, in welcher Weise der parlamen tarische Ulanenritt des neuen Mitgliedes an dieser Stätte sorgfältigster Wahrung der Form seine Rüge fand. Einen andern, z. B. irgend ein Mitglied der Bürgermeister- fraktion, hätte man für ein gleichwertiges Krimen immer hin vielleicht deutlicher gestraft, dem Grafen mit seinem Moltkekopf und seinem Moltkerenommee gegenüber sind indessen auch in dem erlauchten Hause dreifache Rücksichten geboten. So verfolgte man folgendes Verfahren. Zur Unterstützung der Anträge des Grafen erhob sich auf die Frage des Präsidenten hin jedesmal das ganze Haus. Das war man dem Generaloberst schuldig. Wenn es aber zur Abstimmung kam — wer „dafür" war, sollte auf- stehen! — blieb das HauS ebenso unentwegt sitzen. Nur besonders höfliche Herren markierten durch Hin- und Her- rücken auf ihren Plätzen eine Art Neigung, „ja" zu sagen. Und erst von dem dritten Anträge des Grafen an wurde schandenhalber ein wenig debattiert. Doch der Redner wurde durch sein Mißgeschick nicht erschüttert. Witzig und pointiert begründete er immer wieder seine Anträge; die Jungfernrede wurde zu einem Bouquet von Jungfernreden. „Wenn der Dachs am Rhein Trauben nascht, so ist das kein Motiv, ihn in der Mark niederzuknallen!" Worauf Pod vom Ministertisch aus mit der Erwiderung kam, daß die Herren, die Fasa nerien besitzen, für die Ausrottung des Dachses „mit Stumpf und Stiel" seien. . . . Merkwürdig, wie jugend frisch der Graf ausschaute. Erst als er mit leisem Hinken sich aus seinen Platz zurückbegab, merkte man, daß sein Unfall doch seine Spuren zurückgelassen hat. Es ist manchmal recht interessant im preußischen Herrenhaus. Eigentlich fast immer, was man vom Haus der Abgeordneten und vom Reichstag keineswegs be haupten kann. Der ritsstsch-sapamsche Krieg. Bewegungen der Lan-streltkräfte. Die „Times" melden aus Tokio vom 3. d. M.: Die russischen Truppen, welche kürzlich von Wladiwostok nach der Pofsietbai vorgerückt waren, haben den koreanischen Grenzfluß Tu men bei Haijöng Feuilleton. 2i, Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von Reisner. Nachdruck verboten. Der Pfarer mußte, ob er wollte oder nicht, schmunzeln. „Ach, gehen Sie, Sie sind ein unverbesserlicher Tollkopf", versuchte er noch einmal zu räsonnieren, dann aber streckte er ihm die Hanld hin und sagte: „Schlagen Sie ein; wenn Tie ein braves Kerl sind und mir Ihr Wort geben, mit dem Kinde kein leichtfertiges Spiel zu treiben, sondern warten zu wollen, bis sie wirklich im heiratsfähigen Alter ist, dann . - ." „Mein Wort darauf, Herr Pfarrer", gelobte Bladoj ernst. „Na, dann wM ich ein Auge zudrücken, meinethalben auch beide", gab sich der Pfarrer gefangen. „Und nun kommen Sie mit mir, ich will einmal sehen, ob ich Herrn von Höchstfeld vielleicht iu der Wirtschastskanzlei finde." Trotz dieser Aufforderung blieb Leutnant Bielimart- novic zögernd stehen. „Meinen Sie nicht auch, Vater Adame", fragte er etwas kleinlaut, „daß eS Herrn von Höchstfelds Befremden er regen könnte, mich so plötzlich erscheinen zu sehen, wo ich doch gar »richt am Gutshofe abgesessen bin?" Der Pfarrer schaute ihn mit großen Augen an. „I du Donnerkeil, wo haben Sic denn Ihr Pferd eingestellt?" „Das habe ich rückwärts im Park festgebunden." „I sich mal einer, da hat Sie also wohl die Kleine nach vörherqegangener Verabredung erwartet?" Vlados nickte. „Schau, schau, Ihr seid ja schon recht wett miteinander gekommen, und ich hatte wenigstens noch die eine Hoff nung, daß eS ein ganz zufälliges Zusammentreffen sei" „Zufällig ist es immer nur das erst« Mal", belehrte ihn Bladoj schmunzelnd, „später märe cs Sünde, dem Zufall zu überlassen, was man doch . . ." „Lchon gut, schon gut", unterbrach ihn der Pfarrer, Namen "ab "d?* vielmehr reiten Sie in Gottes Trotzdem die Auseinandersetzung über alle Maßen glimpflich abgelaufen war, ließ es sich Bladoj doch nicht zweimal sagen und empfahl sich schleunigst. Erna war indes mit schlechtem Gewißen umhergeirrt. Jetzt verstand sie des Vaters Mißtrauen gegen den Pfarrer vollkommen, wer so heimtückisch Herumschleichen konnte, um anderer Leute Geheimnisse auszuspionieren, der war natürlich zu allem fähig. Und diese ganz unglaubliche Ungezogenheit, sie „Krabbe" zu heißen! Nun, sie wollte ihm noch beweisen, daß sie keine Krabbe, sondern ein ganz respektabel ausgewachsener Hummer sei, der seine Scheren gegen seine Feinde zu gebrauchen wisse! Dann überlegte sie aber wieder, ob es nicht vielleicht doch geratener ei, sich mit ihm, wenn auch nur aus Kriegs list, auf guten Fuß zu stellen, schon deshalb, damit er nicht am Ende ihr heimliches Rendezvous den Eltern „petze". Freilich, er war ja sonst ganz lieb und nett und viel nachsichtiger als alle Geistlichen, die sie bisher kennen ge lernt hatte, das mußte sie zngcben, konnte man es aber wissen, ob er nicht aus dem Grunde zum Verräter werden würde, um sich beim Vater einen Stein ins Brett zu legen? Jedenfalls hieß es die Augen offen halten, denn wenn Papa oder gar Mama etwas von ihrer ersten wirklichen Liebe erführen, au weh, das konnte einen schönen Krach geben! Und speziell Mama! Mama hat ja keinen Funken Verständnis für Poesie, rein so, als ob sie nie im Leben selbst jung gewesen märe! Sie konnte sich Mama akS Mädchen Überhaupt nicht vorstcllen und den Papa als Liebhaber eigentlich erst recht nicht. Ob Papa die Mama wohl auch heimlich geküßt hat? schob es ibr plötzlich durch den Kopf, und sie mußte bei dem Gedanken an diese Möglichkeit hell anflachen. Im selben Augenblick glaubte sic ihren Namen rufen zu hören und blieb erschrocken stehen. Und wieder klang es mit vorsichtig gedämpfter Stimme zweimal hinter einander: „Fräulein Erna — Fräulein Erna!" Nun wußte sic auch, wer es war — die Zwillinge — aber noch wußte sie nicht, ob sie vor Scham ausrücken oder ob sie ihnen ihre volle weibliche Entrüstung ins Gefickt schlendern sollte. Das letztere dünkte ihr schließlich imponierender, und mit unnahbar abweisender Kälte wandte sie sich den zögernd Hcrankommenden zu. Ebe noch einer von ihnen das Wort ergreifen konnte, sagte sie mit tiefster Indignation: „Ich begreife nicht, wo her Sie den traurigen Mut nehmen, mir noch einmal überschritten. — Wie den „Times" gestern aus Tokio telegraphiert wurde, sollen die russischen Truppen, die bisher südlich vom Jaluflusse standen, sich säurtlich irr der Richtung auf den Jalu zurückgezogen haben. Japan nnd Asrea. Der „Standiarb" melidet ans Tokio von gestern: Am 2. März richtete der Kaiservon Japan an den Kaiser von Korea ein Telegramm, indem er ihn persönlich davon in Kenntnis setzt, daß er den Krieg lediglich erklärt habe, um den dauernden Frieden in Ostasicn zu sichern, ferner seine große Genug tuung über den Abschluß des letzten Abkommens aus spricht, welches sicherlich zu erhöhter Vertraulichkeit zwischen den beiden Ländern führen werde. Der Kaiser spricht sodann die Hoffnung ans, daß die Beziehungen zwischen Japan und Korea noch enger «werden würden, und dankt dem Kaiser von Korea und feinen zwei Söhnen für die freigebigen Spenden zum Besten der japanischen Truppen. SHtffe nnterrveg». * Eanea, 4. März. Zwei russische Torpedoboote sind in der Sudabai eingetroffen. " Port Said, 4. März. (Reuter.) Das Geschwader des Admirals Virenius geht nach Cadiz und läßt Torpedoboote in Algier zurück. Die Abfahrt soll morgen nachmittag erfolgen. Das Geschwader bleibt bis Juni im Mittelländischen Meer und erwartet dort die Ankunft der baltischen Flotte. Ein Torpedoboot, das ausgebessert werdm muß, bleibt hier zurück. „Dmitri Donskoi" traf in Suez in traurigem Zustande ein. Ein Schadenersatzanspruch für den gesunkenen Kutter ist noch nicht erhoben, weil die Be hörden bemüht sind, die Abfahrt der Flotte zu beschleunigen. Asntrebande. * Aus Tokio wird nach New Aork gemeldet, es habe sich herausgestellt, daß mit Kohle, Nahrungsmitteln und anderer Kontrebande beladene Schisse neuerdings die Ts Li ga ruft raße passiert haben und in Wladiwostok ein- getroffen seien. Daraus gebe hervor, daß die Japaner die Bemühungen eingeschränkt haben, Schiffe aufzuhalten. Unter den Schiffen haben sich deutsche, britische und norwegische befunden. weitere Nachrichten. * Söul, 3. März. (Reuter.) Ein unbekannter Koreaner warf die Bombe in das Gebäude des Auswärtigen Amtes. Die Verletzten, ein Sekretär und zwei andere Beamte, erhielten keine schweren Verletzungen. — 60 Amerikaner sind abgesandt, um die amerikanischen Goldminen in Unhan zu schützen. * Petersburg, 4. März. Nach Telegrammen des Generals Pflug ist in Port Arthur und Jnkon alles ruhig. Nachdem Berichte von Augenzeugen befindet sich bei Tschemulpo zwischen den Inseln das Wrack eines vor einiger Zeit gesunkenen japa nischen Kreuzers mit drei Schornsteinen. * London, 5. März. (Tel.) Dem „Standard" zufolge sind die allgemeinen Wahlen zum japanischen Abgeordneten hause nahezu beendet. Bisher wurden 130 Konstitutionelle, 96 Mitglieder der Fortschrittspartei, 70 Unabhängige und 83 Mit- glieder der fünf kleineren Fraktionen gewählt. — Weitere Meldungen des „Standard" berichten: Die verwundeten Russen, die im japanischen Roten Kreuz-Hospital in Tschemulpo in Behandlung waren, sind geheilt und werden nach Matsujama an der Küste der Insel Schikoku gebracht. — Tie japanische Regierung hat eine ausführliche Verordnung über die Behandlung der Kriegsgefangenen erlassen. Danach sollen diesen Nahrungsmittel und Kleidung reichlich zu teil, ihre Brief schaften von der Post und ihre persönliche Habe von der Eisenbahn frei befördert werden. * HelsingforS, 4. März. Der Senat hat beschlossen, eine Million Mark aus Staatsmitteln für Kriegszwecke zu be willigen. Der Kaiser hat hierfür seinen Dank ausgesprochen. Die Ruhepause in -en Operatisnen, welche auf dem Kriegsschauplätze eingetreten ist, wird iu erster Linie dadurch veranlaßt, daß klimatische Verhält nisse die Japaner hindern, ihre Landtruppen einzusetzen. Anfang März beginnt der Eisgürtel, welcher die Küste von Nordwest-Korea und die Halbinsel Liaotung umgibt, sich langsam zu lösen, und erst dadurch wird die Möglich keit für die Japaner geboten, ihre Bewegungsfreiheit auf See voll auszunutzen. Natürlich greifen die Nachrichten, welche aus Ostasien eintreffen, voraus und kündigen Er eignisse an, die vielleicht geschehen werden. Je nachdem der einzelne Berichterstatter sich eine Vorstellung von den Absichten der japanischen Heerführung gebildet hat, nennt er den einen oder andern Hafen als Ort der nächsten Landung. Im allgemeinen herrscht die Ansicht vor, daß zunächst Tschinampo in Nordwest-Korea zu einem Etappenhafen benutzt werden wird, da von dort aus den um Pönjang stehenden Truppen schneller und leichter Ver stärkungen und aller Bedarf nachgeführt werden können, als von der Linie Tschemulpo—Söul. Der Zeitgewinn beträgt mindestens fünf Tage bei guter Witterung, jetzt, wo das Tauwetter eingetreten ist und die an und für sich schlechten Wege tief aufgeweicht sind, aber noch erheblich mehr, ganz abgesehen von der Schonung der Truppen. Immerhin ist aber, wie der militärische Mitarbeiter der „Köln. Ztg." ausführt, Nordkorea jetzt nicht das Gebiet, auf welchem sich größere Streitkräfte der beiden Gegner den Besitz streitig machen. Die Russen sind keinesfalls mit namhaften Kräften nach Korea hineingegangen. Es handelt sich nur um die strategische Aufklärung durch die Transbaikal-Kosakenbrigade, der kleinere Infanterie- Abteilungen zum Rückhalt dienen. Es ist zweifel haft, ob am Jalu sich mehr als e»neL«!- gadeJnfanterie befindet, und wenn auch das schwer zu überschreitende, sich an der Mündung zum Delta erweiternde Stromtal ein starkes Frontalhindernis gibt, so kann die Stellung doch von der rechten Flanke um gangen werden, sobald die Landung in dem westlich ge legenen Takuschau möglich wird. Die Russen haben kein Interesse, sich einer Niederlage auszusetzen, und man dari wohl voraussetzen, daß sie sich langsam zurückziehen, durch ihre überlegene Kavallerie aber dem Feinde an der Klinge bleiben und suchen, möglichst viel Truppen des Gegners zu beschäftigen. Es spricht viel für die Annahme, daß die Entscheidung von den Japanern an der Ostchinesi schen Bahn gesucht wird. Dazu wäre die Ein schließung von Port Arthur zu Lande nötig und ein Vormarsch an der Strecke gegen die südlich von Chardin stehende russische Hauptmacht nötig. Angeblich befestigen die Russen eine Stellung bei Haitscheng östlich der Bahn gegenüber der Marschlinie nach Charbin. Die Japaner können in absehbarer Zeit als Landungspunktc Niutschwang, wo die Ostsibirische Bahn an das Meer tritt, und Pitzewo an der Ostküste der Halbinsel Liaotung benutzen. An letzterm Punkte sind sie 1894 gelandet, als sie gegen Port Arthur vorgingen. Das gemeinsame Ziel der beiden Heeresteile würde dann Haitscheng sein. unter die Augen zu treten. Sie scheinen wohl gar nicht zu ahnen, wie taktlos Sie sich einem wehrlosen Weibe gegenüber benommen haben!" Die beiden Unglücksraben schauten ganz verdonnert zu Boden. „Aber, Fräulein Erna", meinte endlich Dinko kleinlaut, „was könne», wir denn dafür, daß Sie nicht mehr an hatten", und Mirko setzte schon etwas dreister hinzu: „Wenn Fräulein Erna wüßten, wie hübsch das Bild ausgefallen ist, dann würden Fräulein Erna gewiß nicht so böse sein. Wir wollen es sogar beim nächsten Preisausschreiben für Amateurphotvgraphie zum Wett bewerb etnschicken!" Eine», kurzen Moment fühlte sich Erna riesig ge schmeichelt, dann wurde sie aber umso verlegener und mit wirklich echter Entrüstung schleuderte sie ihnen entgegen: „So handeln nicht Kavaliere, sondern — Buschritter. Uebrtgcns bin ich nicht so schutzlos, wie Sie zu glauben scheinen, mein Bruder kennt bereits Ihren heimtückischen Ueberfqll und wenn er Sie nicht schon dieser Tage ge fordert hat, so wirb er cs sicher noch heute tun." Die Wirkung ihrer Worte war eine ganz unerwartete, den»» anstatt vor Schreck zu erbleichen, fingen die beiden ganz ausgelassen zu lachen an. Erna war ganz starr vor Empörung über Dinko und Mirko, und im Nu standen ihr die Tränen in den Augen. „Sie sollten sich schämen, mich noch zu verspotten", entrang es sich ihr endlich bebend, „das ist wenig gentle- manlike!" „Abqr Fräulein Erna dürfen das doch nicht so tragisch nehmen^, suchte sic Dinko zu beruhigen. „Mirko hat sich ja nur «inen, allerdings sehr unpassenden Scherz erlaubt, denn wir haben ja das Bild gar nicht — wir haben es nicht einmal gesehen. Ljubiza hat uns leider die Platte abgenommcn, el>e wir sie noch in die Dunkelkammer ge bracht hatten, und Ihrem Herrn Bruder mußten wir unser Ehrenwort geben, gegen niemand davon zu sprechen." Erna fiel ein Stein vom Herzen, denn obgleich es sie ja furchtbar geschmeichelt hatte, wenn um sie Blut geflossen wäre, so freute cs sic doch anderseits ganz ungeheuer, daß dieses abscheuliche Bild nicht mehr existierte. Dieser Ausgang brachte sic aber insofern in die peinlichste Ver legenheit, da sic nun nicht wußte, wie sic sich eigentlich gegen die beiden Verbrecher verhalten sollte. Endlich kam ihr ein glücklicher Gedanke, und mit unnachahmlicher Geringschätzung sagte sie: „Wenn Sic mein Bruder so glimpflich behandelte, so tat er eS nur deshalb, weil er sie noch nicht für — voll ansieht. Aus demselben Grunde sind Sie natürlich von nun an auch für mich — Luft." Tie Zwillinge erbleichten bei der ihnen von Erna zuge fügten „unerhörten" Beleidigung „Wenn Sie nicht eine Dame wären, müßten Sie uns dafür Genugtuung geben", rief Dinko bebend, und Mirko, dem das noch viel zu milde war, rief voller Empörung: „Mit Ihrem Blute müßten Sie diese Insulte büßen!" Erna wnrde es nun doch bange, und etwas kleinlauter lenkte sie ein: „Sie haben doch zu heimtückisch an mir gehandelt!" „Wieso?" ereiferte sich Dinko, „wir wollten Ihr Bild mit Ihrem Strumpfe am Herzen tragen!" „In solchem Kostüm trägt man keine Dame am Herzen", protestierte Erna nahe dem Weinen. „Wenn man sie liebt", ereiferte sich Dinko, „dann ist das Kostüm überhaupt Nebensache. Die Liebe . . ." „Sprechen Sie nicht von Liebe, ich darf das nicht mehr hören", unterbrach ihn Erna errötend. „Ja, warum denn nicht?" fragten beide mit verwun- derten Gesichtern. „Weil ich nicht mehr frei bin", entschlüpfte es ihr un bedacht. „Nicht mehr frei!", rief Dinko empört, „das gibt es nicht! Wir haben zuerst um Ihre Gunst geworben, also haben wir daS erste Anrecht auf dieselbe!" Diese Huldigung verfehlte nicht ihre Wirkung au» Ernas leickü empfängliches Herz und ließ sie ihren Groll ganz vergessen. „Aber, meine Herren", sagte sie mit bedauerndem Achselzucken, „Sie hätten mich ja doch nicht beide heiraten können." „Ja, warum den»» nicht ?" fragte Mirko harmlos. Der ältere Bruder gab ihm einen, die mündliche Er klürung vollständig ersehenden Rippenstoß. „Er meint", wandte er sich zu Erna, „daß Sie einer von uns jedenfalls genommen hätte Wir würben »nk deshalb nicht veruneinigt haben, und wenn eS nicht anders gegangen wäre, so batten wir Sie einfach mit dem Würfelbecher ausgeknobelt." „Airsgeknobelt", quietschte Erna belustdgt auss, „ich danke Ihnen für diese Auszeichnung! Doch Scherz bei Seite, meine Herren, Sic kommen zu spät, denn ich habe mich vor einer l>albcn Stunde heimlich . . .", sie hielt stockend inne. „Was haben Sie sich heimlich. . .? drängte Dinko.
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