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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040316024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904031602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904031602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-16
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daß Gcneral v. Endres abberufen worden sei. Jedenfalls weiß das Blatt besser Bescheid, al» der General selbst, mit dem ich noch gestern abend in Gesellschaft zusammen- getroisen bin. Aber deshalb könnte ja die Meldung tun: <. fitn richtig sein. Loüte sie sich bestätigen, so ist eS jedenfalls gänzlich unrichtig, in der Abberufung des General» eine Maßregelung erblicken zu wollen. S- stehl ganz fest, daß der P r t n z - R e g e n t sich über die Rede de- Herrn v. Endres durchaus befriedigt und zustimmend geäußert hat. Außerdem aber wtirde ja Herr v EiibreS, der seinem Dienstalter nach noch gar nicht zum DivisionS. kommandeur „heran" ist, durch seine Beförderung zum Divisionär gerade eine ganz ungewöhnliche Auszeichnung erhalten. Jedenfalls ist eS also unberechtigt, wenn man die Abberufung des Generals — falls sie sich wirklich voll- ziehen sollte — als einen Lieg de- Zentrums und des partikularistischen Gedankens hinstellt. Lo weit ist eS in Bayern denn doch noch nicht, daß der Prinz-Regent sich von einer Partei, und sei sie noch so mächtig, seine mili. tückschen Maßnahmen diktieren ließe. Die augenblickliche Ltimmung ist ja der Verbreitung derartiger Gerüchte günstig, aber hier fehlt eS -och vollständig an einer tat. sächlichen Grundlage." Vt» imffallendsr Prinzenbesnch. Nach einer Brüsseler Meldung hat Prinz Eitel Friedrich von Preußen in Brüssel beim Her zoge vonArenberg einem Festmahle beigewohnt. Der Herzog von Arenberg ist der Bruder -es wahn- sinnigen Prinzen von Arenberg, der eben erst in aller Munde gewesen ist Darum muß der Besuch de- Prinzen Stiel Friedrich bei dem Herzog von Arenberg in Brüssel Aufsehen erregen. Häusliche Reparaturen werden ja mit Vorliebe im Frühjahre vorgenommen. In diesem Falle sieht sich aber -er „Vorwärts" in der für ihn höchst angenehmen Lage, naheliegende Bemerkungen darüber zu machen. Wer Gelegenheit hat, die Wirkung kleiner Vorgänge, wie der Brüsseler einer ist, kennen zu lernen, wird bedauern, daß dem Blatte die Gelegenheit zu diesen Bemerkungen gegeben worden ist. Zur Angelegenheit de- Konsuls Harri- Der „Nordb. Allg. Ztg." gehen von dem Berliner Ber- treter der „New Uorker LtaatSzettung" Abschriften amt licher Schriftstücke zu, in denen von den Behörden der Chicagoer Universität und von den Ltudierenden, welche die Borträge de- Konsuls HarrtS-Etbenstock gehört haben, auf La- bestimmteste erklärt wird, daß der Vortragende sich mit keinem Worte absprechend über die deutsche Moral geäußert habe; er habe rm Gegenteil Deutschland stets als dasjenige europäische Land geschildert, von dem die Amerikaner in geistiger und in industrieller Beziehung am meisten lernen könnten. Der irreführende Bericht Chicagoer Blätter könne von niemand herrühren, der bei den Vorlesungen zugegen gewesen sei. SS ist ja ganz gut, daß die Zurückweisung der angeblich von Herrn Harris begangenen Verleumdungen Deutschlands durch die deutsche Presse wenigstens den Erfolg gehabt hat, -aß -er Berliner Vertreter der „New Dorker Staats- Zeftung" zur Rechtfertigung des Herrn Harris der „Nord deutschen Allg. Ztg." Abschriften amtlicher Schriftstücke überbrachte. Indessen war doch Herr Harris selbst LerNächste dazu, derartige Schritte zu tun und den zuständigen Stellen amtlich mitzuteilen, was er denn eigentlich in Chicago gesagt habe. OrbenSschwinbel. Da- Urteil in dem Aufsehen erregenden Or-enS- schwindel-Prozeß, das gestern in Kon- ftanttnopel gefällt wurde, haben wir mttgeteilt, Der Hauptschuldige wurde zu 15 Jahren Festungshaft ver urteilt. SS war an und für sich nie schwer, in der Türkei Orden zu erhalten. Reisende von irgendwelcher Bedeu tung, und wie der Korrespondent Les „Reuterschen BureauS" behauptet, in erster Linie Deutsche, verließen selten Konstantinopel, ohne mit einem OrdenSbande ge schmückt zu fein. Sin deutscher General, -er im Auftrage des Kaisers in Konstantinopel eintraf, soll beispielsweise den Stern in Brillanten des Ordens Osmanieh abgelehnt haben und statt dessen den Stern des Medschtdieh-Orbens verlangt haben. Der Wert -es letzteren ist 806 Pfund Sterling, während der erstere nur 200 Pfund Sterl. wert ist. Der jährliche Besuch deutscher Schulschiffe führt regelmäßig zur Ordensverleihung an alle an Bord be findlichen Mannschaften, vom Kapitän bi- zrnn Schiff-- jungen. Man glaubt in dieser Freigebigkeit des Sultan- mit einem Ueberbleibsel der alten orientalischen Titte der Beschenkung der Gäste zu tun zu haben. Medaillen und Ordensbänder sind dabei den Gästen am angenehmsten. Türkische Beamt« entschlossen sich vor einiger Zett, diese Lust nach Dekorationen auSzunützen. 11 Personen waren es, die sich an -em Schwindel beteiligten. 9 Türken und 2 Ausländer, von denen einer, immer nach dem Bericht deS „Reuterschen Bureaus", ein früherer deutscher Jurist, jetzt türkischer Untertan ist. Die Hauptmacher waren der Eigentümer verschiedener lokaler Blätter und ein Adjutant des Großvezters. Die übrigen Beteiligten waren kleinere Beamte in den Ministerien, ein Armenier, -er al- reisen der Agent tätig ivar, und ein jüdischer Redakteur. Der Plan war höchst einfach. VS handelte sich darum, Ordens, btplome für die Verleihung von Orden bi- zur zweiten Klaffe auS dem Ministerium zu stehlen, und in diese Diplome den Namen -e- Käufers etnzutragen. Der OrbenSstern wurde ohne Schwierigkeiten von -em Hof- juwelier besorgt. Eine französische Zeitung, „Servet", notierte dann kurz die Ordensverleihung zusammen mit den offiziellen Ordensverleihungen, die in dem offiziellen Anzeiger erschienen. Der OrdenSempfünger ließ sich auf diese Weise davon überzeugen, daß alles in Ordnung sei. Der Preis für die verschiedenen Orden richtete sich natür- ltch nach -er OrüenSklaffe Der billigste Orden kostete ettva 100 Pfund Sterling. Zwei Jahre lang nahm dieses Geschäft seinen flotten Fortgang, und man verkaufte ettva 100 Orden an Untertanen verschiedener europäischer Staaten. Ter Betrug kam dadurch an -a- Tageslicht, daß von einer Botschaft angefragt wurde, weShalb man eigentlich eine denn betreffenden Staate keineswegs an genehme Persönlichkeit dekoriert habe. Eine daraufhin an gestellte Untersuchung führte zur Verhaftung sämtlicher Schuldigen. In der Voruntersuchung soll eS sich heraus gestellt haben, daß fast alle OrdenSauSzeichnungen von deutschen, österreichischen, belgischen, schweizerischen un schwedischen RegiernngSveamten gekauft wurden. Die deutsche Regierung soll erklärt haben, daß sie sämtliche in die Angelegenheit verwickelten Beamten mit Dienstent lassung bestrafen werde, und man nimmt an, Laß die anderen Regierungen diesem Beispiele folgen werden. Den Sultan soll die Angelegenheit peinlich berühren. Der Hauptmacher erfrente sich bisher besonderer Gunst am Hofe. Kein Mensch wagte seinetwegen ein gute« Wort beim Snltan cinznlegen, da dieser in dem Vergehen einen Uebergriff in seine Rechte erkennt. Deutsches Reich. * Berlin, 1K. März. * Ueber Sie Gntschä-igun, der Anfiedler in Deutfch- Sndwcstafrika wird zu Tit- >4 des ErgänznnzSetatS, in den 2 Millionen Mark für diesen Zweck eingestellt sind, folgendes gesagt: Wenn auch eine rechtliche Verpflichtung zum Ersätze der Verluste an Eigentum und sonstigem Vermögen, welche eine große Anzahl Weißer durch den Eingeborenenaufstand erlitten haben, nicht anerkannt werden kann, so wird doch bei der Schwere de- Unglück-, da» Uber da« Schutzgebiet hereingebrochen ist und zahlreiche Existenzen ökonomisch zu vernichten droht, ein obrigkeitliches Eingreifen durch Gewährung billiger Entschädigungen sich nicht ver meiden lassen. Nach einer telegraphischen Meldung de« Gouver neurs ist zur Zeit eine genauere Abschätzung des Schadens infolge der Zerstörungen und Plünderungen durch die Hereros nicht möglich, jedoch muß mit mehreren Millionen ge rechnet werden. Die Abschätzung des den Einzelnen erwachsenen Schadens sowie die Feststellung der nach Billigkeit zu gewährenden Entschädigungen soll durch «ine im Schutzgebiete zu bildende Kommission, zu welcher auch Laien au« verschiedenen Beruf«- sländen herangezogen werden würden, erfolgen Di» allgemeinen Grundsätze, nach welchen die Abschätzung de» Schadens sowie die Gewährung und die Bemessung der Entschädigung zu geschehen hat. Unterliegen noch der Erörterung. * Aus Deutsch,Lfidwestafrika. Die anfänglich tot gc- sagte Frau des auf seiner Farm Krauenstein bet Wind hoek ermordeten Farmers Moritz Pilet und ihre Schwester Fräulein Helene Domskv aus Berlin swelche letztere erst am 10, Januar L. I. in Windhoek an gekommen war), sind, wie bereit- mttgeteilt, am Leben und in Sicherheit. Mit -er neuesten Post au- Südwest afrika ist ein Brief der beiden Damen au- Windhoek, 12. Februar, in Berlin angokommen, laut dem sie sich, allerdings nach schweren Leichen, aus den Händen der wilden Horden gerettet, haben. Wir entnehmen der Schilderung folgendes: Am 13. Januar -wischen 9 und 10 Uhr vormittags erschien eine Bande von dreißig teil berittenen, teils unbertttenen Herero auf Farm Frauen st ein. Pilet wurde sofort ermordet, die Besitzungzerstört und niedergebrannt und ba- Bieh fortgetriesten. Die unglücklichen Krauen schleppten die Herero mit fort. Drei Wochen blieben die Damen in deren Gefangenschaft. Bon den Wilden, an deren Händen noch da- Blut des Gatten und Schwagers klebte, be ständig mit -em Tobe bedroht, haben unsere Land- Männinnen eine entsetzlich« Zeit durchlebt. Da sollte ihnen durch unsere wackeren Truppen Rettung nahen. Eines TagcS vernahmen sie den Donner der Geschütz«: Tie Deutschen hatten die Herero angegriffen, und die Verwirrung, die unter den Wilden entstanden war, be nutzten die Gefangenen zur Flucht. Stach einer acht stündigen Kuhwanderung, die sie bet glühendem Sonnen- brande durch unwirtliche- Gebirge, Schluchten und Klippen führte, erreichten sie Okahandja und waren ge- rettet.. Mit ihnen war ein Missionar, ferner eine Krau und deren Kind, die die Hor-en ebenfalls gefangen ge halten hatten, entkommen. — Zu den Opfern des Aufstande- gehört auch der Farmer August Aschinger, ein Neffe und Mündel des bekannten Berliner GroßrestaurateurS Aschinger. August Aschinger war Landwirt und wanderte im Jahre 1888 nach Lwakop- mund auS, wo er zuerst beim Bahnbau beschäftigt war. Später gründete er eine Farm, verheiratete sich mit einer Holländerin und hatte es bereits zu einem gewissen Wohl- stände gebracht, al« er von den rebellierenden Herero in Okahandja ermordet wurde. Seine Fran und sein Kind sind gerettet worben. * Der Beirat für Arbeiterstatistik hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, behufs Erhebung über die Arbeitszeit im Kleis chergewerbe zunächst mündliche Vernehmungen von Meistern unL Gesellen ab- zuhalten. Was die Erhebungen über die Arbeitszeit im gewerblichen Fuhrbetriebe betrifft, so sollen diese noch weiter fortgesetzt werden, da die bisherigen Er gebnisse eine Reihe großer Mißstände in den Fuhr- betrieben zu Tage gefördert haben. Zugleich ist die Aus dehnung der Erhebungen auf die Straßenbahnen in Anregung gebracht worden, doch soll über diese Frage erst noch in einer späteren Sitzung beschlossen werden. * Reichstagsferien. Der Reichstag wird, -a der Etat vor Ostern doch nicht fertig gestellt werden kann und an die Zusammenballung eines beschlußfähigen Hauses nicht zu denken ist, voraussichtlich schon Ende dieser Wochein -ie Osterferiengehen. — Der Kaiser hat neuerdings em Gedenkblatt entworfen, das für die Hinterbliebenen derjenigen Schutztruppenangchörigen bestimmt ist, welche während des gegenwärtigen Herero-Auf standes in Deutsch-Südwestafrika den Heldentod gestorben sind bezw. dort noch fallen werden. Las künstlerisch kergestellte Gedenk blatt wird gleichzeitig mit der amtlichen Todesanzeige an die Be treffenden zur Versendung gelangen. — Die Kaiserin und die kaiserlichen Kinder werden vorläufig, wie di« „N. A. A." meldet, nicht nach dem Schlosse Bellevue übersiedeln. — Der Reichskanzler kommt nach einer Meldung der „Frankfurter Ztg." für einige Zett nach San Remo zum Besuche bet der Baronin Löwenstein. Der Kaiser wird auf der Mittel- meerreije wahrscheinlich dort einkehren. — Für die heute im preußischen Abgeordnetenhause beginnende Beratung de§ Kultusetats ist nationalliberalerseits als erster Redner Mg. Vr. Hackenberg in Aussicht genommen. Ein deutscher Kolonialorden. Wie wlr erfahren, steht die Stiftung eines Kolonialordens unmittelbar bevor. Der Orden soll in zwei Klassen, eine Kriegs- und eine FriedenS- ktafse, zerfallen und ist zur Auszeichnung für Verdienste in unseren Kolonien bestimmt. — Die Sozialdemokratie wird den neuen Herero- kredit nickt bewilligen. Der „Borw," erklärt: „Es versteht sich am Ra>d, daß die Sozialdemokratie das Ansinnen der Regie rung mit einem schroffen „Nein" beantworten wird!" In gleichem Sinn» bat sich der Abg. Singer in einer öffentlichen Ver sammlung ausgesprochen. — Unter der Spitzmarke „Verlorene Liebesmüh" schreib die Richtersche „Freie Deutsche Presse": Die sozialfort, schrittliche Gruppe (Preuh, Marggrafs und Genossen) in der Berliner Stadtverordnetenversammlung hatte bei der sozial demokratischen Fraktion ein Kommtssionskartetl in Vorschlag gebracht. Der stellvertretende Vorsitzende der sozial demokratischen Fraktion. Stadtverordneter Borgmann, hatte zunächst diesen Vorschlag angenommen. Später aber wurde seitens der sozialdemokratischen -Stadtverordnetenfraktion den Herren Preuß und Genossen »ine schlanke Absage erteilt. — Einen weiblichen Waisen-Jnfpektor wird die Stadt Berlin demnächst zum ersten Male anstellen. Der Dame soll die Ausgabe zufallen, die vielen von der Stabt Berlin in den Provinzen in Privalpfleg« gegebenen Waisenkinder zu besuchen und sich um ihr Wohlergehen zu bemühen. Bisher lag diese Arbeit allein in männlichen Händen. Die Wahl ist auf Fräulein Charlotte v. Trebra gesallen, die sich bereits in der städtischen Waisenpflcge bewährt hat. — Eine allgemeine Studentenversammlung der Tech- nifchen Hochschule in Berlin hat zwei telegraphische Kund gebungen an die Rektoren der Universitäten Prag und Wien gesandt, indem sie den dortigen deutschen Kommilitonen ihren Glück wunsch zu dem mutigen und entschlossenen Auftreten im Kamvfe des Leuücbtums gegen die Tschechen ausspricht, und erklärt, die ganze deutsche Studentenschaft fühle sich in dem schweren Kamvfe, den da« Deutschtum dort zu bestehen habe, ein« mit ihren deutschen Kommilitonen. — Pan Korfanty ist in Berlin Gegenstand einer begeisterten Ovation gewesen. Er hatte in einer Versammlung im Stadtteil Moabit über „die Wiedergeburt de» Polenium«' gesprochen und nun begab sich — wie ein Berichterstatter erzählt — was folgt: „Dutzende von Hochrufen auf korfanty erschollen, alte Leut« küßten ihm die Hand, Kinder wurden zur Rednertribüne empor gehoben, man lärmte und jubelte und prce« in begeisterten Worten den jungen Abgeordneten, der zum ersten Male m einer Berliner Bolttveriammlung austral, al- Wiedererweckrr und Retter de« Polrntum«." L«. Posen, IS. März. Nach mehrmaliger Vertagung fand heute vor der Strafkammer des hiesigen Königlichen Landgerichts d«r Prozeß gegen den Chef redakteur -er „Posener Zeitung" Hans Schack und die beiden polnischen Redakteure DeSperak und v. PolewSki wegen Beleidigung der Beamten der Königlichen Ansiedelungskommtssion statt. Redakteur Hans Schack hatte in einem Artikel mit der Ueberschrift „Der Fall Biedermann und seine Lehren" am 18. November 1908 die gesamt« Polenpolittk der preu- ßischcn Regierung auf das heftigste angegriffen und be- hauptet, daß diese mit ihren Ostmarkenzulagen nur die Beamtenschaft korrumpiere. Er beschuldigt Beamte der Ansiedelungskommission und Les Posener Polizeipräsi- diums, dem polnischen Güteragenten Biedermann vertrauliche Mitteilungen gemacht zu haben und kommt zu dem Schlüsse, daß die durch die Ostmarkenpolttik her- vorgerufene Jagd nach Geld und Prämien alle Bevölke- rungskreise demoralisiere und untauglich mache, den Kampf mit geistigen Waffen zu führen. Die deiden pol nischen Redakteure Desperat und v. PolewSki haben diesen Artikel im „Goniec Wielkvpolski" und im „Kuryer Pvznanski" wiedergegeben'und auch ihrerseits Bemerkungen daran geknüpft. Den Vorsitz in der heutigen Verhandlung führt Landgerichtsdirektor vr. Felümann, die Anklage vertritt Erster Staatsanwalt vr. Stainer, der Angeklagte Schack wirb vom Rechts anwalt vr. Kol len scher, die polnischen Redakteure werde» durch deu ReichstagSabgeordneten Nechtsanivalt v. C h o z a n o w s k i vertreten. Als Zeugen sind geladen der frühere Präsident der Kgl. Ansiedelungskommission Vr. v. Wittenberg in Kriedena« bei Berlin und der Rittergutsbesitzer S ch u l z-Rosengarten. Nur der letztere wurde vernommen und es ergab sich, daß -er An geklagte mit seiner Annahme, der Zeuge sei gewillt ge- wesen, sein großes im Wreschener Kreise gelegenes Gut in polnische Hände übergehen zu lassen, sich im Irrtum befunden hat. Die Nennung von Namen feiner Ge- währsmänner verweigerte der Angeklagte. Nach mehr als zweistündiger Beratung des Gerichtshofes verkündet der Vorsitzende das Urteil: Chefredakteur Hans Schack wird zu drei Monaten Gefängnis, die beiden angekiagten polnischen Redakteure zu je SO Geld strafe verurteilt. Der Artikel enthält n«ch der Begründung des Vorsitzenden schwere Beleidigungen der mittleren und unteren Beamten in der Ostmark. Der Angeklagte Echack sei Gegner der gegenwär tigen Polenpolilik der Regierung und mache andere Vorschläge. Er tue dies aber anknüpfend an den Fall Biedermann in einer Art, die schwere Beleidigungen der mittleren und unteren Be amten enthalte, denn er behaupte, daß xin? Anzahl von ihnen sich des SÜntsverbrechenS schuldig gemacht und der Bestechung zugänglich seien und zwar solle dies die Folge der Ostmcrrkcn- zulagen sein. Der 8 198 Str.G.B. könne dem Angeklagten Schack nicht zugebilligt werden; die Beleidigungen sind gröb lichster Art, einer ganzen ehrenwerten Klasse von B«amten werden hier die schmählichsten Vortvürfe gemacht und wenn auch Schack nicht wider besseres Wissen gehandelt haben mag, so sei er doch nicht imstande gewesen, irgend einen Beweis für seine Behauptungen zu erbringen, Den Chefs aller der Behörden in Posen, deren Beamte Ostmarkenzulagen erhalten, hem Ober präsident, dem Direktor des Provinzialschullollegiums, dem Polizeipräsident, dem Präsident der Ansiedelungskommission, dem Provinzialstcuerdirektor, dem Regierungs- und den: Eisenbafin- Direktionspräsident wird Publikationsbefugnis zugesprochen. * Kassel, 14. März. Der Etat Sau »schuß der hiesigen Stadtverordnetenversammlung hat folgenden Antrag gestellt: „Die Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen, den Magistrat zu ersuchen, zu erwägen, oh die Beschlüsse der städtischen Körperschaften vom 18. November bis 7. Dezember 1899, nach denen Steuerpflichtige mit einem Einkommen von nicht mehr als 900 von der Beitrag-Pflicht zgr Gemeinde-Einkommensteuer bis auf weiteres ent bunden sind, vom 1. April 1905 ab wieder aufzubeben sind." Es wird nun darauf ankommen, wie sich das Plenum der Stadtverordnetenversammlung und der Magistrat zu diesem Anträge des EtatsauSschusseS stellen. * Jena, 15. März. Die katholische farbentragende Verbindung legte gegen das Verbot des Farbentragens für konfessionelle Verbindungen seitens des Senats der hie sigen Universität Beschwerde bei den thüringischen Erhalter staaten ein. * WürtShofen, 15. März. Da» hiesig« Bürgermeisteramt ersucht die „Frkf. Ztg." um die Feststellung, daß Prinz Prosper Arenberg in den Jahren 1892 bis 1894 mehrmals in Wörisvofen weilte, daß aber weder seine Hausleute noch sonst jemand etwas von Orgien wissen, die der Prinz dort gefeiert haben soll. Die Er versprach es lachend und sah noch lange Zeit dem enteilenden Wagen nach. Unterwegs waren Dinko und Mirko anfangs von ganz ausgelassener Lustigkeit, je mehr man sich aber dem Ziele näherte, um so mehr lieb dieselbe nach. Es ging ihnen eben wie dem Feldherrn, den trotz des genialst an gelegten Planes und trotz des rechtzeitigen Aufmarsches seiner Truppen dennoch im Bewußtsein seiner großen Verantwortlichkeit vor dem Beginn der Schlacht eme ge wisse Bangigkeit ergreift. AIS sie an! GutShof von Tolina die lange Reihe der ausgespannten Fuhrwerke erblickten, da wurden sie in ihrer Zuversicht etwas fester, denn die- war doch ein un- trüglicher Beweis dafür, daß bis jetzt noch nichts ver raten war, und daß der Feind den ihm bevorstehenden Ueberfall, der zur bedingungslosen Kapitulation führen mußte, noch nicht ahnte. Die Ankunft der Stepenazschen Familie wurde von der Gesellschaft mit lautem Hallo begrüßt, denn nun erst glaubte ein jeder, sein Hiersein vor sich selbst entschuldigen zu können. Im allgemeinen Trubel fiel eS gar nicht auf, daß der Chef der Familie fehlte, und wem es auffiel, dec machte sich darüber keine weiteren Gedanken, überzeugt, er würde später mit dem Pfarrer kommen. Als es endlich zu Tische ging, hatte man darauf über- Haupt schon vergessen. Der Oberst, welcher die Hausfrau zur Tafel führte, wunderte sich nicht wenig und schaute sie ein um das an- dcre Mal groß von der Seite an, als sie sich von vorn- herein wegen des einfachen Mahles entschuldigte. „Wenn ich eine Ahnung von dem uns überraschenden Besuch gehabt hätte, würde ich mich ja natürlich genügend vorbereitet haben" — beteuerte sie, ganz echauffiert vor Aufregung — „aber Sie wissen ja selbst, daß man hier alles tagelang vorher bestellen muß, wenn man nur halb- wegS gerüstet sein will." Er wußte wirklich nicht, waS er darauf erwidern sollte, und murmelte unter verlegenem Lächeln ein paar nichts sagende Worte, die darauf hinauskamen, daß man ja nicht des Essens halber hier sei, sondern ... der Rest blieb ihr, aber auch ihm völlig unklar. Als man endlich Platz genommen, blieb er die längste Zeit schweigsam. Er konnte und konnte sich diese seltsame Komödie absolut nicht enträtseln. Schließlich sagte er sich, daß e- wohl eine Marotte diese- ohnehin nicht ganz verstaucht oder einen Nagel in die Nase getreten — er wird schon die Wahrheit herausfühlen, und das ist die Hauptsache." Aengstlich zögernd, schmiegte sich Ljubiza an ihn. „Vielleicht würde ihn gerade dein Mitkommen zur Nachgiebigkeit bestimmen" — bettelte sie — „sei lieb, Papa, du weiht doch .. . ." „Ich weiß alles, mein Kind, und wenn es sich um eine mir widerfahrene Beleidigung handelte, könnte ich mich vielleicht deinetwegen zum ersten Schritt entschließen" — entgegnete er ihr ernst - „da er sich aber so weit vergaß, einen Wehrlosen zu kränken, so wäre cs ein Sakrilegmm an unserer Freundschaft, wenn ich meinen alten Adame so leichten Herzens fallen ließe. Hat er erst mit ihm seinen Frieden gemacht, dann will auch ich ihm verzeihen, früher aber nicht. — Und nun fahret in GotteSnamen ab und laßt sie nicht länger warten, sonst brennt ihnen noch die Suppe an." Gern hätte Ljubiza noch etwas cingewendet, aber sie fühlte nur allzu deutlich daß der Vater gar nicht nach- qeben konnte; sie folgte einem Minke der Mutter und ging schweren Herzens nach ihren, Zimmer, sich besuchSfcrttg zu machen. Oben angelangt, weinte sie sich erst gehörig aus, dann wurde sie allmählich ruhiger und die frohe Aussicht, einen ganzen Tag in der Nähe des Geliebten weilen zu können, slnniutc sie schließlich sogar heiter. Nun beeilte sie sich, fertig zu werden, und als sie hinunter kam, zeigte sie dem Vater wieder ein freundliches Gesicht. „So ist's recht, mein Schatz" — sagte er mit herzlicher Innigkeit - - „freue dich stets des Augenblicks, laß dir ine die Freude am Gegenwärtigen durch das Grübeln über das Zukünftige vergällen, sonst kommst du dein Lebtag zu keiner frohen Stunde." „I, wo wird sie denn, sie ist doch kein Frosch" — meinte die Mutter im Einsteigen — „Gott sei Tank hat 1" ja mein Naturell und i wühl' wirklich uit, wann i mich je mit unnötiger Grübelei b'schäftigt hätt'." „Nein, das hast du tatsächlich nie getan" — bestätigte ihr Stepenaz lackend — „du warst nicht einmal bei un- serer Trauung ernst." „Na. 's war ja auch kein Leichenbegängnis" — repli- zierte sie lustig „und dann hab' i doch auch g'wußt, was für em'n guten Mann i krieg'. So, jetzt gibst mir schnell zum Abschied ein Busserl und führ' dich bi- zu unserm Wiederkommen auch recht schön brav auf!" regulär aufgezogenen Hausherrn sein würde, und be ruhigte sich dabei. Nach der Suppe — natürlich Hühnersuppe — machte er der Hausfrau ein pflichtschuldiges Kompliment. Auch das nächste Gericht — emgeschlagene Eier mit Sardcllcnsauce — zwang ihm noch eine höfliche Anerken nung ap. Nun aber erwartete er bestimmt einen Fisch; als je doch statt dessen Hühnerlcber mit Reis und dann Brat- Hühner und nach diesem Backhühner aufgetischt wurden, zog sich sein Gesicht immer mehr in die Länge. „Zum Teufel noch einmal" — fluchte er in sick hinein — „man sagt doch nicht Len Dienst ab, um dann derartig abgefüttcrt zu werden!" Eine plötzliche Pause in der allmählich in Gang ge kommenen Unterhaltung, ein Hin- und Herncigen der Köpfe, begleitet von überraschten „Ah's" erweckte plötzlich seine Aufmerksamkeit. Tie Neuigkeit, welche die Runde machte, wurde ihm nun auch von seiner Nachbarin zur Linken zugcflüstert. „Ljubiza hat sich mit Erich verlobt." Auch ihm entschlüpfte ein freudig überraschtes „Ah!" „Meine Gnädigste, ich gratuliere" — wandte er sich sofort an Frau von Höchstfeld — „ich gratuliere wirklich auf» herzlichste." Diese sah ihn ganz verdutzt an — nicht anders, als ob sie einen Narren vor sich hätte. „Ach so" — meinte er verständnisvoll schmunzelnd — „man darf noch nichts wissen — Ihr Gemahl hat sich die Ueberrasckung zum Sekt Vorbehalten!" „Ich begreife tatsächlich nicht . . ." „Pst, ich rede kein Wort mehr und habe nichts ge hört" -- beteuerte er, den Finger als Zeichen des Schweigens auf den Mund legend. Sie sah ihn von der Seite an und rückte unwillkürlich ein wenig von ihm ab. Der Oberst bemerkte eS gar nicht, da er sich mittler weile wieder seiner linken Nachbarin zugeneigt hatte, welcher er malitiös schmunzelnd zuflüsterte: „Haben Sie schon eine Verlobungsfeier bei Eiern und Hühnern erlebt?" „Das soll wahrscheinlich eine zarte Anspielung darauf sein, daß die Jungen unter den Fittichen der alten Gluck henne bleiben werden" — erwiderte diese ebenso leise. „Lu weh, dann können sic mir leid tun" — bedauerte der Oberst. Indessen war der Sekt angefahrn und alles wartete mit Spannung der kommenden Dinge. Als aber Herr von Höchstfeld nur mit wenigen Worten die Gäste leben ließ und sich dann wieder medersetzto, da hielt es der Oberst denn doch nicht länger aus, und mit dem Messer rücken an den Kelch klopfend, erbat ec sich allgemeines Gehör. „Meine Herrschaften, hochverehrte Damen und Herren" — begann er — „Sie wissen, und auch ich weiß es, daß wir noch nichts wissen dürfen, und diejenigen, die es wirklich wissen, wissen uns immer wißbegieriger zu machen und unserem Wissensdrang durch einen gewissen WisscnSzwang wissentlich neue Rätsel aufzugeben. Meine Herrschaften, ich bin nicht allwissend, da ich ja kein Diplo mat , sondern nur ein einfacher Reitersmann bin, aber eines weiß ich sicher, daß uns unsere liebenswerten Wirte nicht zu sich entboten haben, um uns wieder in Unwissen heit scheiden zu lassen und deshalb und diescrhalb erlaube ich mir, ihre liebenswürdige Einladung zu einem intimen Familienfest dahin zu interpretieren, daß es wohl am an- gebrachtesten ist, unser Glas auf das Wohl des glücklichen — Brautpaares zu leeren. Es lebe hoch, hoch und noch einmal hoch!" „Hurra, hoch, Zivio!" tönte es bunt durcheinander, und alles drängte zu Ljubiza und Erich, die in gräßlichster Verlegenheit dasatzen und gar nicht wußten, wie sie sich dazu verhalten sollten. Frau von Höchstfeld war einer Ohnmacht nahe und warf ihrem Gatten, von dessen Zorn sie das Aeutzerste befürchtete, ängstlich-flehende Blicke zu. Blaß wie der Tod. mit blutleeren Lippen, aber mit einer Rübe, deren sie ihn in solch' einem Augenblick gar nicht für fähig gehalten hätte, erhob er sich endlich und bat umS Wort. Tiefes Schweigen folgte seiner Aufforderung. Mit den Händen krampfhaft die Stuhllehne um klammernd, stand er da — nicht wie einer, der für di« freudige Teilnahme an seinem und der Seinen Glück danken wollte sondern wie ein Richter, der sich anschickte, furchtbar Gericht zu halten. (Fortsetzung folgt.)
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