02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040324022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904032402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904032402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-24
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Anzeiflen-Vrei» die «gespaltene Petitzcile 25 Reklamen unter dem Redaktion-flrich (»gespalten) 75 nach den Famitirnnach« richten (6 gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtenannahme 25 Extrn-Vktlagen (gesalzt), nor mit da Morgen-Au-aabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. «nnahmeschlutz für «njeigen: Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmütag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Polz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kltulhardt). Nr. 153. Donnerstag den 21. März 1904. 98. Jahrgang. va» Wchtigrte vom lag«. * Die Erste Kammer des sächsischen Landtages bewilligte 325 000 für den Seminarneubau in Leipzig. * Ueber die Gesundheit des Kaisers werden in französischen Blättern ungünstige Nachrichten verbreitet, die nach Berliner Meldungen jedoch absolut unzutreffend sind. * Der bayerische Justiz Minister gedenkt Ende dieser Woche in Berlin einzutreffen, um mit ver schiedenen massgebenden Persönlichkeiten der Reichsver waltung Besprechungen zu haben. In erster Linie kommt es ihm darauf an, bayerische Wünsche für die Aufgabe geltend zu machen, bei der es sich darum handelt, eine EntlastungdeSReichsgerichts herbeizuführen. * Als Termin für die Einbringung des Gesctzent- Wurfs für die Reform des Strafprozesses bei den gesetzgebenden Körperschaften ist das Jahr 1906 anzu- sehen. Vie Zeruileuttage in Oer Zchlveir. Man schreibt uns auS Bern, 22. März: Die Auf- Hebung des § 2 des deutschen Jesuitengesetzes hat allem Anschein nach auch für die Schweiz nachteilige Folgen. Zwar wird am tatsächlichen Zustande der Jesuitenfrage wenig geändert, dagegen wird in klerikalen Kreisen die Propaganda für die Aufhebung des Jesuitenverbots kräftig einsetzen und das Land beunruhigen. Die Schweiz zählt bei 3 313 817 Einwohnern 1 918 197 Re formierte, 1 383 135 Katholiken und 12 551 Israeliten, ist also in Wahrheit reformiert und gerade in den Kreisen und Landgebieten jesuitenfeindlich, welche zu den ökono misch starken Gebietsteilen der Schweiz gehören. Dieses Uebergewicht der Reformierten ist ein fester Damm gegen die erneuten Jnvasionsversuche der Jesuiten, und es unterliegt keinem Zweifel, daß er auch allen Provo kationen und Eingriffen der klerikalen römischen Kreise standhalten wird. Aber ein hitziger und vergifteter Kampf wird nicht zu vermeiden sein. Tas schweizerische Jesuitenverbot ist in der schweizerischen Bundes verfassung, nicht in einem Gelegenheitsgesetz, niedergelegt. Art. 51 lautet: „Der Orden der Jesuiten und die ihm affiliierten Gesellschaften dürfen in keinem Teile der Schweiz Aufnahme finden, und es ist ihren Gliedern jede Wirksamkeit in Kirche und Schule unter sagt. Dieses Verbot kann durch Bundesbeschluß auch auf andere geistige Orden ausgedehnt werden, deren Wirk samkeit staatsgefährlich ist oder den Frieden der Kon fessionen stört." Feuilleton. Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. Nach, ruck verbot»«. Haus Mainwaring. In die Privatgeschäftszimmcr des New Vorker Bank hauses Mainwaring L Co. drangen durch alle Ritzen und Spalten der hcrabgelasscnen Fensterjalousien die sengen- den Sonnenstrahlen eines schwülen Julinachmittags. Die dünnen Lichtpfeile verliehen den mit allem Luxus aus- gestatteten, sanft abgetönten Räumen eine glühende Farbenpracht. In einem der Gemächer sahen vier Herren, von denen drei sich auf den ersten Blick als Engländer kennzeichneten, der vierte den Amerikaner verriet. Letzterer war ein Mann in mittleren Jahren von schlanker Gestalt und vertrauenerweckendem Gesicht mit durchdringenden Augen, die auf Verstand und Scharfsinn deuteten. Er verhielt sich ziemlich schweigsam, hörte aber dem Gespräche um so aufnierksamer zu. Dieses wurde hauptsächlich von Hugh Mainwaring, dem Chef der Firma Mainwaring L Co., geführt, der neben einem Schreibtische von Roscnholz sah, dessen Pein- liche Ordnung auf eine gewisse Pedanterie des Besitzers schlichen lieh. Anzug und Wesen des Bankiers zeigten den feinen Weltmann. Er war eine grohe, kräftige Er scheinung mit dunklem, graumeliertem, kurzgcschnittenem Haar. Das Gesicht war glatt rasiert, seine ziemlich blasse Farbe stach aber gegen das frische Aussehen seiner drei Gesellschafter erheblich ab und machte die duntelgraue«. kalten, berechnenden Augen, die zuweilen einen stahl artigen Glanz qnnahmen, besonders auffällig. Wenn auch nicht uninteressant, war das Gesicht doch durch die auf ihm ausgeprägte Leidenschaftlichkeit und den Ausdruck von Eigenwillen und Härte nicht gerade angenehm. Vor ihm, in nachlässig bequemer Haltung, halb hinge- streckt auf einer Chaiselongue und bedächtig eine feine Havanna rauchend, lag Ralph Mainwaring, ein Detter aus London, der Typus eines hochmütigen, egoistischen Geldmannes. Obgleich seinem Detter Hugh im Alter nur zwei Jahre nachstehend, sah er doch bedeutend jünger aus, da er etwas zur Korpulenz neigte und sein Haar, sowie sein starker englischer Backenbart noch nicht mit Grau gemischt waren. . Diese schützende Bestimmung der Bundes verfassung ist eine Frucht des SonderbundskriegeS, jenes Bürgerkrieges, der im Jahre 1847 die Schweiz zu zer trümmern drohte und eine vielhundertjährige Geschichte rühmlos zu zerschlagen schien. Dieser heillose Bruder kampf führte auf jesuitische Einflüsse zurück, welche kurz vorher in Luzern Einzug hielten und den konfessionellen Kampf entfesselten. Man beschwor Luzern, als Vorort der katholischen Kantone, die Jesuiten wieder auszu weisen, allein Luzern trotzte, und da es auf seinem Standpunkte verharrte, mutzte das Schwert entscheiden. Die sieben katholischen Kantone, die sich zu einem Sonder- bund verbanden, unterlagen, die Jesuiten flüchteten, und als dann der Bundesvertrag von 1815 aufgelöst und durch die erste Bundesverfassung von 1848 ersetzt wurde, wurde das Jesuitenverbot verfassungsmäßig festgelegt. Seit her hat man an diesen Grundlagen schon oft zu rütteln versucht, allein alle Anläufe prallten an diesem Grund- und Eckstein der Verfassung erfolglos ab. Auch dem jetzigen reaktionären Kampf wird ein besseres Los nicht beschicken sein, da die Stimmung im allgemeinen den Jesuiten nicht günstig gesinnt ist und zur Streichung oder Aenderung dieser Verfassungsbestimmung die Sammlung von 50 000 Unterschriften und eine Volksabstimmung nötig sind, wodurch jede Hoffnung auf Erfolg von vorn- herein vereitelt wird. Aber, wie gesagt, ein heftiger Kampf wird uns nicht erspart bleiben, der die konfesüo- ncllcn Gegensätze verschärft, das friedliche Zusammen leben der Angehörigen aller Konfessionen erschwert und die Interessen und die Wohlfahrt der Allgemeinheit em- pfindlrch schädigt. Der russisch japanische Krieg. Gerüchte. Mehrere Perliner Moracnblätter bringen heute die noch unbestätlgte Meldung, nach der am 18. d. M. außerhalb von Port Arthur eine Schlacht stattgefunden habe. Ein großes russisches Schlacht schiff sei von den Japanern in Grund gebohrt worden. Der ..Standard" meldet aus Tokio: Hier liegt keine amtliche Bestätigung dieser von verschie denen Zeitungen gebrachten Meldung vor. Japanische» j-arlanient. * Tokio, 23. März. (Reuter.) In der Kammer er klärte Ministerpräsident Graf Katsura, die Einberufung deS Parlaments in diesem Augenblicke sei in der Geschichte de? Landes ohne Beispiel. Er halte es für eine große Ehre, mit den Deputierten die Pflicht zu teilen, die edle Politik des Kaisers aufrecht zu erhalten, die dahin gehe, dauernden Frie den im fernen Osten herzustellen und die Stellung deö Reiches adurch zu stärken, daß man die freundschaftlichen Beziehungen u den großen Mächten festige und die legitimen Rechte wahre. Der Ministerpräsident rechtfertigte sodann das Vorgehen Japans Den Kreis schließend, saß in einem großen Lehnstuhle, den er mit sichtlichem Behagen ausfllllte, William Main- waring-Thornton, ein entfernter Verwandter der beiden Vettern, ebenfalls aus London. Er mochte anfangs der vierzig stehen und war ein Blondin vom reinsten Wasser, mit einem am Kinn geteilten weichen Backenbart, dessen seidige lange Spitzen seitwärts gebürstet waren. Ganz im Gegensätze zu den eben Geschilderten bot er ein Bild des Frohsinns, der Gutmütigkeit und heiteren Laune und schaute aus seinen klaren Augen mit der Offenheit und Ehrlichkeit eines Kindes. Tie Mainwarings waren eine in England alteinge sessene, reich begüterte, in mehrere Linien geteilte Familie. Hugh vertrat als einziger Erbe seines vor fünfundzwanzig Jahren verstorbenen Paters die älteste Linie, hatte aber bald nach Ucbernahme der Erbschaft das seit vielen Gene rationen der Linie zugehörige und mit Pietät erhaltene alte Stammgut der Mainwarings, trotz alles Einspruchs der Verwandtschaft, verkauft und war nach Amerika über gesiedelt. Hier hatte er das Bankhaus gegründet und durch Spekulationen von phänomenalem Erfolge sein Erbe zu einem immensen Reichtum vergrößert. Der konservativere Ralph, der als Senior der nächst älteren Linie über den Verkauf des Gutes am meisten aufgebracht war, hatte gleichwohl, als ihm ein Sohn ge boren wurde, in weit voranssehender Berechnung dem Vetter das freudige Ereignis mit der Bitte um Annahme einer Patenstelle angezeigt und dann bei der Taufe dem neuen Stammhalter den Namen Hugh gegeben. Die Verpflanzung dieses Namens auf den Zweig seiner Fa milie aeschah in der Hoffnung, daß der Vetter nie heiraten und einst sein Patenkind zu seinem Universalerben machen würde. Erfüllte sich der Wunsch, dann wollte er den alt ehrwürdigen Stammsitz der Maintvarings für sein Haus zurückcrwerben und diesem damit neuen Glanz verleihen. Jetzt, nach mehr als zwanzig Jahren, sollte sein un ablässig verfolgter Plan in das erste Stadium der Ver wirklichung treten. Detter Hugh hatte aus Anlaß seines bevorstehenden fünfzigsten Geburtstages und der damit falt gleichzeitig zusammcnfallendcn Großjährigkeit von Ralpbs Sohn eine Wiedervereinigung mit seinen Der- wandten herbeigefübrt. Er hatte diese zur Feier seine« Geburtstages einaeladen und dabei angezeigt, daß er gleichzeitig sein Patenkind, Hugh, feierlich zu seinem Erben einzuscben beabsichtige. Dies bildete den Gegenstand der Besprechung der Versammelten, und Hugh schloß, indem er mit einem Seufzer der Erleichterung sagte: „Ich bin herzlich froh, daß die Sache nun endlich abgemacht ist, sie bat mir lange auf der Seele gelegen und ist schon öfter zwischen mir und I gegen Rußland. — Der Minister deS Aeußern Komura legte I der Kqmmer den vollständigen Wortlaut der diplomatischen I Korrespondenz mit Rußland vor. weitere Nachrichten. * Shanghai, 23. März. (Reuter.) Der bei Wusung liegende japanische Kreuzer bleibt noch dort, da die Ruffen ihr Versprechen, das Kanonenboot „Mandschur" gefechts unfähig zu machen, noch nicht erfüllt haben. * San Remo, 23. März. Agenten der russischen Regierung haben in Genua, Marseille und Nizza Ver handlungen über den AnkaufvonTransport schiffen angcknüpft. Eine große französische Gesellschaft hat vier große Schiffe zu 40 Millionen Franken zum Verkauf angeboten. * Blagowestschensk, 23. März. Das Rote Kreuz beab sichtigt, hier ein Lazarett für 1200 Betten einzurichten. * Santiago de Chile, 23. März. (Meldung der Agence Havas.) Der hiesige Vertreter des New Yorker Kaufmanns Flint, der während des letzten chinesisch-japanischen Krieges eienn chilenischen Kreuzer gekauft und dann an Japan weiier- gegeben hat, erklärt heute, Flint habe die beiden chilenischen Kriegsschiffe „Capitan Prat" und „Chacabuco" unter Vor behalt der Genehmigung durch die Kammern angekauft; er habe gleichzeitig das Versprechen gegeben, die Schiffe nicht an kriegführende Staaten zu verkaufen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. März. Das Befinden des Kaisers. Eine Meldung des Pariser „Temps" von derReise desKaisers enthält die Angabe, daß die Stimme des Kaisers heiser sei. An maßgebenden Stellen Berlins weiß man, daß das Befinden des Kaisers vortreff lich ist; sollte also der Kaiser wirklich im Verlaufe der Reise an Heiserkeit gelitten haben, so könnte es sich nur um eine vorübergehende und bedeutungslose Heiserkeit gehandelt haben. Ta auch der „Temps" die Gesundheit des Kaisers ausdrücklich als „excellent" bezeichnet, können sonstige französische Meldungen über eine beim Kaiser vorhandene Heiserkeit als erledigt gelten. Die Angelegenheit deS amerikanischen Konsuls vr. Harris ist nun auch der Form nach in wünschenswerter Weise erledigt, vr. Harris hat nämlich nunmehr s e l b st, wie die „Geraer Zeitung" eingehend berichtet, die ameri kanischen Zeitungsberichte über seine Chicagoer Vorträge für erfunden erklärt. Herr vr. Harris gab vor dem Bürgermeister zu Eiben st ock, seinem Amtssitze, zu Protokoll, daß er nachdrücklich gegen die Zumutung Einspruch erhebe, durch irgendwelche Aeußerung oder Handlung auch nur den geringsten An laß für jene Zeitungsmitteilungen geboten zu haben. Ten wahren Sachverhalt hätte er durch einen Ausschuß seiner studentischen Zuhörer schriftlich festlegen lassen, außerdem habe die Universität von sich aus eine amtliche Untersuchung eingeleitet, die seine Unschuld ergab. Diese Fcstcllungen der Universität und der Studentenschaft hat vr. Harris, nachdem das Auswärtige Amt der Vereinigten Herrn Whitney erwogen worden." Hierbei machte er eine leichte Kopfbeweguna gegen den vierten Herrn, der sein Sachwalter und juristischer Ratgeber war, und fuhr dann fort: „Wir waren beide von der Notwendigkeit überzeugt, daß ich mein Testament aussctzen müsse, und ich würde das auch schon längst getan haben, wenn ich nicht den jetzigen Zeitpunkt hätte abwarten wollen, der mir zur endgültigen Feststellung meiner Bestimmungen am geeignetsten schien. Nun, denke ich, ist alles in befriedigender Weise geregelt, und morgen wollen wir das Dokument ausfertigen und gerichtlich bestätigen lassen." ..So hast du keinerlei abergläubische Furcht davor, dein Testament zu machen?" bemerkte Thornton. „Nein", entgegnete Hugh ruhig, „ich befürchte durch aus nicht, daß das mein Ableben beschleunigen wird: aber sollte ich wirklich bald sterben, so würde es mir Befricdi- gung gewähren, die Bestimmungen über mein Vermächt nis getroffen zu haben und zu wissen, daß nur jene von meinem Tode Vorteil ziehen, die ich dazu für berechtigt halte." Ralph blickte den Detter durch die halb geschlossenen Lider forschend an. „Ich bin der Meinung", bemerkte er scheinbar gleichgültig, „daß dein einstiger Nachlaß selbst ohne Testament meiner Familie, als deiner nächsten Ver- wandtschaft, zufallen müßte." „Gewiß, deine Familie würde für die gesetzliche Erbin gelten", erwiderte Hugh, indem er mit seinem Sachwalter einen Blick tauschte, „du vergißt aber, daß ich naturali- sierter Amerikaner bin und hierzulande jeder beliebige Abenteurer auf Grund vermeintlicher Rechte Ansprüche ans den Nachlaß erheben kann. Es ist mir deshalb eine große Bcruhiaung, die Sache jetzt nach meinem Willen ge ordnet zu haben." „Versteht sich", stimmte Ralph bei, „und ich für meine Person bm mehr als bereit, alle meine Rechte dem Jungen abzutreten; ebenso, denke ich, wirst auch du, Thornton, um Ediths willen, keine Eimvendungen machen." ,.J Gott bewahre, sollte mir einfallen", lachte der An geredete lustig. „Ich habe deinen Hugh niemals für einen schlechten Schwiegersohn gehalten, und jetzt wird er nur noch anziehender." Tie kleine Uhr auf dem MarmorstmS des Kamins schlug vier, was bei allen eine Bewegung der Ueber- raschuna hervorrief. „Ich hätte nicht gedacht, daß es schon so spät wäre!" rief Thornton, während Hugh, einen elektrischen Knopf berührend, sagte: „Ja. die Sache hat uns viel länger auf gehalten als ich dachte. Ich will dem Bureauvorstcher nur noch einige Anweisungen geben, dann wollen wir gleich nach Hause." Staaten sie beglaubigt, dem deutschenBotschafter in Washington oorgclegt. — Wie aus den vorstehen den Angaben sich ergibt, hat vr. Harris persönlich die Schritte getan, die zur Aufklärung der öffentlichen Mei nung Deutschlands nötig waren. Je nachdrücklicher wir solche persönlichen Erklärungen des Herrn vr. Harris als erforderlich bezeichneten, um so bereitwilliger erkennen wir das loyale Verhalten des Herrn vr. Harris an. Möge er an seinem Amtssitze Eibenstock, fern von der gelben Presse, in Zukunft vor deren nichtsnutzigen Verleum dungen verschont bleiben! Ein wankendes Ministerium. Mit Herrn Combes geht es zu Ende. Sein Ka- binett liegt in den letzten Zügen. Von allen Seiten er folgen Vorstöße gegen ihn und Niederlage reiht sich an Niederlage. Zwar sind diese Niederlagen nicht gerade prinzipieller Natur, und sie fordern nicht gebieterisch, daß der Ministerpräsident zurücktritt, aber sie zeigen deutlich, daß der „Bloc", auf dem die ministerielle Politik bisher ruhte, ein Koloß mit tönernen Füßen ist. Combes klebt jetzt an seinen« Amte: er hofft , mit dem Schiff, auf welches er die Abschaffung des Ordensunterrichts ver frachtet hat, noch den rettenden Hafen zu erreichen. Aber auch dies ist fraglich. Die beiden Hauptgegner sind Toumer und Millerand. Millerand, der ehemalige Minister und später ausgestoßene Sozialist, ist ganz ur plötzlich aus einem Hinterhalt hervorgebrochen und hat Herrn Combes den Vorwurf gemacht, daß er durch den Kampf gegen die Kongregationen hypnotisiert sei und daher alle andern Aufgaben, so besonders die Alters versicherung der Arbeiter, sträflich hintansetze. Darin hat Millerand sachlich ohne Zweifel recht. Der Kamvf gegen die Orden, der ja eine ungeheure Umwälzung bedeutet, hat begreiflicher Weise die Kräfte des Minister präsidenten völlig absorbiert. Mit Recht nennt Theodor Wolff, der geistreiche Pariser Korrespondent des „Ber liner Tageblattes", Combes einen Spezialisten. Aber aus Millerands Munde wirkt der Vorwurf der Untätig keit sehr drollig, denn Herr Millerand ist drei Jahre lang Minister gewesen, und die Sache der Arbeiterversorgung ist in diesen drei Jahren nicht einen Schritt vorwärts ge kommen. Des Pudels Kern ist also, daß Herr Millerand die „süße, freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens", im Kabinett nämlich, nicht länger missen möchte, und daß er daher den Angriff auf ein Gebiet ver legte, auf welchem er der geschlossenen Gefolgschaft der liberalen Parteien sicher zu sein glaubte. Doumer greift vor allem die Marineverwaltung an. Aber hier gilt da bäuerliche Sprüchwort: „Er schlägt den Sack und meint oen Esel." Daß Herr Pelletan von der Marine nichts versteht, ist klar, er gehört nicht an die Spitze der franzö sischen Marine. Aber dafür kann Combes nichts, sondern der Fehler liegt im System, nach welchem es möglich ist, die Leitung der Marine einem Manne zu übertragen, dessen ganze Erfahrungen am grünen Tische gesammelt worden sind. Von dritter Seite endlich wird die Ab schaffung der Missionärschulen im Auslande energisch be kämpft. Und auf diesem Gebiete bat Combes gestern eine Niederlage erlitten. Die Noviziate, in denen Lehrkräfte für die Missionärschulen in den Kolonien ausgebildet werden, sollen auch in Zukunft bestehen bleiben. Jeder Kaum hatte er ausgesprochen, als sich geräuschlos eine Tür öffnete und ein Mann von mittlerem Alter erschien. „Parsons", redete ihn der Chef in geschäftsmäßig trockenem Tone an, „ich fahre nach Schönciche und werde, falls nicht etwas ungewöhnlich Wichtiges meine Anwesen heit erheischt, zwei oder drei Tage nicht in die Bank kommen. Weisen Sie jeden, der mich geschäftlich sprechen will, an Herrn Elliot oder Herrn Chittenden; für Privat besuch bin ich in Schöneiche zu finden." Der Bureauvorstcher verbeugte sich steif und zog sich nach einigen weiteren Derhaltnngsbcfehlen wieder zurück. Hiernach sich seinem Sachwalter zuwendend, fuhr der Hausherr — gleichzeitig auf einen anderen elektrischen Knops drückend — fort: „Whitney, Sie kommen natür lich mit nach Schöneiche, mein Sekretär wird mich auch be gleiten. Wir wollen das Testament morgen abfassen, und dann erweisen Sie mir die Ehre, am folgenden Tage an der Feier meines Geburtstages teilzunehmen." „Stehe ganz zu Diensten, Herr Mainwaring", ant wortete der Sachwalter; „aber wäre es nicht besser", setzte er im Flüstertöne hinzu, um nickt von dem eben eintreten- den Geheimsckretär gehört zu werden, „wäre eS nicht besser, das Testament hier in Ihrem Geschäftszimmer auszulertigen? Meine Anwesenheit in Ihrem Hause, gerade setzt, könnte an gewisser Stelle Aufmerksamkeit er regen und Argwohn erwecken." „Ack was, mag das immerhin sein!" entgegnete der Bankier plötzlich erregt, aber ebenfalls flüsternd, „ich habe alle meine Privatpapiere zu Ganse, und es ist mir lieber, dort die Sacke zu Ende zu führen. Ich denke doch, daß ich noch Herr in meinem Hause bin!" Herr Whitney verbeugte sich stumm, und Hugh sagte zu seinem Geheimsekretär: „Herr Skott, verschließen Sie hier alles und dann machen Sic fick bereit, mit mir nach Scköneiche zu fahren; wir werden dort zwei bis drei Tage bleiben." Es war nicht das erstemal, daß der Sekretär seinen Prinzipal nach dem prachtvollen vorstädtischen Wohnsitze begleitete. Trotz des nach seinem Eintritte leise geführten Gespräches hatte er dock jede- Wort verstanden und wußte also, warum er mitgenommen wurde. Er tat, wie ihm befohlen worden, und verließ dann gleich wieder da- Zimmer, um seine Vorbereitungen zu treffen. Aus irgend einem Grunde, dessen Erklärung zu suchen Hugh sich niemals die Mühe gegeben hatte, gewahrte er seinem Geheimsckretär stets mehr Achtung und Rücksicht als irgend einem anderen seiner zahlreichen Beamten. Harry Skott war ein junger Mann von vorzüglicher Erziehung und vollendeten Formen. Was sein Prinzipal aber an ihm besonder- schätzte, war eine gewisse, in feinem
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