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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040325018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904032501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904032501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-25
- Monat1904-03
- Jahr1904
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Morgen-Ausgabe Nr. 154. Freitag den 25. Mcirz 1904. 98. Jahrgang. MMer.TaMM Anzeiger. Ämtsökatt -es ÄSnialichm Land- und -es Äöniglichrn AmtsaerlLks LeivUa -es Aares ««d -es Aokizeiamies der Lla-t Leipzig. Anzetgeu-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SS -«»LWSZ?«- LatzellNisch« »»tz «lffpr«tz«ch hoher. — tziebuhren sur Nächweilungs» MW Osfrrteuannahme Lb 'E , *u Psstbesow««, AL--. A»»atzm«schl»tz fst» »n»et««n: «ba»>-Au»gah«: »ormittag» 1v VH». aargs,-«nHs^ nqch-MhS» 4 M. ßntzWr m» tzstGzpchWq» -»MH«,. -.«ÄÄttAUü'NS- BezugS-Prki» 9» dar Lauptrxpedittou oder deren AllsgaLe- -elle, avaebolt: vierteljährlich 3.—, bet MStz»W tzst ßbrlgep Ander laut ZejtungSpreMsta. Mtz«M<> «mH ßstwetztsto«: IohnnntZgafi« 8. Fernsprecher 1KS ». AL Nst»lnw«tzttt«»r». Uffied Lah n.virchdanhla, Univerfitätlstr.» H«»pt-Ast«le Dresden r VarNnstrob« 84 Bern sprech er Amt! Nr. MV. HnnZt-Filtase Berlin: I» «lD « » ck « r.Herjg'.Bayr.tzofhuchhandla., Ätzowstraß» iOEernsprecherAmtVI Nr.töOS.) vsr lllicbligtte vsm csge. * Au« einer Auskunft des Humburger Senat« kann der überraschende Schluß gezogen werden, daß im Bundes« rat« nicht nur über » S, sondern auch über tz 1 de« Äasuitingasetze« abgesttmmt worden ist. * In der Berliner Stadtverordnetensitzung ist e« zu stürmische» Auseinandersetzungen zwischen den Sozialdemo krat« und de» übrigen Parteien gekommen, wobei die «st«r« grobe Schimpfworte gebrauchten. * Zur Famecker FriedbofSangelegenheit wird konstatiert, daß bereit« vor dem letzten Falle Protestanten auf dem yamecker Friedhöfe beerdigt worden find, ohne daß »»» bischöflicher Seite eingeschritten worden s«. * Die bekannte Kommunistin Louise Michel liegt in Tavlo» im Sterbe»; nach Privatmeldungen ist sie bereit« gestorben. Vie velrimpleng aer veedeechenr. Lon vr. jur. Richard Thurow. r. Die seit Jahren laut und immer lauter geforderte Reform unserer Strafgesetzgebung wird, wenn die An zeichen nicht trügen, in nicht allzu ferner Zeit die gesetz gebenden Faktoren des Reiches beschäftigen. Eine ansehn liche Zahl von Schriften über Strafrecht und diesem be nachbarte Gebiete haben der allmählich sich anbahnenden Reform vorzuarbeiten versucht: wieder ist der alte Kanrpf- ruf erschollen: hie Deterministen, bie Jndeterministen, und wie sonst die Schlagwörter der streitigen Kardinal fragen lauten mögen. Eine Frage ist es vor allem, ein Grundproblem, von dessen richtiger Lösung das Gelingen des Reformwerks ab hängt; eS heißt: Womit sollen wir da» Verbrechen bekämpfen? Auf den ersten Blick scheint die Antwort naheliegend: durch Androhung möglichst strenger Strafen und durch einen energisch durchgeführten Strafvollzug. Indessen, es genügt ein Blick in die Geschichte des Strafrechts, um den Glauben an solche Verbrechen-austilgendc Kraft schwerer Strafen zu erschüttern. Die ältesten Strafgesetze gingen von dem rohen Vergeltungsprinzip aus: Auge um Auge, Zahn um Zahn: der Geist der Rache waltet in ihnen, Genugtuung für die von dem Verbrecher gezeigte Mißachtung der Norm ist ihr alleiniger Zweck. Eine solche Physiognomie weist die Gesetzgebung des Moses auf, solchen Geist atmen die Vorschriften Drakons, dessen Name bis auf unsere Tage typisch für legislatorische Grausamkeit geblieben ist. Aber die unbegreiflichen Här ten dieser alten Gesetze verblassen vor dem Strafensystem deS Mittelalters, vor allem vor den grauenvollen Bar bareien der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. von 1533 (der sog. Larolin»), einem Werk, das sonst wegen so mancher trefflichen Gedanken Bewunderung verdient: die überwiegende Mehrheit der Delikte ist mit dem Tode be- droht, und das Gesetz enthält eine Fülle der scheußlichsten Lum Abonnement pro H. Quartal oäer pro Monat UprN 1904 »tir se» Mo»iU»-Ndoiwtmtnlrpfttr vo» M. 1.— d,» »bkolung (M. L— »rv tziwrwl), kür st» Mo»,t«.Ado»»t«t»ttprttr vo» m. I.rs bei freier ru.lettlmg (M. r.75 »rs V»,N»n' »e tägliche Morgrn- «»a vbr»sa«rgavr «er Leiprigrr kageblanrr emschUesslich ckrr «öckenttichen Vellage „NtuHertUNcken" licken vir alle unser« gesckätzlen kiesigen unä ausveirtigen Leser, cki» no<k nick« Abonnenten unsere» glatte» sinä, kierckurch treunckiichst «in. Von unserer neuen, cken Vorteil einer «ratsr-lvrenis» r« 2 «eile» -- Sü ff. pro Mosstr- u»a m. 1.SV pro 0>»n»is.nvo»»e«e»t -eväkrenäen kinricktung, «ockurch cker Kdonnemenloprei» kür lüor§en «nck Adensti»«»,,d, »z, in lllirklickkeit nur stellt S0 ?k. pk» M«»»1 (M. 1.S0 »k« V«»N»I) bei vdkoiung. au» 7L Pf. pro m»»»t (M. r.rs pro V»»N»I) bei kreier Zustellung in» Hau», ist in <l«n «eiten Kreisen unserer kiesigen unä aurvärtigen Leser ro reichlicher gebrauch gemacht vorse», ckesr vir «tisse» System ,ur 8rl«ick»t«run- kör unser« -«»«bilrten Abonnenten ferner deibekslten. Ein« r ps.-postkart« an uns oäer münälichr kestellung in unseren Erpeäitionen, Ausgabestellen, bei äen Lritungr- speäiteuren oäer unserem Lrägerpersonal genügt, um äie sofortig« Zustellung äes Leippger Lageblattes ,u bewirken. — Mir bitten unsere geehrten Abonnenten «lringencl, von «tvs vorteommencken Unpünktlichkeiten in «ter rustellung «les Leipziger rsgedlstte» dekuk» schneller »dkilf« gefällig»« umgekenck unser» Etepeclirion, Johsnnisgsss« S, zu benachrichtigen. Üb' Hilt vsm 2V. MSrr ad neliblArimetenar Hbo«»e«trn erkalte» vo« aiere» cage ad »nrer Sian i« täglicher Morst«.«. )tve»as«tgade dir 1. April gratlr r»-er»»at. ' brpeäition äs« Leipziger ^agsblatts» Jokannisgsss« 8 (femsprecker rar). MFMer^ Verschärfungen dieser Strafe, wie die Anwendnng glühender Zangen, Abhacken von Gliedmaßen, Pfählen, Sieden in Oel usw. Den Geist dieses Gesetzes kennzeich- net z. B. Art. 131, der im Eingänge als gewöhnliche Strafe für Kindestötung durch die Mutter (8 217 N.-Str.-G.-B.) lebendig Begraben und Pfählen vor- schreibt und dann fortfährt: „Aber darinnen verzweisfe- lung zu verhütten, mögen dieselben übelthätterinn, inn welchem gericht die bequemlichcyt des Wassers darzn vor handen ist, ertrenckt werden " Auch die neuere Zeit weist drakonische Gesetze auf: ein preußisches Edikt von 1723 verhängt für vorgespicgelte Zahlungsunfähigkeit den Tod. Ein Edikt von 1725 befiehlt, alle im Lande be troffenen Zigeuner zu strangulieren. Ein noch eigen tümlicheres Sittengemälde jener Zeit bietet eine Verord nung von 1739 dar, in welcher es heißt: „Wenn ein Ad vokat oder Prokurator, oder ander dergleichen Mensch sich unterstehen wird, Sr. K. Majestät in Prozeß- oder Gnadensachen immk-äiaw Memoriale einzureichcn ... so wollen Se. Majestät alsdann einen Solchen ohne alle Gnade aufhängen und neben ihn einen Hund hängen lassen." Die österreichische sog. Dk«re-,inn» von 1768 war ebenfalls ein blutrünstiges, mit den Bildern scheußlicher Folterarten ausgestattetes Werk: auch die lange Reihe der übrigen deutschen Partikulargesetzo wies Härten und Grausamkeiten auf, die heute ungeheuerlich erscheinen. Was bezweckten nun alle diese Gesetze mit der An drohung so furchtbarer Strafen, mitunter sogar für ge- riugfügige Vergehen? Sie wollten abschrecken und auf diese Weise Verbrechen verhindern. Ihr Grund- gedankc kulminiert in der Feuerbachschcu Theorie des psychologischen Zwanges: die Lust, die der Verbrecher von der Begehung der Tat erhofft, soll zurückgedrängt, ver nichtet werden von der stärkeren Unlust, welche die Ver gegenwärtigung der entsetzlichen Folgen in ihm hervor ruft. Die Strafen der Gegenwart sind unendlich milder als die der früheren Gesetze; wir haben längst die Dergel- tungstheorie über Bord gsty-rfey: die Strafe soff picht nur Genugtuung für dz? Auflehnung gegen den in der Norm zum Ausdruck kommenden Allgememwillen bilden, sie soll auch bessern. Aber gleichwohl zeigt das geltende Strafensystem deutlich, daß es des AbschreckungSzwsckes nicht entraten zu können glaubt. Ist aber die Abschreckung überhaupt ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Verbrechen»? Die Antwort kann nicht anders als verneinend auSfallep. Auch die drakonischsten Gesetze haben die Verbrechen nicht aus der Welt geschafft, ja man kann ahne Uebertreibunq sagen: je härter die Strafen waren, desto zahlreicher und scheuß licher waren die Verbrechen. Niemals war die Landstraße unsicherer, Mord, Raub und Brandstiftung alltäglicher, als unter der Herrschaft der fürchterlichen Strafen der Xsrolins; die genannten Edikte aus dem Anfänge des 18. Jahrhunderts haben weder den betrügerischen Bankerott, noch die Zigeuner, noch die Querulanten aus zurotten vermocht In England wurde noch bis tief in daS 19. Jahrhundert hinein jeder Dieb, jeder Schmugg ler gehenkt, und, um die abschreckende Wirkung »U er höhen, ließ man die Gerichteten an der Küste von Dover wochenlang am Galgen baumeln; aber niemals wurde in England so viel gestohlen und geschmuggelt, als zu jener Zeit. Ein Edikt Ludwig- Uli. von Frankreich, den die Wirkungslosigkeit der von seinen Vorgängern er lassenen Duellverbote verbitterte, bedroht« jeden Duallan- ten mit dem Strang: die Folge war, daß eine förmliche Duellepidemie ausbrach. In der Vorrede zu seinem „Vernier jour ä'nn oonäsinns", diesem flammenden Plai- doyer für die Abschaffung der Todesstrafe, erzählt Victor Hugo einen Fall, der die Theorie vom abschreckenden Bei spiel eigenartig illustriert: Am 5. März 1832, dem leb ten Tage des Karnevals, erschienen in St. Pol unmittel bar nach der Hinrichtung des Brandstifters Louis Camus eine Truppe Masken, die das von dem Blute des Gerich teten noch rauchende Schaffst umtanzten. Aehnliche widerliche Scenen, die als Folgen von schrecklichen Er eignissen auftreten, berichtet Heinrich v. Treitschke aus dem großen Brande Hamburgs. Diese Beispiele ließen sich ins Unendliche vermehren. Warum aber mangelt auch den grausamsten Strafen die abschreckende Kraft? Weil ihr häufiger Vollzug ab stumpft, weil selbst die Todesstrafe, wenn sie alltäglich verhängt wird, den Charakter des Außergewöhnlichen, Entsetzlichen verliert. Jedes Blatt der Geschichte der fran zösischen Revolution bestätigt dies. Es ist eine Binsen wahrheit, daß ein allzu starker Druck der Gesetze einen noch stärkeren Gegendruck der verbrecherischen Neigungen erzeugt. ES gibt wohl niemand, der nicht bei der Kunde von niederträchtigen Roheitsdelikten, Tierquälereien usw., die Anwendung körperlicher Züchtigung als Straf mittel wünschte: eine kurze Ueberlegung belehrt aber den Einsichtigen, daß man das Uebel damit noch schlimmer machen wiirde, denn die Prügelstrafe verroht, nicht nur Feuilleton. Wustk.' Ae««s Theater Antonie Tturm als Gast. Einem alten Herkommen gemäß gastierte am Mülwvch abend Frau Antonie Sturm vom Ltadttheater in Aachen in einer jener Rollen, die für die praktische Verwendbarkeit der gastierenden Künstlerin herzlich wenig bedeuten. Die rein auf die Koloratur angelegte Rolle der Margarethe von Baloi« in Meyerbeer« „Hugenotten" ill schwer und undankbar zugleich. Tie gewann selbst in der seelenvollen Behandlung des Gaste« nicht an Wahrhaftigkeit der Empfinduug. Frau Sturm deklamiert ausgezeichnet, so daß ihre Leistung da« Bedürfni« er weckte, die Dame in einer Rolle zu hören, welche auf den dekla matorischen Stil gestimmt ist. In Koloraturrollen wird sie doch nur gelegentlich auftreten. Es wäre also unverantwortlich, ihr gesamte« Können nach einer Nolle -u beurteilen, in der es vveifello« aar nicht zur vollen Entfaltung kommen konnte. Wa« die Künstlerin au, Mittwow bot, war im übrigen aller Anerkennung wert. Ihr ganze« Auftreten verriet Geschmack und echte- Künstlertum. Da« Organ ist umfassend und sorgsam gebildet. Nur die Höhe hatte hin und wieder «inen etwa« schrillen Beiklang, der aber auf einen durch Befangenheit verursachten Mangel an technischer Sicherheit zurückgeführt werden kann. Die Töne klangen warm und die Aussprache war durchweg befriedigend. Die guten Gesten der Künstlerin wurden durch eine schöne äußere Erscheinung und besonder« durch ein fein geschnittene«, frische« Dühnenaesicht vorteilhaft unterstütz. Wir werd«» hoffentlich bald Gelegenheit haben, die Künst lerür in einer modernen Rolle zu hören und glauben schon heut« ihrem Auftreten ein günstige- Prognostiken stellen zu dürfen. ' Paul Zsctwrlwk. s rte Hst«»enest»,crt» MitMie Aast vom D r e » b e n e r stbe<nrr erhielt nack> einem chairspiele am Altenburger tt he ater al« tzerlin« in ..tzra Diavolo' vom Herzog Trust ' «achsett-Llrenburs die silbern, Medaille kur Kunst und ffenschast «n-b«r Krone. 8 »s» Poffart amtsmüde 1 Dir „Münchener Neuesten Nach richten" schreiben: Intendant von Possart ist, wie in Tbeaterkreiscn bestimmt verlautet, amtS müde. Nach unseren Informationen trägt sich der Intendant tatsächlich mit Rücktrittsgedanken, ob aber ein EntlassunaSgesuch an allerhöchster Stelle jetzt Erfolg haben würde, ist eine andere Frage — Die Meldung klingt recht un wahrscheinlich. Professor start Udkl, der Schöpfer dcö bekannten Ndel- Ouartetts, war vor kurzem auf einer Konzertreise von einer so schweren Augenerkrankung befallen, daß er seine Reise unterbrechen und nach Wien zuriickkehren mußte. Die Erkrankung Professor Udels hat nunmehr leider zu völ liger Erblindung geführt, eine Tatsache, d,e gewiß bei allen Freunden lldel« und er besitzt deren nicht wenige — die schmerzlichste Teilnahme Hervorrufen wird. Kunst. AnnfthaU« V«y«r «n- Sohn. Ferdinand Mtllh. ES ist sonderbar, Mclly war ein geborener Leipziger, und doch hat man in Leipzig vielleicht am wenigsten von ihm gehört. Er ist seine eigenen Wege gegangen. Er hat sich seine Stoffe gesucht, er hat das Licht- und Farben- Problem mit einer bewundernswerten Konsequenz ver folgt, er hat sich eine, seinen Zielen angepaßte, höchst in dividuelle Technik geschaffen, er ist ein hochbegabter, ein genialer Künstler gewesen, und doch hat man gerade in seiner Vaterstadt nicht viel davon gewußt, oder davon wissen wollen. Im Mai 1863 wurde er als Sohn bei Justizrates Melly in Leipzig geboren. Er war von Hause au« ^Jurist, er umr als solcher schon eine Zeit lang als Referendar tätig und hat sich dann erst ganz der Kunst gewidmet. In Dresden studierte er bei Pohle, ,n MijnckM bei Fehr. In Paris haben die Werke des wild genialen Manet und oeffen Glaubensgenossen befruchtend auf seine Künstlersekle gewirkt, in München, wo er leider zu früh, am 28. September 1903, als 41 jähriger ge storben ist, sollte seine Kunst zu ihrer Reife gelangen. Allerdings war der Künstler noch nickst dort angckommen, wohin er mit aller Energie eines geborenen Maler« strebte. — Alles, wa« er mit dein Buntstift erreicht hatte, m gleicher Vollkommenheit auch mit dem Pinsel tvicder- zugeben, das ist ihm durch die Voreiligkeit des unerbitt lichen Todes versagt geblieben. Beyer und Sohn haben sich ein großes Verdienst mit dem Arrangement der Kollektiv-Ausstellung von Werken Ferdinand Mellys erworben. Sie ist geeignet, den Maler, den man aus stofflichen Gründen so gern über die Achsel angesehen, glänzend zu rehabilitieren. Sie gibt uns einen Ueberblick über seinen Entwickelungsgang, einen Einblick in sein ernste« Schaffen, in sein unermüdliches Ringen mit den enormen technischen Schwierigkeiten, wo es galt, den richtigen künstlerischen Ausdruck zu finden für die extremen Erscheinungen in Licht und Farbe, mit denen sich sein eigenartiges, nervös vibrierendes Künstlergemüt unablässig beschäftigte. Pastelle, Oel- bilder, Porträts, Studienköpfe, Figürliches, dar- unter auch Akte und Landschaften, alles finden wir in Beyers Ausstellung vereint, von den schüchternen Versuchen des Anfängers, von den Arbeiten des jungen Dresdner und Münchner Akademikers bis zu den letzten Meisterarbeiten de« reifen Künstlers. Die Ruhe in der Darstellung der verschleierten Dame in Schwarz (Kniebild), die später im Hüftenbild wiederholt wird, kennzeichnet diese wie noch andere Bilder als Werke, die unter dein Einfluß akademischer Strenge und Wohl erzogenheit entstanden sind. Ganz frei und ganz selb ständig ist Melly erst in den Buntstiflzeichnungen, wie z. B. jene, die die Dam'e auf dem Divan in golbseidenen Kiffen ruhend, darstellt. Hier wird er zu dem hervor- ragenden Impressionisten, den wir in seiner Subjektivität bewundern. Und wenn er auch in der Form nicht immer ganz korrekt ist und in der Farbe stellenweise manchem gesucht erscheinen niag. so erreicht er doch hier erst, wa« ihm am meisten am Herzen lag. Hier erst gibt er in einer Vollendung, die seinen Absichten genügen mochte, den menschlichen Körper in der Unmittelbarkeit seiner Be- wcgung oder .Haltung, in der Originalität seiner Farbe, umspielt und umkost vom Lichte. Licht und Farbe sind es. in deren Studium Melly sich nicht genug tun kann Immer wieder firiert er sie in der ganzen Unendlichkeit i und Varietät ihrer Erscheinung mit allen Reflexen und ! Kreuzungen. Ter Drang zu diesen Sonderheiten hat Idem Künstler jein« ew«n« Technik gegeben. Di« Ban- I nung der leisesten Sichter, di, Wiedergabe der mehr oder weniger stark beleuchteten Farbe in einer Falte oder unter dem Pliss« eines Kleides verlangt die Beweglichkeit des leichten trockenen Stiftes, und in der Buntstiftzeich- nung hat Melly denn auch das, was er erstrebte, am voll kommensten erreicht. Allerdings ist die Bezeichnung Buntstiftzeichnling nicht ganz zutreffend. Er hat allen einschlägigen Malarten entnommen und seiner persön lichen Auftragsweisc vereinigt, was ihm zur Erreichung seiner Ziele am dienlichsten war. Der Künstler war ein flotter Lebemann, der elegan- ten Welt und Halbwelt hat er seine Stoffe entnommen Sie sind nicht immer schön, die Frauen, deren Bild er auf die Leinwand bringt, aber sie sind interessant, kapriziös, pikant, chic. Die dem angestochenen Fallobst vergleich baren sind ihm am willkommensten. Er malt sie wie sic sitzen, liegen, stehen, wie sie träumen, lesen, schmollen, ruhen, auf dem Sofa oder auf dem Divan in gelben, roten und grünen Kissen Lackschuhe, seidene Strümpfe, seidene Kleider, seidene Unterkleider malt er mit einer Eleganz und mit einer Naturtreue hin, daß der Beschauer jenes prickelnde Rauschen und Knistern zu vernehmen glaubt, wie eS bei der Bewegung einer in Seide gekleide> ten Frau entsteht. DaS Mädchen auf dem Bettrande, die Schlafende auf dem Chaiselongue im grünen Kleid und mit schwarzen Strümpfen, die träumend auf dem Divan zwischen seidenen Kissen Versunkene, die Dame vor dem Spiegel in der violetten Seidenbluse u. a. sind hier zu nennen. Indessen geht der Maler voran. Wa< er an subtilsten Erscheinungen in Licht und Farbe mit dem Buntstift erreichte, das will er mit dem Pinsel geben. Impressionistisch geht er auch hier zu Werke. Einige Scesiücke. die Wäsche auf der Leine entstehen. Gern letztes grüße« Werk ist leider unvollendet. Eine Dame in rotblondem Haar, großein, grauem Hute, schwarzem Unterrock, schwarzen Strümpfen und glänzenden Lack schuhen. mit bloßer Brust und bloßen Armen sitzt vor dem Spiegel Eine rote Decke ist über den Spiegeltisch ge breitet Helle Felle liegen am voden, der Hintergrund, eine Wand, vielleicht auch ein großer Wandschirm, ist grün. Die Farbenzusammenstellung erscheint vielleicht gewagt. Wrr können nicht wissen, wie der Akkord an» Nungen hab«, würde i« Hilde. Jn»s«W M
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