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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040309022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904030902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904030902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-09
- Monat1904-03
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BezugS-PrciS 1» der Hauptexveditiou oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, sür die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Expedition: JohanniSgasie 8. Fernsprecher 153 u. 222. Ktltalexpedtttonen: Alfredtzahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. 3 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 2935) u. KönigS- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt INr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr 4603.) Abend-Ausgabe. Migcr TagMatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Aolizeiamles der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktiourstrich (4 gespalten) 75 «ach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 -H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 -H. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ./L 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Polz in Leipzig (Jnh. vr. B., R. L W. Kltnthardk Nr. 125. Mittwoch den 9. MLrz 1904. 98. Jahrgang. Var Alchtigrie vom Lage. * Der Kaiser tritt seine Mittelmeerreise am Sonn abend, 12. März, von Bremerhaven aus an. * Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Reblaus wird den gesetzgebenden Körperschaften demnächst zugehen. * Die Kommission zur Beratung von Aenderungen in der Strafprozeßordnung ist wieder zusammengetreten. * Nachdem der Freiburger Oberbürgermeister Winterer abgelehnt hat, das badische Finanzministerium zu über nehmen, wird wohl Ministerialdirektor vr. Becker Finanz minister werden. * In Prag haben am gestrigen Abend abermals tschechische Ausschreitungen gegen die deutschen Couleurstudenten stattgefunden. Vene Vorrechte. Dom Reichstage ist soeben in erster und zweiter Lesung ein Gesetzentwurf angenommen worden, dessen Inhalt eine eigenartige und nicht gerade angenehme Ueberraschung bedeutet. Dieser Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Rechtsstellung des Herzoglich Holsteinischen Fürsten hauses, bezweckt nämlich, den Mitgliedern der beiden Linien der herzoglichen Familie Schleswig-Holstein zu Augustenburg und Glücksburg ein Vorrecht zu verleihen, dessen sie sich bisher nicht erfreuten und das sie sonder- barer Weise schwer zu vermissen scheinen. Im Ein- führungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bekannt- lich ausgesprochen worden, daß die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches auf die Landesherren und landesherrlichen Familien, sowie die Mitglieder der fürstlichen Familie Hohenzollern und der hannoverschen, kurhessischen und nassauischen Fürstenfamilien nur in soweit Anwendung finden sollen, als nicht besondere Vor schriften der Hausverfassungen und Landesgesetze ab weichende Bestimmungen enthalten. Der dem Reichs tage vocgelegte Gesetzentwurf lautet nun dahin, daß dieses Privileg in Zukunft auch für die Mitglieder des holstei nischen Fürstenhauses gelten solle. Der erste Anlaß zu Erhebung dieser Ansprüche ist dadurch gegeben worden, daß Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein ge legentlich eines Prozesses die Forderung stellte, in seiner Wohnung, nicht vor Gericht vernommen zu werden, und den Eid nicht in der vorgeschriebenen Form, sondern durch Unterschreiben der Eidesformel leisten zu dürfen. In der Begründung des Gesetzentwurfes sucht inan vergebens nach einer zureichenden Motivierung dafür, warum der holsteinischen Familie Rechte, die ihr bis jetzt nicht zustehen, zugebilligt, also mit anderen Worten, gänzlich unmotivierte, neue Vorrechte geschaffen werden sollen. Alle genealogischen Untersuchungen, seien sie auch noch so subtil und tiefgründig, können die Tat- fache nicht aus der Welt schaffen, daß die holsteinische Fa milie niemals souverän gewesen ist, so daß nicht der ge ringste Grund für eine derartige Aenderung des Bürger lichen Gesetzbuchs hcrausgeklaubt werden kann. Mit ganz demselben Rechte, ja, vielleicht mit weit mehr Be rechtigung, könnten dann gewisse Familien unseres hohen Adels dieselbe Prärogative für sich in Anspruch nehmen. Wir glauben nicht, daß es nötig ist, der Familie der Kaiserin durch solche Bestimmungen eine Ausnahme stellung zu schaffen. Die persönliche Verehrung, die man der hohen Frau in allen deutschen Landen entgegenbringt, bedarf glücklicher Weise keiner künstlichen Steigerung, und wir glauben, daß es zum mindesten überflüssig ist, die Empfindlichkeiten anderer Familien, die sich durch eine derartige Maßregel mit Recht benachteiligt glauben würden, herausznfordern. Der Gesetzentwurf trägt nicht gerade den Stempel einer weitherzigen und im guten Sinne modernen Auffassung von den Pflichten und Rechten des Staatsbürgers. Denn schließlich sollen wir doch vor dem Gesetze alle gleich sein — diese Auffassung ist ja wohl seit Friedrich dem Großen und seit der Ein- ffihrung der Verfassungen auch den deutschen Fürsten häusern mindestens theoretisch geläufig geworden — und so meinen wir, daß auch einem Herzoge keine Perle aus der Krone fällt, wenn er vor einem bürgerlichen Gerichte die Hand zum Schwure erhebt. Gerade vom Herzog Ernst Günther, der in so vielen gemeinnützigen An gelegenheiten mit bürgerlichen Männern in Reih' und Glied steht, konnten wir uns kaum einer Anschauungs weise versehen, die liberalen Kreisen jedenfalls als ein Rückfall in die überwundene Geistesrichtung leerer Form spielereien erscheinen muß. Der rnsstfch-japanische Krieg. Vie Vescyied«ng rvladiaveftok. Ein in Petersburg gestern eingetroffenes amt liches Telegramm des Statthalters Alexejew aus Mukden besagt: Ich habe die Ehre, Eurer Majestät folgende Einzelheiten über die Vorgänge am 8. März zu melden: Tas feindliche Geschwader näherte sich gegen 11 Uhr vormittags Wladiwostok, nachdem es die Höhe der Insel Askold passiert hatte. Nach mehreren Aenderungen rn der Schlachtordnung ließ es zwei Kreuzer nördlich der Insel zurück: die übrigen Schiffe nahmen Kurs auf den Ussurigolf längs der Küste, 15 Werst von dieser entfernt. Als das Geschwader die Höhe der Josef- bcrgs- und Ussuri-Batterie erreicht hatte, dampfte es gegen die Batterie und eröffnete um 1 Uhr 35 Minuten auf 8 Werst Entfernung das Feuer. Um 2 Uhr 20 Minuten hörte das Bombardement auf: das Geschwader dampfte südwärts ab und kam rechts von der Insel Askold um 5*/2 Uhr außer Sicht. Im ganzen gab der Feind etwa 200 Schuß ab. Das Resultat ist gleich null. Die Festungswerke und Schanzen sind unversehrt, die Beschädigungen in der Stadt unbedeutend. Tie Stimmung der Garnison ist ausgezeichnet. Die In standsetzung der Batterien ist in vollster Ordnung voll zogen. Nach Meldungen vom 7. März wurde das feind- liche Geschwader um 8 Uhr morgens wieder bei Wladi- Wostok gesichtet. Es fuhr in die Ussnribucht hinein, wandte sich, ohne zu feuern, nach der Richtung von Kap Gamor, wo es um 3 Uhr 40 Minuten eintraf, machte hierauf Kehrt und entfernte sich südwärts. * London, 9. März. (Tel.) „Daily Telegraph" erfährt aus Tokio vom 7. d. M.: Tas russische Wladiwostok- Geschwader befindet sich auf See; cs soll mit der japanischen Flotte ein Gefecht gehabt haben, dessen Ergebnis jedoch noch nicht bekannt ist. Rückzug -er Russen. Die berittenen russischen Vorposten, die in letzter Zeit in der Nähe von Kasan waren, ziehen sich langsam in der Richtung auf den I a l u z u r ü ck. — Der Bau der Bahn von Söul nach Widschu hat begonnen. In, russischen Hauptquartier sind von fremden Nationen nur zugelassen: von deut- scher Seite die Majore Lauenstem und Frhr. v. Tettau, von französischer Seite ein General und ein Oberst. Eng- land und Amerika wurde die Erlaubnis zur Entsendung von Offizieren vorläufig abgeschlagen. (Berl. L.-A.) Japan und Rorea. Marquis Ito wird am 15. März von Tokio nach Korea abreisen. Er wird dem Kaiser von Korea ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers von Japan über bringen. Ueber den Zweck seiner Mission ist außer den höchsten amtlichen Kreisen niemandem etwas bekannt. Der Marquis wird begleitet sein von dem Vizepräsidenten des Geheimen Rats, Grasen Higashikuze, dem Sekretär des Geheimen Rats, Grafen Tsuzuko, dem Generalmajor Usagawa und dem Kontreadmiral Sakamoto. Line Warnung an Lhlna. * London» 9. März. (Tel.) Die Morgenblätter melden aus Tokio von gestern: Der russische Gesandte in Peking habe die chinesische Regierung davon in Kenntnis gesetzt, daß, wenn die Verheerungen der berittenen Banditen, die die Tele graphendrähte durchschnitten, und die Zerstörung der mand schurischen Bahn kein Ende nähmen, die an China gegebene Neutralitätserklärung als ungültig angesehen werden würde, wie-er eiujapanischer Rechtfertigungurrsuch. * Tokio, 8. März. Die japanische Regierung hat in Bezug auf das Rundschreiben des Kaiserlich Russischen Ministers des Auswärtigen an die Vertreter Rußlands im Auslände vom 22. Fe bruar, in welchem Japan vorgeworfen wurde, verschiedene Verletzungen des Völkerrechts begangen zu haben, folgende Erwiderung erlassen: „Die Kaiserlich Japanische Regierung hat davon Kenntnis erhalten, daß die Kaiserlich Russische Regierung in einem Rundschreiben, welches den Mächten zur Kennt- nis gebracht worden worden ist, Japan beschuldigt, in Korea gewisse Handlungen vorgenommen zu haben, die Rußland als einen Bruch des Völkerrechts bezeichnet und demzufolge alle Verordnungen und Erklärungen, die von der koreanischen Negierung erlassen werden könnten, für ungültig erklärt. Die japanische Negierung hat keine Veranlassung, in diesem Momente auf die Ansichten oder Deklarationen der russischen Regierung einzugehen: sie erachiet es aber als ihr Recht und ihre Pflicht, Tatsachen, die unrichtig dargestellt sind, zu berichtigen, weil, wenn dieselben unwidersprochen bleiben würden, neutrale Mächte zu unrichtigen Auffassunaen und Schlüssen ver- leitet würden. Die japanische Negierung tritk daher den in der russischen Circularnote enthaltenen Angaben, welche m dieser als vollständig erwiesene Tatsachen angenommen werden, mit aller Entschiedenheit als nicht im Einklänge mit dem wirklichen Tatbestände sich befindend, entgegen: 1) Die japanische Regierung gibt zu, daß die japanischen Truppen vor der Kriegs- erklärung in Korea gelandet sind, aber nicht, bevor der Kriegszustand zwischen Japan und Ruß land faktisch eingetreten war. Die Sicherung der Un abhängigkeit und territorialen Integrität Koreas war eine der Ursachen, welche zum Ausbruche des Krieges ge führt haben, und die Entsendung von Truppen nach dem bedrohten Territorium war nicht nur durch Recht und Notwendigkeit bedingt, sondern erfolgte mit der aus drücklichen Zustimmung der koreanischen Regierung. Die japanische Regierung kann hier nicht unterlassen den Unterschied hervorzuheben, welcher zwischen der Entsendung japanischer Truppen nach Korea unter den eben erwähnten Umständen und derjenigen von größeren russischen Truppenkörpern nach der Mandschurei besteht. Letztere erfolgte bekanntlich ohne die Zustimmung der chinesischen Regie- rung, während friedliche Verhandlungen mit Japan noch im Gange waren. 2) Die Behauptung, daß die japanische Regierung die Beförderung russischer Telegramme durch das dänische Kabel behindert habe, ist unwahr, ebenso wie die Be hauptung, daß dieselbe die Leitung der Regierungs- telegraphen unterbrochen habe. Bezüglich des erwähnten Angriffs am 8. Fe- bruar auf zwei russische Kriegsschiffe im Hafen von T sch e m u l p 0 , ist zu bemerken, daß derzeit bereits der Kriegszustand zwischen Japan und Rußland eingetreten war, und, da die koreanische Regierung ihre Zustimmung zur Landung japanischer Truppen im Hafen von Tschemulpo gegeben hatte, dieser nicht länger als ein neutraler Hafen betrachtet werden konnte, wenigstens so weit die Kriegführenden selbst in Betracht kamen. 3) Nachdem die japanische Regierung Prisen- gerichte mit der nötigen gerichtlichen Selbständigkeit eingesetzt hat, welche endgültig über die Fragen der Ge setzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme von Handelsschiffen zu erkennen haben, werden hierdurch alle bezüglich der Kaperei von Handelsschiffen gemachten Be- Hauptungen hinfällig. Da die Entscheidung auf Grund eines regelrechten gerichtlichen Verfahrens erfolgte, sind alle hierauf bezüglichen Beanstandungen erledigt. 4) Tie Behauptung, dem Kaiser von Korea sei durch den japanischen Gesandten in Söul erklärt worden, Korea befände sich nunmehr unter japanischer Verwal tung und demselben sei angekündigt, daß, wenn er sich nicht fügen sollte, japanische Truppen seinen Palast be setzen würden, wird als vollständig mit den Tatsachen im Widerspruch stehend zurllckgewiesen. 5) In Bezug auf den Vorwurf, die japanische Regie rung habe den russischen Gesandten in Söul aufgefordert, Korea zu verlassen, wird erwidert, daß dies ein ganz unhaltbarer Vorwurf ist, der sich mit dem tatsächlichen Hergänge im Widerspruch befindet. Am 10. Februar hat der französische Geschäfts- träger sich zu dem japanischen Gesandten begeben und demselben mündlich und später auch schriftlich die Mit- teilung gemacht, daß es der Wunsch des russischen Ge sandten sei, Korea zu verlassen. Der französische Ge- lchäststräger verlangte hierüber die Ansicht des japani schen Gesandten zu vernehmen. Dieser erwiderte hierauf, daß, wenn der russische Gesandte in friedlicher Weise Söul mit seinem Stabe und der russischen Gesandtschafts. Schutzwache zu verlassen beabsichtige, ihm von japanischen Truppen voller Schub gewährt werden würde. Der Ge sandte ist auf diese Weise freiwillig am 12. Februar ab- Feuilleton. 24, Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von ReiSner. Nachdruck verboten. Wütend hing er das Gewehr über die "Schulter und eilte nach dem Walde, um «vielleicht dort etwas ruhiger zu werden. Das von ihm aufgescheuchtc Wild hatte indes einen Festtag, denn, ohne es auch nur zu beachten, ging er immer weiter und weiter. Durch ein dröhnendes „Halt!" wurde er plötzlich aus seinen, sich immer im selben Kreise drehenden Gedanken aufgerüttelt. Aergerlich blieb er stehen und schnauzte den vor ihm postierten Stepenazschen Waldhüter, der ihn erst jetzt er kannte, zornig an: „Nanu, du Esel, ivas willst du denn?!" ,/§h, Herr, verzeihe nur" — entschuldigte sich dieser — „aber ich wußte ja nicht, daß du es bist." „Und wenn ich es nicht gewesen wäre, was dann?" — fragte Herr von Höchstfeld. „Ja, dann hätte ich dich in -en Gemcindearrcst äbge- sührt, denn unser Herr Graf will's nicht länger dulden, daß ihm die Städtischen ohne Erlaubnis das Wild ab schießen." Der Major nickte. „Darin hat er recht." „VH, ob er recht hat, weiß ich nicht" — bezweifelte es der Bauer — „denn unser Herrgott hat ja das Viehzeug nicht allein für ihn in die Welt gesetzt; doch er hat zu be fehlen und wir haben nicht zu fragen, sondern zu ge horchen." Jetzt erst kam es Herrn von Höchstfeld zum Bewußtsein, daß er auf fremde und noch dazu auf Stepcnazer Ge markung geraten sei. Dem Bauer einzugcstehen, -aß er die Grenzen seines Gutes nicht kenne, «war ihm peinlich, und so kehrte er kurz weg um. Im Verlaufe des Gesprächs hatte er aller eine Seiten schwenkung gemacht, und so wanderte er, ohne es zu wissen, immer noch auf „feindlichem" Territorium. Nach kaum einer halben Stunde scholl ihm abermals ein donnerndes „Halt!" entgegen und auch diesen Wald- Hüter fuhr er mit einem „Vermaledeiter Esel" an. «Diesmal war er jedoch an -en Unrechten gekommen, denn dieser, ein Bruder des entlassenen Verwalters, wollte sich die günstige Gelegenheit zur Vergeltung keinesfalls entschlüpfen lassen. Er tat also, als wenn er ihn nie im Leben gesehen hätte, zwang ihn mit «vorgehaltenem Ge wehr zur Ablieferung seiner Waffe und führte ihn, trotz allen Schimpfens und Fluchens, nach dem Gemeinde kotter ab. Herr von Höchstfeld schäumte vor Wut, da aber sein Begleiter kein Wort Deutsch zu verstehen schien, so war es ihm absolut unmöglich, sich verständlich zu machen. ,/Höchstfeld auf Dolina!" — schrie der Major in höch ster Erregung, und überzeugt, «daß -er dumme Kerl bei Nennung dieser beiden, ihm -och sicherlich bekannten Namen aus seinen Irrtum kommen müsse. Der Wald hüter nickte indes nur höhnisch, als ob er sagen wollte: Also auch drüben hast du gewildert, du Lump! uüd trieb ihn rücksichtslos vorwärts. Zähneknirschend ergab sich der Major in sein Schicksal und ging vor dem, mit schußbereiter Waffe hinter ihm Daherschreitenden, dem 'Dorfe Stepenavze zu. Von den ersten Häusern an schloß sich ihnen ein immer mehr und mehr anwachsendcr Troß an. Die Kinder, die sich an dem seltsamen Schauspiel ganz besonders ergötzten, riefen ihm eine ganze Blütcnlese der wunderbarsten Kose namen zu, und da er diese glücklicherweise nicht verstand, und deshalb darauf auch nicht reagierte, so taten sie noch ein übriges und bewarfen ihn unter Gejohle und Ge quietsche mit Straßenschmutz und Lehmkugeln. «Deiner Sinne kaum mehr mächtig, rief Herr von Höchstfeld in den nachdrängenden Haufen: „Ihr verfluchten Schurken, kennt ihr mich denn nicht? So sagt doch diesem Ochsen, wer ich bin!" «Doch von all den Leuten, die sich frittier so viel auf ihr Deutsch zu Gute get«an hatten, schien plötzlich keine Seele eine Silbe zu verstehen, und nach welcher «Seite er auch sah, grienten ihm nur schadenfrohe Gesichter entgegen. Es gehörte nicht viel Scharfsinn dazu, zu begreifen, daß ihm von dieser Bande keine Hülfe zu teil werden wiirde, daß sie es vielmehr darauf abgesehen hatten, ihn bis zum letz- ten Augenblick als Landstreicher zu behandeln. Und tatsächlich ersparten sic ihm auch keine Ver- unglimpfung. Kinder und alte Weiber streckten, ihn ver höhnend, die Zunge heraus, die Männer «ballten gegen ihn die Fäuste, und hier und da setzte es auch einen ermuntern. den Rippenstoß, ihn damit zum schnelleren Vorwärts schreiten antreibend. Endlich — ihn dünkte es eine Ewigkeit — erreichte man das als Gemeindehaus dienende Wirtschaftsgebäude, wo man ihn, in Ermangelung eines 'Arrestes, in einen aufgelassenen Stall sperrte. Kroch, bis zu des Grafen 'Ankunft wenigstens seine Peiniger los zu sein, wollte er schon erleichtert aufatmen, als er in die Ecke gekauert zwei alte Zigeuneriwciber ent deckte, welche ihm erst ganz kameradschaftlich zunickten, und dann dem feinen Herrn bettelnd die Hände entgegen streckten. Boller 'Abscheu wandte er sich äb und begann aus Leibeskräften die Tür mit den Fäusten und Stiefelabsätzen zu bearbeiten. 'Draußen hielten 'sie indes großen Kriegsrat. Wenn sie nicht vor dem Grafen «Furcht gehabt hätten, so würden sic den „Leuteschinder", der nicht einmal einem anständigen Menschen feinen ehrlichen Rausch« gönnte, ruhig 'bis zum nächsten Morgen im Loche gelassen hüben. „Eh, Brüder, «was kann uns denn geschehen, wenn wir alle Zusammenhalten!" meinte einer der Bauern pfiffig. „Nichts — gar nichts" — stimmten sie ihm zu. „Und deshalb denk' ich" — schlug -er Redner vor — „wir lassen ihn diese Nacht brummen und melden die Arretierung dem Herrn Grafen erst morgen." ,-Ktnber, Kinder, das geht nicht" — warnte ein altes Männchen — „er ist doch schließlich ein Herr, und wenn die Obrigkeit herausbringt, daß wir ihn gekannt haben, ch, dann Gnade uns!" „I, du mit deiner Bedachtsamkeit" — spottete der Eapo — „wie sollten sie denn das erfahren?" — und als er bemerkte, daß doch einige auf die Seite des Alten neigten, erklärte er weiter — „vergeßt doch nicht, was wir von diesem „Neuerer" zu erwarten lmbcn. Eine Brennerei will er bauen, wo unser ganzer «Schnaps verbrannt wer den soll, so daß wir unser ganzes Leben durstig Herum laufen sollen!" „Das darf nicht sein — wir zünden ihm die Bude überm Kopfe an — aufgehängt muß er werden!" scholl es erregt durcheinander. In diesem kritischen Moment nahm der Waldhüter das Wort. „Streitet doch nicht um des Königs Bart" — sagte er gelassen — „was hier zu geschehen hat, bestimme ich allein. Ich bin von unscrm gnädigsten Herrn Grafen in mein Amt eingesetzt und kenne meine JnstrEion!" „Und was wirst Lu tun?" scholl es ihm fragend ent gegen. „Eh, Kinder, was sonst als meine Pflicht?" „Du hast wohl schon vergessen, daß er deinen Bruder, der sich doch nur ihm zu Ehren einen Rausch angesoffen hatte, aus dem Dienste gejagt hat!" schrie ihm einer aus dem Kreise wüten- zu. Der Waldhüter schmunzelte überlegen. ,^Ha>be ich denn gesägt, -aß ich es auf der Stelle melden werde?" fragte er lachend. — „Unser Herrgott soll mich vor solch einer Gemeinheit bewahren! Ich werde warten, bis unser gnädigster Herr Graf schlafen geht, dann wird er mich ohnedies hinauswerfen lassen." Beifälliges Gemurmel lohnte seinen schlauen Einfall. ,-EH, Onkel Stevo" — sagte da ein ganz kleiner Knirps — ,/da wirst du lange warten können, denn der Herr Pfarrer ist ja nachmittags aufs Schloß gefahren, und wenn er mit dem hinter -er Flasche sitzt, dann finden sie sich wohl nicht so bald ins Bett." Der Bauer kraute sich überlegend den Schädel. „Das ist eine verflucht «dumme Geschichte" — sagte er endlich — „in dem Falle tue ich doch wohl am besten, gleich Meldung zu erstatten, sonst kommen wir noch alle in -es Teufels Küche." „Du wirst doch nicht!" rieten sie ihm ab. „Ich muß, Kinder, haltet mich nicht von meiner Pflicht ab" — beschwor er sie, und pfiffig schmunzelnd setzte er hinzu — „aber verlaßt euch darauf, er soll keine Ahnung haben, welch feinen Vogel ich da eingefangen halbe — vielleicht läßt er ihn dann -och brummen." Nur mit Widerstreben ließ man ihn ziehen und vertrieb sich «die Zeit bis zu seiner Rückkehr damit, deS «Majors wütendes Gepolter mit einem Steinbombardement gegen die Stalltür zu erwidern. Das angstvolle Gekreisch der Zigeunerweiber von innen und das Gequietsche -er aufs höchste belustigten Kinder von außen bildeten dazu das lieblichste Akkompagnement. Mittlerweile war Stevo ans dem Schlosse angelangt, wo er von der ins Vertrauen gezogenen Dienerschaft erst in der Gesindestuibe mit dem beiseite geschafften Weine gehörig reguliert wurde. Auch hier fand Herr von Höchsiseld, -er zwar sehr an- ständige, aber keineswegs so verschwenderisch wahnsinnige Trinkgelder, wie die andern lyutsbesitzer, auSteilte, keinen Verteidiger, und die Freude über sein Mißgeschick war allgemein und ehrlich. (Fortsetzung folgt.)
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