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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040315023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904031502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904031502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-15
- Monat1904-03
- Jahr1904
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DezugS-PreiS i» der Hauptexpeditton oder deren Ausgabe stelle» abgeholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung iuS Hau» 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch ¬ land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeituugSpreiSliste. Iletzaktt»« und Expedttia«: JohauniSgasse 8. Fernsprecher 1ü3 u. 222. Filtalexpedittone*. AlfrrdHahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. 3 (Fernfpr. Nr. 4048), L. Lösche, Katharine», praße 14 (Fernsprecher Nr. 293Ü) u. Königs- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale DreSdea: Marienstraß« 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale verli«: CarlDuncter, Herzg l.BayrHofbuchbandla- Lützowstraße 10(Fern>precherAmtVI Nr.460a.) Abend-A«sgabe. KiMM TagMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates un- -es Volizeiamtes -er Lta-1 Leipzig. Nr. 138. Dienstag den 15. März 1904. Anzeigkn-PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (»gespalten) 75 xH, nach den Familienuach. richten (8 gespalten) KO xH. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 xH. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^4 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbroche» geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Paiz in Leipzig lJnh. vr. B.,R. L W. Klinthardt). W. Jahrgang. Var MckMgrte vom läge. * Die Leipziger KreiShauptmannschaft hat in Sachen deS AerztestreiteS der OrtSIrankenkafse eine Verordnung zugehen lassen, in der die Zustimmung der Kreishaupt mannschaft ausgesprochen wird zu einem Versuche, am 1. April mit den der Kaste zur Verfügung stehenden Kräften die ärztliche Versorgung der Kaflenmitgiiever zu bewerk stelligen. * Im Reichstagswahlkreise Lüneburg muß eine Stich wahl zwischen v. Wangenheim (Welfe) und vr. Iänecke (natlib.) stattfinden, da bet der gestern vorgenommenen Ersatz wahl keiner der Kandidaten die absolute Majorität erreichte. * Der Erzbischof Kohn soll als Entschädigung für seine Resignation die Kardinalswürde und vom Olmützer DiSlum jährlich 50 000 Kronen erhalten. * Eine offiziöse Auslastung in der „Köln. Ztg." gibt dem Sultan zu verstehen, daß ein durch die Schuld der Pforte verursachtes Scheitern der Resormaklion der Mächte in Makedonien die schwersten Folgen für die Türkei haben werde. Vie streuel «les stereroHittrlrmaes. Don einer Leipziger Familie wird uns ein Brief zur Verfügung gestellt, der ihr von einem Teil- nehmer am Kriege gegen die Herero zugc- gangen ist. Wir entnehmen dem Schreiben folgende zum Teil grausige Schilderung: Windhoek, Februar 12. 190-1. „Obgleich wohl der Belagerungszustand von Wind hoek aufgegcben worden ist und jeder Bewohner von den wenig wohnlichen Räumen der Festung in seine Behausung zurückgekehrt und die Landsturmleute seit gestern auLgekleidet sind, ist die gegenwärtige Lage eine recht ernste und gibt zu den schlimmsten Be fürchtungen Anlaß, wenn nicht bald ausreichende Hülfe von Deutschland eintrifft. Tausend Leutchen werden es freilich nicht tun. Seit dem 11. Januar ist der Ausstand im vollsten Gange und Eisenbahnverbin- düng und Telegraph seit jenem Tage bis vor einigen Tagen außer Betrieb, d. h. von den Hereros gänzlich zerstört worden. Soldatenlebcn mag in Friedenszeiten ganz nett fein, jedoch bei Kriegszeiten pfeift es aus einem ande ren Tone. Ich werde^die Schauertage nicht vergessen, auf einsamen Stellen Wache stehen, in bitterkalten Nächten, bei strömendem Regen, bis auf die Haut durch- näßt, oft 17 Stunden, die Hereros nicht weit davon und immer darauf gefaßt, zu irgend einer Stunde von so einem Hunde hingeschlachtet zu werden. Meine Uni- form habe ich 14 Tage nicht vom Leibe gebracht, meine Stiefel habe ich erst dann ausgezogen, als meine Füße so wund waren, daß ich nicht mehr laufen konnte, Schlaf habe ich absolut keinen gehabt und kann auch jetzt noch keinen finden. Der Gesundheitszustand während der Belagerung war sehr mangelhaft, Dysenterie trieb ihr Unwesen und viele kleine Kinder haben daran glauben müssen. Auch ich habe meinen guten Teil davon be kommen und unsäglich darunter gelitten: doch nächte lang in Schießbereitschaft auf dem Bauch im nassen Gras oder Schlamm liegen und die Truppenkost halfen natürlich nicht, meinen Zustand zu verbessern. Ebenso die traurigen Berichte von der Hinschlachtung derWeißen durch Hereros und der Tod einiger mir sehr liebgewordenen Freunde im Gefecht, darunter des Reserveleutnants . . lassen mich erst recht erkennen, was Krieg heißt, und zwar Krieg mit Wilden. Wirk lich, während der schlimmsten Zeit hatte ich mich so mit dem Gedanken vertraut, sterben zu müssen, daß ich mir nichts Schöneres hätte wünschen können. Meine Freunde, Familie M . . . (Engländer), mit drei kleinen Kindern hatten sich schon fest entschlossen, im Falle eines Angriffes auf Windhoek sich selbst zu erschießen, anstatt sich von den Bestien hinschlachten zu lassen. Die Greueltaten, die die Kerle begangen haben, spotten jeder Beschreibung. Sämtlich eAn- siedler sind auf ihren Farmen ermordet wor den, und zwar meistenteils mitderKeuletotge- schlagen worden, nachdem ausgeschlachtet und stückweise auf Bäumen aufgeknüpft worden. Mit Männern wurde noch schlimmer umge- gangcn, selbst im Gefecht gefallene wurden nicht ge schont und auf das gräßlichste geschändet. Einer anderen Farmersfrau haben sie den Kopf ab- geschnitten und denselben auf dem Dach ihres Hauses festgcmacht, indem sie ihr noch den Klemmer auf die Nase gesetzt haben. Kinder wurden im Beisein ihrer Mütter zwischen der Türe erdrückt, Frauenvon denHereros vergewaltigt, b i s s i e L e i che n w a r.« n. Ach ich könnte noch viel derartige Sachen erzählen, es greift mich jedoch zu sehr an, und cs ist auch izicht schön, so etwas zu lesen. Andere Leute sind auf wunderbare Weise entkommen, jedoch an den Bettelstab gekonimen dadurch, daß ihr Haus und Gut zerstört und ihr Vieh geraubt ist. Der Spaß ist hier jetzt sehr teuer, wie hier jetzt über- Haupt Kriegspreise herrschen. Ebenso ist nicht mehr viel Proviant da, sämtliche Waren sind von den Ge schäften von der Regierung requiriert worden. Vieh ist auch in unmittelbarer Nähe von Windhoek gestohlen worden. Ich bin fest überzeugt, daß es die eigenen Koffern gestohlen haben. Ebenso glaube ich sicher, daß wir nicht nur Krieg gegen die Hereros zu führen haben werden, deren Stamm allein schon 70 000 Mann stark ist, sondern ich neige zu der Ansicht, daß das ganze Landauf st ändisch ist, und wenn die deutsche Re- gierung jetzt nicht ganz und gar aufräumt und sämtliche Stämme entwaffnet und ihnen Vieh und Land nimmt, und dem Wunsche der Einwohner, eine Civil-Verwal- tung zu schaffen, nachgibt, wird kein Ansiedler und Kaufmann hier bleiben, dann mag die Regierung ins Blaue gucken und sehen, wie sie mit ihrer Militärver waltung weiterkommt. Es ist widersinnig, wenn Kauf- leute und Farmer, die die Kolonie zu dem gebracht haben, was sie jetzt ist, überhaupt nicht mitzureden haben, sondern von einem Gouverneur beherrscht werden, der noch vor einiger Zeit Berichte nach Deutsch land sandte, sagend, daß das Land jetzt so ruhig ist, daß man mit einem Spazierstock oder Regenschirm, je nach Bedarf, durch's Land spazieren könnte, während der trockenen Zeit wäre wohl ein Wassersack noch ange bracht. Außerdem wäre eine Verminderung der Schutztruppe angeraten, um die Ausgaben zu erniedrigen! Ob er wohl jetzt einen derartigen Spaziergang riskieren würde? Ich glaube, er würde bald rasiert werden, obgleich er öfters solche Schurken zum Lunch bei sich gehabt hat, im Gouvernements- gebäudc und sogar beim Kaiser Dekorationen und Ehrenschwerter für die Halunken von Häuptlingen er langt hat, die sie jetzt stolz tragen und im Kampf gegen die Deutschen schwingen. Ebenso ist der Frieden im Süden unter „annehmbaren" Bedingungen gemacht worden: obgleich wohl die Gewehre abgenommen worden sind, mußte sich die deutsche Armee von einem schmutzigen Hottentottenvolk Bedingungen stellen lassen, um Frieden zu erreichen. So weit sind wir doch weiß Gott noch nicht gesunken! Oh, es ist traurig, du solltest ein mal die schwarzen Teufel hier sehen, wie frech sie dich anschauen, sich über dich belustigen. AberdieKerle haben beim Gouverneur zu viel Rücken halt, und das nützen sie aus. Jetzt werden derartige Bestimmungen jedenfalls aufhören, und es muß geschehen, wenn Ruhe im Lande geschafen werden soll. Es ist traurig, daß gerade jetzt solche Unruhen ausbrechen mußten, seit vier Jahren das erste Mal wieder ergiebiger Regen, so daß das Land prächtig aus sieht, das Gras steht mannshoch, jedoch gut für nichts. Die Sache wird der Regierung teuer zu stehen kommen, und das alles hat sie dem Herrn Gouverneur zu verdanken. Der Aufstand war lange vorbe reitet, und die Kerle haben gerade die Gelegenheit er faßt, wo der Hauptteil der Truppe im Süden war und soniit alle Militärstationen von Truppen entblößt waren. Ueber die Ursache des Aufstandes hört man tausend Meinungen, oft zweifelhaften Charakters, ich denke sehr einfach darüber: der Stamm ist sehr reich an Vieh und hat das beste Land im Schutzgebiet. Zu über mütig geworden, haben die Kerle gedacht, das weiße Element auszuwctzcn. Wir werden sehen, wie weit sie kommen, auf jeden Fall wird noch mancher auf die Der- lustliste kommen, die jetzt schon enorme Zahlen erreicht hat." Der russisch-japanische Krieg. Die «ämpfe vor Port Arthur. Die Angabe in dem Berichte des Statthalters Alexejew, daß während des vierten Angriffes auf Port Arthur ein japanischer Torpedobootszerstörer vernichtet und der Kreuzer „Takasago" schwer beschädigt worden sei, wird in Japan von amtlicher Seite noch besonders in Abrede gestellt. Die be schädigten japanischen Torpedobootszerstörer sollen im Laufe dieser Woche repariert werden, ohne daß eS notwendig wäre, sie ins Trockendock zu bringen. * Tokio, 14. März. Aus einem weiteren Bericht de» Admiral- Togo über das Gefecht bei Port Arthur vom 10. d. M. geht hervor: Laut Meldung der Torpedobootflottille sind die vier Russen vom Torpedojäger „Steregutschi", welche durch die Japaner gerettet wurden, ein Torpedomechaniker und drei Heizer. Bon diese» wäre« zwei verwundet. Auf dem „Steregutschi" war kein Lebender zurück geblieben. Man vermutet, daß sich die Mannschaft in- Meer gestürzt hat. Der Versuch, weitere Ruffen au» dem Wasser za retten, mußte infolge des heftigen Grschützfeuers der Slraudbatterie» und des Herannahens des „Nowik" aufgegeben werden. Die ärzt liche Behandlung der verwundeten Russen verläuft günstig, und die Gefangenen haben sich über ihr Schicksal vollständig beruhigt. tandoperattanen in Nordkorea. Ein Telegramm des Generalstabschef- General» ShilinSky vom 13. März meldet nach Petersburg: Am 8. März bemerkte eine unserer Patrouillen am Flusse Tschintschangan vier feindliche Posten mit einer Abteilung Kavallerie, die Aufklärungsdienste versah. Bei Pakt schall fiel eine japanische Kavalleriepatrouille in den ihr von unsere« Patrouillen gelegten Hinterhalt, wurde zersprengt und verlor einen Mann. Auf dem von ihr zurückgelegten Wege fand man Kapseln mit Schießbaumwolle, Säbel und Decken. Der Kommandant der koreanischen Truppen in Itschin erklärte sich bereit, die Waffen auszuliefern und die Truppen zu ent lassen. Er behielt nur 20 Mann unter Waffen. Die Be völkerung in der Mandschurei verhält sich rühm. In der Nacht vom 11. Marz beleuchteten feindliche Schiffe mit Scheinwerfern die Helenabai und da» User gegenüber Sventschön. Nach zuverlässigen Erkundigungen landete» keine Japaner nördlich von Gensan. Die Bevölkerung läng» des Tumenflusses sympathisiert mit unS. Englische Ernppensen-nng«« «ach Vstafien- I. 6. Ottawa, 13. März. Zwischen dem Londoner KricgSamt und der Direktion der Pacificbahn wurde ei» Vortrag abgeschloffen, wonach die letztere sich verpflichtet, auf Wunsch des Kriegsamtes binnen acht Tagen den Verkehr auf der kanadischen Bahn derart einzuriHten, daß täglich zehn Züge mit je 20 Wagen für die Beförderung von Truppe» uuv Kriegsmaterial nach der kanadischen Küste abgelaffe» werden können. Die Fahrtdauer jedes Zuges von der Ostküste bis zur Westküste darf die Zeit von sechs Tage» nicht überschreiten. weiter« rNelöung. * TomSk, 14. März. Die hiesigen Universitätsklinik«« stellen 12 Betten für die Sommerzeit unter Aufsicht von Professoren für die in Ostasicn Verwundeten zur Verfügung. Für densrlbe» Zweck sind der Militärverwaltung die Gebäude der Studenten pension, das eine für 70 Personen bi» zum Anfang d«S nächste» Lehrjahres, das zweite für 150 Personen für die ganze Zeit der Kriegsoperationen zur Verfügung gestellt worden. Feuilleton. 29, Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von Reisner. Nachdruck verboten. „Seien Sie versichert, Herr Oberst" — nahm sich Herr von Höchstfeld seiner Schützlinge an — „es handelt sich keineswegs um gewöhnliches, lichtscheues und diebisches Gesindel. Es sind -war ein paar arme, aber grund ehrliche Weiber, deren Schicksal, das sie mir in unserer ge meinsamen -Haft ivahrheitsgetreu erzählten, mich auf das Tiefste erschütterte. Ich nahm sie deshalb auch zu mir — haben sie mit mir das Leid geteilt, so sollen sie fortan auch die " Im selben Moment ging die Tür auf und schreckens- bleich stürzte Frau von Höchstfeld herein. „Verzeihen die Herren" — entschuldigte sie sich — atem los — „aber — großer Gott — ich wollte eben decken lassen — Erwin — das ganze Silber ist — gestohlen!" Herr von Höchstseld blieb vollkommen gelassen. „Das ist ja nicht möglich, du wirst es in deiner über triebenen Vorsicht wahrscheinlich derartig gut versteckt haben, daß du es nun selber nicht findest." „Nein, nein, es ist weg" — stöhnte sie. „Aber, wer sollte denn bei uns stehlen, du denkst doch nicht etwa gar ?" „Die Zigeunerinnen" — rief gleichzeitig der Oberst vom Fenster her - „Ihr Herr Sohn bringt sie eben zurück!" ' Und tatsächlich war cS so. Im Schritt durch den Wald reitend, hatte Erich noch rechtzeitig bemerkt, wie sie sich vor ihm zu verbergen suchten, und da ihm die Geschichte sofort verdächtig vorkam, so hatte er sie kurzer Hand vor sich hergetrieben. Sie leugneten und leugneten und wollten von dem Silber absolut nichts wissen. Da erinnerte sich der Major des ihm von dem Pfarrer angeratenen und von dem Grafen sogar völlig grundlos angewandten Radikalmittels, und nach kurzem Wider streben befahl er: ..Siebt ihnen fünfundzwanzig." Die» half, und unter Tränen und sich gegenseitig der Verführung beschuldigend, gaben sie das Versteck an. Der Oberst nahm nun Herrn von Höchstfeld zur Seite. „Wie ist es" — fragte er schmunzelnd — „bestehen Sic noch immer darauf, daß die Erklärung vor diesen armen, aber grundehrlichen Weibern stattfinde?" Verlegen zwirbelte Herr von Höchstfeld an seinen Bartenden, dann gab er dem Oberst die Hand und bat: „Bitte, lassen Sie das unter uns bleiben — ich brauche überhaupt keine weitere Erklärung, mir genügt die von Ihnen abgegebene vollkommen." ElftesKapitel. So viel Stoff zur Unterhaltung, und nachher zur Ent rüstung hatte eS im Komitat noch gar nie gegeben. Des Majors nächtliches Abenteuer und sein so schnell in die Brüche gegangenes Freundschaftsverhältnis mit den beiden Zigeunerinnen wurden weidlich belacht und nach allen Seiten bespöttelt. Die Uebermütigsten, die gleich jeden Unsinn auf die Spitze treiben wollten, schlugen so gar vor, demnächst auf Dolina im Zigeunerkostüm vorzu fahren, um des Hausherrn offenkundige Zurückhaltung vielleicht dadurch zu besiegen. Das plötzlich in der Luft schwirrende Gerücht von des Pfarrers Beschimpfung erweckte aber geradezu einen Sturm der Entrüstung und verscheuchte gar schnell den letzten Rest von Wohlwollen, welchen man noch dem ohne hin nicht sonderlich Beliebten bewahrte. Jeder einzeln« empfand die dem Vater Adame ange tane Schmach als persönliche Insult« und nur dem energischen Eingreifen des Pfarrers selbst war es zu danken, wenn es nicht in diesen Tagen auf Dolina von Forderungen regnete. Bon Gutshof zu Gutshof fahrend, bemühte er sich, die erregten Gemüter zu beschwichtigen. ES war dies keines wegs eine leichte Aufgabe, und wenn er nicht in den Damen, welche mit Frau von Höchstfeld und Erna Mitleid empfanden, Verbündete gefunden hätte, wäre es ihm auch nicht überall gelungen. Die aufrichtige Liebe und Verehrung, die aber aus all dem sprach, war in dieser Zeit ein wohltuender Balsam für sein gekränktes Herz und richtete ihn in seiner nur zu begreiflichen Bitterkeit teilweise wieder auf. Am meisten erfreut, ja, geradezu bis zu Tränen ge. rührt batte ihn aber Erichs offenes, mannhaftes Auftreten, welches er auch überall gebührend hervorhob, so wenigstens dem Jungen, dcsstn Schicksal er tief beklagte, die allgemeine Sympathie sichernd. Erich, der seit Beginn des Fabrikbaues oft in der Stadt zu tun hatte, befand sich nun in der peinlichsten Situation Er konnte dem dort verkehrenden Landadel und Len Herren der Garnison nicht gut ausweichen, da aber seit dem unglückseligen Ereignis alle ostentativ ihre Besuche auf Dolina eingestellt hatten, so wußte er wirklich nicht, wie er sich gegen sie verhalten sollte. Seine ursprüngliche Absicht, mit höflichem Gruß an ihnen vorüber zu schreiten, wurde durch ihr überaus herz liches Entgegenkommen vereitelt, und obgleich man nie eine Anspielung auf das Borgcfallene machte, so wurde er daran doch beim Abschiednchmen insofern erinnert, als man sich stets der Familie nur im allgemeinen empfehlen ließ, während doch früher die Herren, wenigstens die älteren von ihnen, immer noch einen Extragruß für den Vater übrig hatten. Der einzige, der nach wie vor auf Dolina vorsprach, war Vlados, was man ihm, trotzdem ja der wahre Grund seiner Anhänglichkeit bekannt war, dennoch sehr verübelte. Daß er hierfür auf Dolina durch besondere Herzlichkeit entschädigt wurde, konnte er sich aber auch nicht rühmen. Herr von Höchstfeld ahnte zwar in seiner Arglosigkeit nichts von dem geheimen Magnet, der ihn Herzog, da sich aber die anderen fernhielten, so witterte er in ihm einen Spion aus dem feindlichen Lager und suchte ihm durch äußerste Zugeknöpftheit das Wiedcrkommen zu verleiden. Frau von Höchstfclds Benehmen glich auf ein Haar dem ihres Gatten, nur daß sic damit den Zweck verfolgte, ihm verstehen zu geben, daß er sich vergebliche Illusionen mache. — lind Erna, um derentwillen er sich doch dieser wenig angenehmen Behandlung anssetztc, gab ihm zwar nach wie vor Rendezvous, wohl aber nur zu dem einzigen Zweck, ihn dabei mit ihrer Eifersucht zu quälen. Seit ihr die Jünglinge von den sitzengcbliebcncn Bräuten erzählt hatten, fühlte sic sich nicht mehr ganz sicher und allen seinen Beteuerungen und Schwüren begegnete sie mit einem skeptischen Lächeln, das ihn nach und nach zur Verzweif lung brachte. Wenn er nicht hätte befürchten müssen, dadurch einen beillosen Skandal heraufzubeschwören, so würde er wohl die edlen Zwillinge bei den Obren genommen haben, aber die sichere Voraussicht, daß cs dann mit dem Geheimnis für immer zu Ende gewesen wäre, zwang ihn leider, von seinem Vorhaben abzustehcn. Aufgeschoben war indes nicht aufgehoben, und er lauerte nur auf den günstigen Moment, sie unter einem anderen Vorwande und womöglich unter Billigung der ganzen Gesellschaft zu strafen. Und dieser Augenblick sollte viel früher etntreten, als er zu hoffen wagte. Dinko und Mirko grübelten schon lange darüber nach, wie sie eine Versöhnung der Familien bewerkstelligen konnten. Ihr Papa hatte zwar vorgehabt, trotz Herrn von Höchstfelds Verzichtes, ihm persönlich sein höchstes Be- dauern auszusprcchen, da aber mittlerweile des Pfarrers Beleidigung stattgefunden hatte, so setzte er natürlich keinen Fuß mehr nach Dolina. — Es kostete ihm schon Ueberwindung, seiner Frau und den Kindern den weiteren Verkehr zu erlauben, und nur weil ihn Frau von Höchst feld und die Kleine darüber dauerte, und eS ihn speziell ärgerte, den jungen Mann, dem er wirklich auS ganzem Herzen zugetan war, unter dem Boykott seiner Ange- hörigen leiden zu sehen, hatte er schließlich den Bitten der Seinigen nachgcgeben. Daß damit Papas Nachgiebigkeit ihre Grenze erreicht hatte, wußten sie bestimmt, ebenso genau war ihnen aber auch bekannt, daß Herr von Höchstseld nicht den ersten Schritt znr Versöhnung tun würbe. Die beiden feindlichen Pole trotzdem zusammenzu bringen, war somit ein Kunststück, daS schon deS Schweißes der Edlen wert war. Nun bandelte es sich nur noch um das Wie! Sie überlegten bin und her, entwarfen und verwarfen Hunderte von Plänen und kamen trotz allen Denkens dein Ziele nicht näher. Endlich glaubten sie es zu haben. Ljubiza ritt seit ciniaer Zeit viel häufiger als früher aus, und sonderbarerweise immer in derselben Richtung. Mit dem Spürsinn der Jugend witterten sie die Wahrheit und legten sich fortan auf die Lauer. Es dauerte auch nicht allzu lange, bis sie sich von der Richtigkeit ihrer Ver mutung überzeugt hatten, und nun waren sie ganz Feuer und Flamme. Bisher hatte sie nur der Egoismus geleitet, da sie sich sagten, daß alle ihre Hoffnungen auf Erna vergeblich seien, so lange die beiderseitigen Familien nicht in vollem Frieden und ehrlicher Eintracht lebten, jetzt aber, wo sie sich als heimliche Beschützer des Glückes ihrer Schwester fühlen durften, bekam ihr Werk erst die höhere Weihe. Ihr Plan stand bald fest. Alle Eventualitäten wurden baarlcharf erwogen, und wenn sich die Ausführung trotz dem von Tag zu Tag verzögerte, so war daran weniger ihr guter Wille, als ihre mangelhafte Orthographie schuld. (Fortsetzung folgt.)
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