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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040316024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904031602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904031602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-16
- Monat1904-03
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzcile 25 Reklamen unter dem Redokti östrich («gespalten) 75 nach den Famitleuuach- richten (6 gehalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. «nnahmeschlutz für «nzeisea: Nbeud-AuSgab«: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig tJnh. vr. V-, R. L W. Klinlhardk 98. Jahrgang. vsz Aichtigrte vom läge. »Die Petition desStadtrates zu Leipzig, Erhöhung der Feuerlöschkasse n beitrage be treffend, wurde heute von der Zweiten sächsi schen Kammer für erledigt erklärt. * Die braunschweigische Regierung ließ heute im Landtage erklären, daß Braunschweig im BundeSrate gegen die Aufhebung von 8 2 des I e s u i t e n- gesetzes gestimmt habe. * Kaiser Wilhelm ist gestern in der spani ¬ schen Hafenstadt Bigo gelandet und vom Könige vvn Spanien herzlich begrüßt worden. Abends fand an Bord deß kaiserlichen Schiffes „König Albert" ein Diner statt. Alle Häuser der Stadt waren beflaggt, die Läden ge schloffen. * Kriegsminister Kuropatkin hat angeordnet, daß Port Arthur unter allen Umständen gehalten werden müsse. * InKiew wurden von einer großen Anzahl Stu denten aufrührerischeSchriften verteilt, was zu zahlreichen Verhaftungen führte. Zsirenrümmung. Wilde Gerüchte aller Art liefen während der letzten Tage in den Couloirs des Reichstages von Mund zu Mund. Dieser wollte wissen, daß eine neue Militärvorlage mit ge waltigen Kavallerieforderungen sogleich nach dem Osterfeste dem Reichstage vorgelegt werden solle, jener behauptete, daß eS zwischen Einem und Tirpitz zu Gegensätzen gekommen sei, weil sich Tirpitz nicht den Wind aus den Segeln nehmen lasten wolle, sondern für seine kommende Marinevorlage das Recht der Erstgeburt beanspruche. Wieder ander« wollten wisse», daß doch etwas an der blöden Meldung des „Vorw." fei, nach der eine Auflösung de« Reichstages für das Früh jahr in Aussicht genommen sei. Bon all diesen düster« Prophezeiungen wird sich schwerlich elwaS bewahrheiten oder wenigstens nicht in der zugespitzten Form in die Erscheinung treten, in der eS angekündigt wurde. Unter dem Grafen Bülow liebt man die gewaltsamen Krisen nicht; man erledigt lieber alles in Friede und Güte, auch daS, was man lieber markig behandelt sähe. Nur keine Ueberstürzung, nur keine Gewaltsamkeit. Wenn es nicht auf geradem Wege geht, dann erreicht man ja auch hinten herum sein Ziel. Daß dabei gelegentlich ein kleines Grundsätzchen preiSgegeben wird, daß man den schönen Augen deS Zen trums zu Liebe die ganze protestantische Mehrheit des Reiches vor den Kopf stößt: waS tut das? Die Hauptsache ist doch, daß man mit dem Zentrumstrumpfe in der Hand die Karten aller anderen Parteien überstechen kann. DaS Zentrum hat sich ja auch wirklich in Kleinigkeiten dankbar erwiesen. Noch in der Budgetkommission war eS der Cato, der in den Mantel der Tugendhaftigkeit gehüllt, den Regierungsforderungen ein starres Nein entgegensetzte. Aber die Aufhebung des § 2 deS IesuitengesetzeS ließ alle Prin zipientreue dahinschmelzen wie dir Butter an der Sonne. Herr v. Einem erhält nicht bloß für die Oberstleutnants, sondern auch für die Unteroffiziere höhere Summen; zwar nicht alles was gefordert war, sondern nur zum Teil, weil das Abhandeln einmal zum Geschäft gehört, aber doch so, daß er dabei bestehen kann. Und schon munkelt man von einem neuen Umfall des Zentrums beim Marineetat. Also bis jetzt hat die Verbrüderung mit dem Zentrum ihre Dienste getan. Und wenn wirklich ein zwingendes Be dürfnis zu einem Ausbau der Armee wie zu einer Vergröße rung der Flotte sich herausstellt, so wird es die ReichS- tagsmehrbeit wiederum nicht fehlen lassen. Denn im Grunde ist ja der Reichstag trotz wütiger Gebärden heute so zahm, wie er kaum je gewesen ist; er frißt der Regierung aus der Hand. Die 80 Sozialdemokraten ändern daran gar nichts, oder sie treiben gar noch die anderen oppositionellen Elemente der Regierung in die Hände. Ist es doch bezeichnend, daß der Führer der freisinnigen Vereinigung Schrader sogar über den Zentrumsantrag hinaus für die gesamten Unterofsiziermehrforderungen gemäß dem Antrag Oriolo sprach und stimmte. Er hatte dabei allerdings nicht alle Mit glieder seiner kleinen Partei hinter sich; aber man sieht doch, daß innerhalb deS Freisinns sich immer stärker die Neigung geltend macht, in Sachen der Landesverteidigung keinen Konflikt zu provozieren. Eine Neuauflage der Sep- tennatswahlen gehört heute zu den Unmöglichkeiten, weil es außer den Sozialdemokraten, die ja immer noch die Minderheit bilden, keine prinzipielle Opposition gibt. Kommen gar noch die Diäten — und wenn nicht alles trügt, werden sie nach dem Osterfeste kommen — dann schrumpft vollends der Widerspruchsgeist auf ein Mindestmaß zusammen. Nein, weder Regierung noch Volksvertretung haben Nei gung zu Krisen und Konflikten. Graf Bülow hat deshalb auch sicherlich seine innerste HerzenSmeinung ausgedrückt, als er die Meldung von der bevorstehenden ReichStagSauflösung als „für ein Regierungsdementi zu dumm" bezeichnete. Auch bestätigt ja die Mittelmeer reise des Kaisers, daß „zu Hause" alles in schönster Ordnung ist. Da von zwingenden gesundheitlichen Gründen bei dieser Reise nicht mehr die Rede sein darf, der Kaiser sich viel mehr eines ausgezeichneten Befindens erfreuen soll, so wäre sie wohl unterblieben, wenn irgend welche Ueberraschungen bevorständen. Und falls wirklich nach dem Osterfeste noch allerlei nachträgliche Ansprüche an daS Bewilligungsrecht deS Reichstages gestellt werden, so darf man überzeugt sein, daß die Regierung schon vorher alles in Ordnung bringt, um nachher mit einer stattlichen Mehrheit zu paradieren. ES liegt nicht an der Regierung, es liegt auch nicht in erster Linie am Reichstag, wenn trotzdem die unbehagliche Stimmung, als stände eine Krisis bevor, nicht weichen will; eS liegt vielmehr hauptsächlich am Volke. Auf der einen Seite will sich die Mißstimmung über daS bedenkliche Anwachsen der Sozialdemokratie nicht legen; im Gegenteil, sie schwillt immer stärker an. Es ist doch nicht bloß eine oberflächliche Verärgerung, die immer wieder in den Einzellandtagen wie auf der rechten Seite des Reichstages zum Ausdruck kommt, sondern das ganz bestimmte Gefühl: ES muß etwas geschehen, damit uns die sozialdemokratische Flut nicht über den Kopf wächst. Nur daß Niemand das Rezept kennt, nach dem dies« Krankheit kuriert werden kann; denn mit dem scharfen Messer des Herrn v. Kröcher und mit dem Strick des Herrn v. Oldenburg geht eS doch nicht. Aber das Gefühl deS Unbehagens ist deshalb so stark, weil offenbar auch die Regierung diesem Problem gegenüber ratlos ist und ihre ganze Kunst darin erschöpft, die Lösung von Tag zu Tage zu verschieben. Zu dieser antisozialistischen Stimmung ist nun noch der Furor wegen der Aufhebung des §2 deS IesuitengesetzeS gekommen. Man mag immer beschönigend sagen, daß an den bisherigen Zuständen durch den Beschluß deS Bundesrats wenig geändert worden ist. DaS Volk glaubt eS einfach nicht; eS fühlt instinktiv, daß sich hier ein Bruch mit der Vergangen heit vollzogen hat, der weiterwirken muß. ES ist der Geist des UltramontaniSmuS, dem mit der Freizügigkeit der Jesuiten im neuen deutschen Reiche Bürgerrecht verliehen worden ist. Darüber kommt man in den weiteste» Kreisen deS protestantischen Bürgertums nicht hinweg. Sozialdemokratie und JesuitiSmus, in diesen beiden Begriffen liegt daS Gefühl deS Unbehagens um schlossen, daS auch diejenigen Kreise der Bevölkerung erfüllt, die sonst der Tagespolitik teilnahmslos gegenüberstehen. Weder Regierung noch Reichstag haben die Kraft, diese Gespenster zu bannen. So ist eS kein Wunder, daß die Freude am Reich nicht aufkommen will. So ist es auch erklärlich, daß die Stimmung, als ständen wir vor einer inneren Krisis, nicht weichen will. An einem bestimmten Anlaß, der sie zum Ausbruch bringt, fehlt eS zur Zeit noch; aber wenn daS Gefäß voll ist, dann genügt ein Tropfen, eS zum Ucberfließen zu bringen. Der russisch-japanische Krieg. Port Arthur nicht geräumt. * London, 15. März. Kriegsminister Kuropatkin hat dem Kommandanten von Port Arthur Stoeffel die ausdrückliche tele graphische Weijung zugrhen lassen, Port Arthur müsse unter allen Umständen gehalten werden. Der neue russisch« Feldjugeplan General Ituropatkin». Die letzten 14 Tage haben, so wird aus Mukden berichtet, eine völlige Aenderung deS russischen Feldzugsplanes herbei- aeführt. Charbin ist zur Operationsbasis geworden, mit Liau-hang als vorgeschobenem Hauptlager. Die Ver bindung zwischen diesem und Cbarbin geht bis Niu- tlchwang über Haitscheng und Taschitschiau. Kosaken- Vorposten decken die rechte Flanke, ans der sie weit vorgeschoben sind, bis zur chinesischen Eisen bahnlinie und hallen ostwärts die Verbindung mit der linken Flanke über Feng-hwan-dscheng bis zum Ialu aufrecht. Die Truppenverteilung ist derartig vorgesehen, daß Verstärkungen jederzeit nach jedem bedrohten Punkte geworfen werden können. Nach der Liau-tung-Halbinsel werben keine Truppen mehr vorgeschoben, ebenso wenig wie gegen den Golf von Liau-tung und die chinesische Eisenbahn, weil nach Ansicht deS Oberkommandos dort bereits mehr denn ge nügend Truppen stehen und die Verpflegung der dortigen Truppen bereits auf Schwierigkeiten stößt. Fleisch ist schon jetzt dort rar geworden und trotz eines besonderen, in chinesischer Sprache erlassenen Aufrufs Proviant hereinzu bringen, werden die Cbinesen immer zurückhaltender und, während Fleisch schon fast nicht mehr aufzutreiben ist, kommen auch Lebensmittel und Viehfutter jetzt nur wenig zum Markt. Schuld daran ist vor allem die starke Entwertung der russischen Rubel, die niemand nehmen will, und die Schwierigkeiten, mit denen die Russisch-Chinesische Bank zu kämpfen hat. weiter« Nachrichten. * Berlin, 16. März (Tel.) Dem „Berliner Tageblatt" wird aus Berliner diplomatischen Kreisen mitgeteilt, die am Kriege un beteiligten Mächte in Europa werden zu gegebener Zeit die Konse quenzen daraus ziehen, daß, wie von russischer Seite behauptet wird, dieJapaner mit Giftgasen gefüllte Lydditgeschosse verwenden, die durch die Vereinbarung de- Haager Kongresse- aus drücklich verboten sind. * London, 16. März. (Tel.) Der bisherige Verlauf de« Kriege hat gezeigt, daß die japanische Verwaltung ans der Insel Formosa festen Faß gefaßt hat. Dort herrscht vollständige Ruhe. Die Eingeborenen steuern zur Kriegsanleihe bet und feier» di« Erfolge der Japaner. politische Tagesschau. * Leipzig IS. März. Sine aene Flottenvorlage? In offiziösen Blättern werden schon jetzt die Ang- sichten der neuen Flottenvorlage erörtert. E- berührt nicht gerade angenehm, daß diese Auslastungen in demselben Augenblick austauchcn, in dem die Aufhebung des 8 2 bekannt geworden ist. Gutunterrichtete Blätter glauben mit Sicherheit «behaupten zu können, daß eine neue Flottenvorlage zum Herbst bcvorstche; freilich kon trastiert mit dieser Behauptung die Aeußerung ganz merk- würdig, die wir erst kürzlich aus dem Munde de- Admi rals v. Tirpitz vernahmen: eine Beschleunigung deS Flottenbaues sei nicht beabsichtigt. Nun ist eS ja aller dings zweierlei, ob der Flotteubau beschleunigt wird, oder ob neue Schiffe gefordert werden. Immerhin aber hat diese Art, die öffentliche Meinung mit einer Rssarvatro moutalis zu beschwichtigen, etwas an sich, das zu der offenen und loyalen Persönlichkeit deS Staatssekretär schlecht stimmen will. Hoffentlich erfolgt bald eine offizielle Klärung der Angelegenheit. Die Negierung würde nicht klug handeln, wenn sie nicht die augenblickliche Kon- junktur, die ja eindringlicher spricht als die ausführlichsten Motivierungen, benützen wollte, immer vorausgesetzt freilich, daß sie selbst mit voller Ueberzeugung an die Un- erlüßlichkeit einer Flottenvermehrung glaubt, und dem Parlamente unwiderleglich nachweisen kann, daß eS sich hier nicht um Prestige-Polittk, sondern um ein nationales Bedürfnis handelt. Zu der Abberufung deS GeueralS ». SudreS, die gestern als unmittelbar bevorstehend gemeldet wurde, schreibt uns unser Berliner Korresporrdent unterm 15. März: „Ich sprach soeben mit einem hohen Offizier Über Gene, ral v. Endres. Mir ist nichts davon bekannt, sagte dieser. Feuilleton. Sy Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von Reisner. Nachdruck verboten Nach heißem Ringen und vielfachem Zurateziehen deS Wörterbuches kamen sie damit aber doch zustande, und eines schönen Tages erhielt die ganze Gesellschaft — mit Ausnahme der Höchstfeldschen und Stepenazschen Familien, die ja überrascht werden sollten — folgende ge druckte Einladung: „Für morgen, den 21. d. Mts., erlauben wir uns. Sic und Ihre werten Angehörigen zu einer intimen Familienfeier höflichst einzuladen. Erwin von Höchstfeld und Gemahlin." Darob natürlich allgemeines Kopfschütteln und Neber- legen, ob man der Einladung Folge leisten solle? Wenn die Zeit dazu nicht zu kurz gewesen wäre, so hätte man sich bei Stepenaz' erkundigt, wie sie sich ver hielten, aber daran war nicht mehr zu denken, und da eine direkte Ablehnung doch nicht wohl gut anging, die Neugierde, um was es sich handle, auch zu groß war, so jagte am nächsten Tage ein Fuhrwerk nach dem anderen nach Dolina. Schon bei den zuerst anlangcnden, festlich gekleideten Gästen sahen sich Herr und Frau von Höchstfeld voller Verwunderung an, als aber deren immer mehr und mehr cintrofcn und von allen die gleiche Frage wiederholt wurde — „Zu was man denn gratulieren dürfe?" —, da verwandelte sich ihre Verwunderung in höchste Ent rüstung, und Herr von Höchstseld mußte seine ganze welt männische Erziehung zusammennehmen, um sie nicht samt und sonders -um Hause hinauszukomplimenneren. Im ersten Moment des Alleinseins sagte er zu seiner Frau: „Hier kann es sich nur um zwei Möglichkeiten bandeln. Entlveder sie stecken alle untereinander iin Komplott und »vollen uns einen Possen spielen, oder aber sic sind gleich uns düpiert. Loch gleichviel, ob es hier einen oder mehrere Schuldige gibt, die richtige Antwort auf diese Büberei soll dem oder den Betreffenden jeden falls nicht erspart bleiben, und wenn es blutige Schädel geben sollte I " „Großer Gott, so rege dich doch nicht noch mehr auf" — bat ihn seine Frau verzweifelt — „rate mir lieber, was ich den vielen Menschen vorsetzen soll?" „Nichts" — brummte er — „dynn sind wir sie am allerschnellsten los." „Aber, Erwin, wenn du nur einen Moment vernünftig mit dir reden ließest." „So setze ihnen weiche Eier, harte Eier, Rühreier und Eier auf Butter vor" — riet er ihr in einer Anwandlung von Galgenhumor — „du hast ja darin schon eine gewisse Uebung." Mach' dich nur noch über mich lustig" — klagte sie. — „Anstatt mir an die Hand zu geben und mir . . ." „Ich begreife gar nicht, was du noch willst" — fiel er ihr bärbeißig ins Wort — „so verwertest du doch deine überschüssigen Eier am schnellsten und kannst zufrieden sein." ^hn mit einem Blick tiefster Indignation strafend, ließ sie ihn stehen und eilte nach der Küche, um mit der Köchin Rat zu pflegen. — Da eine Herbeischafsung von Fleisch absolut nicht mehr möglich war, so mußten eben Hof und Keller herbalten, und gleich darauf begann, unter ihrer persönlichen Kontrolle, eine furchtbare Massen- schlächterei auf dem Geflügelbof, wobei sie streng darauf achtete, daß die ältesten Iabraänge zuerst an die Reihe kamen. „Aber, gnädige Frau" — hielt ihr die Köchin vor — „zu den Backhülmcrn müssen wir doch wenigstens welche von den jungen nehmen." „Nichts da" — entschied Frau von Höchstfeld — „kochen Sie sie vorher, dann werden sie schon weich werden — bei uns macht man es überhaupt nie anders." „Und bei uns ißt niemand ein solches Futter" — trotzte die um ihr Nenommk-e besorgte Beherrscherin der Küche. Schweren Herzens gab endlich Frau von Höchst feld nach und kebrte, nachdem sie in aller Eile auch noch Toilette gemacht batte, zu den Gästen — die sich mittler- weile um noch einige Familien vermehrt hatten — zu rück. Während der Abwesenheit der Hauswirte wurde natürlich deren seltsames Verhalten besprochen. Daß sie zuerst nach allen Windrichtungen Einladungen ergehen ließen, und dann die Ueberraschtcn spielten, mußte doch irgend einen Grund haben, den sic wohl absichtlich noch geheim hielten. „Ich vermute" — meinte endlich der Oberst — „daß es sich wahrscheinlich um eine Aussöhnung mit dem Pfarrer handelt. Iedenlalls wird er kurz vor Tisch er scheinen, und dann wird auch die Aufklärung erfolgen." „Wenn nur Fräulein Erna hier wäre" — setzte Vladoj bitzzu — „sie würde uns gewiß nicht lange im Ungewissen lassen. „Sie, Sie" — drohte ihm der Oberst mit wohlwollen dem Schmunzeln — „sollten Sie von der Kleinen wirk- lich noch nicht eingeweiht sein?" „Gott bewahre" — beteuerte Vladoj — „ich habe das gnädige Fräulein überhaupt schon seit drei Tagen nicht gesehen. Aber wenn der Herr Oberst befehlen, will ich sie sofort suchen gehen" — und ohne erst eine Antwort ab- zuwarten, begleitet von dem herzlichen Gelächter der Um stehenden, die ihm unter feierlichen Höflichkcitsbezeu- gungen den Weg frei gaben, enteilte er nach dem Park. Im selben Augenblick trat Frau von Höchs.seld ein, und sofort nichts Gutes ahnend, erkundigte sie sich mit nur schwer bewahrter äußerlicher Ruhe nach der Ursache dieser allgemeinen Heiterkeit. „Die Herrschaften amüsierten sich über den Eifer unseres zukünftigen Radetzky, der es sich nicht verwehren ließ, persönlich den Aufklärungsdicnst zu übernehmen" — entgegnete ihr der Oberst lächelnd. Frau von Höchstfeld sah ihn vollkommen verständnis los an, worauf er notgedrungen etwas deutlicher werden mußte. „Er ging die Knospe vom edlen Stamme suchen" — meinte er galant. „Sagen Sie nur vom knorrigen Ast" — verbesserte ihn in» Hereintretcn der Major. „Pardon, ich sprach von Ihrer Frau Gemahlin" — belehrte ibn der Oberst — „aber selbst »nenn ich dabei an Sie gedacht hätte, würde ich wohl schwerlich solch ein un artiges Gleichnis gewählt haben." Frau von Höchstseld hörte gar nicht auf das sich weiter entwickelnde Geplänkel, sondern suchte nur die Tür nach dem Park zu gewinnen, um den Blumenliebhaber noch rechtzeitig und cl>e er noch Schaden anqerichtct hatte, von ihrer Pflanzung zu verscheuchen. Annähernd zur selben Zeit, als sich dies auf Dolina abspiclte. stürzten Linko und Mirko in das Zimmer der Eltern und berichteten, daß soeben ein Höchstfeldschcr reitender Bote hier gewesen sei niit der dringenden Ein ladung, sofort hinüber zu kommen, da noch viele, viele Gäste anwesend seien. „Diese Art der Einladung hat er von mir gelernt" — meinte der Graf mit selbstgefälligem Lächeln — „ganz bildungsunfähig scheint er demnach doch nicht zu sein. — Ich begreife nur nicht" — setzte er dann nach kurzem Ucberlegen stirnrunzclnd hinzu — „was das bedeuten soll? Sie können doch unmöglich hinter meinem Rücken mit ihm Frieden geschlossen haben!" „Weißt du vielleicht etwas Näheres?" — wandte sich die Gräfin fragend an Ljubiza. „Nicht das Geringste" — entgegnete diese — „ich traf doch erst vor einer Stunde zufälligerweise mit Er . .. mit Herrn von Höchstseld zusammen" — verbesserte sie sich errötend — „er hat mir aber keine Silbe davon gesagt." „Ihr werdet wohl von anderen Dingen zu sprechen gehabt haben" — meinte der Vater mitleidig, und sie an sich heranziehend und ihr liebevoll die Wangen streichelnd, redete er ihr zu — „mußt mein tapferes Mädchen sein und dir die Geschichte" aus dem Herzen reißen. Mein Segen hätte dir gewiß nicht gefehlt, aber zum Nachlaufen sind wir zu stolz!" „Laß das, Alter" — ermahnte ihn die Gräfin, mit einem Seitenblick auf die beiden Jungen, die mit ge spitzten Ohren dastanden, damit ihnen nur ja kein Wort verloren gehe. Am liebsten hätten sie die Schwester getröstet und ihr verraten, wie nahe sie, ohne es zu ahnen, schon ihrem Ziele sei; aber die Vorsicht ließ sic schweigen und den Lohn ihres guten Werkes doch lieber in stiller Bescheidenheit abwartcn. „Also, wie ist's" — fragte die Gräfin — „fahren wir hinüber oder nicht?" „Da ihr die ganze Zeit mit ihnen verkehrt habt, so sehe ich nicht ein, warum ihr gerade heute absagen solltet" — entgegnete Graf Stepenaz — „ich bleibe aber natürlich zu Hause." „Die Einladung galt doch für uns alle" — suchte ihn die Gräfin zum Mitfahren zu überreden. „Gib dir keine Mühe" — unterbrach er sie entschieden — „so lange er meinem Freunde Adame nicht Abbitte geleistet hat, existiert er für mich nickt." „Aber die anderen sind doch auch . . . ." „Tie andern können das halten, wie sie wollen, die sind für mich nicht maßgebend. Wenn es dir indes peinlich ist, kannst du ja meinethalben mein Fernbleiben irgend- wie entschuldigen — sage, ich hätte mir das rechte Ohr
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