02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040325024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904032502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904032502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-25
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 75 nach den Familiruuach« richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenannahme 25 -H. Extr«-Betlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, m i t Postbesördrrung 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Poll in Leipzig Huh. Or. B., R. L W. »ltnthardtl Sir. 155. Freitag den 2-'). März 1904. 98. Jahrgang. Var Mchtigrie vom rage. * Der Rat der Stadt Leipzig hat für den Ankauf derPrellerschen Fresken im Römischen Hause 30 000 >. bewilligt und ersucht die Stadt verordneten um Zustimmung. * Bei der Reichstagsersatzwahl in Lüne ¬ burg erhielten in der Stichwahl nach bisheriger Feststellung: v. Wangenheim (Welfe) 11 655, Dr. Iänecke (natl.) 10 139 Stimmen. Ein Dorf fehlt noch. * Gestern abend N10 Uhr fuhren die fürSüdwest - afrika bestimmten 16 Offiziere und 400 Mann unter Major Heyde von Berlin ab. Zum Abschied waren der Kronprinz und die Prinzen Eitel-Friedrich und Adalbert auf dem Lehrter Bahnhof erschienen. * Die wasserwirtschaftliche Vorlage wird dem preußischen Abgeordnetenhause unmittelbar nach der Osterpause zusammen mit der Sekundär- bahnvorlage zugehen. Ebenso beabsichtigt der Finanzminister die von ihm angekündigten Gesetz entwürfe, betreffend die Vermehrung des Be triebsfonds der Seehandlung, sowie be treffend Anlegung derSparkassenbestände zu- sammen und zu gleicher Zeit einzubringen. * Kaiser Wilhelm dankte von Neapel aus tele graphisch dem Könige Victor Emanuel für dessen herzliche Begrüßung auf italienischem Boden. * Der Zar ernannte den Generalstabschef Szacha- row zum Kriegsmini st er. vrr OMrier in Liv!!. Man schreibt uns: In der bekannten Zeitschrift „Das Recht" (Hannover, Helwingsche Verlagsbuchhandlung) er örtert v. Koppmann die überaus wichtige Frage, ob Angehörige des Soldatenstandes gegenüber Vorgesetzten, die Civilkleider tragen, zur militärischen Unterordnung verpflichtet seien, v. Koppmann gelangt hierbei zur B e - jahung dieser Frage aus folgenden Gründen: Er geht davon aus, daß das Militärstrafgesetzbuch bei der Be griffsbestimmung der Delikte gegen die Pflichten der Disziplin nicht verlangt, daß der Vorgesetzte in Uniform gewesen sei, sohin keine Einschränkung des Begriffs „Vor gesetzter" iwder Richtung auf das Tragen von Uniform oder Dienstabzeichen enthält und folglich die Achtung bezw. die Unantastbarkeit der Person des Vorgesetzten oder den Gehorsam gegen dessen dienstliche Befehle von diesem äußeren Momente nicht abhängig macht. Dieser Grund gedanke findet auf alle strafbaren Handlungen gegen dre Pflichten der militärischen Unterordnung an Offizieren in Civil gleichmäßige Anwendung; lediglich betreffs der Erweisung der militärischen Ehrenbezeigungen ist, sofern eine Ausnahme getroffen, als Offiziere diese nur zu be anspruchen haben, wenn sie Uniform tragen. Gehört hiernach zum objektiven Tatbestände einer an einem Vorgesetzten begangenen strafbaren Handlung gegen die Pflichten der Disziplin grundsätzlich keineswegs, daß der Vorgesetzte sich in Uniform befunden haben müsse, so ist natürlich zur Erfüllung des subjektiven Tat- bestandes erforderlich, daß der Untergebene Kenntnis davon gehabt habe, daß es die Person eines Vorgesetzten sei, gegen die sich seine subordinationswidrige Handlung richtet. Erkennt nun aber der Untergebene den Vorgesetzten nicht, so entsteht die weitere Frage, ob es in diesem Falle ausreicht, wenn der Vorgesetzte sich dem Untergebenen zu erkennen gibt, indem er etwa erklärt, er sei der Leutnant N. des Regiments X. v. Koppmann ist der Meinung, daß cs sich hierbei umeineTatfrage handele, die sich in der Regel nur nach Lage des konkreten Falles und auch da vielleicht nicht immer mit Sicherheit beantworten lasse. Im allgemeinen indeß sei anzunehmen, daß das bloße mittels mündlicher Erklärung allein erfolgende sich zu Erkennengeben als Offizier nicht genüge, um ein aus- reichendes Ueberzeugtsein des Untergebenen von der Richtigkeit der Angaben des Vorgesetzten zu verschaffen, da die einfache Behauptung eines Unbekannten häufig be rechtigtem Mißtrauen begegnen könne. Am Schlüsse seiner beachtenswerten Ausführungen streift v. Kopp mann noch das Verhältnis der nicht im Dienste be findlichen Personen des Beurlaubtenstandes zu den Vor gesetzten des aktiven Dienststandes, sowie zu den gleich falls nicht imDienste stehenden Vorgesetzten des Be- urlaubtenstandes. Zutreffend betont er, daß in diesen Fällen keinerlei militärische Beziehungen der betreffenden Personen zu einander bestehen. Man hat hieraus zu folgern, -aß eine in ihren bürgerlichen Verhältnissen be findliche Person des Beurlaubtenstandes weder einem militärischen Vorgesetzten des aktiven Dienststandes — gleichviel ob er Uniform trägt oder nicht — noch einem ebenfalls in bürgerlichen Verhältnissen stehenden Borge- setzten des Beurlaubtcnstandcs gegenüber Pflichten der militärischen Unterordnung hat. Keiner der bezeichneten Vorgesetzten ist berechtigt, solchen Untergebenen Dienstbe- fehle zu erteilen oder Achtungsbezeigungen von ihnen in Anspruch zu nehmen. 21. Der russtsch-japanischr Krieg. Auf einer Batterie in S>»rt Arthur «»ährend der Vefihietzung. Ein russischer Artillerieoffizier, der am 9. Februar auf dem sogenannten Elektrischen Berg in Port Arthur in einer Batterie verwundet wurde, hat im Lazarett eine leb hafte Schilderung seiner Eindrücke während des Kampfes nicdergeschrieben. Es heißt darin: Es war ein klarer sonniger Tag und die See leicht bewegt. Plötzlich tauchte in dem dünnen Nebel am Horizont ein Punkt auf, bald ein zweiter, ein dritter usw., bis wir 15 Schiffe sahen. Noch sind sie weit 15 Kilometer, dann 12, 10, 9. Ein weißes Wölkchen! Bum! Wir warten gespannt, wo die Granate cinschlagen wird. Unsere Batterie hängt über einem Ab grund, hoch über dem Meer. Unten ankert mit der Ad miralsflagge der Panzer „Pereswjät". Da schlägt eine Granate vor ihm ein. In der Sonne schillernd steigt eine Wassersäule empor und überflutet das Teck. Ein zweircs Wölkchen. . . . Ueber unsere Köpfe schwirrt es hin. Hinter uns auf dem Berge erdröhnt eine furchtbare Er- plosion. Ein drittes, Wölkchen steigt auf. In diesem Augenblick durchlebte ich viel. Die Frage drängt sich auf: Wenn sie richtig gezielt haben, muß denn das Geschoß nicht direkt diese Batterie treffen? Erst erreicht uns das feind liche Geschoß nicht, dänn fliegt es über die Batterie hinweg, das dritte fällt gerade auf den Abhang unseres Felsens. Tas ist das Signal auch für uns, zu feuern. Zehn Küstenbatterien und zwölf Schiffe antworten auf den feindlichen Gruß. Was nun geschah, ist schwer zu be schreiben. Das Meer siedete förmlich weiß auf unter den einschlagenden Geschossen. Die Kommandos sind nicht hörbar. Ueber 150 riesige Geschütze speien Tod und Der- derben. Rauch, Dampf, Staub, ein wüstes Geheul, ein unheimliches Sausen und Pfeifen, eine wilde Kakophonie, eine wilde Orgie. Der Pulverdampf und der Staub blen deten uns. Bon Aufregung bemerkte ich nichts. Meine Zähne begannen zu schmerzen und ich hatte eine seltsame Empfindung von Freude unter allen Scenen des Todes, die keine Schrecken mehr fiir mich hatten, sobald erst die erste Granate eingeschlagen war. Plötzlich ein verzweifel tes Stöbnen — ein Splitter hat einem Soldaten die Nase weggerissen. Es fließt das erste Blut in der Batterie, die Krankenträger eilen mit Tragbahren herbei. Mich packt jemand an die Schulter. Ich wende mich um — vor mir sieht ein zitternder Soldat, seine Lippen beben, er will offenbar etwas sagen, doch kein Wort dringt hervor. Mit dem Finger weist er nach unten. Ich begriff nun, daß dort etwas vorgefallen sei. Unten am Berge steht eine kleine Batterie von Schnellfeucrgeschützcn, die Mar klein und zierlich waren, jedoch in einer Minute 60 Schuß abgeben können, d. h. 60 X 200-^12 000 Kugeln. 'Tie sollen eine Landung oeichindern. Ich laufe nach unten ... die Orgie hat dort ihren Höhepunkt erreicht . . . Granaten platzen wie Raketen auf einem Fest: Splitter schwirren pfeifend umher, Rauch, Dampf und Erde . .. Ich laufe zu meiner Batterie und sehe ein trauriges Bild. Zwischen Geschütze und Leute ist eine Granate gefallen. Da liegt ein Soldat mit berausgcrissenen Eingeweide«, ein anderer mit zer schmettertem Kopf, einem dritten sind drei Granaten splitter in den Schädel gedrungen. Ein Ttahlgeschütz ist wie ein Rohr geknickt. Uoberall Blut ... Ich ließ die Toten forttragen und eilte nach oben zurück, wo noch immer eine wahre Hölle tobte. Endlich geht der Kampf zu Ende. Die Javaner ziehen sich zurück. Der Rauch ver teilt sich, die Sonne kommt wieder zum Vorschein, doch welches Bild beleuchtet sie! ... Der Kommandant General Stössel kommt und beglückwünscht uns zur Feuertaufe. Er heftet mir den St. Georgsorden auf die Brust. Ach. wenn ihr unsere unglücklichen Panzerschiffe „Retwisan", „Zäsarowitsch" und ,;Pallada" gesehen hättet, als sie von Torpedos durchbohrt, in den Hafen bugsiert wurden! Alle weinten . . . Frauen, Matrosen, Soldaten und Of fiziere ... V«r letzte Seekampf v«r Arth«». * Tokio, 24. März. (Reuter.) Ein Bericht de» Ad mirals Togo macht über die Seeschlacht bei Port Arthur folgende Mitteilungen: Am 22. d. M. manövrierte die ver einigte Flotte, wie vorgesehen. Zwei Abteilungen Torpedo bootzerstörer bewegten sich, wie befohlen, vor Port Arthur von der Nacht des 21. bis zum Morgen d«S 22. d. M. Obgleich unsere Torpedobootzerstörer in dieser Zeit dem Feuer des Feindes ausgesetzt waren, erlitten sie keine Beschädigungen. Um acht Uhr morgens kam das Hauptgeschwader in Sicht von Port Arthur. An demselben Tage wurde ein Teil der Flotte nach der Pigeonbay beordert, und die Linienschiffe „Fuji" und „Jaschima" erhielten Befehl, eine indirekte Beschießung deS inneren Hafens vorzunehmen. Während dieser Beschießung kamen die feindlichen Schiffe nach und nach auS dem Hafen heraus. Als die indirekte Beschießung aufhört- — etwa um 2 Uhr — waren fünf russische Schlachtschiffe und vier Torpedo bootzerstörer zu sehen. Wir waren der Ansicht, daß der Feind durch seine Bewegung den Versuch machte, unS näher an die Forts heranzubringen. Der Feind beschoß unS gleichfalls in direkt von seinen Schiffen aus. Seine Geschoße fielen zahl reich in der Nähe des „Fuji" nieder, richteten aber auf unseren Schiffen keinen Schaden an. Etwa um 3 Uhr zogen sich unsere Schiffe vom Hafen zurück. * London, 25. März. Die „Times" melden au» Niutsch- wang: Der Beamte der Ruffisch-Chinesischen Bank Krentler ist zum französischen K-nsularagenten in Niutschwang ernannt worden. Das Ngentum der russischen Regierung soll ihm übergeben werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. März. Zur preußischen Wahlrechtsreform. Wir haben unfern Lesern bereits darüber berichtet, daß in Sachen d?s preußischen Wahlrechts euch der Initiative sämtlicher drei liberalen Parteien ein An trag hervorgegangen ist, der nach den Osterferlen zur Verhandlung kommen soll. Dieser Antrag soll in seinem Inhalte ein Kompromiß zwischen den verschiedenen libe ralen Richtungen darstellen. Er hat sich, um praktisch wirksam werden zu können, auf beischeidene Forderungen beschränkt, aber leider müssen wir uns zu der Ansicht be kennen, daß auch diese bescheidenen Forderungen keine Aussicht auf Erfüllung haben. Die liberalen Vorschläge beziehen sich auf vier Punkte. Der wichtigste dieser Punkte ist das Verlangen, daß „eine anderweite Feststellung der Wahlbezirke unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen erheblichen Vermehrung der Bevölkerung herbeigeführt, die G e s a m t z a h l der Abgeordneten und die Wahlorte neu bestimmt werden." Augenblicklich sind gegenüber einer ungebührlichen Bevorzugung des platten Landes die großen Städte und die Jndustriebezirke geradezu entrechtet. Eine gleiche Einteilung dec Wahl kreise würde nun die Wahlverhältnisse zu Gunsten der Städte erheblich verschieben. So berechtigt diese Ver schiebung sein würde, so ist es doch ganz sicher, daß weder Feuilleton. § Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Schöneiche. Die Privatwohnung Hugh Mainwarings lag an der schönen Allee, die im Norden zur Stadt hinausführt. Gleich allen anderen Gebäuden dieser Stadtgegend, war auch Hughs Haus ein palastartiger Bau. Seitdem er es in seinen Besitz gebracht, hatte cs aber eine gewisse Jndivi- dualität angenommen, die es wesentlich von seinen ele ganten Nachbarn unterschied. Die Jahre waren nicht vorübergegangen, ohne dem Hause in vielfacher Be ziehung den Charakter seines Herrn aufzuprägen. Ur sprünglich hatte es einer der reichsten und ältesten Fa- mflien des Landes gehört, war also kein streng modernes Haus. Ein solches hätte auch dem Geschmack des stolzen Mainwaring durchaus nicht entsprochen; ein Haus, dessen Hallen nicht noch die Spuren des Altertümlichen trugen und in dessen Atmosphäre nicht noch der schwache Duft längst vergangener Tage herrschte, wäre Hugh viel zu plebejisch gewesen. Don der Straße bis zum Haupteingange schlängelte sich ein breiter Fahrweg unter den verschlungenen Aesten einer doppelten Reihe riesiger Eichen, die dem Wohnsitze seinen Namen gegeben hatten. Schöne Park- und Garten anlagen erstreckten sich nach allen Richtungen und senkten sich auf der Rückseite des Gauses allmählich bis zum User eines kleinen Sees hinab. Das Hauptportal lag nach Westen. Fast rings um das Haus lief eine breite Veranda mit herrlicher Aussicht auf die unmittelbare Um- gebnng und weiterhin bis auf den nicht allznfernen Hud- fon. Der südwestliche Teil des Gebäudes enthielt die Privatzimnier deö Hausherrn, zu denen auch der soge nannte Turm gehörte, den er bald nach Erwerb der Be sitzung angebaut batte. Diese Zimmer lagen fern von den Gesell schaflSräumen im zweiten Stock. An dessen süd westlichem Ende befand sich das Bibliothekzimmer, ein halbes Achteck, ausgestattet mit aller Pracht und kostbaren Bänden, die sich an den Wänden vom Fußboden bis zur Decke reihten. Die Mittelseite des Achtecks war drapiert nut schweren Portieren; hinter diesen, halb verborgen, lag das „k»n<>tum t-kweluaruin", wie Hugh cs nannte — das Turmzimmer. Dieses war klein, von kreisrunder Gestalt und mit einem mächtigen Schreibpult, zwei drehbaren Bücherrepositorien und einem eisernen Geldschrank möbliert, der neben wichtigen Papieren, wie es hieß, auch die alten Mainwaring-Juwelen enthielt. An die Biblio thek schlossen sich das Rauchzimmer und das Schlafgemach. Aus den letzteren beiden Zimmern gingen Türen in die sogenannte obere Halle, durch die nian nach dem Süd oder Seitenausgongc des Hauses gelangte. Der herrschaflliche Zutritt fand durch die unmittelbar mit dem Wcsiportal zusammenhängende große Halle statt. Don dieser führte ein direkter Aufgang zu dem langen Korridor im zweiten Stock, an dessen südwestlichem Ende die beschriebene Bibliothek lag. Vom Südausgange lief ein zwischen Staudenge wächsen sich schlängelnder Kiesweg nach einem Lustwäld chen, das sich bis zu dem kleinen schon erwähnten See hinabzog und dessen Ufer umsäumte. Doch das, was Schöneiche den Stempel besonderer Eigentümlichkeit aufdrückte, war der Hauch der Erklussi- vität, der das Haus durchwehte. Mit Ausnahme von „Onkel Moses", einem Neger, dem die Instandhaltung der Park- und Gartenanlagen oblag, bestand die ge samte Dienerschaft aus Ausländern. Der Küchenchef war ein Franzose, das andere Personal stammte aus England oder Irland; vom Portier bis zum Stubenmädchen schien jeder sich die Zurückhaltung angeeignet zu haben, die den Hausherrn charakterisierte. Hugh Mainwaring begnügte sich übrigens mit einer verhältnismäßig geringen Dienerschaft. Er bedurfte auch keiner größeren, denn noch niemals bis jetzt hatte das Haus länger weilende Gäste ausgenommen. Hin und wieder wohl kam eS vor, daß er aus der Stadt einige be freundete Herren mitbrachte, die er dann fürstlich be wirtete; sehr selten jedoch erschienen die Herren in Be gleitung ihrer Damen, denn solche wurden in Schöneiche nicht gern gesehen. Bei derartigen Gelegenheiten machte in gewissem Sinne Frau La Grange die Honneurs. Sie galt zwar für die Haushälterin, nahm in Wirklichkeit aber eine viel höhere Stellung ein. Verwunderlich war das keinem, der mit ihr in persönlichen Verkehr trat und sie in ihrer Unterhaltung kennen lernte, denn sie zeigte sich mit dem Ton der guten Gesellschaft ebenso vertraut wie der Haus herr. Besonders dieser Umstand zog sie mit unter den Schleier des Geheimnisses, der das ganze Haus umhüllte. Sie war vor etwa fünfzehn Jahren in tiefer Trauer kleidung mit ihrem Kinde, einem dreijährigen Knaben, nach Schöneiche gekommen, und es wurde allgemein an genommen, daß sie eine entfernte Verwandte Herrn Mainwarings sei. Sie war eine auffallend schöne Frau, doch war ihre Schönheit von jener Art, die die Bewunde rung mehr gebieterisch fordert als unwillkürlich gewinnt. Groß, von junonischer Gestalt und Haltung, und rosig angehauchtem, zart brünettem Teint, verliehen ihr doch die großen schwarzen, wie Diamanten funkelnden, für ge wöhnlich aber kalten Augen einen strengen Ausdruck. Ohne Zweifel indessen vermochten diese auch ebenso in brennen- der Glut zu strahlen, wie in jähem Zorn zu blitzen. In der Unterhaltung konnte sie außerordentlich liebenswürdig jein, doch gab es schärfer blickende Leute, die unter ihrem bezaubernden Wesen verborgen einen gefährlichen Cha- rakter erkannten, einen Willen, der sich durch keinen Zwang brechen, durch nichts beugen ließ und in Wirklich keit das Haus beherrschte. Nach Jahren geheimnisvoller Abgeschlossenheit war dieses nun einmal voll überseeischer Gäste. An dem Nach mittage, an dem die vier Herren im Bankhause ihre Be sprechung hielten, befanden sich auf einem der oberen Balkons fünf englische Damen, die ihre Eindrücke über ihren Verwandten und dessen Heim austauschten. Die Gruppe bestand aus der Frau Ralph Mainwarings und ihrer Tochter Isabella; aus Fräulein Edith Thornton, Tochter von William Mainwaring-Thornton und Braut des jungen Hugh Mainwaring, sowie aus Fräulein Lizzy Carleton, Cousine von Edith Thornton, nebst Frau Hogarth, der Ehrendame in Herrn Thorntons Hause- In Anbetracht ihres ersten Besuches auf dem westlichen Kontinent und der Veranlassung, die sie hierher geführt hatte, nahmen die Versammelten großes Interesse an allem, was sich ihren Augen bot. Besonders die jungen Damen ergingen sich in Ausdrücken begeisterter Be- wunderung für das Haus und seine Umgebung. Selbst Frau Mainwaring, die ein sehr phlegmatisches Tempe rament besaß, räumte ein, daß es in der Tat ein herrlicher Ort wäre, viel schöner als sie erwartet hätte, und das be deutete ein großes Zugeständnis von ihrer Seite. „Es ist geradezu entzückend!" rief Lizzy Carleton, das Geländer, von dem aus sie auf den in der Ferne sichtbaren Ozean geblickt hatte, verlassend und sich neben ihre Cou sine setzend. „Ich halte dich für das glücklichste Mädchen in der Welt, Edith, ich gratuliere dir von Herzen." „Danke dir, Lizzy", erwiderte die Angeredete — eine Blondine mit großen blauen Kinderaugen —, „aber du wirst mein Glück mit genießen und ebensoviel Teil daran haben wie ich, da du mich nicht verlassen darfst, bis du selbst heiratest." „Sei nicht so unvorsichtig", entgegnete Lizzy munter, „denn ich werde wahrscheinlich nienials heiraten." Sie war eine Waise und reiche Erbin, hatte aber in der Fa- milie ihres Onkels William, der gleichzeitig ihr Vormund war, eine Heimat gefunden. Isabella Mainwaring — groß, mit dunklem Haar und den kalten grauen Augen ihres Vaters — lag nahe bei Lizzy in einer Hängematte und lachte kurz auf: „Ihr scheint ganz zu vergessen, daß unser Vetter voraus- sichtlich noch viele Jahre im alleinigen Genuß seiner Be sitztümer bleiben wird." „Du berechnendes Geschöpf!" rief Lizzy empört, „zählst du schon die Jahre bis zu seinem Lode?" „Ja, das klang nicht hübsch; Isabella, ich wundere mich über dich!" stimmte Frau Mainwaring zu. „Aber warum denn, Mama? Mein Gott, ich dachte nur, und Gedanken sind doch zollfrei." Edith richtete ihre großen Augen fragend auf Frau Mainwaring. „Ich denke, da der Vetter nun einmal Hugh zu seinem Erben einsetzen will, wird er uns öfter einladen, ihn hier zu besuchen. Meinst du nicht auch, Tante?" „Zweifellos, mein Kind", antwortete Madame Main- Waring und sprach dann zu Frau Hogarth gewandt in leiserem Tone weiter: „Ich muß indessen gestehen, daß ich für meine Person durchaus kein großes Verlangen trage, diesen Besuch zu wiederholen; denn auf die Dauer dürfte es hier doch sehr langweilig werden. Wilson hat von den Dienern gehört, daß Mainwaring sehr still lebt und nie- mals Gesellschaften gibt. Und dann, ich kann mich ja irren, macht es mir sehr den Eindruck, als ob Frau La Grange hier eine recht fragliche Stellung einnähnie. Sie soll die Haushälterin sein, also eine Dienerin, und den noch beteiligt sie sich an der Unterhaltung und benimmt sich eher als alles andere wie als Dienerin." „Ich nehme weniger Anstoß an ihrer Stellung", er widerte Frau Hogarth ruhig, „obgleich auch mir diese etwas sonderbar erscheint, mich berührt vielmehr ihre ganze Persönlichkeit unangenehm." „Genau auch meine Empfindung", nickte Frau Main waring lebhaft. „Sie wollen jedenfalls andeuten, daß sie keine anständige Person ist?" „Nein", schüttelte Frau Hogarth lächelnd den Kopf, „ein so entschiedenes Urteil habe ich mir noch nicht ge bildet, so weit möchte ich nicht gehen, aber ich halte sie für ein gefährliches Weib." „Ach, liebe Frau Hogarth!" rief Edith, „wie unbarm herzig Sie immer dem, was mir gefällt, den Reiz rauben;
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