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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040309015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904030901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904030901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-09
- Monat1904-03
- Jahr1904
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1.0. 1.1). I.V. I.V. I.V. 1.0 t. v. !:L t.0.I»xz t. I). I.V. ». v l. I). I.V. ».v. pv. i.» W.Op0>8 Ill.Lp.ii? r.v.87:- r r. r. z. ». r. » r. r. i. ». r. ». r. r. r. t. «. r. i. r L ,.200-llK..,,. t.Soet-v. teil Unrtu SL pk- sß LV i. I». 1.0 Av «. v e«ut 1 lod tlsric: »v. t. V. l. I). 1.0. 1.0. 1. V. 1. V. S.V. S.V. »0. l. V. I. o. 1.1). 1.1). 1.0. 1.0. i.Ssei-V. ?. - 1.70X 1 —20,40 F. 1 Ä»I^ »L»ll<11o»v VezuflS-PreiS t> der Haoptexpeditlon oder deren Ausgabe- pellen aogrholt: virrleljährlich 3.—, bei zweimaliger ISalicher Zustellung in-Hau nil 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich viertrljShrlich 4.bO, für die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. NrdaMo« und Sxpr-ttion . Johanni-gassr 8. Fernsprecher lb3 u. 222. Filtalexpedtttonen: Alfred Hahn,Buchdandlg.,Universttät-str.S (Fernspr. Nr. 4046), L Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr 293b) u. König-- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7bO5). Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher AmtINr. 1713). Hanpl-Filiale Berlin. CarlDunck« r, Herzgl.Bapr.Hofbuchbandlg^ Lützowstraße 10(Fern>prech«rAmtVI Nr.4603.) Morgen-Ausgabe l-HMer. TaMaü Anzeiger. Ämtsbkatt -es Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Volizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petilzeile 25 Reklamen unirr dem RrdaktionSstrich (4gespalten) 7S >L, nach den Familiennach- richten (ü gespalten) bO sj- labellarischrr und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 -4- Extra-Vetlagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^il 60.—, mit Postbeförderung ^1 70.—. Annahmeschluh für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Zuh. vr. B.,R. L W. Kltnkhardt). Nr. 124. Mittwoch den 9. März 1904. 98. Jahrgang. Var Aichligrie vom lagt. * Die Nachricht, Gouverneur Leutwein beabsichtige, mit den Herero vor deren Unterwerfung Frieden zu schließen, wird aus dem Kolonialamte dementiert. * Im Reichstage wurde gestern die Militärdebatte fortgesetzt, wobei der Kriegs Minister v. Einem erllärte, die Auslegung, als ob der Erbprinz von Meiningen wegen seiner Bekämpfung der Soldatenmißbandlungen entlassen worden sei, richte sich gegen den Kaiser. * DaS Zentrum setzte gestern in der Budgetcom mission des Reichstags seine Streichungen am Marine etat fort. Lomber, Oer vessrmatsr. Bon einem Pariser Freunde, dessen Urteil wir auch dann schätzen, wenn es einmal nicht mit unserm über einstimmt, wird uns geschrieben: Ob die Geschichte den Ministerpräsidenten Combes einen Reformator oder einen Deformator nennen wird? Wir wissen es nicht. „Bon der Parteien Gunst und Haß verwirrt", zeigt sein Antlitz dem einen die Geisteshoheit, die eine hellere Weltauffassung denZügen ihrerVcrkünder aufprägt, dem anderen die höhnisch grinsende Grimasse des Antichrists, der das Heilige, dessen göttlichen Ur sprung er gar wohl erkennt, in dämonischer Bosheit zu zerstören strebt. Diesen erscheint er als Lichlbringer, jenen als Luzifer, der Gefallene. Ter nüchterne Betrach ter muß das eine zugeben, daß Herr Combes, in dem man zuerst nur das Exekutivorgan und den Platzhalter Waldeck-Rousseaus sah, doch mehr als dies ist, daß er mit Zähigkeit und Gewandtheit eine persönliche Politik be treibt und den Rahmen, den Waldeck-Rousseau seiner Re form gezogen hatte, längst gesprengt hat. Ob er dies bewußt und in voller Erkenntnis der Folgen tat, oder ob der eine Schritt ihn zum andern drängte und er abwärts stolperte, weil ihm die Kraft fehlte, festen Halt zu ge winnen, das ist nicht leicht zu entscheiden. Wie dem auch sei, wir sind der Ansicht, daß sein Beginnen für Frank- reich unheilvoll ist, und wollen versuchen, diese unsere Auffassung in kurzer Darlegung zu begründen. Die Ent- Wickelung des französischen Staatslebens kann dem deut schen Politiker nicht gleichgültig sein, weil die Funken revolutionärer Bewegungen leicht über die Grenze springen und weil jede etwa in Frankreich zur Herrschaft kommende Dynastie an das Gloirebedürfnis der Fran ¬ zosen appellieren müßte. Wir müssen das bekannte Wort Napoleons Lügen strafen und sagen: Die Republik ist der Frieden. Die Politik des französischen Ministerpräsidenten kön- nen wir nur dann gerecht beurteilen, wir können nur dann von ihr lernen, wenn wir ihren Zweck erkannt haben. Will Combes die Entgeltung Frankreichs ver suchen, die bereits vor hundert Jahren die bluttriefenden, menschheitliebenden Nationalisten vom Schlage Robes- pierres zu vollbringen meinten? Er leugnet es. Er will nur die Macht des Klerus brechen und ihm vor allem die Herrschaft über die Schule entwinden. Voltaires be rühmtes und berüchtigtes: „Lerner l'ivkLmv!", Gam- bettas „I-e oleric-alisme, voilä I'onnvinil" gibt ihm die Richtschnur seines politischen Handelns. Nur wird er die Kirche nicht besiegen, ihren Einfluß nicht ausrotten können, ohne auch ihre dogmatischen und moralischen Lehren zu vernichten. Die Scheidung zwischen der Be kämpfung der Religion und der Bekämpfung des Klerus ist eine Abstraktion und praktisch wertlos. Ein Monarch aber, der ein Pionier der Aufklärung war, Friedrich der Große, schrieb an d'Alembert, als dieser das „Osrtüs- xinsm clelenckam" auf den „Aberglauben", das heißt aus die Religion, angewendet wissen wollte, eine Vernunft- religion könne dem Volke nie genügen, und er sand das für jenes allzu verständige Zeitalter überraschende Wort: Die Vorurteile sind die Vernunft des Volkes. Ter Kritiker kann sich wohl damit begnügen, nicderzureißen; der Staatsmann sollte immer ein Schaffender sein. Und Herr Combes scheint sich die Frage nicht vorgelegt, ge schweige denn beantwortet zu haben, wie er dem religiösen Bedürfnis des Volkes Nahrung gewähren will. Waldeck- Rousseau strebte dem berechtigten Ziele zu, den Einfluß der Geistlichkeit zu beschränken: Combes demoliert mit dem ganzen Radikalismus des Renegaten jede Stätte, die zur Andacht mahnt. Und zu diesem Vorgehen, das ab- stoßend wirkt, wie jede Vergewaltigung des Geistes durch die Macht, l>at er einen Zeitpunkt gewählt, der uns als der denkbar ungünstigste erscheint, wenn wir den Seelen zustand des französischen Volkes betrachten. Es ist die Aufgabe des weisen Arztes, dem Organismus diejenigen Stoffe zuzuführen, die ihn zu frischer Lebeustätigkeit be- fähigen. Herr Combes führt dem französischen Volke Skepsis zu: er gewahrt nicht, daß diese seit Rcnans Tagen im Uebeifflusse vorhanden ist. Tas französische Volk sehnr sich nach einem Glauben, möchte wieder Ehrfurcht emp- finden können, und Herr Combes reißt Traditionen nieder, die viele Mißbräuche gezeitigt haben, der Menge aber ehrwürdig waren. Wir greifen aus der modernen Literatur ein Buch heraus: „Histoirs oomigue" von Ana- tole France, einem der feinsten Artisten des heutigen Frankreichs. Nach der Lektüre wird jeder sagen: Hier ist kein Boden mehr und keine Wurzeln, hier sind nur noch Luftgebildc, die in zarten Farben vorllberziehen. Einem Volk, das in solcher seelischen Not ist — mag sie sich in den Werken der Raffinierten noch so überlegen gcbcrden, noch so elegant drapieren —, drängt ein vorausschauen der Staatsmann nicht eine bis zum 'Nihilismus durch greifende Aktion auf. Wie man auch über das Ziel des Ministerpräsidenten denken mag, der Zeitpunkt ist für seine Maßregeln schlecht gewählt, ihr Tempo bedenklich übereilt. Ein Volk kann des Vertrauens nicht entraten: es ist eine kostbare Blume, die man sorglich pflegen soll. Und diese Blume ist jetzt in Frankreich so welk geworden, daß man zweifelt, ob sie sich je wieder aufrichten lasse. Die Affäre hat den Glauben an die Rechtspflege schwer er schüttert: mun muß es gehört haben, mit welchen Kom mentaren allabendlich im Publikum die Tiraden be gleitet wurden, in denen Brieux in seiner „Roten Robe" die Gebrechen der Justiz geißelte. Die Armee wird vom General Andrö auf gute Gesinnung gedrillt: es genügt nicht, daß ein Offizier tüchtig ist, er muß ein überzeugter Republikaner sein. In das Offizierkorps ist das Miß trauen hineingetragen worden, das jede Kameradschaft zerstören muß. An der Spitze der Marine steht Herr Pelletan: mit demselben Recht könnten wir Herrn Stadt hagen die Aufsicht über unsere Flotte anvertrauen. Unter solchen Umständen und bei der heutigen Weltlage kann man es den Nationalisten nicht verdenken, wenn sie immer aufs neue das Kabinett berennen und in Herrn Combes den Organisator der nächsten Niederlage brand marken. Die Rechtspflege, die Landesverteidigung, die Kirche, alle diese Staatsfundamente schwanken, und die Regierenden haben ganz im Gegensatz zu dem politischen Ouietismus unseres lieben Vaterlandes nichts anderes zu tun, als an den Pfeilern des Gebäudes zu rütteln. Waldeck-Rousseau, der einst von unserer Dreyfus- frcundlichcn Presse Gefeierte, jetzt Verworfene, war ein Staatsmann. Er wollte dem Lande Ruhe geben und lehnte die erneute Aufrollung der Prozeßakten ab. Herr Treyfus hatte seine Begnadigung angenommen, er lebte frei in Paris, die Affäre war geschlossen. Der Klerus wurde in seine Schranken zurückgewiesen, auch das war gerechtfertigt. Herr Combes aber ist ein Doktrinär, der nickt weiß, daß zwischen Kirche und Staat immer nur ein moäus vivsnäi hergestellt werden kann, ein Mann des „Entweder — Oder!", der die Bedürfnisse des Landes nicht prüft, nicht volkstümlich zu empfinden vermag und immer neuen Gärstoff in die Massen wirft. Staatsmänner sollten ein halbes Stündchen täglich der schönen Literatur widmen, aus der sie für ihren Be ruf viel lernen können. Durch alle Werke des alten Fontane, dem es bekanntlich ganz am Sinn für Feierlich keit gebrach und der eine an Montaigne erinnernde Skepsis als Erbe seiner Gascogner Ahnen mitbekommen hatte, klingt die Ueberzeugung vom Wert des Glaubens. Der Glaube allein, von seinem objektiven Inhalt ganz abgesehen, hat stählende Kraft. Dieser Liebenswürdigste und Weiseste aller Modernen fühlte eben, was unserer Zeit fehlt. Und bei einem anonymen Schriftsteller lesen wir unter ähnlichen Gedankengängen den tiefsinnigen Satz: „Vielleicht kommt es dem Demiurgos nicht darauf an, daß in dem einzelnen, konkreten Falle Gerechtigkeit geübt werde, sondern darauf, daß das Recht als Idee über der Menschheit walte, sie züchtige und züchte." Wir Hal- ten den Satz für logisch anfechtbar, und zitieren ihn nur, um auf das Bedürfnis der Zeit hinzuweisen, das auch hier klar zum Ausdruck kommt. Und Ibsen hat recht, wenn er zeigt, daß man den Menschen die Lebenslüge nicht rauben darf. Wie die Individuen aber, so bedürfen auch die Nationen fruchtbarer Illusionen. Wir fürchten, daß Frankreich durch den Kampf gegen den Klerus der seich- testen Trivialität anheimfällt: wir glauben, daß das fran- zösische Volk für das, was den Besten unter den Antikleri kalen vorschwebt, für das, was Strindberg „Konfessions loses Christentum" nennt, nicht reif ist: wir glauben, daß man dem französischen Volke nicht den kriti schen Sinn schärfen, sondern die Ehrfurcht wecken müßte. Die Ehrfurcht im Goethe- schen Sinne, nicht ostelbischen. Eine Nation, in der alle Glaubenskräfte ertötet, alle Institutionen kritisch unterminiert sind, kann wohl in Persönlichkeiten und Werken noch reizvolle Miniaturen hervorbringen, Sieg- friedsarbeit wird sie nicht mehr leisten, den Hammer nicht mehr zu heben vermögen, Kr das Schwert zu Welt- geschichtlichen Taten schmiedet. Wir Deutsche können nicht mit Sympathie auf die Aktion Combes' blicken. Die inneren Angelegenheiten Frankreichs interessieren den politisch urteilsfähigen Deutschen nur unter dem Gesichtspunkte, daß zwischen beiden Ländern friedliche, wenn möglich, freundliche Be ziehungen bestehen. Umwälzungen in Frankreich, die immer eine latente Tendenz zum Monarchismus haben. Feuilleton. Glosse«. Hauptmann an Schlenther. Wir sind in der angenehmen Lage, die letzten überaus charakte ristischen Zeilen aus einem Privatbriefe Gerhart Hauptmanns an den Direktor deS Wiener Burgtheaters, Paul Schlenther, an dieser Stelle mitzuteilen. Sie lauten schlicht und würdig: „Wenn du meine „Rose" siehst, Sag, ich laß sie grüßen!" komteffen-Theater. Freunde, sagt nicht: dieser Schlenther, Ach, wenn der nur wollte, könnt' er! Denn ihr dürft eS nicht vergessen, Dort in Wien gibtS viel Komtessen. Diese sind besonders reinlich, Und daS Stück ist wirklich peinlich. Lieber führt sie die Mama In die „Schöne Helena", Und der greise Erbgraf spricht: Diese Richtung paßt uns nicht. * Theater. 6.8. hartes Tächter" »an Gabriele T Annunzia. Man schreibt uns aus Mailand: „JoricoS Tochter", das neue Drama von Gabriele D'Annunzio, hatte bei der ersten Aufführung im „Teatro Lirico" einen großen Erfolg, aber man darf, ohne als Unglücksprophet verschrieen zu werden, schon heute kühnlich be- hauptrn, daß dieser Erfolg nicht von Tauer sein und daß er vor allem nicht die Grenzen Italiens überschreiten wird D'Annunzio ist nur einmal Mode, und nur als Modesieg kann man seinen Triumph von gestern rubrizieren; wenn erst der erste Be geisterungsrausch verflogen sein wird, wird man sich erstaunt fragen: „Warum waren wir eigentlich begeistert!" Tas schon seit drei oder vier Monaten mit allen Mitteln der Reklame ange- kündigtr, inhaltlich auch in deutschen Blüttern wiederholt besprochene Stück verdient diese Begeisterung keinesfalls. Es ist ein Drama, in dem nicht viel geschieht und das nur durch das Milieu, die Schilderung der halbbarbarischen Sitten und Bräuche des Abruzzen volkes, einigen Reiz gewinnen mag. Wenn man die eigentliche Handlung aus dem Drum und Dran des mit großer Gründlichkeit voraetragrnen kulturhistorischen Beiwerks hcrausschält, gelangt man zu folgenden mageren Resultaten: Erster Akt: Aligi, der Hin, ver- läßt seine rechtmäßige Braut, uin der dirnendaften Mila di Cvdra, der Tochter des Zauberers Jorico, zu folge«. Zweiter Akt: Aligi und Mila di Cvdra führen in einer BcrghShle ein idyllisches Leben, und Aligi, der die modernen Dichter gelesen zu haben scheint, kon statiert, daß »in Mädchen trotz aller Dirnenhastigkeit seelisch rein aebliebrn srin kann. Das Liebe-fest wird in unangenehmer Weise durch Aligis Bater, drn ewig betrunken Lazaro di Rojo, gestört: « will d« Dirne, die schon das ganz« Dorf gehabt hat, nun auch seinerseits genießen, aber der Sohn mißgönnt ihm seinen Anteil am allgemeinen Glück und schlagt den verliebten alte» Herrn mit der Axt tot. Dritter Akt: Ter Vatermörder soll nach gutem Landcsbrauch in einen Sack gesteckt und ins Wasser geworfen werden, aber Joriocs Tochter rettet ihn, indem sie den Mord auf sich nimmt; sie wird verbrannt, das iit ichvn das zweite Mädchen, das in dieser Saison auf der Bühne verbrannt wird. — Tas erste war Sardous „Hexe" — was darauf schließen läßt, daß die Dichter mit den landläufigen Todesartcn nicht mcbr aus kommen. D'Annuuzios Drama erinnert stark au Bergas sizilianische Bauerndramen, an die wilde „Wölsin" vor allem. Bon düsterem Hintergründe bebt sich das rohe, rauhe Leben eines noch in mittel alterlicher Barbarei befangenen Hirtenvolkes ab, eines Bölkcheus, daS noch einen naiven Urglauoen, ein von allerlei abergläubischen Schreck nissen und wild wuchernder Unwissenheit umranktes Urchristentum hat. Neben den wirklichen materiellen Personen, die auf der Bütme stehen, tauchen allerlei phantastisckic Bisioncn, Symbole und übernatürliche Wesen auf. Ter Dichter schwelgt ordentlich in Symbolik und seine mystische bilderreiche Berssprache erdrückt die Handlung, die ohnelsin schon recht schwach ist; daher wirkte das Stück an vielen Stellen ermüdend und einschläfernd. Ter erste Akt ist der beste; er fand auch den meisten Beifall, und D'Annunzio konnte lächelnd vor dem Borhang erscheinen. Nach den beiden anderen Akten ertönte zwar auch recht starker Beifall, aber daneben liehen sich auch sehr eindringliche Zischlaute vernehmen. Das Theater war trotz der übersinnlich hohen Preise — für einen Orchestersitz verlangten die Händler kalt lächelnd 30 ./<, für eine Loge 100 .4! — dicht besetzt: neben der Blüte der Mailänder Gesellschaft sah man von nah und fern gekommene Künstler, Dickster, Verleger, Komponisten, u. a. die Herren Michetti, Alberto Franchetti, Carlo die Rndini, Sonzogno, Cilea, Calautti, Giacosa, Butti, Marco Traga. LI Kotzebues Lustspiel „Die deutschen Kleinstädter" ging, wie man uns schreibt, in Dresden zum ersten Male mit historisch getreuen Kostümen und in zeitgemäßem scenischen Milieu in Scene. Die Darsteller waren alle vorzüglich in Stimmung und das Pstbli- kum unterhielt sich lange in modernen Lustspielen nicht so gut wie in diesem alten, von dem übrigens, wie man sah, auch manche Moderne (z. B. Sudermanns „Heimat" und Richard Wagner „Bcckmesserlcene") viel profitiert baden. Tas Dresdener Honchau- spiel hat in den letzten zwei Jahren bereits Freytags „Journalisten", Banernselds „Bürgerlich und Romantisch", Toepiers „Rosenmüller und Finke" und Bahrs „Wienerinnen" in derselben Weise ein- studiert, die alle einen so großen Erfolg hatten, als wären es — Novitäten. Literatur. i Ludwig Börnes literarischer Nachlaß. Man schreibt der „Frkf. Ztg.": Leit langen Jahren befand sich der gesamte lite- rarisclfc Nachlaß BörncS in den Händen des am 2. März ver storbenen verdienstvollen Frankfurter Sozialpolitikcrs Vr. G. S ch » g p p c r - A r n d t. Tic>cm war er durch seinen Vrr- loandtcn Strauß, den zweiten Gatten von Börnes Freundin Jeannette Wohl, übergeben ivorden. Schnapper har diesen literarisckien Schatz treu gehütet und fleißig daran gearbeitet, eine möglichst vollständige Ausgabe von Börnes Schriften druck- fertig zu machen. Denn außer den in vielen Ausgaben erschie nenen Schriften enthält der Nachlaß noch manches Unbekannte aus Börnes Feder. Hierunter befindet sich ein medi zinisches Tagebuch aus den letzten Lebensjahren des leidenden Freiheitskämpfers, in dem er, der früher Arzt werden sollte, mit peinlicher Gewissenhaftigkeit die häufigen Beob achtungen über seinen Gesundheitszustand nidcrschrieb. Höchst beachtenswert sind ferner die Notizbüchelchen, in denen Börne ebenfalls mit großer Treue seine täglichen Ausgaben verrechnete, so daß man einen ziemlich genauen Leitfaden für sein Leben in Paris in Händen har. Auch eine Anzahl Gedichte sind er halten geblieben, denn Börne, dem die Metrik stets eine un faßbare Größe war und der deshalb nie eines seiner Gedichte brücken ließ, lßitte manchmal das Bedürfnis, seine Gefühle in gebundener Rede auszusprcchen. Mitunter hat er auch Scherz gedichte, sogar in französischer Sprache, verfaßt. Die erste Strophe eines dieser drolligen Gedichte, das auf metrische Korrektheit, wie bereits bemerkt, verzichtet und den Titel „Oa ^larseillaise clcs suis?;" trägt, lautet, aus dem Gedächtnis zitiert, etwa wie folgt: Allons, entants cke la rue ckes juiks! Tnekons ck'amsliorer ootre sort! Dour I» lidertö levons uos eaniks! kour la liderts bravous la wort! Natürlich befinden sich in dem Nachlaß auch Börnes bereits ge druckte Aufsätze, und von einem dieser Aufsätze, vom „Eßkünst- lcr", ist eine kalligraphisch besonders schöne Kopie in einem Oktavheftchen vorhanden, die Börne einem Stuttgarter Briefe vom 27. September 1821 zufolge für Frau Wohl angescrtigt und mit verziertem Titelblatt versehen hat. Tas meiste Inter esse werden, wie leicht begreiflich, die „ P a r i s e r B r i e f e " erregen. Or. Schnapper hat die Manuskripte dieser Briefe bereits im Jahre 1870, während des deutsch-französischen Krieges, in zwei Bänden vereinigen lassen. Der Sicherheit wegen mußte der Buchbinder in Schnappers Wohnung arbeiten, und die Arbeit war nicht leicht, denn die Briefe sind so dicht mit der charakteristischen und doch so deutlichen Schrift Börnes be deckt, daß mau die Quartbogen kaum heften konnte, ohne die Schrift zu verletzen. Damals soll vr. Schnapper nicht abgeneigt gewesen sein, die „Pariser Briefe" sowie den übrigen Nachlaß an einer Stelle zu deponieren, wo er jedermann zugänglich ge wesen wäre. Vielleicht geschieht das letzt. — Germanische Bestandteile in der russischen Sprache. Wer sich mit dem Studium des Russischen als Neuling be schäftigt, dem muß diese wunderbare Sprache mit ihrer ab sonderlichen Schrift, ihren eigentümlichen Wortgcbildeu und Formen, ihrer schwierigen Aussprache höchst fremdartig Vor kommen; er glaubt, in einem fernen fremden Lande zu wan dern, Von dein kein Pfad in die Heimat zurückführt. Bald aber werden ihm Wörter cntgegcntönen, die ihn anmuten wie gute alte Bekannte und die ihren deutschen Ursprung nickt ver leugnen können. Dahin gehören namentlich Ausdrücke deS täglichen Lebens und Verkehrs, wie sunt (Pfund), Weisel l Wechsel), stul (Stuhl), <st»1 (Stahl), para (Paar) ries (Ziel), )»rnisr)<L (Jahrmarkt), ^clilssrvlc (Schlafrock), Kul^tnk (Halstuch), potselitamt (Postamt), potscbmeister (PostmBfter) u. a.; militärische Ausdrücke wie kelckkebel (Feldwebel), rotmiLter (Rittmeister), lirsteroffirer (Unter offizier^ u. s. f. Auch andere Ausdrücke finden sich, deren Form auf eine frühere Periode der deutschen Sprache zurück iveist, z. B. Ijucki (Leute), Yukon- (Liebe), Kommata (das deutsche Kemenate aus latciu. caminata) usw. Dahin gebäre» auch loicar, der Arzt (gotisch leulceik oder Icikeis), zvrazx, der Feind «gotisch vra^z), 8teklö, Glas (gotisch ,ti>I<I,> und andere dem Gotischen entlehnte Ausdrücke. Als Gegenleistung haben auch wir von den Ruffen manche Wörter empfangen, z. B. Zobel (-odolj), Säbel (üadlja), Droschke (ckroscblci); auch das muudartlich gebräuchliche Kren (Mecrrettig) entstammt dem Russischen (cbrjen). Nach dem obigen zeigt die Ablagerung deutschen Sprachguts mehrere Schichten, altere und neuere, und es eröffnet sich ein weiter historischer Ausblick auf die Kulturbeziehungen zwischen Germanen und Russen Auf diese Verhältnisse hingewiesen zu haben, ist das Verdienst von Pro fessor Otto Sckrader in Jena, der in einer im vorigen Jahre am Geburtstag des Kaisers gehaltenen Festrede die ger manischen Bestandteile des russischen Wortschatzes und ehre kulturgeschichtliche Bedeutung höchst interessant, wenn auch naturgemäß in der durch den Anlaß gebotenen Kürze, bespro chen hat. *. A«nftk«t-nd-r für Leipzig. Theater. Leipziger Stadtiheater. Im Neuen Theater geht heute „ 2 ohengrin " in Scene. Morgen wird SchönthanS in seiner Neu einstudierung mit srcundlichem Beisall aufgenommener Schwank „Der Raub der Sabinerinnen" wiederholt, voraus geht der Ein akter „Der Klavierlehrer". — Zur „Walküre" am Freitag erscheinen zwei hervorragende Gäste: die Hofopernsängerin Frau Maria Leffler-Burckard vom Wiesbadener Hoftheater sowie der Kammersänger Herr Perron von Dresden. — Das Alte Theater bringt heute Beyerleins Drama „, Zapfen st reich" und morgen die effeltvolle neue Operette „FrühlingSluft". Die Pariser Komödie „ Biscotte " des Bühnenschristsiellers Pierre Wolff, die Freitag im Alten Theater zum ersten Male gegeben wird, ist in den Hauptrollen besetzt mit den Herren Volkner (Grancey), Hahn (de Seige), Hänseler (Roy), Schuh (Privat) sowie mit den Damen de Lalsky (Titelrolle), Nolewska (Francine) und Frau Retth-Grob- müller (Giselle). Die Regie hat Herr Hänseler. Leipziger Schauspielhaus. Mittwoch findet zum Besten des Kinder^ krankenhauses ein Gastspiel von Frau Albertine Zehme statt, und zwar als Ellida in Ibsens „Frau vom Meere". Am Donnerstag geht „Der Hochtourist" wieder in Scene, und am Freitag er scheint Der wilde Reutlingen" mit Direktor Anton Hartmann in der Titelrolle wieder auf dem Spielplane. Am Sonnabend wird im 28. Montags-Abonnement Felix Philippis erfolgreiches Schausviel „Das große Licht" gegeben. Vielfachen Wünschen entsprechend wird das zweite Gastspiel der Frau Albertine Zehme („Laboremus") am Sonn abend, den IS. März, stattfinden. Konzert. Linfoniekonzerte im Leipziger Palmeugartrn Ta» Sinfoniekonzert der 134er findet heute, Mittwoch, abend unter Herrn Alfred Jahrows kundiger Leitung im Palmengartensaale statt und dürste wegen seines Programms Anziehungskraft ausüben. Mls Hauptwerk seiner heutigen Darbietungen hat Herr Jahrow die 0 moU-sinfonie des Nordländers Niels W. Gade gewählt, aber auch in den übrigen Orchester werken eine vorzügliche Auswahl getroffen. So ist Richard Wahner mit Tonstücken aus „Tannhäuser", „Rienzi" und „Parsifal" vertreten, Mendei? sohn-Bartholdy mit der Ouvertüre zu Shakespeares „Sommernachts traum", Tschaikowsky mit zwei Sätzen aus den Schäserspielen der Oper „Piaue-Tame" und C. Saint-Sasns mit dem Ballettdivertissement aus der Oper „Henry Vlik.". In dieser Woche wird ausnahmsweise au» Freitag abend ein volkstümliches Konzert veranstaltet. Kunstslikon. Leipziger Kunstverei«. In letzter Stunde ist es noch ermöglicht worden, die Ausstellung der Werke von Hans Sandreuter in Bafel bis Sonntag zu verlängern. In Anbetracht der Bedeutung dieser Kollektion wird die Nachricht von vielen willkommen geheißen werden Vortrag. Im Verein für Srtstiinde wird beute, Mittwoch, abend Herr Professor vr. Erich von DrygalSki, der Leiter der deutschen Süd Polarexpedition, über den allgemeinen Verlauf und die Hauvt- ergebnisse dieser Expedition sprechen Es ist Wohl kaum nötig, die Auf merksamkeit besonders aus diesen Vortrag zu lenken, es seien daher nur folgende Daten zur Orientierung kurz in Erinnerung gebracht. Der Aus gangspunkt der eigentlichen Südpolarfahrt war die Inselgruppe der Kerguelen unter 80 Grad südlicher Breite, etwa in der Mitte zwischen den Südspitzen von Afrika und Australien Der „Gauß" verließ die Kerguelen am 31, Januar 1002 und drang durch Eisberge und Schollen ei« in südöstlicher Richtung bi« S« Grad 2 Min. südl. Br. und 8» Grad 48 Min östl. L. vor. Hier wurde er angesichts der eisbedeckten Külte eines neuen Landes am 22. Februar vom Eis eingeschiossen und bis zum 8. Februar t903 gefangen gehalten DaS zwölfmonatige Winterauartier am Gautzberg" wurde zu eingehenden ozeanogravhisch««. biologischen, erdmagnetischen und meteorologijchen Beobachtungen benützt. Zur Heim fahrt brauchte der „Gauß" 290 Tage: am 28. November 1903 lies er wieder im Hasen von Kiel ein. Herr Professor Drygalski wird seinen Vortrag durch Lichtbilder illustrieren
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