Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040328028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904032802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904032802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-28
- Monat1904-03
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis str der tzasptexpedition oder deren Au-gobe- stellen aegeholt: vterteljährttch L.—, del zweimaliger täglicher Zustellung t»« Hm« 878. Durch di« Post bezogen für Deutich- land u. Oesterreich vierteljährlich X 4.V0, für di« übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. Ueduttt»» „tz Srp<dttt»»r Johanntsgasse 8. Fernsprecher 1L3 «. LS. Filialerpesitioneu: SlfrrdHahn, Buchbandlg.. UniverfltätSstr. S Aernspr. Nr. 4046», L. Lösche, Katharinen« straße 14 (Fernsprecher Nr L93Ü) u. Königs platz 7 (Fernsprecher Nr. 7b0b). Hnupt-Atliule Dresden: Mnrienstrab« 84 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718t. Hanpt-Filiale verlia: LarlDuncker, Herza l.Bayr.Ho fbuchbaudla- Lützowstraße 10(Fernjprech«rAmt VL Nr.46O3.) Abend-Ausgabe. MpMer^ TaMaü Anzeiger. Amtsblatt des Höniglichen Land- «nd des Äöniglichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Nolizeiamtes der Ltabt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen mter dem ««dattion-sUich («-»spalten) 75 ^L, nach den Familienuach- richten (ügejpalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühre« für Nachweisungen und Offertenannahmr 8b 4. Oxtrn-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgru-Ausgabr, ohne Popbefvrderung M.—, mit Postbefvrdernug 70.—. Annahmeschlnh für Anzeige«: Abend-Ausgab«: vormittag- 10 U^. Morgen-LuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zn richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Paiz in Leipzig (Inh. vr. «„ R. L W. Klinkhardt). Nr. 18«. Motttag den 28. März 1904. 98. Jahrgang. Var wichtig«- vom lag«. * Bon der Leipziger Ortskrankenkasse werden über die drei ärztlichen Beratungsan. stalten, die am 1. April eröffnet werden sollen, nähere Angaben gemacht. * SS bestätigt sich, da- die Gründung eines Allge meinen deutschen Arbeitgeberverbände stärk gefährdet ist, und zwar wegen -er An sprüche des Zentralverbandes deutscher In- dustrteller auf die Leitung des neuen Verbände-. * Die koreanische Regierung wirb -en Besuch des Marquis Ito durch eine Gesandtschaft er- widern. Unrere voioilialpolitik. Stehen wir an einem Wendepunkt unserer Kolonial politik? Im Augenblicke, da die einzige deutsche Kolonie, in welcher die klimatischen Verhältnisse die Ansiedelung von Europäern zur Betreibung von Ackerbau und Vieh zucht zulassen, nur unter Aufwendung von Strömen von Blut und großer materieller Opfer dem Deutschen Reiche erhalten werden kann, tritt diese Frage in ungeheuer ernsthafter Form an Deutschland heran. Unter dem Ein- druck der HiobSposten aus Deutsch-Südwestafrika können wir uns der trüben Betrachtung nicht entziehen, daß dieser Kolonialkrieg mehr als eine militärische Ehren sache, denn als eine tiefer greifende Dolksfrage behandelt und beurteilt wird. Die Kolonialbewegung hat sich — da- müssen wir leider eingestehen — bis jetzt meist nur an der Oberfläche gehalten und nicht die Massen unseres Volke- ergriffen. Und doch war der Ruf und da- Drängen nach Kolonien unmittelbar nach dem großen Kriege 1870/71 allgemein. Viel Zeit verfloß dann, bis Deutsch, land zu den ersten Anfängen seiner Kolonialpolitik sich aufraffte zögernd, mit unzureichenden Mitteln, unter mannigfachem Wechsel des Systems und der für die Kolonien in Betracht kommenden führenden Persön lichkeiten. Dazu kam noch ein Grundfehler: die durch ihre ganze historische Entwickelung zur Geduld erzogenen Deutschen verfielen in den Wahn, schon nach einigen Jahren Früchte sehen und ernten zu wollen, wo sie kaum gesät hatten, und eine koloniale Entwickelung binnen einem Zeitraum von zehn oder noch weniger Jahren zu beanspruchen, wo andere Nationen unter weit günstigeren Verhältnissen Jahrhunderte dazu gebraucht haben. Bei diesen hochgespannten Erwartungen, die zugleich Hand in Hand gingen mit einer unbezwingbaren Kolonialgegnerschaft von anderer Seite, konnten verhäng nisvolle Rückschläge nicht au-bleiben, welche jegliche Kolo- nialfreudigkeit lähmten. ES kann auch nicht geleugnet werden: viele Fehler sind begangen worden; manche Per sönlichkeit in den Kolonien hat den deutschen Namen in den Staub gezogen. Unberücksichtigt darf hingegen wiederum nicht bleiben, daß Deutschland vor dem Lichte der breitesten Oeffentlichkeit kolonisieren mußte, und jeder seiner Schritte sorgfältig ausgespäht, die Taten und leider auch Untaten seiner Kolonisatoren, Beamten und Soldaten sofort an die große Glocke gehängt wurden, während die anderen Kolonialmächte gewissermaßen unter dem Schleier der Dunkelheit ans Werk gingen. Das soll keine Entschuldigung für begangene Verfehlungen sein. Aber sicherlich kann die Kolonisationsarbeit mit ihren unvermeidlichen Härten nicht mit demselben Maß stabe gemessen werden, wie etwa die sozialreformatorische Gesetzgebung unserer Jahrzehnte. Daß der Aufstand der Herero mit blutiger Hand niedergeschlagen werden muß, und zwar so nachdrücklich als möglich, steht außer aller Frage. Aber was dann? Soll diese lahme Praxis, dieselbe Vernachlässigung aller dringend erforderlichen Verkehrsinteressen sich weiter fortschleppen? Wie viel wird dieser Aufstand an Gut und Blut kosten, der sich vielleicht bei größerer Um sicht und bei stärkerer kolonisatorischer Energie hätte ver meiden lassen? Dieselben Summen, für die Kolonie Süd- wcstafrika gleich von vornherein verwandt, würden aus ihr eine in absehbarer Zeit wirklich nutzbringende Kolonie gemacht haben I Was für Südwestafrika gilt, muß gleicherweise in un seren übrigen Kolonien Anwendung finden: es sind die nötigen Verkehrsstraßen und Sicherheit zu schaffen. Ohne eine eigene Kolonialtruppe wird letzteres nach den Lehren in Südwestafrika kaum zu erreichen sein, und in den Reichstagsdebatten nach den Osterferien, bei der Erörte rung des Kolonialetats oder Auswärtigen Amtes dürfte diese Frage ebenfalls lebhaft debattiert werden. Der rirsstsch-japauische Krieg. Port Arthur. Ueber -ie vorgestrigen Kämpfe in den Gewässern vor Port Arthur berichtet noch ein amtliches Telegramm des Statthalters Alexejew an den Kaiser aus Mukdcn von gestern: Bet dem Angriff der feindlichen Dampfer aus das Torpedoboot „Ssilny" wurde der Schornstein und die Maschine -es letzteren beschädigt. Das Boot trieb infolge, dessen in der Nähe des Goldenen Berges auf das Land, von wo eS wieder flott gemacht wurde. Die Zahl der Getöteten und Verwundeten auf dem „Ssilny" ist noch nicht genau bekannt. Gegen d^/2 Uhr morgens bemerkte man südlich vyn Port Arthur feindliche Torpedoboote, auf welche unsere Batterien bas Feuer eröffneten. Gegen 6 Uhr erschien das feindliche Geschwader am Horizont. Um 6s/s Uhr eröffneten die Batterien -er Halbinsel Ttgerschwanz ebenfalls das Feuer. Unser Geschwader ver- ließ den Hasen. „Bajan", „Nowik" und „ASkold" fuhren an der Spitze und feuerten gleichfalls. Wegen der großen Entfernung -eS feindlichen Geschwaders wurde das Feuer jedoch bald eingestellt. Um 8 Uhr 16 Minuten stellten sich unsere Schiffe <nff der Reede in Linie, während das japanische Geschwader, offenbar um einem Gefecht auszu weichen, sich in südöstlicher Richtung zurlickzvg. Gegen 10 Uhr vormittags verschwand da- Geschwader am Horizont. Amtlich wird unterm 28. März in Petersburg folgendes bekannt gegeben: Vizeadmiral Makarow sandte an den Kaiser aus P 0 r t Arthur gestern folgende- Telegramm: Ich melde alleruntertänigst, daß der Feindsichzurückgezogen hat, woraus ich mit der Flotte in -en Hafen zurückkehrte. Das Torpedoboot „Ssklny", -aS infolge der Beschädigung der Maschine durch ein feindliches Geschoß in der Nacht aus eine Sand- bank ausgelaufen war, ist flott gemacht worden und dank der Energie der Besatzung in den Hafen eingelaufen. Der Kommandeur Kriniyky, der am Arme leicht verwundet wurde, hatte seinen Posten nicht verlassen. Ans den Brandern befanden sich Höllenmaschinen, deren Drähte von Scharfschützen durchschnitten wurden. Die Leutnants Kedrow und Asarjew, sowie Fähnrich Pilsudsky gingen aus Befehl an Bord -er Dampfer, durchschnitten die elektrischen Leitungsdrähte und löschten das Feuer, welches dem Feinde den Haseneingang hatte beleuchten sollen. Auf der Reede fand sich morgens ein schwimmendes Torpedo mit einer Höllenmaschine, die glücklicherweise be- seitigt wurde. Bei der Beschießung stellte man fest, daß die Dampfer, die als Brander gedient Hatten, nicht alt sind. Sie sind 2000 Tonnen groß und mit kleinkalibriger Artillerie ausgerüstet. Ich werde einen Teil -er Dampfer für Hafenzwecke verwenden. weitere Nachrichten. * Dartmouth, 27. März. (Reuter-Meldung.) Heute begaben sich britische Marineoffiziere an Bord des Dampfers „Princesse Marie", -er unter dänischer Flagge von Port Arthur eingetroffen war, da man -en Verdacht hegte, -aß der Dampfer ein russisches Schiff sei, das die Neutralitätsgesetze übertrete. Bet einem späteren zweiten Besuche an Bor- wurden die gesamten SchiffSpapiere sorgfältig -urchgesehen. Schließ, lieh wurde -em Dampfer erlaubt, 500 Tonnen Kohle ein. zunehmen, die ausreichend sein würden, um die Ostsee zu erreichen, und daS Schiff setzte nach einem Aufenthalt von wenigen Stunden seine Reise fort. Dem Vernehmen nach ist das Schiff von japanischen Kreuzern verfolgt worden. * Söul, 27. März. (Reuter-Meldung.) Marquis I t 0 ist heute von hier abgereist. Sein Besuch Hatte Sen Er. folg, die Koreaner zu beruhigen und eine Ausdehnung des japanischen Einflusses auf die Verwaltung des Landes anzubahnen. Die koreanische Regierung gedenkt die Entsendung Itos durch eine Gesandtschaft zu erwidern. * Algier, 27. März. DaS russische Schlachtschiff „Osljabja" ist mit drei Torpedobootzerstörern von hier nach Cadix und Vigo abgegangen. * New York, 27. März. Ein Sturm hat in den Staaten zwischen Michigan um- Tennessee großen Schaden an gerichtet. Politische Tagesschau. - Leipzig, 28. März. Die Polen an deutschen Hochschulen. Die Zahl der an deutschen Universitäten und Polytechniken studierenden Polen belief sich bei Beginn des laufenden Jahres nach einer I Zusammenstellung des Vereins polnischer Studierender I in München auf 597 Personen. Don 397 an Universi- I täten eingeschriebenen Studierenden waren 295 preußi- scher, 64 russischer und 38 österreichischer Nationalität. Weitaus die größte Zahl der Studierenden polnischer Zunge besaß Berlin mit 116 Personen, es folgen Breslau mit 98, L e i p 4 i g mit 43, München mit 34, Halle und Greifswald mit 25 bezw. 22 Studierenden. Nur an den Universitäten Kiel uno Marburg war keine Jrnmatriku- lation polnischer Studenten erfolgt. Unter ven östlichen Provinzen des preußischen Staates waren naturgemäß Posen und Westpreußen, wo die allpolnische Bewegung am längsten existiert und den besten Nährboden findet, am stärksten, und zwar Posen mit 194, Westpreußen mit 78 Studierenden vertreten. Von den übrigen 23 kamen 19 auf Schlesien und 4 auf die Gesamtheit der reichs deutschen Bundesstaaten. Dem Studium nach dominieren ganz unbestritten Juristen und Mediziner. Von den pol nischsprechenden Studierenden preußischer StaatSange- Hörigkeit widmeten sich im letzten Jahre 87 der juristi- schen, 62 der medizinischen Wissenschaft, 32 der Philo- logie und Philosophie, 21 der Landwirtschaft, 19 der Theologie und 13 der Oekonomie. Anders geartet ist das Verhältnis hinsichtlich der Wahl deS Studiums bei den polnischen Studierenden russischer und österreichischer Nationalität: von ihnen wurden ganz entschieden Land wirtschaft und Oekonomie bevorzugt. Bet den Polen preußischer Staatsangehörigkeit waren die Verhältnis- zahlen: Jura 29 v. H., Medizin 21 v. H., Landwirtschaft 7 v. H., Oekonomie 4 v. H. Von 33 Oesterreichern pol nischer Zunge studierten in Deutschland 11 Landwirt schaft, 9 Oekonomie, 4 Jura, 1 Medizin, 8 Philosophie. Die deutschen Polytechniken wurden im letzten Jahr von 200 Studierenden polnischer Zunge besucht. Unter ihnen hatten die Russen mit 119 ganz entschieden daS Uebergewicht; in den Rest teilten sich die preußischen Polen mit 60, die österreichischen Polen mit 20 Studie renden. Von den preußischen Polen wurde Berlin, von den russischen wurden die technischen Hochschulen in Karlsruhe und Darmstadt, von den österreichischen Polen die Hochschule in München bevorzugt. Es waren einge schrieben polnische Hochschlller russischer Staatsangehörig keit in Darmstadt 36, in Karlsruhe 35, in München 15, in Dresden 12, in Braunschweig 9, in Berlin 6: preußischer Staatsangehörigkeit in Berlin 42, in Karls ruhe 5, in München und Darmstadt je 3; österreichischer Nationalität in München 8, in Karlsruhe 5, in Berlin und Darmstadt je 3. An deutschen Hochschulen findet, wie man sieht, alljährlich eine recht ansehnliche Zahl Studierender polnischer Zunge gastfreundliche Aufnahme und eine in jeder Hinsicht vollkommene und mustergültige Befriedigung ihres Bildungsdranges. Obwohl natürlich auch die verbündeten Regierungen wissen, daß unter ihnen zu allerlei Umtrieben geneigte, vielfach offen deutschfeindlich gesinnte Elemente sich be finden, ist ihnen doch der Zutritt zu den deutschen Bil dungsstätten nicht im mindesten verwehrt oder erschwert. Um so mehr aber muß den einzelstaatlichen Regierungen das Recht zuerkannt werden, wirksame Gegenmaßregeln zu ergreifen, wenn, wie seiner Zeit in den Vorlesungen des Professors Schiemann und neuerdings durch offenes Paktieren mit der Sozialdemokratie und unbotmäßiges Verhalten, ausländische Studierende die ihnen wie jedem Inländer gezogenen Grenzen derAnteilnahme an politischen Fragen und Bewegungen eigenmächtig überschreiten. Feuilleton. 41 Das Testament des Bankiers. Roman von A. M. Varbour. Nachdruck verboten. Als Harry Skott sich in dem Zimmer seines Prinzi pals allein befand, verriet er die größte Aufregung. Un- geduldig schob er seine Arbeit beiseite, stand auf und be gann nachdenklich mit langen Schritten auf und ab zu gehen. Tann auf einmal schritt er nach dem Turm- zimmer, wo er vor den eisernen Geldschrank trat. „Was will ich eigentlich?" murmelte er. „Einen Nutzen hat e- nicht; ich habe doch schon überall gesucht und nichts gefunden." Plötzlich aber hob er entschlossen den Kopf, ging wieder nach der Bibliothek, verriegelte die Tür und kehrte zu dem Schrank zu rück. Jetzt zog er ein kleines Schlüsselbund au- der Tasche, indem er vor sich hinsprach: „Wer weih, ob ich nicht heute mehr Glück habe; die Gelegenheit bietet sich vielleicht nie wieder" — und bekannt mit der Oeffnung de« Schrankes, lag dessen Inhalt alsbald vor seinen Augen. Dieselbe Peinlichkeit und Genauigkeit, die Mainwaring in all seinen Geschäftsgepflogenheiten außzeichnete, herrschte auch hier; jede« Fach zeigte sich aufs sorgsamste geordnet. Harry Skott ging sofort ans Werk, und in dem Be wußtsein, Zeit im Ueberfluß zu haben und sicher vor Un terbrechung zu sein, begann er den Inhalt der Fächer bis in- kleinste zu durchsuchen- Verschiedene geheime Doku mente kamen ihm dabei in die Hände, er legte sie aber alle wieder an ihren Platz. Von dem, waS er zu finden hoffte, entdeckte er keine Spur. Endlich traf er auf einen altmodischen eisernen Kasten, dessen Gewicht und Au-scben ihn darauf schließen ließen, daß er die Schatulle mit den Familien-Juwelen vor sich habe. Sollte er sie öffnen? — Ja, er durfte nichts un durchforscht lassen. Ein winziges, geheimes Fach barg einen kleinen Schlüssel. Dieser paßte in das Schloß des Kastens, und al« der Kasten sich öffnete, funkelten und blitzten Skott, getroffen von den inS Zimmer fallenden Sonnenstrahlen, die herrlichsten Edelsteine entgegen. Doch diesen schenkte er nur wenig Beachtung, denn neben ihnen, in einer kleinen Seitenabteilung, hatte sein scharfes Auge ein vom Alter vergilbtes Schriftstück entdeckt, dessen Anblick ihm in hoffuungsfreudiger Erregung das Blur ins Gesicht trieb. Hastig zog er es hervor, und ein ein ziger Blick auf die Ueberschrift überzeugte ihn, daß er endlich das Gesuchte in Händen hielt. Mit einem aus tiefer Brust aufsteigenden „Gott sei Lob und Dank" und ohne die kostbaren Edelsteine auch nur noch eines Blickes zu würdigen, verschloß er den Kasten wieder und stellte ihn auf seinen Platz zurück. Erst hiernach entfaltete er das Dokument. Mit vor Freude verklärtem Gesicht la§ er noch darin, als sich Fußtritte auf dem Korridor hören liehen. Im nächsten Augenblick wurde an die Tür der Bibliothek ge klopft. Er verschloß den Geldschrank schnell, steckte das kostbare Dokument in seine Brusttasche und öffnete die Tür. Ein Diener überreichte ihm eine Visitenkarte. „Der Herr wünscht Herrn Mamwaring oder den Herrn Sekre tär in einer Privatangelegenheit zu sprechen. Die Karte zeigte den Namen „I. Henry Carruthers" und die Bleistiftnotiz: „Wichtig". „Ich lasse bitten", sagte Skott zu dem Diener, während seine Pulse infolge deS eben gemachten Fundes noch stürmisch schlugen. Fast unmittelbar, nachdem sich der Diener entfernt hatte, trat der Fremde inS Zimmer. Er war eine gebieterische Erscheinung von etwas mehr als DurchschnittSgröße, mit blassem Gesicht, dunk lem Schnurrbart und schwarzem, krausem Haar. Eine Brille mit dunklen Gläsern schützte die Augen; seine Kleidung bestand in einem schon etwas abgetragenen, leichten Reiseanzug, doch verriet sein Wesen den vor- nehmen Mann. „Herr Skott, wenn ich nicht irre?" „Ganz recht; bitte, nehmen Die Platz. Womit kann ich dienen?" „Es liegt mir daran, zu crfcchren, wann Herr Main- Waring zu sprechen ist. Ich war schon im Bankhause, dort wies man mich ober hierher, und hier sagte mir der Diener, daß Herr Mainwaring auSgefahren und die Zett seiner Rückkehr unbestimmt sei." „Mein Herr Prinzipal wird wahrscheinlich gegen fünf Uhr zurückkommen; ob er sie aber dann empfangen wird. bezweifle ich, da er Gäste hat und deshalb kaum geneigt sein dürfte, geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen, es sei denn, daß diese von ganz besonderer Wichtigkeit wären." < „Der Fall liegt bei mir vor. Es würde mir daher sehr erwünscht sein, wenigstens morgen für kurze Zeit angenommen zu werden." „Dazu würden Sie möglicherweise nur dann Aus sicht haben, wenn Sic Herrn Mainwaring in die Lage setzen wollten, die Dringlichkeit Ihres Ansuchens be urteilen zu können, also geneigt wären, mir eine An deutung zu machen, um was es sich handelt. Sonst er scheint mir auch für morgen die Hoffnung, Ihren Wunsch erfüllt zu sehen, sehr fraglich, da morgen der Geburtstag des Herrn Mainwaring ist, den er im Kreise seiner Ver wandten besonders feierlich zu begehen gedenkt." „Ah, richtig, richtig; morgen ist ja der Geburtstag) DaS hatte ich ganz vergessen", bemerkte Herr Carruthers aufstehend, während Skott fühlte, wie die hinter der dunklen Brille verborgenen Augen ibn eigentümlich forschend betrachteten. „Und bei der Feier soll gleich zeitig der junge Londoner Namensvetter zum Universal erben erklärt werden. Freilich, zu so ungelegener Zeit darf ich mich nicht aufdrängen." Gkotts Gesicht drückte lebhafte Verwunderung aus. „Es befremdet mich, daß Herrn Mainwaring« Absicht so allgemein bekannt ist." „O, das ist sie wohl kaum", erwiderte der Fremde in sonderbarem Tone; „ich hörte nur zufällig davon. Also bitt«, sagen Sie nur Herrn Mainwaring, ich hoffe nach der Feier auf möglichst baldige Berücksichtigung. Eine Benachrichtigung wird mich vorläufig im Hotel Arlington treffen. Entschuldigen Sie, wenn ich gestört habe." Hiermit machte er eine verabschiedende Verbeugung, und Skott trat an die Klingel, um den Diener zur Be gleitung herbeizurufen; der Fremde aber wehrte ab: „Be- mühen Sie sich nicht, ich finde den Weg." Skott öffnete die Tür zur südlick)«n Vorhalle. „Bitte, hier gelangen Sie am nächsten zum Aus gange." „Danke, danke." Inzwischen waren mehrere Stunden verstrichen, und Skott setzte sich nunmehr wieder eilig an seine Arbeit. Als er eben den letzten Federstrich getan halt«, rollten die zurllckkommcnden Equipagen heran, und kurze Zeit darauf trat Herr Mainwaring ein. Dieser betrachtete aufmerksam die ihm überreichte Karte Carruthers und war sehr unangenehm von der Mitteilung berührt, daß dieser Fremde von seiner Testierung Kenntnis hatte. Indessen schien er das bald vergessen zu haben, denn er teilte sowohl bei der Mittagstafel als auch den ganzen Abend die Heiterkeit der anderen. Als ihm zu später Stunde seine Gäste in der matt er leuchteten Veranda Gute Nacht wünschten, und als letzter auch der junge Namensvetter an ihn herantrat, ergriff er dessen Hand und sagte in auffallend weichem Ton: „Hugh, mein Junge, die Strecke zwischen dem fünf- undzwanzigsten und dem fünfzigsten Meilenstein der Lebensreise ist lang ; gebe der Himmel, daß, wenn du den letzteren erreicht hast, du auf einen helleren Pfad zurück- blicken kannst, als ich eS heute abend tuel" Endlich, ganz allein, sprach er trübsinnig vor sich hin: „Wäre mir doch ein Sohn, wie er, beschicken worden!" In Gedanken verloren, blieb er noch eine Weile sieben und bemerkte nicht, daß eine Frau mit boshaft glühenden Augen, dicht an die Veranda geschmiegt, dovonschlich und eilig im Dunkel verschwand. Ein schreckliche- Erwachen. Hugh Mainwaring, der daS Bedürfnis fühlte, sich noch etwas in der frischen Nachtluft zu ergehen, stieg in den Garten hinab und wandelte dort im Schein der Sterne gedankenvoll auf und nieder. Als er zurückkebrte, begegnete er seinem Sekretär, der eben daS Hau- verließ, um auch noch etwas Luft zu schöpfen. „Kommen Sie noch einmal in die Bibliothek, ehe Sie schlaken gehen, Herr Skott", redete er ihn an. „Sofort, Herr Mainwaring, wenn Sie e« wünschen." „Nein, es hat keine Eile; innerhalb einer Stunde." Dann betrat er da« Hau«. Eine halbe Stunde später schritt Skott auf dem langen Korridor nach der Bibliothek, blieb aber vor dieser sieben, al« er drin eine zornige Stimme hörte, die er sogleich für die von Frau La Grange erkannte. „Do würdest du in diesem Augenblick sein", schrie sie. „Do würdest du all die vergangenen Jahre gewesen schn, wenn ick deine Schlechtigkeit und Falschheit an« Licht ge bracht hätte? Du hast Leinen Bruder hintergangen und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite